DRAHTESEL 2016-4

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33. Jahrgang / Ausgabe 4 / 2016

Fünf Jahre Martin Blum Was Wiens FahrradBeauftragtem gelang Seite 8

Abstand halten! Neues Gerichtsurteil stärkt Radfahrende Seite 10

Legenden mit Bäuchlein Eddy Merckx Classic im Salzkammergut Seite 24

Durch Afrika in 34 Tagen Extrem-Sportler Michael Strasser im Interview Seite 38

P.b.b. Verlagspostamt 1040 Wien – Zlgnr.: 02Z033821M

Das österreichische Fahrradmagazin Die besten Geschenktipps

für Velophile Seite 28

Macht Rahmen nach Maß Originell, stilvoll, persönlich? Was ist dran am Customize-Trend?


Bezahlte Anzeige

Danke fürs Radeln im Jahr 2016

Die Stadt Wien verbessert laufend die Bedingungen zum Radfahren. Im Jahr 2016 wurden mit den Radwegen am Getreidemarkt, am Schottenring und in der Ameisgasse wichtige Lücken im Radwegenetz geschlossen. In der Goldschlagstraße ist die erste innerstädtische Fahrradstraße entstanden. Wir bedanken uns fürs Radeln im Jahr 2016 und die vielen positiven Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge der Radfahrenden. Diese helfen uns dabei die Stadt Wien noch fahrradfreundlicher zu machen. Tipps zum sicheren Radeln im Winter und Infos zur StVO-konformen Ausstattung finden Sie unter www.fahrradwien.at.


Brief des Herausgebers Liebe Leserin, lieber Leser, Heuer errichtete die Stadt Wien erfreulicherweise mehr Radinfrastruktur und mit einer höheren Qualität als in den Jahren davor. Finden Sie unsere Zusammenschau auf Seite 18. Zusammenstöße mit unachtsam geöffneten Autotüren machen etwa 10 Prozent aller Fahrradunfälle aus. Die Radlobby empfiehlt zwar in ihrer Kampagne „Abstand macht sicher“ , einen Abstand von mindestens 1,20 Meter zu parkenden Autos zu halten. Bisher fehlte aber eine klare Judikatur zur Frage der Sicherheitsabstände. Eine Anzeige wegen Nichteinhaltung des Rechtsfahrgebotes hat uns die Chance gegeben, den Fall vor Gericht zu tragen. Erfreuliches Resultat: unsere Empfehlung wurde bestätigt. Lesen Sie mehr ab Seite 10. Das gesamte Radlobby ⁄ ARGUSTeam bedankt sich bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern. Ohne Sie wäre unsere Arbeit nicht möglich! Wir wünschen frohe Festtage und ein sicheres und entspanntes Radfahren.

Andrzej Felczak Vorsitzender von ARGUS und Radlobby Österreich

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 3

Nächstes Jahr wird in der FahrradWelt groß gefeiert: das von Karl Freiherr von Drais in Mannheim entwickelte Ur-Fahrrad wird 200 Jahre alt. Aus seiner „Laufmaschine“ entstand, nach zahlreichen technischen Verbesserungen, mit dem Fahrrad ab den 1890er-Jahren das erste massentaugliche Individualverkehrsmittel. In den 1950er-Jahren brach die Auto-Euphorie aus, die Städte wurden autogerecht umgestaltet und das Fahrrad zum Sportgerät degradiert. Nach und nach zeigten sich jedoch die Nachteile der uneingeschränkten Automobilität, so dass ab den 1980er-Jahren das Alltagsverkehrsmittel Fahrrad in den Mobilitätskonzepten wieder an Bedeutung gewann. Der Radverkehrsanteil im urbanen Bereich steigt seitdem langsam, aber stetig, während sich der Autobesitz in vielen urbanen Zentren reduziert. Dass eine Technologie 200 Jahre nach ihrer Erfindung eine derartige Renaissance feiert, ist in der Geschichte einzigartig. Es gibt jedoch viele gute Gründe dafür. Die Radlobby wird das Jubiläumsjahr nutzen, jenes wundersame Vehikel, das uns auf so freudvolle wie umweltfreundliche Weise den Alltag erleichtert, gebührend zu feiern. Im letzten DRAHTESEL berichteten wir über die verschiedenen Typen von Radfahrenden. Etwa 60 Prozent der Bevölkerung, wir nennen sie die Hoffnungsträger, mögen das Radfahren grundsätzlich, steigen aber nur dann in den Sattel, wenn sie die Radinfrastruktur als sicher empfinden.

Andrzej Felczak P.S. Nehmen Sie auch an unserer aktuellen Radlobby-Online-Umfrage teil. Damit helfen Sie uns, Ihre Interessen besser vertreten zu können und haben die Chance auf attraktive Gewinne!

33. Jahrgang / Ausgabe 4 / 2016

Fünf Jahre Martin Blum Was Wiens FahrradBeauftragtem gelang Seite 8

Abstand halten! Neues Gerichtsurteil stärkt Radfahrende Seite 10

Legenden mit Bäuchlein Eddy Merckx Classic im Salzkammergut Seite 24

Durch Afrika in 34 Tagen Extrem-Sportler Michael Strasser im Interview Seite 38

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Das österreichische Fahrradmagazin Die besten Geschenktipps

für Velophile Seite 28

Macht Rahmen nach Maß Originell, stilvoll, persönlich? Was ist dran am Customize-Trend?

Cover: Andrea Siegl Große Radlobby-Umfrage jetzt mitmachen und gewinnen radlobby.at/umfrage2016

Fahrradmacher Peter Moser (moos-bike) bohrt ein Loch ins Oberrohr, um später die Bowdenzüge einzupassen


Inhalt

Politik

8 Fünf Jahre Martin Blum

Was dem Wiener Fahrrad-Beauftragten gelang

Tilman Wetter erkämpft ein richtungsweisendes Urteil

Fragen des Mitverschuldens von Radfahrenden

Community

10 Lasst ihm seinen Abstand!

12 Rechtskolumne: Streitfall Dooring

14 200 Jahre Fahrrad

Wie Karl Freiherr von Drais das Ur-Fahrrad erfand

Das Projekt Bikealyze erhebt Naturalistic Cycling Data

Rechtsschutzversicherung, DRAHTESEL-Abo und vieles mehr

15 Radeln für die Forschung

16 Serviceleistungen für Mitglieder Infrastruktur 17 Vision für den Ring

Die Wiener Ringstraße für die Radfahrenden

18 Es tut sich was in Wien

Infrastruktur 2016: Fortschritte beim Radwegeausbau 20 Plus / Minus Fahrrad-Infrastruktur auf dem Prüfstand

30 Cover: Macht Rahmen nach Maß Der Schwerpunkt in diesem Heft über Maßrahmen aus Stahl, Carbon und Holz

Lebensstil

23 Bücher

Lesestoff für Radfahrende 24 Legenden mit Bäuchlein Bericht vom Eddy Merckx Classic Radmarathon Produkte & Technik

28 Geschenkidee gesucht?

Ein Schaufenster-Spezial für Christkinder

Was ist dran am Customize-Trend?

30 Schwerpunkt: Maßrahmen Tour & Reise 37 Berührt Seele und Beine

Reinhold Seitl fährt den Mühlviertel-Radweg 38 Schnellster Mann durch Afrika Extremsportler Michael Strasser im Interview 42 Entlang der Parenzana Wolfgang Wehap radelt von Triest bis Porec Forum

46 Leserbriefe 47 Termine

Kolumnen Cinemascope Ines Ingerle über den Film Ovarian Psycos Seite 22 Fahrstil Barbara Ottawa mit Tipps zum Winderradeln Seite 26 Girtler Unser Autor trifft in Hollabrunn auf Napoleon und Tolstoi Seite 41 Brief aus der Ferne Julia Beckel und Christian Schrefel schreiben aus Riga Seite 44 Der Reflektor Reinhold Seitl über große Kleinkinder im Straßenverkehr Seite 46 Impressum: Seite 44

Fotos: Andrea Siegl

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 4


Radeln wir für das Weltklima! #Klimawandel #Ökologische Steuerreform #Verkehrswende

dagegen gesetzt würden. Dass eben dies passiert, wies das Wirtschafts­ forschungsinstitut (WIFO) in einer Studie vergangenen Frühling nach. Der zufolge haben Subventionen in Höhe von vier Milliarden Euro klimaschädliche Effekte: etwa unsere – im Vergleich zu den Nachbarstaaten – deutlich niedrigere Mineralölsteuer. Oder die steuerliche Begünstigung von (besonders umweltschädlichen) Dieseltreibstoffen und Dienstautos. Auch, gewissermaßen als „Belohnung“ für alle, die mit dem Auto in die Arbeit fahren: Pendlerpauschale und Kilometergeld. Die Wohnbauförderung in ihrer derzeitigen Form schadet Umwelt und Klima ebenfalls, weil sie die Zersiedelung vorantreibt und die Abhängigkeiten vom Automobil zementiert. Gerade der motorisierte Verkehr ist aber der größte Verursacher von Treibhaus-Gasen in Österreich. Und hier kommt das Fahrrad ins Spiel: Würden Steuergelder darauf verwendet, eine ökologische Verkehrswende herbeizuführen, indem man Anreize für den Umstieg auf Rad und Bahn setzt, hätte Österreich auch weniger Probleme, die Klimaziele zu erreichen. Bei einem allgemeinen Gewinn der Lebensqualität in den Städten. Vielleicht gelingt dem Fahrrad zu seinem 200. Geburtstag ja noch dieses Husarenstück: Es rettet das Weltklima! Mahalo!

Matthias G. Bernold Chefredakteur

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 5

Die Produktion dieser DRAHTESELAusgabe ist überlagert von Ereignissen wie der Wahl eines Sexisten, Rüpels und Multimilliardärs zum US-Präsidenten. Zur Stunde inthronisiert der Mann gerade sein Gruselkabinett aus Erz-Reaktionären. Brrr. Abgesehen davon interessiert uns natürlich auch das Ergebnis der UNKlimakonferenz in Marrakesch. Kurz zusammen gefasst: Ja, es wird etwas gegen den Klimawandel unternommen werden. Ja, die große Einigung von Paris aus dem Vorjahr, die vor kurzem erst ratifiziert wurde, soll umgesetzt werden. Wie, ist in vieler Hinsicht immer noch unklar. Unklar ist auch, wie Österreich seine Verpflichtungen aus dem Klimavertrag erfüllen will. Anfang 2017 möchte Umweltminister Andre Ruprechter die österreichische Klimastrategie präsentieren, die die Abhängigkeiten von fossilen Energien reduzieren soll. In Marrakesch heimste Österreich während des Gipfels dennoch das „Fossil of the Day“ ein: den Negativ-Preis des Climate Action Network, eines Verbundes von 850 Umweltorganisationen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Österreich bei den Treibhausgasemissionen seit 25 Jahren keine Fortschritte erzielt habe. Vielleicht ist es ja zu viel verlangt, der heimischen Politik proaktive Maßnahmen für den Klimaschutz abzuverlangen. Man wäre ja schon zufrieden, wenn zumindest keine Maßnahmen

Fotos: Andrea Siegl (2), privat

Hervorzuheben in diesem Heft

Andrzej Felczak Der Radlobby-Vorsitzende hat ordentlich in die Tastatur gegriffen und diesmal nicht nur die Rubrik PlusMinus, sondern auch gleich die große Infrastruktur-Analyse für Wien verfasst.

David Marold Der Mit-Organisator des Vienna Tweed Ride ließ sich sein Traumrad auf Grundlage eines alten KTM Strada anfertigen. Für uns hat er den Prozess aufgeschrieben.

Andrea Siegl Die DRAHTESEL-Fotografin begleitete David Marold zur Werkstatt von Peter Moser nach Küb am Semmering, wo sie die Geburt eines Maßrahmen dokumentierte.


Politik Fünf Jahre Martin Blum: Neues Abstandsurteil: Der DRAHTESEL bilanziert Erfolg für Radfahrende Seite 8 Seite 10

Rechtskolumne: Dooring und Verschulden Seite 12

Gefahrenquelle Lkw Lastkraftwagen stellen eine überdurchschnittlich große Gefahr für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmende dar. Immer wieder verletzen sich Radfahren-

de und Zufußgehende bei Unfälle mit Lkw schwer. Zuletzt wurde im Mai 2016 ein zehnjähriges Mädchen in Wien-Simmering von einem Lkw tödlich

verletzt. Die Radlobby fordert deshalb Maßnahmen wie verbessertes Kreuzungsdesign, rechtliche Anpassungen sowie Bewusstseinsbildung

Top und bestmögliche Aus­stattung der Fahrzeuge zur Vermeidung des „Toten Winkels“. radlobby.at/lkw-sicherheit

Radfahren am Graben In der Wiener Innenstadt wird das Radfahrern einfacher: Der Bezirk wird ab 2017 die Fußgängerzonen am Kohlmarkt und in einem Teilbereich des Grabens in der Zeit von 22 bis 10.30 Uhr für Radfahrende öffnen. Damit entsteht endlich eine Cityquerung vom Graben Richtung Michaelerplatz.

Flop

Drei Fragen an Simon Munk Nachdem in London neun Radfahrende durch Lkw tödlich verletzt wurden, erließ die Stadt unter Druck der Fahrrad-Organisation London Cycling Campaign (LCC) das „Safer Lorries Scheme“, eine Verordnung, die im September 2015 in Kraft trat. Wir befragen dazu Simon Munk von LCC DRAHTESEL Was ist das Safer Lorries Scheme? Simon Munk Diese Verordnung der Stadt London schränkt Fahrten von unsicheren Lkw ein. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen müssen nun eine bestimmte Sicherheitsausstattung aufweisen: Seitenschürzen, Nahbe-

reich-Seitenspiegel und Frontspiegel. Sonst müssen sie draußen bleiben. Welche Widerstände mussten überwunden werden? Für Transportunternehmen hat die Verkehrssicherheit nicht immer höchste Priorität. Lkw-Fahrende lehnten die Verordnung ab, aber es gab breite Unterstützung in der Bevölkerung für unser Anliegen. Es ist sehr hilfreich, dass Londons neuer Bürgermeister Sadiq Khan das Thema ernst nimmt. Bewährt sich die neue Verordnung? Lkw in London werden rund sieben Jahre lang gefahren, bevor sie durch neue Modelle ersetzt werden.

Dementsprechend langfristig müssen Effekte bewertet werden. Bis zum Jahr 2020 soll es insgesamt 40 Prozent weniger Schwerverletzte und Getötete auf Londons Straßen geben. Derzeit sind wir noch weit davon entfernt, dafür braucht es weitere Bemühungen.

Simon Munk Infrastruktur-Spezialist der London Cycling Campaign

256.700

Radfahrende pro Tag verzeichnen die Zählstellen Kopenhagens in der Innenstadt. Damit sind erstmals seit mehr als 50 Jahren mehr Menschen auf dem Fahrrad als mit dem Auto (252.600) unterwegs. Es sei dies ein klares Signal, schreibt der Blog Copenhagenize des dänischen Fahrrad-Aktivisten Mikael Colville-Andersen, dass eine „kontinuierliche Verkehrs­ politik und Investitionen in Best Practice-Infrastruktur“ letztlich Früchte tragen. „Die Stadt hat sich selbst übertroffen und in den vergangenen zehn Jahren 134 Millionen Euro zusätzlich in Infrastruktur, Ausstattung und Fahrradbrücken investiert, um Radfahren als Verkehrsmittel zu fördern.“

Fotos: Ying Feng Johansson; privat

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Roadblock: Christkindlmarkt Alle Jahre wieder das selbe Theater. In der Stadt wachsen die kleinen Bretterbuden mit picksüßem Punsch und Glitzerkram aus dem Boden. Soll sein – doch warum bitte müssen die Weihnachtsmärkte Radwege, etwa den an der Wiener Freyung, verstellen?


Blick in die Welt

Politik

KÖ LN

A M ST E R DA M

Ein Radweg, der schwimmt Chicago investiert massiv in den Ausbau der Radinfrastruktur: Die drittgrößte Stadt der USA ließ in den letzten fünf Jahren 160 Kilometer an Radwegen errichten. Bis 2019 sollen weitere 80 Kilometer geschützter Radwege dazukommen. Das aufwändigste Projekt: Ein „schwimmender“ Radweg, der im Chicago River auf schwimmenden Pontons gebaut werden soll. Ein solarbetriebenes Heizsystem soll dafür sorgen, dass der RiverRide schneeund eisfrei bleibt. Auch die Beleuchtung wird mit Solarstrom gespeist, berichtet das Internetportal trendsderzukunft.de

Innenstadt ohne Parkplätze Bis zum Jahr 2027 wird es in der Kölner Innenstadt am Straßenrand keinen einzigen Parkplatz mehr geben. Dies beschloss die Bezirksvertretung mit den Stimmen von Grünen, Linken und der Fraktion „Deine Freunde“, berichtet der Kölner Tagesanzeiger. Das Entfernen der 1.400 derzeit vorhandenen Parkplätze am Straßenrand soll „die Dominanz des privaten Pkw-Aufkommens systematisch zurückführen“, wurde Michael Scheffer (Linke) zitiert, „und unsere Stadt wieder urbaner, erlebbarer und erfahrbarer machen“.

80 Millionen Euro für Radgaragen Die niederländische Regierung investiert 40 Millionen Euro in Radgaragen bei Bahnhöfen. Regionen und Gemeinden werden die selbe Geldmenge zuschießen, berichtet die European Cyclists’ Federation (ECF). Obwohl die Stellplätze im europäischen Maßstab bereits extrem ausgebaut sind, besteht ein zusätzlicher Bedarf von 100.000 Stellplätzen bis zum Jahr 2030. Fast die Hälfte aller Zugpassagiere in Holland nutzt das Fahrrad, um vom Wohnort zur nächsten Bahnstation zu gelangen.

Illustrationen: Anna Hazod

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C H I CAG O

WAS H I N GTO N

B E R LI N

ISLAMABAD

Das Was-Wäre-Wenn-Spiel Das eigenwillige Zwei-Parteien-System in den USA erlaubt manchmal nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Schlecht und unfassbar schlecht. Allerdings hätte es – aus Sicht einer fortschrittlichen Verkehrspolitik – durchaus eine dritte Option gegeben: Jill Stein nämlich, die Kandidatin der Green Party. Die bekannte sich im Interview mit John Oliver als Fahrrad-Fan. Auf Nachfrage des US-Magazins Bicycling ließ sie verlauten: Sie sehe Radfahren als effizientes Mittel gegen Abgase und Stau sowie für die Gesundheitsvorsorge.

Bald zwei Leihradsysteme Der Lebensmittel-Discounter Lidl und die Deutsche Bahn kooperieren beim Aufbau eines Leihfahrrad-Systems in Berlin. Damit bekommt der Anbieter Nextbike Konkurrenz. Während das Leipziger Unternehmen Nextbike auf feste Stationen für das Ausleihen und Zurückgeben der Räder setzt, wird der Herausforderer ein Modell anbieten, bei dem die Räder an beliebigen Stellen stehen werden – beschränkt auf den inneren S-Bahn-Ring.

Radspur für Islamabad Die englischsprachige pakistanische Zeitung „The Nation“ berichtet von der feierlichen Eröffnung eines neuen Radweges in Islamabad im November 2016. Der Radweg ist Teil des neuen „Islamabad Green Charter Action Plans“. Laut Bürgermeister Ansar Aziz sei es „Top-Priorität“, die Stadt lebenswerter und umweltfreundlicher zu machen: „Dazu gehören Radspuren entlang der wichtigen Straßen in unserer Stadt.“


Fünf Jahre mit Blum Im Herbst 2011 trat Martin Blum seine Arbeit als Fahrradbeauftragter der Stadt Wien an. Was ist ihm in diesen fünf Jahren gelungen? TEXT: Matthias Bernold

Zahlen und Fakten

Bewusstseinsbildung und Service Bevor wir Bilanz ziehen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, was die Mobilitätsagentur eigentlich ist: eine Art Kommunikationsabteilung der Stadt. Konkrete Infrastrukturmaßnahmen durchsetzen kann sie ebenso wenig wie Ampelschaltungen ändern oder die Straßenverkehrsordnung novellieren. Allerdings sitzt Blum in vielen entscheidenden Gremien der Stadt, wo es seine Aufgabe ist, Expertise einzubringen und die Interessen der Radfahrenden einzumahnen. Die rund zwei Millionen Jahresbudget der Agentur fließen in Veranstaltungen und Kampagnen. Etwa das jährliche Streetlife-Festival, das Radhaus oder das große Radjahr 2013 mit seinen an die 200 Veranstaltungen samt Fahrrad-Konferenz Velo-City. Auch Informationsbroschüren und Service-

Erhebung der Verkehrsmittelwahl durch die MA18 2 Radfahrende pro Tag (April bis Oktober) laut Nast Consult / 3Statistik Austria 4 Mobilitätsagentur 5 Fahrrad Report Wien 2016

1

Ein Blick in die Statistik zeigt ein ambivalentes Bild (siehe nebenstehende Grafik). So erhöhte sich von 2011 bis 2016 die Zahl der Radabstellplätze von 27.329 auf heute rund 40.000 Stück. Das Radverkehrsnetz wurde um mehr als hundert Kilometer auf 1.317 Kilometer erweitert. Viele Lücken im Netz geschlossen. (Eine detaillierte Analyse findet sich auf Seite 18 in diesem DRAHTESEL). Es sind Maßnahmen, mit denen es Wien auf Platz 16 im jüngsten Copenhagenize-Index der radfreundlichen Städte geschafft hat. Diese Daten werden jedoch überlagert von einer anderen Zahl: dem Radverkehrsanteil laut Modal Split (der Statistik über die Wahl der Verkehrsmittel). Blum war im Jahr 2011 mit dem Auftrag angetreten, die Vizebürgermeisterin zu unterstützen, den Anteil innerhalb von vier Jahren auf zehn Prozent anzuheben. Dass dies nicht gelang, hängt beiden bis heute nach. Wien dümpelt mit einem Anteil von 7 bis 8 Prozent bestenfalls im europäischen Mittelfeld dahin. Abgehängt etwa von München, das in den vergangenen zehn Jahren den Radverkehrsanteil von sechs auf 17 Prozent pushte. Und weit hinter den klassischen Fahrrad-Städten Kopenhagen (35

Foto: Mobilitätsagentur/Regina Hügli

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maßnahmen werden angeboten: Kinderradkurse, öffentliche Radpumpen, oder – während der U4-Sperre – die Bereitstellung von Leihrädern bei UBahnstationen. Auf Blums Geheiß richtete die Stadt neue Zählstellen ein, um das Radfahrenden-Aufkommen sichtbar zu machen. Initiativen wie „Radelt zur Arbeit“ wurden durch seine Unterstützung zur Dauerkampagne. Es ist Blums Aufgabe, Bewusstsein und Verständnis zu erhöhen. Etwa zu erklären, warum es mehr Sicherheit bedeutet, wenn Radfahrende Einbahnen auch in Gegenrichtung befahren dürfen (weil sie von Kfz-Lenkern besser wahrgenommen werden und das Tempo drosseln). Wenn ein umstrittenes Radwegprojekt geplant wird, ist es an Blum, die Maßnahme gegebenenfalls in der Öffentlichkeit zu verteidigen.

er in der Früh gegen 8 Uhr die Friedensbrücke quert, hat gute Chancen, dem Wiener Radverkehrsbeauftragten zu begegnen. Zu dieser Zeit ist Martin Blum mit Lastenrad Richtung Alsergrund unterwegs, um seine Jüngsten in den Kindergarten zu bringen. Seit mittlerweile fünf Jahren leitet Blum die Mobilitätsagentur. Eine Institution, die bald nach Arbeitsbeginn von der rot-grünen Stadtregierung geschaffen wurde. Wie wenig andere Jobs in der Verwaltung (vielleicht mit Ausnahme jener der Verkehrsstadträtin selbst) ist der des Fahrrad-Beauftragten heftiger Kritik ausgesetzt. Symbolisiert doch Blum alles, wovor die AutomobilGläubigen Angst haben: Verkehrsberuhigung, Temporeduktion, Parkplatzabbau und ein Rütteln am Primat des Kfz in der Verkehrspolitik. Auch der Boulevard – wohl genährt von den WerbeEtats der Kfz-Industrie – schießt sich gerne auf Blum ein. Wie aber sieht die Bilanz des vormaligen Verkehrsclub-Österreich-Sprechers wirklich aus? Was ist ihm in den fünf Jahren gelungen? Was nicht? Und worauf dürfen wir in den nächsten Jahren hoffen?


2012

2016 Politik

RADVERKEHRSANTEIL1

6%

7%

ZÄHLSTELLE OPERNRING2

5.264

6.013

ZÄHLSTELLE LANGOBARDENSTRASSE2

546

603

VERLETZTE RADFAHRENDE3

965

941

Der Reibebaum Von Anfang an rieben sich die politischen Gegner an Blum. „Was bisher ein Magistratsbeamter relativ kostengünstig erledigte, soll künftig von bis zu dreizehn ,Häuptlingen’ und einer noch unbekannten Anzahl von ,Indianern’ getan werden“, ätzt etwa die „Kronenzeitung“, noch bevor Blum und sein – damals drei-köpfiges(!) – Team die Arbeit aufnehmen. In der Folge hatte Blum so manchen Shitstorm auszusitzen. Kritisiert wird etwa der Umzug der Mobilitätsagentur von Hernals in den Zweiten. Und als Blum 2013 nach einem Hochrechnungsfehler falsche Zahlen über Winterradfahrende veröffentlicht, verunglimpft ihn die „Krone“ als „Lügen-Pinocchio“. Für noch mehr Entrüstung sorgte der Umbau der Mariahilfer Straße – das Vorzeigeprojekt der grünen Verkehrsstadträtin. Beliebtes Hassobjekt: Blum und seine „Kampfradler“, die angeblich in der Fußgängerzone die Leute terrorisieren. Lächerlich gemacht wird so gut wie jedes Projekt, wenn es nur aus der Mobilitätsagentur kommt. Selbst dann, wenn Blum nach tödlichen Verkehrsunfällen vorschlägt, Lkw-Lenkende für das Geschehen im toten Winkel zu sensibilisieren. Auch die Fahrrad-Community nimmt Blum mitunter in die Mangel: Dann nämlich, wenn Infrastrukturprojekte halbherzig oder langsam durch-

RADABSTELLPLÄTZE4

27.000

40.000

RADVERKEHRSNETZ (KM)4

1.200

1.317

„FÜHLE MICH BEIM RADFAHREN SICHER“5

52%

70%

„BIN MIT DER ZAHL DER RAD­WEGE ZUFRIEDEN“5

49%

68%

geführt werden, oder wenn die Stadt neuerlich – wider besseres Wissen – einen schmalen Mehrzweckstreifen auf eine Fahrbahn pinselt. „Mit den Emotionen und den Interessenskonflikten im Straßenverkehr umzugehen, zählt zu meinen Aufgaben“, sagt Blum: „Es gibt heute – vor allem in den Foren – die Dynamik des Aufschaukelns. Vieles wird zugespitzt.“ Über die Jahre sei seine Haut dicker geworden. „Für mich ist wichtig, dass das Gros der Radfahrenden immer zufriedener wird. Das zeigt nämlich der jährliche Fahrradreport.“ Mehr Understatement „Wir wollen alle Wienerinnen und Wiener mit dem Rad-Virus infizieren“, hatte Maria Vassilakou bei der Präsentation des Radjahres 2013 einmal gesagt: Diese Ankündigung repräsentiert ganz gut den offensiven Stil, mit dem die rot-grüne Stadtregierung das Radfahren in ihrer ersten Legislaturperiode bewarb. Unter Rot-Grün 2.0 ist die Kommunikation gezeichnet von Understatement und dem Bemühen, weniger Angriffsfläche zu schaffen. Vielleicht ist das Thema Verkehrspolitik derzeit auch von anderen Themen überlagert. Schaut man sich die letzten fünf Jahre an, fällt noch etwas auf. Sachte, sachte zeigt sich ein gewisses Umdenken. Beispiel Innere Stadt: Hier bremste die Bezirksvorstehung stets, wenn es um die Errichtung zusätzlicher Radbügel, um die Freigabe von Einbahnen oder neue Radwege ging. Die heuchlerische Politik ging soweit, dass sich die ehemalige Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel an einen Baum kettete, um den Ausbau des Ring­ radwegs zu verhindern. Inzwischen sind anscheinend neue Zeiten angebrochen: Bezirksvorsteher Markus Figl kündigte im vergangenen Herbst an, dass er einer jahrzehntelangen Forderung der Radlobby entsprechen und Teile der Fußgängerzone am Graben und Kohlmarkt für Radfahrende freigeben wolle. Es tut sich also was in Wien. Undselbst, wenn Blums Bilanz differenziert ausfällt: Dies ist auch sein Verdienst.

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Prozent) und Amsterdam (30 Prozent). Warum der Fahrradverkehr in Wien nur gemächlich wächst, dafür gibt es verschiedene Erklärungen: das gute öffentliche Verkehrsnetz, zu viele Hügel oder rücksichtslose Kfz-Lenkende. Auch Wiens dezentrale Struktur spielt eine Rolle, mit Automobil-orientierten Bezirksvorstehungen, die sinnvolle Fahrradprojekte bremsen. Vielleicht der gewichtigste Grund – diese Ansicht vertritt auch Blum immer wieder – sind die beschränkten Mittel für den Ausbau von Radinfrastruktur: Fünf bis sieben Millionen Euro jährlich fließen in den Radverkehr in Wien. Fahrradstädte investieren ein Vielfaches.


Lasst mir meinen Abstand! Ein richtungsweisendes Urteil spricht dem Wiener Radfahrer Tilman Wetter das Recht auf einen Seitenabstand von bis zu 1,8 Metern zur Parkspur zu. Wir beleuchten Vorgeschichte, Rechtssituation und mögliche Folgen. GERICHTSBERICHT: Alec Hager

Flüssigkeit oder Sicherheit? Es lag nun an den Gerichten, diese Frage zu klären. Was wiegt mehr: die Sicherheit des Radfahrenden, der sich nicht selbst gefährden soll? Oder die Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs? Und wo verläuft die Fahrlinie, die bei Tempo 30 bergab genug Abstand zur Parkspur bietet, ohne Risiko für Leib und Leben? Tilman Wetter – unterstützt von der Radlobby und deren Vertrauensanwalt Johannes Pepelnik – ergreift gegen die Strafverfügung Rechtsmittel. Am 14. September 2016 gelangt das Landesverwaltungsgericht Wien zu dieser Auffassung: „Ein Seitenabstand von 1,2 bis 1,8 Metern ist bei 30 km/h

Foto: Peter Provaznik

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ien in den Abendstunden des 11. September 2015. Tilman Wetter und ein Kollege befinden sich auf dem Heimweg. Einer von ihnen wird ein Jahr später mit Unterstützung des Radlobby-Vertrauensanwalts einen bahnbrechenden Urteilsspruch vor dem Landesverwaltungsgericht Wien* erreicht haben. Wetter erinnert sich: „Als wir bergab in die Schulgasse einbiegen, bemerke ich ein parkendes Polizeifahrzeug. Bald schon werde ich von dem Polizeiwagen recht knapp überholt. Die Beamtin auf dem Beifahrersitz weist mich an, rechts zu fahren. Ich entgegne ‚Türöffnungszone‘, woraufhin ich erneut darauf hingewiesen werde, weiter rechts zu fahren.“ Tilman kennt sich in der Straßenverkehrsordnung (StVO) ganz gut aus. Er weiß, dass er als Radfahrer seinen Seitenabstand so zu wählen hat, dass er ohne eigene Gefährdung und ohne Fahrzeuge zu beschädigen vorankommen kann. Auch die Radlobby empfiehlt mindestens 1,2 Meter Abstand zu parkenden Kfz zu halten, um nicht Opfer von „Dooring“, also einer unachtsam geöffneten Autotür, zu werden. Als Tilman das den Beamten erklärt, die ihn mittlerweile angehalten haben, erntet er jedoch Belehrungen im besten Wienerisch und eine Anzeige wegen Missachtung des Rechtsfahrgebots laut Paragraf 7 (1) StVO, weil er nicht so weit rechts gefahren sei „wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs … zumutbar wäre, da der Angezeigte in der Mitte der Fahrbahn fuhr“.


eine vertretbare Entfernung, will sich der Radfahrer nicht der Gefahr aussetzen, durch eine geöffnete Fahrzeugtüre verletzt zu werden.“ Auswirkungen des Urteils Als Mindestabstand zu den parkenden Autos zog das Gericht die Faustregel „ein Meter plus die halbe Lenkerbreite“ heran. Im Falle des betroffenen Radfahrers wurde daher bei einer Lenkerbreite von 80 Zentimetern eine Fahrlinie in einer Entfernung von 1,4 Metern zu den Parkenden errechnet. Im Fall von am Straßenrand geparkten Fahrzeugen, einem breiteren Lenker und einer höheren gefahrenen Geschwindigkeit ist es also zulässig, einen großen Seitenabstand zu wählen. Ob dadurch andere Verkehrsteilnehmende verlangsamt werden,

ist nicht so ausschlaggebend wie die eigene Sicherheit, so die Erkenntnis des Gerichts. Daraus lassen sich mehrere Folgerungen ableiten, die sowohl das Verhalten von Radfahrenden und Autolenkenden betreffen als auch die Rechtsordnung bzw. die Planung von Fahrrad-Infrastruktur. Zu schmale Radspuren oder Mehrzweckstreifen können die Sicherheit reduzieren, indem sie Radfahrende in den Dooring-Bereich zwingen. „Die Benutzungspflicht für Mehrzweckstreifen muss fallen“, findet auch Tilman Wetter: „Diese Streifen sollten Radfahrenden dazu dienen, bei zähem Verkehr und gegebener Vorsicht auch an bewegten Kolonnen vorbeizufahren, ansonsten sollten Radfahrende auch außerhalb dieser Streifen fahren dürfen.“

Gesetzeslage Straßenverkehrsordnung StVO §7 (1) „Der Lenker eines Fahrzeuges hat so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist“ Das Bundesgesetzblatt BGBI 518/1994 erläutert die Bestimmung: „So wird bei Radfahrern eine Gefährdung durch das unvermittelte Öffnen von Fahrzeugtüren bei abgestellten Fahrzeugen zu berücksichtigen sein. Insbesondere ist keine Verpflichtung eines Fahrzeuglenkers abzuleiten, zur Ermöglichung des Überholtwerdens den notwendigen und zulässigen Sicherheitsabstand zu unterschreiten.“

FÜNF FORDERUNGEN DER RADLOBBY 1. Bewusstseins­ kampagne des Verkehrsministeriums gegen Dooring-Gefahr und für Akzeptanz des richtigen Seitenabstands radlobby.at/abstand

2. „Sharrow“-Bodenmarkierungen machen Radfahrende und Kfz-Lenkende dort auf den Seitenabstand von mindestens 1,2 Metern aufmerksam, wo aus Platzgründen keine getrennte Radinfrastruktur möglich ist.

3. Verzicht auf Mehrzweckstreifen (MZS) in Mindestbreite neben Parkstreifen, größere Mindestbreiten in der Planungsrichtlinie RVS, Benutzungspflicht von MZS abschaffen.

4. Sichere und komfortable, selbsterklärende Radverkehrsanlagen baulich getrennt vom Kfz-Verkehr überall dort anlegen, wo das aufgrund des Verkehrsaufkommens nötig ist.

5. Mindest-Überholabstand von Kfz gegenüber Radfahrenden von 1,5 Metern in der StVO verankern.

*Zu Redaktionsschluss war noch keine Berufung gegen dieses Urteil bekannt. Radwelt BETA XXL:Radwelt BETA XXL.qxd 28.02.13 11:04 Seite 1

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Drahtesel 4  ⁄  2016 – 11

Politik


SPEZIALFRAGE DOORING

Gerade nochmal gut gegangen?

Politik

Unser Autor erläutert die Rechtslage zum Thema Dooring und geht der Frage auf den Grund, ob doorende Autolenkende auch dann Schadenersatz-pflichtig werden, wenn Radfahrende noch im letzten Moment ausweichen können, danach aber zu Sturz kommen

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 12

Johannes Pepelnik ist Rechtsanwalt in Wien und Vertrauensanwalt der Radlobby

Mitverschulden durch Auslenken? Eine Verpflichtung, wonach Verkehrsteilnehmende an einem abgestellten Fahrzeug soweit vorbeifahren oder vorbeigehen müssen, dass sie selbst niemals von einer sich öffnenden Türe gefährdet werden könnten,

kennt das Gesetz hingegen nicht! Jedoch erlaubt die Straßenverkehrsordnung §7 einen Seitenabstand zum parkenden Auto, der groß genug ist um Selbstgefährdung durch Dooring zu vermeiden. (Mehr dazu in unserem Artikel auf Seite 10). Radfahrenden wird von der Gegenseite im Prozess oft vorgeworfen, dass sie in Folge der Türöffnung eine nicht entschuldbare Fehlreaktion im Auslenken gesetzt hätten, welche zu einem Mitverschulden an den entstandenen Schäden führt. Tipp: Ausreichend Abstand halten! Hinsichtlich der Voraussetzungen zum Schadenersatz ist festzuhalten, dass neben dem Schaden die Zurechnungskriterien Kausalität, Verschulden und Rechtswidrigkeit vorliegen müssen. Für die Rechtswidrigkeit ist die Norm des §23 Abs. 4 StVO eindeutig. Diese Rechtswidrigkeit indiziert auch das Verschulden. Strittig in diesem Zusammenhang könnte allenfalls die Kausalität sein. Die Grobprüfung hinsichtlich der Kausalität lautet: Wäre der Schaden auch ohne das zu prüfende Verhalten (also das Öffnen der Autotüre) eingetreten? In zahlreichen Prozessen konnte nachgewiesen werden, dass das unachtsame Öffnen der Türe durchaus rechtswidrig und kausal für die eingetretenen Schäden sein kann, auch ohne Berührung von Autotüre und Fahrrad.

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Alle Vorteile für Radlobby-Mitglieder Seite 16

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G

emäß §23 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Türen eines Fahrzeuges solange nicht geöffnet werden oder geöffnet bleiben, als dadurch andere Straßenbenützende gefährdet oder behindert werden. In der Praxis stellt sich regelmäßig die Frage, ob Radfahrende auch dann Anspruch auf Schadenersatz erhalten, wenn sie im letzten Moment den Lenker verreißen, die Türe nicht touchieren, allerdings zu Sturz kommen und sich verletzen (bzw. Fahrrad, Kleidung und mitgeführte Gegenstände beschädigt werden). Zunächst ist festzuhalten, dass die Schutzvorschrift des § 23 Abs. 4 für alle Insassen des Fahrzeuges gilt. Auch gehsteigseitige Türen sind umfasst. Nicht nur Radfahrende, sondern auch Menschen zu Fuß, auf Rollschuhen und sonstigen fahrbaren Untersätzen sollen geschützt werden. Strittig ist immer wieder, wie weit die Türe geöffnet sein muss, um in die verschuldensunabhängige Haftung zu gelangen. Jedenfalls stellt – laut Judikatur – das Öffnen einer Türe von 25 bis 30 Zentimeter so eine Gefährdung dar.


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Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 13

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Community Historisch: Geburt des Laufrades Seite 14

Wissenschaftlich: Bikealyze forscht Seite 15

Praktisch: Service für Mitglieder Seite 16

JUBILÄUM

Das Fahrrad feiert Geburtstag

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 14

Im Jahr 2017 jährt sich zum 200. Mal die Premierenfahrt der Draisine, des ersten zweirädrigen Fortbwegungsmittels. Die Radlobby feiert mit

Fahrschule der Wiener Manufaktur Anton Burg & Sohn, 1818

A

m Anfang des Radfahrens steht die Draisine: Die Laufmaschine des badischen Forstmeisters Karl Freiherr von Drais (1785-1851), zeitgenössisch auch Schnellläufer genannt, wird als Ur-Fahrrad angesehen, wobei sich der „Reiter“ – wie heute bei Kinder-Laufrädern – mit den Füßen vom Boden abstoßen musste, um vorwärts zu kommen. Der Tretkurbel-Antrieb kam erst ein halbes Jahrhundert später, etwa 1885 folgte die (Ketten-) Übersetzung und brachte die Ablöse des direktgetriebenen Hochrades durch das Safety – also die bis heute gebräuchliche Antriebstechnologie. Wiener kupferten Drais’ Idee ab Doch mit der Drais’schen Maschine war das Prinzip des Balancierens und das physikalische Phänomen entdeckt, dass zwei Räder zur Fortbewegung ausreichen. Erstmals beschleunigte man die individuelle Mobilität ohne Pferd nur mithilfe menschlicher Muskelkraft. Dass der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahre 1815

Missernten und damit einen Engpass an Pferden bewirkt hatte, könnte die Entwicklung von Fahr- und Laufmaschinen forciert haben. Dass dies der entscheidende Impuls für Drais war, ist jedoch wissenschaftlich umstritten. Fakt ist, dass der vielseitige Erfinder schon 1813 eine vierrädrige Fahrmaschine (für zwei Personen mit Tretmühlen-Antrieb und Steuerung) gebaut und ein Folgemodell 1814 auf dem Wiener Kongress präsentiert hatte. Der Erfolg blieb damals aus. Besser kam die zweirädrige Laufmaschine an, die er 1818 in seiner Heimat patentieren ließ. Dieses Privileg blieb Drais für Österreich versagt, sodass die k.k. Hofackerwerkzeug- und Maschinenfabrik Anton Burg in Wien die Idee abkupfern und seine Laufmaschine ab 1818 leicht modifiziert nachbauen konnte. Burg richtete auch eine Fahrschule mit Draisinen-Verleih ein. Von Burg dürfte auch jenes Modell stammen, das Erzherzog Johann anfertigen ließ und das heute im Bestand des Universalmuseums Joanneum in Graz ist: ein Prachtexemplar der Wagnerkunst, fast vollständig aus

Holz, die Frontpartie als Seeschlange ausgebildet, nur die vorderen Spangen (Gabel), die Griffstange sowie die Beschläge der Speichenräder aus Eisen, Sattel und Armstütze (Balancierbrett) gepolstert und mit Leder überzogen. Radfestivals und Ausstellungen In Drais’ Geburtsland Baden-Württemberg wird im Jubiläumsjahr eine Ausstellung auf Lastenrädern auf Tour gehen. Mannheim eröffnete bereits im November 2016 die Ausstellung „2 Räder – 200 Jahre“ im Technoseum und plant einen Festivalreigen durchs ganze Jahr mit Jubiläumsfahrt und Filmfestival. Auch in Wien ist eine Ausstellung für Herbst 2017 in Vorbereitung, der Verein Weltbüro und Palmeri.cc bemühen sich darum. Die Radlobby Österreich hat einen eigenen Themenschwerpunkt ins Leben gerufen und beginnt das Jubiläumjahr bereits mit einem Neujahrsradeln zum Thema „200 Jahre Fahrrad“. Weitere Eventupdates und einen Blick auf die Mannheimer Ausstellung unter: radlobby.at/200jahre

Vélocipéde Brochüre von Hippolyt de Wesez, Wien 1869, Reprint Edition „libri rari“ Verlag Th. Schäfer, Hannover 1995

BERICHT: Wolfgang Wehap


Bikealyze: Radeln für die Forschung

Foto: Margit Palman

Achtung Kamera: Die Räder der Versuchspersonen waren aus Gründen des Datenschutzes mit Info-Täfelchen versehen

„Naturalistic Cycling Data“ erhob im vergangenen Herbst das Projekt Bikealyze: 28 Versuchspersonen in Wien, Salzburg und Mödling wurden mit Smartphone und Helmkamera durch die Straßen geschickt, um Radfahren unter realitätsnahen Bedingungen zu erforschen. Salzburg

Research führt das Projekt zusammen mit der Abteilung für Geoinformatik der Uni Salzburg, den Verkehrsplanungsbüros Factum und PlanSinn sowie dem EDVDienstleister Prisma durch. Bis März 2017 sollen die Daten ausgewertet sein. Auf deren Basis können Maßnahmen

vorgeschlagen werden, um die Nutzbarkeit sowie Zugänglichkeit von Radinfrastruktur zu verbessern, sagt Studienleiter Sven Leitinger von Salzburg Research: „Wir erkennen schnell die Häufungspunkte für gefährliche Situationen.“ Matthias Bernold

LINZ

Kupfermuckn über Radinfrastruktur Nachdem die oberösterreichische Straßenzeitschrift Kupfermuckn schon erfolgreich die Linzer Bäder und Grünmärkte getestet hatte, war jetzt die Linzer Radinfrastruktur an der Reihe. Dazu holte die Redaktion Radverkehrs-Expertise bei der Radlobby Oberösterreich ein. Stefan Pichler, Beirat im Vorstand der Radlobby OÖ, begleitete die KupfermucknRecherche-Radtour durch die Linzer Innenstadt. Gemeinsam hat man neben vielen Schwachstellen, Lücken und radfeindlichen Zonen auch einige lobenswerte Ansätze vorgefunden. Fazit: Es gibt viel zu tun, um aus Linz eine radfreundliche Stadt zu machen, man muss nur damit beginnen! arge-obdachlose.at/kupfermuckn Gerhard Fischer

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Drahtesel 4  ⁄  2016 – 15

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Siehe Seite 15


Infrastruktur Vision: Ringstraße ohne Autos Seite 17

Schwerpunkt: Radwegeausbau in Wien Seite 18

PLUS  ⁄  MINUS: FahrradInfrastruktur im Praxistest Seite 20

SIEHT GLEICH VIEL BESSER AUS

Ringstraße fürs Fahrrad Kfz-Hauptzverkehrsroute ist die „Zweierlinie“. Die Ringstraße darf von Einsatzfahrzeugen und für Zufahrten und Lieferungen genutzt werden

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 17

Breite Radwege und großzügige Boulevards

Ausreichend Platz zum Wohlfühlen und Flanieren

Zunehmender Radverkehr braucht gerade in urbanen Zentren mehr Platz als ihm zugestanden wird. Laut Klimaabkommen von Paris sollen ab 2050 keine fossilen Treibstoffe mehr verwendet werden. Die EU will den CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken. In diesem Gesamtzusammenhang hat die Radlobby Wien am Beispiel der Wiener Ringstraße eine verkehrsorganisatorische Vision für das Jahr 2020 entwickelt: Der Ring soll großteils dem Fahrrad, öffentli-

Was heißt eigentlich?

Radweg

?

chem Verkehr und Zufußgehenden vorbehalten bleiben und der individuelle Kfz-Verkehr parallel auf der „Zweierlinie“ stattfinden. Zufahrten zum ersten Bezirk und zu den Wohnungen und Unternehmen am Ring sowie natürlich Einsatzfahrzeuge und Fiaker sollen ihren Platz am Ring erhalten. Das Konzept bedeutet daher keine Isolation des Rings und der Inneren Stadt, sondern eine Aufwertung und eine Rückkehr zum Ursprungsgedanken: die Ringstraße als Flaniermeile, Prachtboulevard und Wohlfühlzone.

Vieles, das „Radweg“ genannt wird, ist gar keiner. Denn: Ein Radweg ist gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) ein „für den Radverkehr bestimmter und beschilderter Weg“. Getrennt von anderen Verkehrsarten dürfen hier nur Radfahrende – auch nebeneinander – fahren. Eine Tafel mit weißem Fahrrad auf blauem Grund bedeutet den Beginn, die gleiche mit rotem Schrägstrich das Ende des Radwegs.

Visualisierung: Andrea Siegl

VISION: Alec Hager

Ob die Benützungspflicht gilt, zeigt die Tafel durch ihre Form an. Rund heißt: Benützungspflicht gilt! Eckig: gilt nicht! Gute Radwege sind – neben autoarmen Straßen – für viele die beliebtesten Orte zum Radfahren. Städte in Dänemark und den Niederlanden setzen auf ein engmaschiges Netz aus Fahrradstraßen und Radwegen, um Radfahren sicher und komfortabel zu gestalten.


Da tut sich was Ohne viel Aufhebens darüber zu machen, errichtete die Stadt Wien 2016 mehr Radinfrastruktur als in den Jahren davor ZUSAMMENSCHAU: Andrzej Felczak

• Im Zuge der Parkpickerl­ einführung in Währung wurden dreizehn Einbahnen eingerichtet, die – erfreulicherweise – von Radfahrenden auch in Gegenrichtung befahren werden dürfen. Dies, obwohl zwölf Einbahnen eine Restfahrbahnbreite von nur drei Metern oder knapp darüber aufweisen. Diese Verkehrsorganisation wurde wegen der niedrigen Verkehrsbelastung und wegen den Ausweichmöglichkeiten als sicher eingestuft.

D

Der Radweg Getreidemarkt, die Qualitätsverbesserung des Wientalradweges auf Höhe Längenfeldgasse und der letzte Lückenschluss des äußeren Ring-Radweges beim Jonas-Reindl: Alles Maßnahmen, die schon lange auf der Wunschliste der Radfahrenden stehen. Sie werden, gemeinsam mit einer Reihe anderer Radinfrastrukturverbesserungen auf stark frequentierten und wichtigen Strecken, noch 2016 fertig gestellt. Die neuen Radverbindungen sind mit überwiegend baulichen Radwegen oder Radrouten in verkehrsberuhigten Nebenstraßen auch für angehende oder vorsichtige Radfahrende geeignet. Somit besteht Anlass zur Hoffnung, dass sich auch Menschen fürs Radfahren begeistern werden, die sich davor noch nicht getraut haben. Dass sich jetzt beim Infrastrukturausbau etwas tut und die Qualität insgesamt besser wird, ist freilich kein Zufall, sondern geht auch auf die Jahre lange und oftmals zähe Arbeit der Radlobby Wien zurück: in der Stadtpolitik, in den Bezirken und in der Fachkommission Verkehr, wo die meisten dieser Projekte abgesegnet werden. Selbstverständlich ist die Arbeit noch längst nicht abgeschlossen, und es ist immer noch ein weiter Weg bis zur Fahrradstadt. Wir ersuchen deshalb unsere Leserinnen und Leser, uns weiterhin über Missstände und Verbesserungsbedarf zu informieren. Zuschriften bitte über radkummerkasten.at oder wien@radlobby.at

18.

18.

15.

• In der Goldschlagstraße wurde zwischen Holocherstraße und Wieningerplatz die erste Fahrradstraße im innerstädtischen Bereich eingerichtet (siehe PlusMinus, Seite 20).

14. • Der neue Radweg in der Heinrich-Collin-Straße erspart den Umweg über die stark befahrene Hütteldorfer Straße.

14. 7. 15.

6. • Am Getreidemarkt wurde die Lücke zwischen der Lehargasse und der Operngasse Richtung Karlsplatz geschlossen (siehe Seite 20).

12.

23.

4.

• Am Südtiroler Platz wurde auf der Westseite ein Zweirichtungsradweg errichtet, was Richtung Zentrum den Radfahrenden den Umweg über mehrere Ampeln erspart. Dafür wurde eine Rechtsabbiegespur aufgelöst.

6.


Infrastruktur

7. • Durch Radfahren gegen die Einbahn in der Schottenfeldgasse von der Neustiftgasse bis zur Badhausgasse ist eine durchgängige 2,1 Kilometer lange Radroute zwischen Mariahilfer Straße und Alser Straße entstanden.

23.

• Die Unterführung Gütenbach bei der Breitenfurter­ Straße wurde nach Bericht im DRAHTESEL 3/16 auch für Radfahrende geöffnet und somit die Radroute Gütenbach­straße mit dem Radweg Liesingbachtal verbunden.

21.

2. 1.

10.

• Durch die Brünner Straße zwischen der Katsushikastraße und der Shuttleworthstraße verläuft ein neuer Radweg bzw. Radfahrstreifen.

1.

• In der Wipplingerstraße zwischen Ring und Hohem Markt wird Radfahren gegen die Einbahn eingerichtet. Somit entsteht eine direkte und durchgängige City-Querung zwischen der Börse und Wien-Mitte. • Die letzte Lücke beim äußeren Ring-Radweg wurde geschlossen. Rund um das Jonas-Reindl führt jetzt ein Radweg (siehe Seite 20). • Der Radweg in der Operngasse / Kreuzung Rechte Wienzeile wurde versetzt und ein eigener Gehweg errichtet. Außerdem hat man die Kfz-Linksabbiegespur entfernt: ein Sicherheitsgewinn. • Am Kohlmarkt, in der Wallnerstraße und einem Teil des Grabens soll ab 2017 in den Vormittags- und Nachtstunden probeweise für ein Jahr das Radfahren erlaubt werden. • Die Herrengasse wird Begegnungszone. Die Geschwindigkeits­ beschränkung wird von 30 auf 20 km/h verringert. Die neue Verkehrsorganisation lässt hoffen, dass Kfz hier langsamer und rücksichtsvoller fahren.

21.

12.

• In der Arndstraße von Meidlinger Hauptstraße bis Längenfeldgasse wurde Radfahren gegen die Einbahn eingerichtet. Somit ist eine 1,7 Kilometer lange Radroute bis zur Neville­ brücke entstanden. • Der im Bau befindliche Radweg und das Radfahren gegen die Einbahn von der Schönbrunner Straße Kreuzung Gierstergasse über Kobingergasse und Dunklergasse bis zum Gaudenzdorfer Gürtel wird den Wientalradweg begradigen und die Qualität erheblich erhöhen.

11.

2. • Der Radweg unter der A23 ist eine Hauptradroute aus der Donaustadt in den 10. Bezirk. Er wurde neu asphaltiert, auf vier Meter verbreitert und die Beleuchtung verbessert.

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 19


PLUS  ⁄  MINUS

Verkehrs-Infrastruktur im Praxistest

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 20

QUALITÄTSKONTROLLE: Andrzej Felczak (Leitung), Wolfgang Wehap

&

&

Wien 1., 6., Getreidemarkt / Wienzeile

Wien 1., Jonas-Reindl

Wien 15., Goldschlagstraße

Für den Lückenschluss zwischen Zweierlinie und Karlsplatz war am Getreidemarkt ursprünglich eine Radstreifenlösung vorgesehen. Diese Variante wurde zum Glück verworfen – nicht zuletzt, weil sich die Wiener Rad-Community und die Radlobby aufgrund von Sicherheitsbedenken dagegen ausgesprochen hatten. Stattdessen wurde von Lehargasse bis Rechter Wienzeile ein 1,5 Meter breiter Einrichtungsradweg errichtet. Die Kfz-Fahrspuren wurden hierfür verschmälert. An der Kreuzung Linke Wienzeile richtete man getrennte Grünphasen für rechtsabbiegende Kfz und den geradeaus fahrenden Radverkehr ein. Auch wenn es noch keinen Radweg am Getreidemarkt in die andere Fahrtrichtung gibt und auch wenn zwischen Mariahilfer Straße und Lehargasse immer noch bloß ein schmaler Mehrzweckstreifen verläuft: Für die Route bedeutet es eine erhebliche Verbesserung, was sich auch an der gestiegenen Benützungsfrequenz zeigt. Nicht optimal gelöst wurde die Kreuzung Rechte Wienzeile/Operngasse, wo rechtsabbiegenden Kfz die Radroute queren.

Es ist kein Zufall, dass die letzte Lücke des äußeren Ring-Radweges beim sogenannten Jonas-Reindl bestand: U-Bahn-Station, Straßenbahnknoten und Straßenkreuzungen kommen hier zusammen, dazu die Hauptradrouten Ring, Währinger Straße und MariaTheresien-Straße. Wenig überraschend ist das Ergebnis des jetzt erfolgten Lückenschlusses ein Kompromiss. Positiv: Durch die Doppel-Linksabbiegespur Schottengasse/Jonas-Reindl Richtung Ring wurde Platz geschaffen. So konnte ein breiter Radweg errichtet werden. Für die verschiedenen Fahrtrichtungen gibt es getrennte Aufstellflächen (das sind jene markierten Flächen, wo Radfahrende anhalten, um auf Grün zu warten). Die neue Querung der Schottengasse beim Ring schließt die Verbindung Richtung Donaukanal. Negativ: Die Radroutenführung ist vielfach unklar. Der Radweg Universitätsstraße/Jonas-Reindl ist schmal, parallel dazu gibt es keinen Fußweg, wodurch viele versucht sind, auf dem Radweg zu schreiten.

In der Goldschlagstraße wurde zwischen Holochergasse und Wieningerplatz die erste zentrumsnahe Fahrradstraße eingerichtet. Sie ist 470 Meter lang, komfortable sechs bis sieben Meter breit und Teil der neuen 1,6 Kilometer langen Radroute zwischen Neubaugürtel und Johnstraße. Die Stadt Wien errichtet Fahrradstraßen dort, wo eine eigene Radfahranlage nicht möglich oder sinnvoll ist. Radfahrende und motorisierter Verkehr nützen die Fahrbahn gemeinsam, allerdings sind Radfahrende gegenüber Kfz bevorrangt. Fahrradstraßen sollen eine besonders hohe Qualität und Verkehrssicherheit für den Radverkehr bieten, allerdings wurde diese – im März 2013 in der StVO aufgenommene – Verkehrsorganisation in Wien bisher zurückhaltend eingesetzt: Es gibt sie lediglich in der Kuchelauer Hafenstraße in Döbling und in der Hofjagdstraße in Hietzing.

Langjährige Forderung: Verbindung zwischen Zweierlinie und Karlsplatz

Kompromisslösung: Letzter Lückenschluss äußerer Ring-Radweg

Wien hat seine erste zentrumsnahe Fahrradstraße

Einfach online Radbeschwerden abgeben: Fotos: Andrzej Felczak (2); Tadej Brezina; Wolfgang Wehap; Margit Palman (2)

radkummerkasten.at


Graz, Wickenburggasse

Baden, Dammgasse

Mödling, Goethegasse

Man sprach vom „Wunder der Wickenburggasse“, so unerwartet kam das: Ein Nadelöhr auf der Hauptradroute vom Uni Campus zum Hauptbahnhof wurde geweitet, indem man eine Kfz-Fahrspur aufließ. Der Anstoß kam von der TU Graz, die in einer Simulation kaum Auswirkungen auf den Autoverkehr nachwies. Dafür gibt es für Radfahrende und Zufußgehende mehr Platz. Konfliktzonen etwa bei einer Haltestelle oder an der Kreuzung Laimburggasse wurden entschärft. Großzügiger dimensioniert sind nun die Aufstellflächen (markierte Flächen, wo Radfahrende anhalten, um auf Grün zu warten) im Bereich KaiserFranz-Josef-Kai/Keplerbrücke. Die neue Breite setzt sich im Osten auf einem Stück Jahngasse bis zur Parkstraße fort. Die nun verschwenkte Fahrspur würde es ermöglichen, den Radfahrenden an der Querung Parkstraße den vor Jahren „aus Sicherheitsgründen“ genommenen Vorrang zurückzugeben. Die neue Wickenburggasse setzt neue Standards und macht Lust auf Mehr.

Der Geh- und Radweg Dammgasse ist eine Hauptradroute durch Baden und verläuft neben dem Bahnhof. Bei der Kreuzung Leesdorfer Straße gibt es seit längerem eine Engstelle, die den Behörden bestens bekannt ist. Im Jahr 2013 erfolgte nach Beschwerden von Radfahrenden eine Veränderung, die die Durchfahrt noch weiter auf 1,37 Meter verengte. Als im Jahr 2016 nebenan ein neues Parkdeck um 12 Mio. Euro errichtet wurde, hätte sich die Gelegenheit geboten, die Engstelle zu entschärfen. Stattdessen wurden die alten Steher nicht versetzt, obwohl zum Bauwerk noch 1,30 Meter Platz vorhanden ist und die Fläche neu asphaltiert wurde. Jetzt ist die 2,55 Meter breite Fläche auf 1,57 Meter eingeengt. Die Bauabteilung der Stadt Baden und die Bezirkshauptmannschaft Baden sind aufgerufen, bei allen Planungen den Radverkehr richtlinienkonform zu berücksichtigen. Laut den Richtlinien RVS beträgt die Mindestbreite bei einem Geh- und Radweg 2,5 Meter plus 0,5 Meter Schutzstreifen zur Fahrbahn.

In Mödling wurden in der Goethegasse und der Franz-Schubert-Gasse Sharrows eingerichtet und ein Teil der Route zwischen Bahnhof und HTL aufgewertet. Die Sharrows sind großzügige 90 Zentimeter breit und 192 Zentimeter hoch. In der Goethegasse beträgt der Abstand zwischen Sharrow und Parkspur einen Meter, in der FranzSchubert-Gasse nur 0,7 Meter, was als Sicherheitsabstand zu wenig ist. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) führt eine Vorher-NachherUntersuchung durch, um die Umsetzung der „Mödlinger Sharrows“ wissenschaftlich zu begleiten und deren Wirkung zu untersuchen. Sharrows sind spezielle Fahrbahnmarkierungen, die dort angebracht werden können, wo aus Platzgründen keine andere Rad­infrastruktur möglich ist. Sharrows bieten eine Fahrlinie auf der Fahrbahn mit Sicherheitsabstand zu parkenden Autos. Zudem bedeuten sie den Kfz-Lenkenden, Radfahrenden aus­reichend Raum zuzugestehen.

Kfz-Spur entfernt – statt Nadelöhr mehr Platz für Radfahrende

Unendliche Geschichte: Planungsmängel bei Radwegen in Baden

Neue Sharrows auf Radroute zwischen Bahnhof und HTL

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 21

Infrastruktur


Lebensstil Rückblicken: Erste Wiener Fahrradschau Seite 22

Einblicken: Buchtipps für Velophile Seite 23

Aufblicken: Radeln mit den Weltmeistern Seite 24

So wild war die Fahrradschau

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 22

Nach sieben Jahren in der deutschen Hauptstadt feierte die Berliner Fahrradschau im vergangenen Oktober ihr erstes Gastspiel in Wien. Fazit: Ein insgesamt gelungener Auftritt. Die Marx Halle erwies sich als würdiger Veranstaltungsort für die große HauteCouture-Show des Radfahrens. Das parallel stattfindende Radkult-Festival schuf einen farbenfrohen Rahmen mit spektakulären Veranstaltungen. Die Messe zeigte die erstaunliche Vielfalt an Produkten auf dem Fahrrad-Markt (zu oftmals noch erstaunlicheren Preisen). Radfahren – das zeigt die Schau – taugt offenbar immer besser zum Statussymbol, mit dem sich richtig gut Geld verdienen lässt. Ein guter Trend? Was meinen Sie? Schreiben Sie uns an drahtesel@argus.or.at

Cinemascope Ovarian Psycos

East Side Los Angeles. Junge Frauen mit Bandanas im Gesicht radeln in Slow Motion auf die Kamera zu, sie heben ihre geballten Hände, dazu wird extradiegetisch der Song des Black Panthers Movement aus dem Jahr 1968 eingespielt – „Revolution has come, time to pick up the gun“. Das Bild hat etwas Bedrohliches, Kraftvolles– und es erinnert irgendwie an Szenen aus Wildwestfilmen, in denen Banditen auf ihren Pferden angreifen. Wir haben es mit den „Ovarian Psycos“ zu tun, eine Latino-FahrradBrigade für „Frauen jeder Hautfarbe“, deren gemeinsame Radfahrten eine Art Guerilla-Theater darstellen. Indem sie vehement auf ihre Rechte pochen und die Straßen erobern, sind sie quasi die direkten Nachkommen der feministischen und Chicano-Bewegungen der 1960-er und 1970-er Jahre. In der inti-

men Dokumentation dieses Kollektivs erfahren wir, warum die „Ovas“, wie sie sich nennen, in ihrem „Do it yourself“Aktivismus Bestimmung und Trost finden, warum Missbrauch so ein großes Thema ist, warum viele der Frauen Traumata zu überwinden haben. Die Regisseurinnen Joanna Sokolowski und Kate Trumbull-LaValle zeigen uns überzeugende, authentische Charaktere und erforschen die komplexen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, Tradition und Unabhängigkeit. Ovarian Psycos Dokumentation, USA (72 Minuten) Regie: Joanna Sokolowski, Kate Trumbull-LaValle, Kamera: Michael Raines, Schnitt: Victoria Chalk, Mit: Xela De La X, Andi Xoch, Joan „Zeta“ Zamora, Evelyn Martinez

An dieser Stelle stellt die Film- und Theaterwissenschaftlerin Ines Ingerle Klassiker und Neuheiten aus der Welt des FahrradFilms vor.

Foto: Wiener Fahrradschau / Carlos Fernández Laser

Das Gastspiel der Lifestyle-Show zeigte die erstaunliche Vielfalt velophiler Produkte


BÜCHER

Der Geist des Radsports seines Pferdeschwanzes doch noch um acht Sekunden an Greg LeMond verlor. Oder auch kontroversiell, wenn der Autor im Beitrag „Die Epo-Toten gibt es nicht“ die Gefährlichkeit der leistungssteigernden Droge hinterfragt und sich dabei auf eine Studie des spanischen Forschers Bernat López beruft, der 49 plötzliche Todesfälle zwischen 1987 und 2010 bei Radsportlern untersuchte. In einem der längsten Kapitel, „Der Geist des Sports“, konstatiert Krabbé sogar, dass „das Dopingverbot gefährlicher ist als das Doping selbst“, denn es würde „die Rennfahrer zu Quacksalbern, zum Schwarzmarkt und zur Mafia treiben“. Eine gewagte Position in einem in der Öffentlichkeit eher dominierenden Anti-Doping Umfeld. Guter Stoff also für Diskussionen!

Krabbé, Tim Die vierzehnte Etappe: Radsportgeschichten. Bielefeld: Covadonga, 2016 318 Seiten ISBN 978-3-95726-009-3 15,30 Euro.

Matthias Pintner

Handbuch: Besser Leben ohne Auto

Tourguide: Radeln in Langstrumpf-Land

Sachbilderbuch: Nicht nur für Kids

Radsport-Porträts: Fahrrad-Begeisterte

Bricht die Welt zusammen, wenn ich das privat allzeit verfügbare, aber leider umweltschädliche, platzvergeudende und teure Automobil aufgeben würde? Dass dem nicht so ist, zeigt Bernhard Knierim. Der Autor hat in seinem „Handbuch für den Verkehrsalltag“ einen Ratgeber für die persönliche Mobilitätswende verfasst, der bei den praktischen Fragen ansetzt: Wie soll ich den autofreien Alltag organisieren? Wie kann das Leben ohne Auto Zeit und Geld sparen? Wie kann man Ausflüge oder den Urlaub komfortabel autofrei gestalten?

Der Süden Schwedens lockt mit glasklaren Seen, dem Blau des Meeres, mit langen Sandstränden, weiten Wäldern und Flusslandschaften: Wer eine Radreise nach Schweden plant, ist mit dem neuen „Bikeline“-Reiseführer gut beraten: Präzise Karten, die auch mal nass werden können, detaillierte Streckenbeschreibungen und touristische Tipps helfen bei der optimalen Routenwahl durch die Provinzen Skåne, Blekinge und Småland. Damit das Kulturprogramm nicht zu kurz kommt, gibt es Tipps auch zu Malmö, der drittgrößten Stadt des Landes, und zur alten Universitätsstadt Lund. Bleibt nur der Wunsch nach schönem Wetter!

Charmant illustriert erzählt das Buch die Geschichte des Fahrrads, von der Erfindung der Draisine über dessen technologische Weiterentwicklungen bis hin zu Rädern, wie wir sie heute fahren. Die ansprechend gegliederten Kapitel besprechen Innovationen, Radrennen, Rad-Pioniere und -Pionierinnen, gesellschaftliche Trends und vieles mehr. Nicht nur Kinder werden in diesem Sachbilderbuch spannende Zusammenhänge entdecken und sich an den detailreichen Zeichnungen erfreuen.

Eine Arzthelferin, ein Elektrotechniker, ein Politologe und eine Polizeikommissarin: Was haben diese Personen mit dem Tour-deFrance-Gewinner gemeinsam? Antwort: die Begeisterung für das Radfahren! In 58 Porträts, jeweils im individuellen Design mit anekdotenhaften Steckbrieftexten liebevoll gestaltet, werden Kenner und Liebhaberinnen des Radsports vorgestellt, nicht nur die Stars, sondern auch weniger bekannte Amateure, Mechaniker und Fans: ein Blick in die ganze Welt dieses Metiers.

Jeong, Haseop Cho, Seungyeon (Illustr.) Das Fahrrad. Vom Hochrad bis zum E-Bike Hildesheim: Gerstenberg, 2016 48 Seiten ISBN 978-3-8369-5871-4 15,40 Euro

Kraus, Rainer; Blaha, Rudolf A. Die Welt hat Pedale und Freunde, die sie treten 58 Radsportporträts. Bielefeld: Delius Klasing, 2016 155 Seiten ISBN 978-3-667-10706-0 30,80 Euro

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Knierim, Bernhard Ohne Auto leben. Handbuch für den Verkehrsalltag Wien: Promedia, 2016 176 Seiten ISBN 978-3-85371-413-3 14,90 Euro

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Szombathely, Constanze und Malte Südschweden. Von Skane nach Småland und zurück Rodingersdorf: Esterbauer, 2016 180 Seiten ISBN 978-3-85000-679-8 15,90 Euro

Eliza Brunmayr

Omo Lisboa

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 23

Tim Krabbé, 1943 in Amsterdam geborener niederländischer Schriftsteller (u.a. „Das Rennen“, „Das goldene Ei“) und Amateurradrennfahrer, veröffentlichte im Jahr 2015 unter dem Originaltitel „De veertiende etappe“ („die vierzehnte Etappe“) 71 kurze Texte, die heuer im Covadonga Verlag auf Deutsch erschienen sind. Die im Laufe der letzten 35 Jahre geschriebenen Beiträge sind humorvoll, etwa wenn Krabbé in „Pommes und Religion“ über einen Teilnehmer eines Amateurradrennens schockiert ist, weil er sich knapp vor dem Rennstart mit einer Portion Pommes „dopt“. Sie sind spannend, wenn er in „Die acht Sekunden von Paris“ erzählt, wie der führende Laurent Fignon die Tour de France 1989 im Zeitfahren auf der letzten Etappe durch die aerodynamischen Nachteile

Lebensstil


Helden mit Bäuchlein Unser Autor nimmt am Eddie Merckx Classic Radmarathon im Salzkammergut teil und radelt den Helden aus seinen Kindertagen hinterher REPORTAGE: Jan Killian

Eindrücke vom letzten Eddy Merckx Classic Radmarathon im Salzkammergut. Der Event findet das nächste Mal am 10. September 2017 statt. eddy-merckx-classic.com

auf derselben Distanz an. Auch er natürlich auf einer Rennmaschine, die seinen Namen trägt. Im Startbereich mische ich mich unter Legenden wie Joop Zoetemelk, Felice Gimondi und Stephen Roche, der Giro d’Italia, Tour de France und die WM in einem Jahr gewann. Auch Roland Königshofer, der Mann, den sie Specht nannten, ist hier. Und natürlich Eddie Merckx, der wahrscheinlich größte Radrennfahrer aller Zeiten: Er steht im Zentrum des Interesses. Sein stattlicher Bauchumfang zeugt von all den Rivalen, die der belgische Kannibale im Laufe seiner eindrucksvollen Karriere verspeist hat. Seit zehn Jahren besucht der Großmeister diesen, seinen Event. Wie immer hat er seine ehemaligen Teamkameraden mitgebracht, mit denen er immer noch jede Woche ausfährt. Noch an den Folgen einer Rückenoperation leidend, wird er, nach hohem Tempo, jedoch den heurigen Bewerb vorzeitig beenden müssen. Ich schiebe mich durch die Menge zu Sig-

Ich bin gekommen, um eine Legende zu treffen, deren Name mir schon als Kind wie Musik in den Ohren klang: Francesco Moser, Zeitfahrerlegende der 1970er- und 80er-Jahre und damals Stundenweltrekordhalter. räder. Sehr nett, aber mein Plan ist ein anderer: Ich will meinem klassischen Stahlrad, einem Francesco Moser Baujahr 1995, ein Wiedersehen mit seinem Schöpfer bescheren. Ich entscheide mich für die 63-Kilometer-Variante (mit immerhin 1.100 Höhenmetern), und mein Held tritt

nore Moser, braungebrannt, groß und sportlich. Ob er mir mein Fahrrad signiert? „Si, Certo!“ Und das ist das letzte Mal, das ich von ihm etwas anderes zu sehen bekomme als sein Hinterrad. Der erste Anstieg nach dem Start, und das Feld zieht sich auseinander. Die weltmeisterlichen Veteranen sehe ich

Fotos: Salzburger Land Tourismus/Franz Neumayr, Jan Kilian

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ad an Rad mit Legenden, ist das Motto des Eddie Merckx Classic Radmarathons. Beim zehnjährigen Jubiläum 2016, mit zehn ehemaligen Weltmeistern im Starterfeld können Hobbyfahrer wie du und ich mit ihren Idolen auf die Strecke gehen. Drei attraktive Strecken zu 63, 105 und 169 Kilometer führen zu elf Seen im Salzkammergut und belohnen mit herrlichen Ausblicken – vorausgesetzt freilich, man schafft es kurz, den Blick vom Hinterrad des Vordermannes zu lösen. Ich bin gekommen, um eine Legende zu treffen, deren Name mir schon als Kind wie Musik in den Ohren klang: Francesco Moser, Zeitfahrerlegende der 1970er- und 80er-Jahre und damals Stundenweltrekordhalter. Als Basis für mein Abenteuer wähle ich das Hotel Gmachl. Mein Quartiergeber, einer von vierzehn radbegeisterten Rennradhotelbetreibern der Region, zeigt mir die Werkstatt und die nagelneuen, federleichten Leihrenn-


Lebensstil

nur mehr von hinten und dann gar nicht mehr. Dass mein Rad vier Kilo mehr und ebensoviele Gänge weniger als die Carbonrenner der anderen hat, wird schmerzhaft deutlich. (Vielleicht auch, dass mir zur persönlichen Spitzenform noch viele, viele Trainingstage fehlen.) Auf den Rennfotos sieht

Verfolgerfeld, kein belgischer Kreisel, nicht einmal Peloton. Die Handbiker ziehen vorbei und dann die Senioren, bis ich fünf Kilometer vor dem Ziel endlich doch noch einen Weltmeister überhole: Jan Janssen – aber der hat immerhin 76 Jahre auf dem Buckel.

Der erste Anstieg nach dem Start, und das Feld zieht sich auseinander. Die weltmeisterlichen Veteranen sehe ich nur mehr von hinten und dann gar nicht mehr. meine verschwitzte Visage aus, als hätte ich eine Tropenkrankheit und meine Augen haben diesen leeren Blick wie die Frontsoldaten in den Filmen von Frank Capra. Die meiste Zeit ist der Bewerb für mich ein Einzelzeitfahren auf niedrigem Niveau. Kein

Im Ziel angekommen stelle ich fest: Francesco hat mir 45 Minuten auf den 63 Kilometern abgenommen und ist als Führender seiner Klasse durchs Ziel gegangen. Wenige Minuten nach mir erreicht das Spitzenfeld über die 105Kilometer-Distanz das Finish. Auf der

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Zielgeraden fächern sich zwanzig Fahrer neben Maurizio Fondriest auf und alle überfahren gleichzeitig die Ziellinie. Eine von vielen sportlichen Gesten dieses Tages, so wie die helfenden Hände der Fans an den Schultern der über siebzigjährigen Champions, die anschieben, wenn am Berg die Beine nicht mehr so recht wollen. Gegenüber vom Zieleinlauf, im Strandbad Fuschl schäle ich mich aus dem Trikot und schwimme hinaus auf den See. Im Wasser treibend sortiere ich meine Eindrücke. Gibt es eine bessere Veranstaltung für gelebte Begeisterung, eine bessere Auswahl an Mitfahrenden, eine schönere Umgebung für ein Rennen im Zeichen des gegenseitigen Respekts als diese? Ich kenne keine.

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Selfie mit Francesco Moser (rechts). Der Signore setzt seine Signatur auf das Stahlrad von Autor Jan Killian


Fahrstil

Zwiebel im Kalender

Barbara Ottawa ist Journalistin in Wien

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Kalt, nass, dunkel? Kein Grund, auf das Radfahren zu verzichten. Hier meine Winter-Radl-Liste. Vielleicht sind ja für euch ein paar Tipps dabei: 1. Hand aus dem Fenster strecken statt nur in Wetter-Apps und aufs Datum schauen: Es kann nämlich sein, dass draußen gar kein Winter ist. 2. Zwiebel in den Kalender malen: Egal ob Schnee oder nicht, Temperatur­ unterschiede können im Herbst  ⁄  Winter weitaus heftiger ausfallen. Da ist es wichtig, immer noch eine Schicht mitzuhaben. 3. Achtung Saunagefahr! Allerdings ist es nicht schlau, zu viel anzuziehen, denn – wie wir alle wissen – „Radfahren erwärmt“. Oft empfehlen sich „Teilschichten“, wie Stulpen, etc. 4. Dress for the moment: Es macht in der kälteren Jahreszeit viel mehr Unterschied, ob man eine schnelle Ausfahrt mit dem Rennrad macht, zur Arbeit pendelt oder im Schritttempo bei der

Critical Mass mitfährt. Fürs Rennrad ist Funktionskleidung hilfreich, beim Pendeln genügen meist Jacke, Haube und Handschuhe, und für die Critical Mass ist Maronibrater-Look angesagt. Kalt wird es in jedem Fall auf den Füßen! 5. Sehr aufmerksam fahren ist im Winter das Um und Auf. Dunkelheit (immer Lichter mitnehmen) und Nebel beeinträchtigen oft die Sicht. Feuchtigkeit erhöht die Rutschgefahr (Schienen!). All das macht es auch für Autofahrende anstrengender – da sollte man mit ihnen noch ein bisschen nachsichtiger sein. Apropos Zwiebel in einer Liste: Nach längeren Ausfahrten in der Kälte empfehlen sich – je nach regionaler Vorliebe – Curries, Borschtsch oder französische Zwiebelsuppe. Allerdings nur, wenn sie schon vorgekocht wurden, denn nach der Ausfahrt möchte man nicht erst Zwiebel schälen müssen.


Produkte & Technik Bicycle Business: Möve ist zurück Seite 27

Schaufenster: Ideen für das Christkind Seite 28

Cover-Special: Dein Rahmen nach Maß Seite 30

Radmanufaktur mit über hundertjähriger Tradition

Flug durchs Land mit Möve

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Unsere Autorin besucht ihre alte Heimat Mühlhausen in Thüringen. Die ideale Gelegenheit, um den Cyfly-Antrieb der wieder auferstandenen Traditionsmarke Möve zu testen

Mit Cyfly (noch) schneller unterwegs als normalerweise: Beatrice Stude

HEIMSPIEL: Beatrice Stude

Fotos: privat, Hersteller (3)

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igentlich wollten sie auf den Trend aufspringen und bloß EBikes entwickeln. Doch dann erfanden sie stattdessen das Fahrrad neu: aufgelöste Tretkurbel und elliptisches Kettenblatt machen das Radfahren leichter – auch ohne elektrischen Zusatzantrieb. Es ist die Wiederbelebung der 1896 gegründeten Traditionsmarke Möve. Vor 55 Jahren hatte die Zentralisierungspolitik der DDR die Fahrradproduktion einer der ersten Fahrradmanufakturen in Deutschland beendet: Die Möve-Werke in Mühlhausen bauten fortan Autos. Dass es jetzt doch wieder Fahrräder gibt, die den Namen Möve tragen, liegt an Tobias Spröte, der den Vorsatz fasste, die Firmentradition wiederzubeleben. Ursprünglich mit der Idee, E-Bikes zu bauen. Doch nach dem Bau eines ersten Prototyps mit ElektroAntrieb schwenkte man mit Hilfe eines

Ingenieurs aus Leipzig wieder zurück zur puren Muskelkraft. Das Team rund um Spröte konstruierte einen neuartigen Fahrradantrieb: Cyfly. Am 4. November 2014 gründete er zusammen mit Markus Rochlitzer und Dominik Burre dafür die Möve Bikes GmbH. Cyfly-Antrieb im Test Irgendwann während des Jahres 2013 habe ich selbst ein Möve-Fahrrad erstanden, eines der letzten, das noch in der DDR-Manufaktur hergestellt worden war. Seitdem war ich neugierig, wie es mit Möve weitergehen würde. Heuer im Juni durfte ich dann den Cyfly testen. Cyfly steht dabei für die Verkürzung der Tretbewegung bei gleichbleibender Leistung. Zu gut Deutsch: leichterer Antritt im schweren Gang. Dank dieser Technologie wird beim Radfahren mit der selben Leistung 20

bis 40 Prozent mehr Geschwindigkeit erzielt – verspricht jedenfalls Möve. Ich probiere es aus. Zuerst ein älterer Prototyp, ein Stadtrad. Das Treten fühlt sich erst einmal unrhythmisch an, da bei jeder Umdrehung ein Widerstand kommt. Dann auf das Rennrad mit Cyfly-Technologie. Jetzt ist die Bewegung flüssiger, es fühlt sich schneller an. Und: Es macht Spaß! Darüber hinaus, hoffen die Ingenieure, könnte sich die eingebaute Kraftund Ruhephase für Menschen mit Knieproblemen positiv auswirken. Zusammen mit der Leipziger Universität soll die Technologie auf ihre gesundheitsfördernden Aspekte getestet werden. Auch die Effizienz könnte noch weiter gesteigert werden, erklärt Marcus Rochlitzer, Entwicklungsleiter und einer der Möve-Gründer: „Nur würden Menschen – gewohnt ans runde Zahnrad – nicht aufsteigen.“ * Werbespruch aus dem Jahr 1930

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BICYCLE BUSINESS


A Mechanikerräder Die 2017er-Edition des Kalenders mit den Fotografien der schönsten Wiener Mechanikerräder.

Das DRAHTESEL Schaufenster

wiener-mechanikerraeder.at

Gesehen um 19,90 Euro B Stilsicher im Regen Die Gretchen-Frage bei Regenbekleidung: Poncho oder nicht Poncho? Jetzt kommt von Cleverhood ein Produkt, das die Lager versöhnen könnte. Nicht ganz billig. cleverhood.com

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C Wandhalterung Wer sein edles Ross auch an der Wand bewundern will, für den bietet Schindelhauer nun eine elegante Halterung aus Formschichtholz. schindelhauerbikes.com

Gesehen bei Citybiker Lerchenfelderstr. 13, 1070 Wien, ab 169 Euro D Breezer Bikes Besser ohne Firlefanz? Vielleicht ist das Downtown EX die richtige Wahl. Das klassische Stadtrad von Breezer kommt mit SiebenGang-Kettenschaltung und Chromoly-Stahlrahmen.

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ig-fahrrad.at

Gesehen bei IG-Fahrrad Westbahnstr. 28, 1070 Wien, um 549,90 Euro E Pelago Stavanger Zum 150. Geburtstag von Brooks England bringt die finnische Fahrradmanufaktur eine limitierte Edition des Stavanger heraus. Das handgefertigte Stahlrad eignet sich für den täglichen Weg ins Büro oder als Randonneur für die flotte Reise. Gesehen online bei pelagobicycles.com

um 2.495 Euro

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F Zum Langlaufen! Mit Hilfe des Ski-AdapterSets lässt sich ein Croozer Kinderanhänger zum Langlaufen verwenden. Die Laufräder werden gegen SkiAdapter und Ski getauscht. Statt Deichsel oder Vorderrad werden Zugstangen montiert, die an einem Hüft- und Schultergurt befestigt sind.

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croozer.at

Gesehen im Fachhandel um 189,95 Euro Importeur: fahrradstudio.at G

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Komponentensicherung ABUS NutFix schützt Laufräder und Sattelstütze vor Diebstählen: Die Nuss ist mit einem Mechanismus versehen, der die darunter liegende Schraube nur frei gibt, wenn das Rad auf der Seite liegt. abus.com

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Das Drahtesel Schaufenster entsteht in Kooperation mit den Herstellern / Fotos: Hersteller

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Fahrradkorb in nachhaltiger Version Wer wie ich ständig eine umfängliche Ausrüstung, bestehend aus Aktentasche, Fotoapparat und Stativ mit sich führt, wird über das am Markt vorhandene Fahrradkörberl-Angebot nicht begeistert sein. So gut wie alle industriell erzeugten Produkte sind wenig stabil und nicht in der gewünschten Größe erhältlich. Jahrelang musste ich mich derart behelfen, dass ich das zu kleine Standardkörberl überladen und die verstauten Gegenstände mit Gummihalterungen fixiert habe. Freilich gingen die Körberln wegen der speziellen Beanspruchung nach einer gewissen Zeit immer wieder kaputt. Nach langem Nachdenken und -fragen, wie das Problem gelöst werden könne, kam ich mit der „Metallwerkstatt“ in Wien-Meidling in Kontakt, deren freundlicher Juniorchef Thomas Brandstätter sich bereit erklärte,

eine solide Maßarbeit auszuführen. Da mir Plastikflaschen zuwider sind, bezog ich gleich den Umstand in meine Überlegungen ein, dass auch eine mit Glasflaschen bestückte Mineralwasserkiste im Korb Platz finden solle. Das Resultat kann sich sehen lassen. Mit seinen soliden Längsverstrebungen aus Stahl hält der Korb jeglicher Belastung stand. Selbst wenn irgendwann einmal das Gitter brüchig werden sollte, kann dieses jederzeit am unverwüstlichen Rahmen nachgerüstet werden. Um den Preis von 230 Euro ist der Korb zwar nicht geschenkt, dafür aber als absolut nachhaltig zu bezeichnen. Metallwerkstatt Breitenfurter Straße 110, 1120 Wien www.metallwerkstatt.com Johann Werfring

Cyborg-Helm Im Livall BH60-Helm steckt eine kleine Medienzentrale: Ein Headset mit BluetoothLautsprecher beschallt Trägerin bzw. Träger. Über eine Steuereinheit am Lenker kann man Telefonate annehmen oder Musik auswählen. Der Clou ist ein Crashsensor, der einen Notruf aktiviert und die GPS-Daten übermittelt. livall.com

Bestellbar bei PDS-Team ps@pds-team.com um 139,99 Euro

I Afterlife Zu neuem Leben erweckt das Wördener Unternehmen Fahrradfilet ausrangierte Gabeln, Rahmen und sonstige Komponenten: In Handarbeit entstehen Lampen, Hocker oder Klopapier-Halter: Nice! Gesehen online. Hocker ab 180 Euro fahrradfilet.at

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Ab Jänner im Fachhandel


MACHT RAHMEN NACH MASS Speziell, exklusiv und einzigartig: Das ist Customization, also die Gestaltung von Rahmen und sonstigen RadKomponenten nach den Vorstellungen der künftigen Besitzerinnen und Besitzer. Das kann man abgehoben und übertrieben finden. Aber: Wird nicht für weit Zweifelhafteres viel mehr Geld ausgegeben als für das Radfahren? Eine Tätigkeit, die bekanntlich nicht nur der Umwelt gut tut, sondern alle trüben Gedanken rasch in Bewegungsenergie umwandelt. Noch einen positiven Effekt hat die Sache: Wer einen Maßrahmen baut oder

sich bauen lässt, gewinnt Kontrolle darüber, wo und unter welchen Bedingungen das Stück entsteht. In einer Werkstatt in Küb am Semmering zum Beispiel, wohin sich Vintage-Fan David Marold begab, um der Geburt seines Traumrades beizuwohnen. Auch beim Material kann man mitreden: Wie wäre es etwa mit einem nachwachsenden Rohstoff wie Bambus oder Holz? Genau das tun Bambooride bzw. das Linzer Start-up MyEsel, die wir auf den Seiten 34 und 35 vorstellen. Viel Vergnügen mit unserem Maßrad-Special!

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Sein Schatz Unser Autor David Marold lässt sich einen Maßrahmen bei Peter Moser in Küb am Semmering anfertigen. DRAHTESEL-Fotografin Andrea Siegl hält den Entstehungsprozess in ihren Bildern fest


David Marold blickt durch eine Muffe (Verbindung Sitzrohr und Unterrohr) seines kĂźnftigen MaĂ&#x;fahrrades


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Trotz gestauchtem Rahmen kaufte ich im Jahr 2012 mein KTM Strada  1 (Baujahr 1983). Wegen der feinen Schaltgruppe (eine Shimano 600 Arabesque) und des günstigen Preises von knapp 100 Euro. Als jedoch eines Tages einer Freundin – bei voller Fahrt –das Unterrohr ihres alten Select reißt, wird mir klar: Das könnte auch mir passieren. Was also tun? Das alte Rad reparieren? Nicht einfach, wenn der Rahmen defekt ist. Ein neues Rad kaufen? Das könnte mit dem Oldtimer weder bei Stil noch Fahrgefühl mithalten. Die Lösung: Ein Maßrahmen muss her! 1

EIN MASS ­RAHMEN MUSS HER! Ich kontaktiere Rahmenbauer Peter Moser, der vor einigen Jahren Moos-Bikes gründete und in Küb am Semmering  2 seine Werkstatt betreibt. Peter hört sich meine Geschichte genau an, vermisst mich und mein altes KTM, analysierte meine Wünsche und zeichnet schließlich einen CAD-Plan.  3

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Peter baut die Rahmen in Anwesenheit seiner Kundinnen und Kunden bei sogenannten Sei-dabei-Wochenenden: Ich kann zusehen, wie die Rohre im Fillet brazed Verfahren (Auftragslötung) verbunden werden. Nur das Tret­lager ist gemufft. Im zweiten Arbeitsschritt werden der innen verlegte Bowdenzug, die Sockel für die Flaschenhalterungen und eine Klemmleiste für meine Rahmenschaltung angelötet.

RAHMENBAU IM FILLET BRAZED VERFAHREN Danach werden die Rohre in der Rahmen­ lehre geheftet. Zum Löten nimmt Peter den gehefteten Rahmen aus der Lehre und klemmt ihn in eine Zwinge.  4 Die Rohre würden sich sonst während des Lötens in der Lehre verspannen. Im Anschluss werden die Lötstellen sandgestrahlt und glatt geschliffen.


NEUES, ALTES DING: DAS GLÜCK AUF ZWEI RÄDERN?

LACKIERUNG: GRÜN, CREME, CAPRIBLAU Nach einem 24-Stunden­-Wasserbad, das das überschüssige Flussmittel – es dient dazu, unter Hitzeeinwirkung das Silberlot in die zu verbindenden Fugen zu ziehen – aus den Hohlräumen wäscht, wird der Rahmen von Peter grundiert und zum Lackierer gebracht.

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Als Lackierung wünsche ich mir British Racing Green als Grundfarbe  5, Sitzrohr und Steuerrohr bekommen Sektionen in Crème, Details werden Capriblau. Natürlich darf auch der Schriftzug „Tweed Ride Vienna“ nicht fehlen!

Ta-Tahhh! Da steht es, das neue, alte Ding: Neues Fahrrad, vertrautes Handling.  7 Leichtgängig, wendig, und passt wie ein Handschuh. Ich finde mich auf Anhieb zurecht. Nichts stört – ist das nicht das Glück auf zwei Rädern?

Die Endmontage des Fahrrades machen Gernot und Radek vom Fahrrad-Shop Citybiker.  6 Jetzt wird es spannend: passen die alten Teile? Die Schalt- und Bremsgruppe kann ich wunschgemäß übernehmen. Für den neuen Lenker brauche ich allerdings einen neuen Vorbau. Neu sind auch die Laufräder, und ich gönne mir dickere Reifen für mehr Komfort auf schlechten Wegen.

moos.bike

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Ein Holzrad nach Maß Ein Linzer Start-up bringt mit „MyEsel“ das weltweit erste Maßfahrrad auf den Markt, das in Massenfertigung produziert werden kann PORTRÄT: Matthias Bernold

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Bernhard Lehner  1 Co-Gründer von MyEsel Christoph Fraundorfer  2 Konstrukteur und Erfinder des MyEselHolzrades

aus Carbon schon bei Weltmeisterschaften mitflog, aus Holzplatten seine eigene Tretmaschine zusammen. Schon damals verwendet er eine CNCFräse. Nur hat der klobige Erstversuch mit überlanger Kette und primitiven Komponenten noch nicht viel mit den Edelrennern aus heimischem Holz gemein. „Trotzdem haben mich alle Freunde darauf angesprochen“, erinnert er sich: „Alle wollten es ausprobieren und einige haben gefragt, ob ich ihnen so etwas bauen könnte.“ Industrielle Produktion nach Maß Im oberösterreichischen Gründernetzwerk Akostart lernt Fraundorfer den Investor und KommunikationsProfi Bernhard Lehner kennen. Anfang 2015 entwickeln die beiden einen markttauglichen Prototyp aus Eschenholz und – unter Mithilfe des Labors für Bewegungslehre am Orthopädischen Spital Speising – den Konfigurator. Seit vergangenem Juli sind die Räder im Handel. „Individualisierung ist ein Riesen-Trend,“ erklärt Fraundorfer: „Unsere Kunden können Design, Holzart und Fahrdynamik selbst bestimmen. Sie fahren zum Schluss nicht nur ein Fahrrad aus heimischer und fairer Produktion. Sondern eines, das ihre eigene Persönlichkeit ausdrückt.“ my-esel.com

Fotos: Matthias Bernold

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yEsel ist die Verbindung aus Maßfertigung und industrieller Produktion“, erklärt der Linzer Architekt und Produkt-Designer Christoph Fraundorfer, der das Unternehmen zusammen mit Partner Bernhard Lehner Anfang dieses Jahres gegründet hat. Wer eines der Räder bestellen will, fügt zunächst seinen bevorzugten Fahrstil und einige Körpermaße in einen Online-Konfigurator, der daraus den optimalen, orthopädisch korrekten Fahrrad-Rahmen berechnet. Computerized Numerical Control (CNC)-Holzfräse und Furnier-Schichtbauweise erlauben sodann den Bau eines Rahmens, der dem individuellen Körperbau genau entspricht  – ohne dass deshalb die Kosten explodieren. Auf die Idee für sein Produkt kam Fraundorfer, weil er mit einer Körpergröße von 1,95 Meter selbst Probleme hatte, ein Fahrrad zu finden: „Vom Beach Volleyball-Spielen sind meine Knie ruiniert“, erzählt der 33-Jährige: „Durch das Radfahren ist es bei mir noch schlimmer geworden.“ Erst als ihm Physiotherapeuten helfen, die Haltung zu optimieren, fühlt er sich allmählich wohl. Aber kein StandardRad passt ihm wirklich. Im Sommer 2013 nach seinem Abschluss an der TUWien baut Fraundorfer, der mit seinen selbst konstruierten Modellflugzeugen


„Nach oben fast keine Limits“

Warum nicht Bambus?

Kurt Stefan, Betreiber der Veletage in der Wiener Praterstraße, über Sinn und Unsinn des Maßrad-Hypes

In der Werkstatt von Bambooride in Wien Alsergrund entstehen Maßfahrräder aus Bambus und Kohlefaser

Was kostet ein Maßrahmen bei dir? K. S. Es beginnt bei 2.500 Euro. Nach oben gibt es fast keine Limits. Gute Titan-Rahmen mit verschliffenen Schweißnähten gibt es ab ca. 6.000 Euro. Mit Lackierung und aufwändigem Design sind wir bei 10.000 Euro. Warum ist Titan so beliebt? K. S. Es ist ein exklusives Material, das man auf ersten Blick sofort erkennt. Ein Titan-Rad ist eine Investition, die man einmal im Leben macht. In den Köpfen der Leute ist es quasi unzerstörbar. Wie ein russisches Atom-U-Boot. (lacht) Ist es unzerstörbar? K. S. Das Material ermüdet schon langsamer als Stahl oder Carbon. Aber leider ist nach einem schweren Sturz auch der Titan-Rahmen kaputt.

Fotos: Matthias Bernold, Veletage

Wie funktioniert das Rad-Anpassen in der Veletage? K. S. Wir erheben den Einsatzbereich – Racer, Randonneur oder Cyclo Cross, dann wird Maß genommen und der ideale Rahmen berechnet. Bei einer 20-Minuten-Fahrt am Fitting-Bike prüfen wir, ob sich die Kundinnen und Kunden mit der berechneten Geometrie auch wirklich wohlfühlen oder ob wir nachjustieren müssen. Dann schicken wir die Daten an die Produzenten. Verschafft ein Maßrad mehr Leistung? K. S. Mit einem perfekt angepassten Fahrrad kannst du sieben bis zehn Watt mehr Leistung erzielen. Dazu brauchst du aber nicht unbedingt einen Maßrahmen. Ein hundertprozentig passender Standardrahmen mit individuellem Vorbau, Lenker, individueller Sattelstütze und Kurbellänge genügt. veletage.com

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ine dunkle Stiege führt in den Keller hinab. Im Dämmerlicht sind Graffiti an den Wänden erkennbar. Unten werkt im Schein heller Neonröhren eine Handvoll junger Leute konzentriert an Fahrradrahmen aus Bambusrohr, die von metallenen Haltevorrichtungen hängen. Wir befinden uns in der Werkstatt von Bambooride in der Beethovengasse in Wien Alsergrund. Das Kellerlokal mit geweißtem Deckengewölbe und grünem Linoleumboden ist Schauplatz für Workshops, in denen Menschen lernen, ihre eigenen fahrba3 ren Untersätze anzufertigen. Werkstoff ist Bambusrohr. Die stabilen Rohre der holzigen Graspflanze sind das ideale Material für Fahrräder im Eigenbau, erklärt Workshop-Leiter Alex Bergner. Zwei seiner Kunden radelten vor kurzem mit einem 4 hier gebauten Bambus-Tandem sechs Monate lang durch fünfzehn Länder Europas: Mit ihrem Projekt „Crossover“ wollten Ewa Gruszyk (31) und Roland Kloss (27) Menschen für das Radfahren begeistern. Bei Bambooride werden die Räder entsprechend den Vorstellungen der Kundinnen und Kunden entworfen: Größe, Geometrie und Komponenten werden abhängig vomVeletage  3 Anpassung Verwendungszweck des Radesder Rahmengeometrie bestimmt. auf dem Fitting-Bike Im Workshop werden dann die Bambusrohre zurecht ge-Bambooride  4 Die schnitten und die Muffen mit Hil-Rohre aus Bambusholz fe von Carbonfasern und Epoxid-werden mittels Epoxidharz verklebt. „Wer einmal selbstharz verbunden ein Rad zusammenbaut, bemerkt, wie simpel die Technologie eigentlich ist“, erklärt Bergner: „Das macht die Faszination Fahrrad aus“. tandem-crossover.eu bambooride.com

MACHT RAHMEN NACH MASS

„Ein Maßrahmen ist das ultimative Liebesgeständnis ans Radfahren“ Kurt Stefan

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DRAHTESEL Was ist dran an dem Trend um die Maß-Fahrräder? Kurt Stefan Individualisierung ist generell ein Trend. Es geht um das Besondere, Unverwechselbare und Eigene. Weniger um die Beseitigung anatomischer Probleme. Ein Maßrahmen ist das ultimative Liebesgeständnis ans Radfahren.


Tour & Reise Produkte & Technik Produkte & Technik

Einkehrschwung: Die besten Fahrrad-Wirte Seite 36

Interview: Extrem­sportler Michael Strasser Seite 38

Entlang der Parenzana: Von Triest bis Poreč Seite 42

VINTAGE-RENNEN

Auch 2017: Mensch trägt Wolle

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Im Herbst jagen alte Stahlrahmen mit malträtierten CampagnoloGran-Sport-Schaltwerken über die südsteirischen Weinberge (Bild). Im Frühsommer wiederum – am 11. Juni 2017 – ist das Weinviertel Schauplatz von mehr als 200 Kilometer langen Distanzen, gefahren von Wolltrikot-Trägern auf historischen Rennrädern. Vintage-Radsport­ bewerbe wie die Styroica oder die In Velo Veritas erfreuen sich auch in Österreich immer größerer Beliebtheit. Seinen Ausgang nahm der Boom in der Toskana, wo im Jahr 1997 erstmals die „L’Eroica“ ausgetragen wurde. Heute strampeln dort an die 2.000 Enthusiasten über staubige Landstraßen, weltweit verfügt das „Unternehmen L’Eroica“ über zahlreiche Ableger von Kalifornien bis Japan. Wolfgang Wehap

eroica.it inveloveritas.at styroica.at

EINKEHRSCHWUNG: ÖSTERREICHS BESTE RAD-WIRTE

410 Kilometer sind es von Salzburg bis nach Grado auf dem „Ciclovia Alpe Adria Radweg“. 2015 in Amsterdam zur Radroute des Jahres gewählt, zählt die Rad-Fernverbindung zu den Aufsteigern im Radtourismus. Dafür verantwortlich sind vor allem die Landschaftspanoramen zwischen Hohen Tauern und Meer. Bezwingbar wird der Alpenhauptkamm für Radfahrende nach dem knackigen Anstieg nach Bad Gastein mit der Bahnschleuse nach Mallnitz auf einer Höhe von 1.200 Meter. Mit dem Auftauchen am Tun-

Hotel Alpengarten Fahrradverleih, Vorschläge für Rad­touren, frische Produkte aus der Nationalpark-Region. alpengarten.at alpe-adria-radweg.com

nel-Südportal weitet sich nach und nach der Blick in die Welt der Dreitausender. Den besten Aussichtspunkt Richtung Süden bietet das 4-Sterne-Hotel Alpengarten von Peter und Michaela Angermann am südlichen Rand von Mallnitz. Dort wiederum ist der Naturbadeteich der beste Ort zum Entspannen und Planen der nächsten Etappen durch das Drau- und Kanaltal, zum Teil entlang aufgelassener Bahntrassen. Ab jetzt geht es nur mehr hinunter bis zur Adriaküste. Für die Abfahrt in das Mölltal haben die Angermanns einen besonderen

Tipp: nicht auf der Straße mit ihren breiten Kehren fahren, sondern ein Stück der alten Tauernbahntrasse nach Obervellach folgen. Mit grandiosen Ausblicken auf die herrliche Bergwelt entlang des Mölltals werden die Alpen verlassen und wir träumen uns schon einmal ans Meer. Ernst Miglbauer

Die DRAHTESEL-Serie Einkehrschwung Österreichs beste Rad-Wirte stellt Gastro­nomie-Betriebe vor, die Rad­freundlichkeit überzeugend leben

Fotos: Hotel Alpengarten (unten); Michael Siebenhofer

Ausblicke vom Alpengarten nach Süden


Tour & Reise

S E R I E Ö ST E R R E I C H S S C H Ö N ST E R A DTO U R E N

Berührt Seele und Beine

Unser Autor wagt sich an den Mühlviertel-Radweg. Wer die hügelige Strecke meistert, wird mit landschaftlichen und kulturellen Gustostückerln belohnt

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Ulrichsberg Aigen-Schlägl

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Bad Leonfelden Königswiesen

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BERICHT: Reinhold Seitl

Nie geradeaus, nie eben Hat man von der Donau kommend erst einmal rund 600 Höhenmeter erreicht, springt das Vertikalprofil die nächsten 200 Kilometer nervös zwischen dieser Höhe und fast 1.000 Metern hin und her. Doch ebenso abwechslungsreich wie der Streckenverlauf sind die ständig wechselnden landschaftlichen Schönheiten. Fahrten durch tiefe Wälder, Ausblicke über Hügel, Wiesen mit weidenden Rindern und Schafen, fruchtbare Felder, kurios anmutende Granitblöcke.

Fotos: Reinhold Seitl

Nächtigungsmöglichkeiten begrenzt An vielen Orten im Mühlviertel werden E-Bikes zum Verleih angeboten: Bad Zell, Ulrichsberg, Freistadt, Königswiesen, Liebenau, Pregarten u.a. Die Nächtigungsmöglichkeiten entlang der Strecke sind nicht allzu häufig, aber in großen Ortschaften gelingt es in der Regel, Quartiere zu fin-

den. Die Tageskilometer-Leistungen sind auf Grund der ausgeprägten Hügellandschaft nicht allzu optimistisch anzulegen. 50 Kilometer können in Summe bis zu 1.000 Höhenmeter aufweisen.

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er oberösterreichische R5, der Mühlviertel-Radweg, beginnt am Donauradweg im Örtchen Kramesau, wo er kräftefordernd nahe der deutsch-österreichischen Grenze nach Norden ansteigt, bis er sich in Schwarzenberg am Böhmerwald in Richtung Osten nach Aigen-Schlägl wendet. Im weiteren führt er ostwärts bei der tschechischen Grenze über Bad Leonfelden an die niederösterreichische Grenze, wo der R5 südwärts über Königswiesen und Bad Kreuzen schließlich in Grein beim Donauradweg endet.

Kulturelle Sehenswürdigkeiten Kulturell sehenswert ist etwa Aigen-Schlägl mit seinem großen Prämonstratenser Chorherrenstift, die Pfarrkirche in Königswiesen, der Ort Sandl, ein Zentrum der bäuerlichen Hinterglasmalerei, oder Schloss Rosenhof. Viele Bauernhäuser, oftmals als mächtige Vierkanter ausgebildet, weisen den so genannten „SteinbloßStil“ auf, wo die größeren mauerbildenden Granitfeldsteine unverputzt zwischen der weißen Verputzfläche „bloß“ stehen bleiben. Anton Bruckner und Adalbert Stifter Zwei bedeutende Künstler sind mit dem Mühlviertel verbunden, und man kann ihnen entlang des R5 auch begegnen: In Windhaag bei Freistadt wirkte der berühmte Komponist Anton Bruckner als Lehrer (Brucknerstüberl im Alten Schulhaus), und in Ulrichsberg ist die Schule nach dem Dichter und Maler Adalbert Stifter benannt. Das Mühlviertel liegt bis heute jenseits von Hektik und Oberflächlichkeit. 4.800 Höhenmeter spüren nicht nur die Beine, diese oberösterreichische Region nördlich der Donau berührt – fern breiter Straßen und brausenden Verkehrs – auch die Seele der Radreisenden.

Abwechslungsreiche Landschaft und knackiges Auf und Ab zeichnen die Tour aus. Sehenswert auch die Architektur: Ein Haus im „Steinbloß-Stil“


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KAIRO

Ägypten

Schnellster durch Afrika Der Triathlet und Extrem-Sportler Michael Strasser radelte in 34 Tagen von Kairo nach Kapstadt: Neuer Weltrekord. Dem DRAHTESEL erklärt Strasser, wie er sich auf diese Maloche vorbereitet hat, was er während des Trips aß und welche Tipps er für ambitionierte Freizeitsportlerinnen und -sportler parat hat.

Sudan Äthiopien Kenia Tansania Sambia Botswana Südafrika

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KAPSTADT

INTERVIEW: Matthias Bernold

Bild links: Strasser bei der Buchpräsentation während der Wiener Fahrradschau Bild oben: Querung der nubischen Wüste Bild rechts: Sonnenuntergang im Sudan – Noch 100 Kilometer bis zum Etappenziel


Wie arbeitest du deine Trainingspläne aus? M.S. Ich habe vier Jahre lang einen Trainer gehabt. Die letzten drei Jahre schreibe ich mir meine Trainingspläne selber, weil mein Leben komplizierter geworden ist. Oft habe ich in der Früh und am Abend einen Kurs. Tagsüber versuche ich noch, mein eigenes Training irgendwie unterzubringen.

Fotos: Chris Wisser, Wiener Fahrradschau / Carlos Fernández Laser

Wie sieht ein typischer Trainingsplan für jemanden aus, der mit Triathlon oder leistungsmäßigem Radfahren beginnen möchte?

M.S. Das kann man so nicht sagen. Wichtig ist, dass man sich im Training fordert. Aber auch, dass es Regenerationszeiten gibt. Es hängt extrem vom Trainingsstand des Einzelnen ab. Bevor ich für jemanden einen Plan schreibe, gehen wir zusammen radfahren oder laufen, um zu schauen wie er drauf ist. Zu deiner Afrikafahrt. Was geht dir durch den Kopf, wenn du jeden Tag 300, 400 Kilometer auf dem Rad sitzt? Wird einem da nicht langweilig? M.S. Ja, schon. Du musst nach vielen Stunden auf dem Rad auch aufpassen, nicht einzuschlafen. Ich arbeite sehr viel mit Musik, habe mir verschiedene Playlists für verschiedene Stimmungsphasen zurechtgelegt. Außerdem: Ich habe mir sehr viel zu überlegen mitgenommen – To-Think-Listen sozusagen. Ich habe versucht, während der Fahrt mein ganzes Leben zu rekonstruieren. Da kommt man auf Anekdoten und Details drauf, an die man lange nicht mehr gedacht hat. Ich habe mir auch bestimmte Themen zum Nachdenken mitgenommen: vor zweieinhalb Jahren habe ich mich von meiner Freundin getrennt, mit der ich 13 Jahre zusammen war. Diese Beziehung musste ich dem Sport opfern, und jetzt bin ich drauf gekommen, dass das wahrscheinlich die schlimmste Entscheidung meines ganzen Lebens war.

Tour & Reise

34

Tage

11.000 Kilometer

70.000 Höhenmeter

Das ist die unglaubliche Bilanz der Afrika-Tour von Michael Strasser. Der Triathlet und Ultra-Distanz-Radfahrer brach im Frühling 2016 den Weltrekord für die Strecke Kairo – Kapstadt, der bis dahin von einem fünfköpfigen Profi-Radteam mit zehn Betreuern und mehreren Begleitbussen gehalten wurde. Strasser radelte die Strecke allein – unterstützt von zwei Freunden in einem 20 Jahre alten Toyota-Bus.

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 39

DRAHTESEL Wie hast du dich auf deinen Afrika-Trip vorbereitet? M.S. Mein Kernsport ist der Triathlon. Das Training ist relativ abwechslungsreich. Ich fahre im Jahr rund 20.000 Kilometer Rad, laufe rund 3.000 Kilometer und schwimme so 80 bis 100 Einheiten. Pro Woche sind es 20 Stunden Ausdauer und zehn Stunden allgemeine Fitness. Ich habe nicht geglaubt, dass mir in Afrika die Kraft in den Beinen fehlen könnte, sondern eher im Nacken und im gesamten Stützapparat. Deshalb habe ich Thera-BandÜbungen für den Nacken ins Training eingebaut. Das hat sich auch bewährt: Vor allem in den letzten zehn Tagen Richtung Südafrika, als ich extrem viel Gegenwind gehabt hatte.


Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 40

Tour & Reise

Buchtipp Michael Strasser hat die Erfahrungen während seiner Afrikaquerung im Buch „Cairo 2 Cape“ zusammengefasst. Das Buch ist im Eigenverlag erschienen und kann auf seiner Homepage strassermichael.at oder in Wien bei Frick am Graben bezogen werden. Strasser Cairo 2 Cape Eigenverlag 2016 20 Euro 351 Seiten Nächster Vortrag Multimedia-Show Cairo 2 Cape Di., 6. Dez. 2016 Amtshaus 1090 Währingerstr. 43 1090 Wien

Möchtest du mir den schönsten Moment und den absoluten Tiefpunkt deiner Fahrt schildern? M.S. Der Tiefpunkt war an Tag 8, als ich einen Hitzeschlag hatte. Nach vier Tagen durch die Wüste im Sudan habe ich am Nachmittag zum Speiben begonnen. Es war die einzige Nacht, in der ich nicht in meinem Bus geschlafen habe. Meine Begleiter haben mich mit Brechdurchfall in irgendein Hotel verfrachtet. Am Abend haben wir echt nicht gewusst wie es weitergeht. Ich habe dann relativ lang geschlafen, und am nächsten Tag ist es mir deutlich besser gegangen. Du bist trotzdem am nächsten Tag wieder aufgestiegen? M.S. Ja, ich habe zwar nichts essen können, weil mein Magen so angeschlagen war. Aber mit drei Cola habe ich mich über den Tag gerettet und trotzdem 260 Kilometer geschafft. Das war dann irgendwie ein Restart für das ganze Projekt. Ich habe gewusst, ich muss besser auf mich aufpassen, sonst komme ich nie nach Südafrika. Ich hab lernen müssen mit kleinen Reserven vom Rad runterzusteigen und nicht einfach erschöpft vom Rad zu fallen. Da geht’s dann am nächsten Tag einfach viel besser. Du hattest ja ein Betreuerteam dabei, das dich im Auto begleitet hat. M.S. Ursprünglich hatte ich geplant, alles komplett allein zu machen. Dann bin ich drauf gekommen, dass ich das nicht schaffen kann. Es war extrem cool, dass ich zwei Leute gefunden habe, die mit mir gelitten haben. Für die hat das geheißen: Fünf Wochen lang Non-Stop-Betreuung. Eine meiner Begleitpersonen ist Ärztin. Das größte Problem in Afrika ist ja die schlechte medizinische Versorgung. Wir hatten extrem viele Medikamente dabei, Operationsbesteck, verschiedene Infusionen. Aber zum Glück fast nichts davon benötigt. Wie war dein Gute-Nacht-Ritual? Hast du dich vor dem Schlafengehen massieren lassen? M.S. Nein, keine Massage. Du steigst vom Rad runter, trinkst noch schnell einen Liter Recovery-Shake, leerst dir drei Liter Wasser über den Kopf, trocknest dich ab und legst dich hin. Zuvor musst du noch die Wunden auf deiner Sitzfläche versorgen. Nach viereinhalb Stunden Schlafen sitzt du ja wieder im Sattel. Was hast du gegessen? M.S. Wir hatten kistenweise Sportriegel mit. Aber auch ganz normale Schokoriegel. In der Früh versucht man noch die guten Riegel zu essen und zum

Abend hin werden es dann die ungesunden. Genauso die Getränke. Ich habe oft an einem Tag drei Liter Cola getrunken. Wir haben versucht, während der Fahrt hinten mit einem Gaskocher zu kochen: aber mehr als Reis mit Ketchup und Nudeln mit Salz haben wir nicht zustande bekommen. Du hattest vermutlich relativ wenig Kontakt mit den Leuten, die in den Ländern leben, oder? M.S. Ich natürlich weniger, aber mein Team musste immer wieder Besorgungen machen. Vom Sudan waren wir begeistert. Die Leute dort waren extrem freundlich. Probleme gab es in Äthiopien: Da haben uns Kinder die ganze Zeit mit Steinen beworfen. Vermutlich, weil wir mit einem weißen Bus unterwegs waren, und ein weißer Bus signalisiert immer: Hilfsorganisation. Die Kinder sind es gewohnt, dass die Busse stehenbleiben und Sachen verteilen. Das war wirklich schlimm, da habe ich viele Steine abgekriegt. Mein Rad hat im Oberrohr sogar ein Loch von einem Stein.

Jeder, der schon einmal mit seinem Radl in ein richtiges Sommergewitter gekommen ist, kennt das Gefühl Hattet ihr technische Probleme? M.S. Ich hatte drei Räder dabei: Ein Zeitfahrrad, ein Rennrad und ein Mountainbike für die rauen Pisten. Bei allen drei Rädern war eigentlich alles, wo es ein Lager gibt, irgendwann einmal kaputt. Steuerlager, Tretlager. Jede Kette bei jedem Rad habe ich einmal gewechselt. Den schönsten Moment bist du mir noch schuldig geblieben … M.S. Es gibt einfach so viele schöne, intensive Momente. Da fährst du zum Beispiel in Kenia, und plötzlich kommt von der Seite ein Strauß, der neben dir herrennt. Zwei Minuten lang. In so einem Moment kommst du drauf, ja genau aus diesem Grund bin ich da. Das hätte ich sonst nicht erlebt. Du versuchst in deinem Buch der Frage nachzugehen, warum man solche Strapazen auf sich nimmt. Gibt’s einen Grund, der über allen anderen steht? M.S. Das Leben spüren. Jeder, der schon einmal mit seinem Radl in ein richtiges Sommergewitter gekommen ist, wo es einen richtig einwaschelt, kennt das Gefühl. Im ersten Moment denkt man sich: Scheiß Regen, aber dann, wenn man es durchsteht, ist es einfach geil.


Die Ehre von Hollabrunn Unser Kolumnist radelt nach Hollabrunn und stößt unversehens auf die Spuren von Napoleon, Tolstoi und Thomas Bernhard

E

ine Radtour führte mich vor nicht allzu langer Zeit durch das Weinviertel nach Hollabrunn. Für mich ist Hollabrunn von besonderer Bedeutung: Vor Jahren fuhr ich mit dem Rad von Wien nach Paris. Ich radelte in Paris durch die Avenue de Wagram, die an die Schlacht bei Deutsch Wagram (1809) erinnern soll, zum Place Charles de Gaulle. Dort steht der Arc de Triomphe. An der Innenseite dieses Rundbogens sind die Heldentaten Napoleons aufgelistet. Zu meiner großen Überraschung las ich unter den Orten, wo Napoleon wichtige Schlachten austrug, den Namen Hollabrunn. Die Ehre, am Arc de Triomphe genannt zu

sein, verdankt Hollabrunn der Tatsache, dass das napoleonische Heer im November 1805 in der Nähe von Hollabrunn bei Schöngrabern österreichische und russische Truppen besiegte. Beschrieben hat dieses Gefecht Leo Tolstoi in „Krieg und Frieden“. Leberkäse für Thomas Bernhard In der Nähe von Schöngrabern bei Hollabrunn erinnert ein dunkles Denkmal mit goldener Schrift an diese denkwürdige Schlacht. Ich radle zum schönen Hauptplatz von Hollabrunn, wo am Hauptplatz 3 mein Freund Erik Adam, heute Professor an der Uni Kla-

genfurt, geboren wurde. Über Adam, dem ich in meinem Buch „Eigenwillige Karrieren“ ein ganzes Kapitel gewidmet habe, ist zu lesen, dass zu ebener Erde dieses Hauses sich die Fleischhauerei des Onkels von Erik Adam, er hieß Gustav Fournier, befand. In dieser Fleischhauerei hat sich Erik Adams späterer Mentor Thomas Bernhard einst eine Leberkässemmel gekauft, die ihm sehr gut geschmeckt haben dürfte. Bernhard erwähnt dies in seinem Buch „Meine Preise“. Auf das Wohlsein von Erik Adam und der Freunde von Hollabrunn erhebe ich ein kleines Glas mit dem isotonischen Getränk Bier.

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Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 41

Roland Girtler Der vagabundierender Kulturwissenschaftler


Entlang der Parenzana

Tour & Reise

Die „Parenzana“ war eine k.k. Schmalspurbahn, die Triest mit Poreč verband. Nun ist die Trasse eine beliebte Radroute, und wer grobe Schotterpisten nicht scheut, wird mit einer Fahrt durch faszinierende Landstriche belohnt

Tunnel Valeta bei Portorož Nicht alle Tunnels sind beleuchtet, einige sehr grob geschottert

Durch das Mirna-Tal von Motovun zurück an die Küste nach Porecˇ

BERICHT: Wolfgang Wehap

Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 42

Grožnjan

Livade

Porecˇ

Kr

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Motovun

Porecˇ

Literatur Janko Ferk, Sandra Agnoli Die Parenzana. Gehen Genießen. Rad fahren. ˇ Von Triest bis Porec. ISBN 978-3-7012-0127-3 styria regional Wien – Graz – Klagenfurt 2013 parenzana.net/de bahntrassenradwege.de

D

ie „Parenzana“ ging 1902 in Betrieb und verband das istrianische Hinterland mit dem Hafen Triest. Schon 1935 wieder eingestellt, ist die Trasse samt zahlreicher Kunstbauten (Tunnels, Viadukte) vor einigen Jahren im Zuge eines EU-Projektes von den drei berührten Ländern Italien, Slowenien und Kroatien als Rad- und Wanderweg adaptiert worden. Die Tour ist an einem verlängerten Wochenende zu fahren. Bleibt man auf der Route und verzichtet auf interessante, aber steile Abstecher wie nach Motovun, ist es eine eher gemütliche Tour. Frühjahr, Frühsommer und Herbst sind ideal – besser nicht nach einer Regenperiode, da man sich vornehmlich auf nicht asphaltierten Wegen bewegt. Für die von der Radlobby ARGUS Steiermark organisierte Tour zu Fronleichnam 2016 entschieden wir uns aus Zeitgründen für einen BusCharter für An- und Abreise der 13-köpfigen Gruppe. Mit Start in Triest und Ziel in Poreč (ital. Parenzo), Übernachtungen in Piran, Grožnjan und Poreč, waren es 123 Kilometer in drei Etappen. Entlang der Küste nach Portorož Vom alten Triestiner Bahnhof am Campo Marzio, der heute ein Eisenbahnmuseum beherbergt, geht es stadtauswärts auf einer stark Kfz-befahrenen Hauptstraße. Nach wenigen hundert Metern in Italien wechselt man nach Slowenien und gleitet auf der Radroute „D-8“ durch Gärten und entlang der Küste über Koper und Isola nach Portorož. An den Wochenenden ist hier der Ausflugsverkehr ziemlich dicht. Wir entscheiden uns, etwas abseits der Route im zauberhaften Piran Quartier zu nehmen, nach 33 Kilome-

tern Halbtagesetappe und vor einer Besichtigung der Branzino-Fischfarm Fonda in Portorož. Tag 2. Wir rollten durch die Ausläufer des mondänen Badeortes Portorož zum alten Hafen Lucija, vorbei an der Saline von Secovlje. Nach der kroatischen Grenze schlägt man einen Haken und befindet sich auf einer Schotterpiste, die einen fortan begleitet. In einer langgezogenen Serpentine erklimmt man ohne große Anstrengung die Hochterrasse, in dessen karstiges Gestein die Schmalspurbahn einst geschnitten wurde. Oben angelangt, wählt man lieber die parallele Landstraße. Ab Buje geht es auf einem recht einschichtigen Trail in das Künstlerdorf Grožnjan: mit 293 Metern höchster Punkt der Tour und zweites Etappenziel. Flug durch Terra Rossa Von Grožnjan geht es praktisch immer leicht bergab, man rüttelt durch die wild-romantische Landschaft und landet im Trüffel-Ort Livade, wo sich neben dem alten Bahnhof ein kleines Parenzana-Museum befindet. Danach schlägt man einen Halbkreis um Motovun – oder man riskiert die Bergwertung hinauf auf die alte venezianische Feste. Wieder unten, wird der Weg allmählich besser. Nun fliegt man durch Felder mit leuchtend roter Erde („Terra rossa“), wo Wein, Oliven und Kürbisse gedeihen – vor allem im Herbst ein üppiges Farbenspiel. Die letzten Kilometer verläuft die Parenzana entlang der Straße, quert mehrfach Hauptverkehrsadern und ist nicht mehr so attraktiv. Das Ende der radelbaren Trasse ist am Ortsrand von Poreč. Ohne viel Aufhebens und ohne Endbahnhof.

Fotos: Heidi Schmitt, Wolfgang Wehap

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Portorož

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Piran

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Muggia

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Triest


Rad - Natur - Kultur

Highlights 2017

Details zu allen Reisen finden Sie ab 01/17 in unserem Radkatalog

Land

Adatum

Edatum

RTage

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08.04.2017

13.04.2017

6

Cesenatico - Frühling an der Adria

IT

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20.04.2017

27.04.2017

8

Radparadies Mallorca

ES

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29.04.2017

07.05.2017

9

Bosnien und Herzegowina - über Sarajevo ans Mittelmeer

BA

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13.05.2017

21.05.2017

9

Loire II - Natur- und Kulturjuwele an der Loire

FR

17ert0518

18.05.2017

21.05.2017

4

Therme Lenti - Rad & Therme

HU

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24.05.2017

28.05.2017

5

Kanaltal - Von Tarvis nach Venedig

IT

17ert0603

03.06.2017

05.06.2017

3

Steirische Impressionen

AT

17ert0607

07.06.2017

11.06.2017

5

Romantische Straße - Auf den Spuren der Römer

DE

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15.06.2017

18.06.2017

4

Rund um die Hohe Tatra

PL

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23.06.2017

02.07.2017

10

Rumänische Donau - Donaupuzzle

RO

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08.07.2017

16.07.2017

9

Ostfriesland - Nordseeküste 1

DE

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25.07.2017

30.07.2017

6

Thüringen - Reizvolle Landschaft - historische Städte

DE

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03.08.2017

06.08.2017

4

Sternfahrt Gitschtal - Radparadies Kärnten

AT

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11.08.2017

15.08.2017

5

Elbe - Vom Ursprung nach Melnik

CZ

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19.08.2017

26.08.2017

8

Schweiz - 9-Seen-Tour

CH

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31.08.2017

03.09.2017

4

Ungarisches Naturparadies an der Theiss und in der Puszta

HU

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07.09.2017

10.09.2017

4

Innradweg - von den Alpen nach Passau

DE

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16.09.2017

24.09.2017

9

Umbrien - Das Herz Italiens

IT

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24.09.2017

9

Umbrien - Franziskusweg

IT

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07.10.2017

08.10.2017

2

Raab III - Ungarische Thermenlinie

HU

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26.10.2017

29.10.2017

4

Bioterme - Rad & Therme

Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 43

REISETITEL

Vorgang

SI Änderungen vorbehalten.

Freuen Sie sich auf ein weiteres Jahr mit ELITE RadTOURS, gespickt mit altbewährten und vielen neuen Reisezielen. Sport, Natur, Kultur, Kulinarik - wir bieten ein Erlebnis für alle Sinne. Sa 08.07. - So 16.07.17

Loire II Sa 13.05. - So 21.05.2017

Bosnien und Herzegowina Sa 29.04. - So 07.05.2017

REISEN MIT NIVEAU

ELITE TOURS

1210 WIEN

Wagramerstraße 181 TEL: 01-513 22 25 FAX: 01-513 22 25 44 EMAIL: rad@elitetours.at

ELITE TOURS 1010 WIEN Operngasse 4 TEL: 01-513 22 25 FAX: 01-513 22 25 44

Homepage: www.eliteradtours.at

Ostfriesland Nordseeküste Endlose Weite zwischen alten und neuen Häfen, Schlössern und idyllischen Dörfern


Impressum

DRAHTESEL – Das österreichische Fahrradmagazin

33. Jahrgang ⁄ Heft 4 Erscheinungsdatum 30. November 2016 Medieninhaberin (Verlegerin) und Herausgeberin ARGUS – Arbeitsgemeinschaft Umweltfreundlicher Stadtverkehr DVR-Nr.: 0445495 ZVR-Zahl: 265962142 Sitz Frankenberggasse 11 1040 Wien Vorsitz Andrzej Felczak felczak@argus.or.at Stv. Vorsitz Heidi Schmitt

Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 44

Chefredakteur Matthias G. Bernold chefredakteur@drahtesel. or.at

Unter Mitarbeit von Walter Albrecht Lukas Beurle Walter Bradler Eliza Brunmayr Michael Bürger Christoph Bayer Marcin Dopieralski Andrzej Felczak Martin Friedl Hannes Friedrich Evelyn Eder Willi Grabmayer Martina Gura Alec Hager Eva Häfele Mirko Javurek Jan Killian Rolf Nagel Valerie Madeja Margit Palman Peter-Alexander Pöltl Erwin Preuner Peter Provaznik Roland Romano Heidi Schmitt Mario Sedlak Daniela Schulhofer Reinhold Seitl Andrea Siegl Christian Steiner Beatrice Stude Horst Watzl Wolfgang Wehap

Kolumnen Roland Girtler Ines Ingerle Barbara Ottawa Johannes Pepelnik Reinhold Seitl Cover Andrea Siegl andreasiegl.com Art Direktion Anna Hazod annahazod.com Bildbearbeitung Marlies Plank Anzeigen Reinhold Seitl reinhold.seitl@commdes.at Illustrationen Lysanne Bellemare (Autorenportraits) Anna Hazod

Kontakt ARGUS-Fahrradbüro Frankenberggasse 11 1040 Wien Mo - Fr 14 - 19 Uhr, Sa 10 - 14 Uhr Tel.: 01 ⁄ 505 09 07 Fax DW: 19 service@argus.or.at radlobby.at ⁄ argus Radlobby ARGUS Wien-Büro Lichtenauerg. 4 ⁄ 1 ⁄ 1 1020 Wien Tel. & Mail siehe ARGUS-Fahrradbüro oben Mo-Fr 10-13 Uhr Bankverbindung IBAN AT40 6000 0000 0758 2600 BIC OPSKATWW Leserbriefe sind herzlich willkommen, allfällige Kürzungen können nicht ausgeschlossen werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht mit der Meinung der DRAHTESEL-Redaktion übereinstimmen.

Der DRAHTESEL ist das Vereinsmagazin der ARGUS und wird in Kooperation mit den Vereinen der Radlobby Österreich hergestellt.

Radlobby Österreich ist Mitglied des Europäischen Radfahrverbandes ECF Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH Die gesamte Produktion des DRAHTESEL wird nach dem österreichischen Umweltzeichen abgewickelt.

Das Österreichische Umweltzeichen für Druckerzeugnisse, UZ 24, UW 686, Ferdinand Berger & Söhne GmbH

Briefe aus der Ferne

Am Strand nahe von Riga

und sich ein Schwall von 2.000 Passagieren in die Stadt ergießt. Von den vielen wunderschönen Jugendstilbauten kriegt man radfahrend also nicht viel mit – der Blick bleibt am Boden und bei den Zufußgehenden. Dennoch kann man nicht sagen, dass Riga seine Radfahrenden unfreundlich behandeln würde: In einem Park markiert ein Radstreifen die Ideallinie, bei Kreuzungen weisen große Radsymbole auf querende Radler hin. Auch Radständer gibt es genug. Am Wochenende zieht es uns an den Strand in der Nähe: hinaus nach Jurmala geht es mit einem alten Zug. Fahrräder kann man mitnehmen und im Waggon aufhängen – allerdings muss man sie erst einmal über die drei hohen Stufen in den Zug hineinheben. Und dann: Radfahren am Sandstrand. Unglaublich: es funktioniert! Sand, Sonne und Meer – da kriegen wir unglaubliche Lust auf mehr vom Iron Curtain Trail, der sich im Norden über 300 Kilometer weit die Küste entlang zieht. Julia Beckel & Christian Schrefel

Foto: Julia Beckel

Dieses Mal: Riga

Die Arbeit an einem EU-Projekt für eine App für Radreisende auf dem Iron Curtain Trail (Euro Velo 13) führte uns nach Lettland in die Hauptstadt Riga, wo im Herbst ein Meeting der Projektpartner stattfand. Auf dem EV13 können Abenteuerlustige von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer fahren – immer entlang der Linie des einstigen Eisernen Vorhangs. Um ihnen die Orientierung zu erleichtern, entsteht die App, die den Verlauf des Trails sowie historisch interessante Stellen zeigen wird. Die freie Zeit während der Tagung in Riga nutzen wir für eine Spritztour auf Leihrädern. So wunderschön diese alten, ungenau gebrochenen Steine, mit denen die Straßen gepflastert sind, anmuten: für Zufußgehende und Radfahrende wird’s ungemütlich. Stöckelschuhe kann man vergessen, Rennräder auch. Dafür ist Radfahren auf den Gehsteigen ausdrücklich erlaubt. Schnell vorwärts kommt man allerdings nicht: zu viele Ampeln und Zufußgehende – Gegenverkehr – letzterer vor allem dann, wenn gerade ein Kreuzfahrtschiff im Hafen gelandet ist


ARGUS Fördernde Mitglieder 2Rad-Peter Vesecky 2Rad-Fachbetrieb seit 1919 Böcklinstraße 64 1020 Wien Tel.: 01/728 93 11 2rad-pv@gmx.at 2rad-pv.at

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Manfred Dittler Waffenradspezialist Schlöglgasse 19 1120 Wien Tel.: 01 / 802 52 22 waffenrad.at Radlheim-Fünfhaus Fahrrad.Werkstatt.Kollektiv Dingelstedtgasse 2/1 1150 Wien Tel.: 01/929 15 82 radlheim.org

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Drahtesel 4 ⁄ 2016 – 45

Fahrradhändler


Forum

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 46

Briefe von Leserinnen und Lesern Seite 46

Reflektor: Kleinkinder unterwegs Seite 46

Termine: Weihnachtsfeier &  mehr Seite 47

#Radeln in der Fußgängerzone #Begegnungen mit der Polizei

#DE 2  ⁄ 16 #Forum #Fahrrad vs Zufußgehende

Als wir in der Fußgängerzone am Kohlmarkt mit dem Rad gefahren sind, wurden wir von zwei Polizeibeamten aufgehalten. Uns war nicht bewusst, dass Radfahren dort nicht erlaubt ist, weil ja auch viele Lkw dort unterwegs waren. Wir sehen ein, dass wir eine Gesetzesübertretung begangen haben, auch wenn wir den Sinn der Regelung, dass Lkw zu Lieferzeiten am Kohlmarkt fahren dürfen und Radfahrende nicht, nicht erkennen können. Eine Ermahnung wäre wohl gerechtfertigt gewesen, da wir im Schritttempo gefahren sind und keine Gefährdung dargestellt haben. Vor Ort haben wir die Strafe von 30 Euro beglichen. Bedenklich war an diesem Vorfall, dass der Polizist gesagt hat: „Wissen Sie, wen ich am liebsten bestrafe? Radfahrer!“ Hier wurde für uns die Grenze überschritten zwischen einer dienstlichen Aufgabe und einer persönlichen Einstellung.

Sehr geehrte Frau Lore Käfer! Bezugnehmend auf Ihren Leserinnenbrief in DRAHTESEL 2 ⁄ 16 darf ich anmerken: Ich fahre zwar annähernd nicht jeden Tag die Entfernung, die Sie zurücklegen: Aber mit (m)einem defensiven Fahrstil komme ich nicht viel zum Klingeln (geschweige denn zum Rufen!). Ich bremse öfters, weiche gegebenenfalls großzügig aus. Und ich wage zu behaupten, alle (auch die am Radweg irrenden Zufußgehenden) sind am Tagesende glücklicher, entspannter und vor allem unverletzter!

Elisabeth Füssl & Karin Ausserer, 1090 Wien

Thomas Kröttinger, Wien

#DE 3  ⁄ 16 #Fahrradtypentest #Genderfragen Danke für eure Arbeit und die Zeitschrift! Ich habe euren Test im letzten Heft toll gefunden und bin Hero gewesen. Ich muss sagen, es war gar nicht so einfach, die Frage zu beantworten, ob man sich beim Radfahren in der Stadt wohlfühlt: Wien ist zwar, meiner

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Meinung nach, sicherer als viele andere Städte in der Welt, aber es gibt viele Situationen, in denen ich mich jeden Tag gefährdet fühle (in Einbahnstraßen zum Beispiel). Was mir negativ aufgefallen ist: Warum soll die Kategorie Alltagsradlerin eine Frau sein? Die, die einkaufen geht, die Kinder abholt, und so weiter? Ich finde es wichtig, dass Zeitungen wie eure einen toleranten Blick auf solche Themen fördern. Guillaume Dupuis, 1170 Wien

#Lob für den DRAHTESEL Got a copy of DRAHTESEL at the „Carfree-Day“ in Graz today, and just wanted to drop you a note that it looks really good and interesting! Keep it up! Klas (previously art director of the biggest bike magazine in Sweden)

Die Redaktion freut sich über Diskussionsbeiträge und Leserbriefe. Bitte senden Sie uns Ihren Text unter Bekanntgabe Ihres Namens und der Postleitzahl an drahtesel@argus.or.at

Der Reflektor

Kleinkinder unterwegs Mensch kommt auf die Welt und will leben. Schreit aus Hunger und, wenn es wo zwickt, aus Leibeskräften, um augenblicklich liebevoll versorgt zu werden. Kompromisslos mahnt der Säugling seine Bedürfnisse ein. Er muss das tun. Es ist sein Überlebensprogramm. Erst im Laufe der Jahre wird er lernen, dass unbedingter Egoismus zu Konflikten und Einsamkeit führt. Dass auch auf andere zu achten ist. Nur Respekt erwarten darf, wer andere respektiert. Eines Tages setzt sich Mensch aufs Fahrrad, den Wind der Freiheit um die Ohren. Schnell flitzt er von A nach B. Kompromisslos will er seine Lust an Bewegung und Geschwindigkeit leben. Auch um den Preis, Zufußgehende und bedächtig Radelnde zu erschrecken oder zu gefährden. Und Mensch steigt ins Auto. Ein leichter Tritt aufs Gaspedal, die Kraft des Motors zieht ihn fort. Mühelos lässt

er alle Langsameren hinter sich, während er im Fauteuil seines Kraftwagens sitzt. Das Auto verleiht ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Wer jetzt kompromisslos unterwegs ist, setzt das eigene Leben und das der anderen aufs Spiel. Was ist dran an den Transportmaschinen, dass sie uns Jahre menschlicher Entwicklung vergessen lassen? Welches Teufelchen flüstert uns ins Ohr, die Langsameren bloß als Störung des eigenen Bewegungsdranges zu missachten? Wie das Kleinkind hilflos brüllt und tobt, so hupen, rasen und pöbeln die Verkehrsteilnehmenden auf den Straßen. Was das gedeihliche Miteinander in einer Gemeinschaft ausmacht, nämlich das Respektieren von Verhaltensregeln plus ein Mindestmaß an Toleranz, ist im Straßenverkehr von manchen unserer Mitmenschen noch nicht erlernt worden.

Reinhold Seitl ist Mediendesigner und Journalist in Wien. Er betreibt das FahrradTextportal bikeletter.at


Die Europäische Fahrradlogistik-Konferenz 2017 wird im März im Museumsquartier in Wien stattfinden

Tee & Kekse Di., 13. Dezember, 16.30 Uhr Vor der Oper, Wien Heuer schon zum 7. Mal findet die Winter-Aktion der Radlobby „Tee & Keks“ statt. Als Ermunterung an alle Radfahrenden, die der Kälte trotzen, gibt es an einer der meistbefahrenen Stellen des Wiener Radwegenetzes selbstgebackene Kekse und wärmende Getränke. Weihnachtsfeier! Woohoo! Di., 13. Dezember, 19 Uhr Alpenrad – die Stadtwerkstatt Skodagasse 1, 1080 Wien Im Anschluss an „Tee & Kekse“ laden DRAHTESEL, das österreichische Fahrradmagazin, und die Radlobby Wien zur Weihnachts­feier in die Stadtwerkstadt „Alpenrad“.

Foto: Mobilitätsagentur Wien / Christian Fürthner

alpenrad.at

Weihnachts-Critical Mass Fr. 16. Dezember, 16.30 Uhr, Schwarzenbergplatz, 1030 Wien Die Critical Mass, die Rad­ ausfahrt für eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Raums, findet in Wien jeden dritten Freitag im Monat statt. Auch in Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg wird geradelt. Alle Termine auf criticalmass.at

Radlobby Neujahrsradeln Auftakt zum Jubiläumsjahr 200 Jahre Fahrrad So., 1. Jänner Traditionell findet am 1. Jänner in vielen Städten und Gemeinden in Österreich die Saisoneröffnung der Radlobby statt. Gemeinsames Radeln zu Jahresbeginn zeigt, dass Radfahren rund ums Jahr Saison hat! Heuer steht ein besonderes Thema mit noch mehr Tradition als Motto voran: Wir feiern 200 Jahre Fahrrad, denn im Jahr 1817 hatte Freiherr von Drais in Mannheim zum ersten Mal seine zweirädrige Laufmaschine bestiegen. Infos zu allen Terminen

kenaustausch. Beim Jour-Fixe werden aktuelle Projekte und Aktionen geplant und diskutiert sowie Erfahrungen zum Thema Radverkehrspolitik und Infrastruktur geteilt.

radlobby.at/neujahrsradeln2017

eclf.bike

Neujahrsradeln So., 1. Jänner 2017, 15 Uhr Korneuburg, Bahnhof Am ersten Tag des neuen Jahres lädt die Radlobby Korneuburg zur Radrundfahrt durch ihre Stadt. Danach Einkehren in gemütlicher Runde. Anfragen an

ARGUS Bikefestival Sa., 1. & So., 2. April 2017 Wiener Rathausplatz Europas größtes Radfestival, das ARGUS Bikefestival, findet auch 2017 wieder am Rathausplatz statt: In entspannter Festival-Atmosphäre gibt es ein vielfältiges Messe-Programm und die beliebten Testmöglichkeiten von E-Bikes und Transportfahrrädern aller Art.

korneuburg@radlobby.at

Radlobby Wien Jour-Fixe Do., 12. Jänner 2017, 19 Uhr, Amerlingbeisl, EG-Saal, Stiftgasse 8, 1070 Wien Jeweils am ersten Donnerstag des Monats treffen einander Wiener Radaktive zum Gedan-

Lastenrad-Konferenz Mo., 20. & Di., 21. März Museumsquartier, Wien Die Stadt Wien ist erstmals Gastgeber und Partner der Europäischen FahrradlogistikKonferenz, die sich mit den Möglichkeiten des Fahrrad-basierten Transportes befasst. 300 Delegierte aus ganz Europa werden im Museumsquartier zur Konferenz erwartet.

Sie haben einen Termin, den Sie gerne in dieser Rubrik verzeichnet hätten: Schreiben Sie uns an drahtesel@argus.or.at Alle Termine auf radlobby.at

ERRATUM # DE 2 /16 Made in Austria In unseren Beitrag über den österreichischen Fahrradhersteller Simplon ist uns ein Fehler gerutscht: Im Foto zu sehen waren Marketingleiter Ralph Kessler und Geschäftsführer Stefan Vollbach. Nicht aber Geschäftsführer Christian Hämmerle. Wir bedauern!

Jetz

tD ww RAHT w.D RAH E S E L TES abo n E L. or.a niere t/ab n! o

Drahtesel 4  ⁄  2016 – 47

Termine


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