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Das Private-Banking-Magazin Ihrer Sparkasse

[ Architektur ]

[ Porträtfotografie ]

[ Teegenuss ]

Japanische Extreme

Ikonische Momente

Magische Kräfte

Gänsehaut beim hohen C Wie traditionelle Knabenchöre bis heute ihr Publikum begeistern

Der Thomanerchor aus Leipzig zählt zu den angesehensten und erfolgreichsten Knabenchören Deutschlands und ist international sehr beliebt


Editorial

Wenn eine große Leistung das Publikum begeistert

Thomas Stoll, Chefredakteur Deutscher Sparkassenverlag thomas.stoll@dsv-gruppe.de

Seit mehr als 1200 Jahren sorgen Knabenchöre für Aufsehen und ernten Bewunderung – wenn sie die Liturgie im Ambiente eines Doms musi­ kalisch umrahmen oder auf öffentlichen Büh­ nen auftreten. Wer einen Knabenchor bereits live erleben durfte, kennt das Gefühl der Gänse­ haut. Dieses offenbart sich Zuhörern beim glas­ klaren und virtuosen chorischen Gesang. Ein Erlebnis, das berührt und begeistert. Doch warum sind Knabenchöre so beliebt? Weil hier Kinder auftreten? Weil sie im fest­ lichen Talar oder im Matrosenanzug adrett aus­ sehen? Sicher haben es heranwachsende Jun­ gen leicht, unsere Herzen zu erobern. Aber das allein reicht nicht, die Begeisterung zu erklä­ ren. Rainer Homburg, Chorleiter der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, nennt im Gespräch mit VENTURA den wahren Grund: „Weil sie etwas können, was man ihnen nicht zutraut.“ Denn den vermeintlichen Wunderknaben ist nicht anzusehen, dass sie ab dem zarten Alter von fünf bis sieben Jahren eine professionelle Gesangs­ ausbildung durchlaufen. Und mit einem immen­ sen Aufwand, aber trotz allem spielerisch ihre Stimmen trainieren.

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Viele Chöre blicken auf eine lange Tradition zurück. Oft ist sie mit einem Dombau verbun­ den. So entstand um 800 am Hof Kaiser Karls des Großen in Aachen der erste Knabenchor Deutschlands. Kinder, die dort singen durften, wurden in Latein unterrichtet und erhielten das außerordentliche Privileg der Bildung. In unse­ rer Titelgeschichte blicken wir auf Tradition und Moderne und schildern, wie Knabenchöre Nach­ wuchs und Publikum finden, wie Menschen wie Rainer Homburg die Knaben mit großer Leiden­ schaft professionell ausbilden und dabei atem­ beraubende Stimmen formen. Auch im Private Banking Ihrer Sparkasse finden Sie einige der Tugenden und Qualitäten, die einen großen Chor ausmachen. Gute Aus­ bildung, der richtige Ton und Nachhaltigkeit im Bemühen um Ihre Begeisterung und Ihren Applaus gehören dazu. Eine anregende Lektüre wünscht

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Inhalt

04 Klangvoll: Traditionelle Knabenchöre wie die Thomaner überraschen ihr Publikum.

Fotos: SINNergy/Roman Friedrich, Your_Photo_Today, Florian Stürzenbaum; Cover: ddp images/Sebastian Willnow

30 Aromatisch: Tee im Trend

04 Großer Auftritt Knabenchöre genießen im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum ein hohes Renommee. Das Geheimnis ihres Erfolges: eine professionelle Gesangsausbildung früh gesichteter Talente, die diszipliniert viel trainieren. 10 Tempel des Alltags Weltweit suchen Architekten nach innovativen Wohnformen. Erfolgreich sind die japanischen Baumeister, deren Gebäude mit futuristischen und minimalistischen Designs aufwarten.

20 „Museum ist Verantwortung“ Max Hollein leitet drei große Museen in Frankfurt. Im Interview mit VENTURA erklärt er, wie es ihm immer wieder gelingt, bedeutende Sammlungen und Ausstellungen an den Main zu holen. 24 Fest am Drücker Die Carrera-Bahn ist ein Klassiker unter den Spielen. Bis heute begeistern sich Jung und Alt an einem Wettrennen, das mit Tempo und Geschick Sieger sucht.

14 Mit Erfahrung leichter lernen Ältere Menschen sind jüngeren beim Lernen unterlegen? Falsch, denn die kristalline Intelligenz kann steigen.

26 Die wahren Beziehungskünstlerinnen Herlinde Koelbl und Annie Leibovitz verfolgen unterschiedliche Ansätze, wenn sie Prominente fotografieren. Doch beide arbeiten die Wesensmerkmale heraus und schaffen Kunstwerke.

16 Seide für die Haute Couture Die Züricher Manufaktur Fabric Frontline fertigt in alter Handwerkstradition begehrte Stoffe in höchster Qualität und Optik für die großen Modehäuser.

30 Magische Momente Der Kreis der Teegenießer wächst. Das klassische Getränk hat nicht nur viele geschmackliche Facetten, sondern erfüllt auch die Sehnsucht nach Ruhe.

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Kolumne Das Gedicht Kunst-Edition Die wunderbare Welt der Farben 34 Ein Bild und seine Geschichte 34 Impressum

24 Sportlich: der Cooper Climax von Carrera


G R O S S E R

Auftritt Seit Jahrhunderten begeistern Knabenchรถre ihr Publikum weltweit. Sie musizieren auf hรถchstem Niveau und meistern mit brillanten Stimmen scheinbar spielerisch anspruchsvollste Musik. Dahinter stecken Tradition, Talent und Training. :: Von Stefan Dangel und Ralf Kustermann

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Thomanerchor Leipzig Anzahl der Mitglieder: 93 Repertoire: Renaissance bis Moderne Spezialit채t: Vokalwerke

Foto: ddp images

von Johann Sebastian Bach

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„Mulier taceat in ecclesia“ – die Frau schweige in der Kirche, heißt es im 1. Korinther des Neuen Testaments. Bis ins 19. Jahrhundert war es Frauen untersagt, in Kirchen zu singen. Doch auf hohe, glasklare Stimmen wollte die Kirchenmusik nicht verzichten. Das ist der Grund, warum es Knabenchöre gibt. Sie haben ihre Wurzeln seit Jahrhunderten in der geistlichen Musik und pflegen sie bis heute. Der Aachener Domchor ist der älteste Knabenchor Deutschlands. Er geht auf das Jahr 800, die Zeit der Kaiserkrönung Karls des Großen, zurück. Dieser wollte den nach seinen Plänen als Abbild des Himmels entstandenen Dom mit den Harmonien des heiligen Gesangs verschmelzen lassen. In Liturgie und Kirchengesang hielt sich der Kaiser eng an das römische Vorbild und ließ in seiner Hofschule in Aachen die Sänger in gregorianischer Praxis unterrichten. Über Jahrhunderte hinweg entstanden namhafte Knabenchöre, die bis in unsere Zeit Traditionen pflegen und Zuhörer begeistern. Vor allem im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum sind sie beheimatet und genießen ein hohes Ansehen. Die besten sind globale Exportschlager. Sie eint – trotz individueller Besonderheiten – die frühe Talentsichtung, professionelle Gesangsausbildung, Training, Disziplin und für den Chor lebende Kinder und

Fleißig: Die Sänger des Knabenchors trainieren Text- und Stimmsicherheit.

Liturgisch: Der Domchor an seiner Wirkungsstätte, dem Aachener Dom, unter der Leitung von Domkapellmeister Berthold Botzet.

Lehrer. Bis heute ist es ein Privileg in einem der großen Knabenchöre zu singen, bis heute ziehen sie mit einer immer wieder überraschenden atemberaubenden Leistung magisch an. Dahinter verbirgt sich ihr Erfolgsgeheimnis. Durch zwölf Jahrhunderte hindurch bestritt der Aachener Domchor die kirchliche Musik im karolingischen Dom, begleitete dort die Krönungsfeierlichkeiten von 30 Kaisern und Königen. Noch heute sieht der Chor unter der Leitung von Domkapellmeister Berthold Botzet seine Aufgabe unverändert neben der musikalischen Gestaltung der feierlichen Liturgie im Hohen Dom zu Aachen in der Pflege der großen Meisterwerke der geistlichen Chormusik. Hier erklingen oft auch Werke von Johann Sebastian Bach.

Aachener Domchor Anzahl der Mitglieder: 90 (50 Knaben) Repertoire: Kirchenmusik Spezialität: Aufführungen der Bachschen Passionen und großer chorsinfonischer Werke


Historisch: Die Wiener Sängerknaben im Matrosenanzug.

Feierlich: Die Sänger in Gala-Uniform (links) und beim Eurovision Song Contest 2015 in Wien.

Wiener Sängerknaben Anzahl der Mitglieder: 100 Repertoire: Mittelalter bis Moderne Spezialität: Arrangements wienerischer Musik, Matrosenanzug, Fotos: Aachener Dommusik, akg/Jazz Archiv Hamburg, ullstein bild, IMAGNO/Barbara Pflaum

Auftritte mit Philharmonikern

Dessen Name ist fest mit dem Thomanerchor verbunden, der 27 Jahre lang unter der Leitung von Bach musizierte. Dies war freilich Jahrhunderte später. Die Stadt Leipzig gründete im Jahr 1212, als man das Stadt- und Marktrecht erlangte, eine Schule und den Knabenchor für die Thomaskirche, damit dieser die Gottesdienste und kirchlichen Feierlichkeiten musikalisch ausgestalten konnte. Die Thomasschule war ausdrücklich eine „schola pauporum“, eine Armenschule – sie gilt als Deutschlands älteste öffentliche Schule. Die Thomaner sangen quasi als Gegenleistung für Bildung, Essen und Unterkunft. Thoralf Schulz, Alumnatsleiter und Lateinlehrer an der Thomasschule: „Unser tägliches musikalisches Brot sind die Motetten, mehrstimmige Vokalmusik, und Gottesdienste in der Thomaskirche.“ Diese Auftritte an den Wochenenden zählen zu den wichtigsten Touristenattraktionen Leipzigs. Im Repertoire dominieren natürlich die Werke von Bach, der als Thomaskantor viele Stücke für den Chor schrieb.

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Wie in Aachen führte der Wille eines Herrschers zur Gründung der Wiener Sängerknaben im Jahre 1498, als der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I. seinen mobilen Hofstaat und seine Hofmusik in Wien ansiedelte. Auch diesem Knabenchor obliegt bis heute die musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der Kirche des Herrschersitzes, der Hofburgkapelle. Die Sängerknaben traten bis 1918 ausschließlich im Auftrag ihres Kaisers auf. Erst 1926 sangen sie erstmals außerhalb der Wiener Hofburgkapelle und begannen dann mit einer Globalisierung der hohen Kunst des Knabengesangs. Gerald Wirth, künstlerischer Leiter der Wiener Sängerknaben: „In den 30er-Jahren dauerten die Tourneen mindestens zehn Monate, und die Jungen sind rund um die Welt gereist – für die damalige Zeit einfach unfassbar!“ Auch heute dürften die Sängerknaben die Tourneeweltmeister unter den Knabenchören sein, zusammen mit den Auftritten in der Hauskapelle der Habsburger meistern sie jährlich 300 Veranstaltungen weltweit, elf Wochen sind sie unterwegs. Das Reisen führte neben der musikalischen Spitzenqualität zu einem hohen Bekanntheitsgrad. Und zu dem ungewöhnlichen Phänomen, dass ein Drittel der rund 100 Sängerknaben aus dem Ausland stammt. „Es sind meist die ausländischen Kinder selbst und nicht deren Eltern, die uns auf unseren Tourneen hören und dann zu uns kommen wollen“, versichert Wirth. Viele davon stammen aus Japan und Korea, aus China, Australien, Russland, Amerika. Ausbildung

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Stuttgarter Hymnus-Chorknaben Anzahl der Mitglieder: 200 Repertoire: Kirchenmusik bis Gospel Spezialität: Weihnachtsoratorium von Bach, Messias von Händel oder aktuell Mozarts Requiem

Festlich: Die Stuttgarter HymnusChorknaben mit Chorleiter Rainer Homburg im traditionellen Talar während eines Auftritts im Stuttgarter Konzerthaus Liederhalle (oben) und bei den Proben (links).

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Die Faszination für Knabenchöre ging über die Jahrhunderte nie verloren. Im Jahr 1900 gründete der Stuttgarter Unternehmer und soziale Wohltäter Paul Lechler nach dem Vorbild des Thomanerchors die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben. Diese sind auf eine diversifizierte Finanzierung angewiesen. Geschäftsführerin Berit Kramer: „Der Chor liegt in der Trägerschaft der evangelischen Kirche, die knapp die Hälfte des Etats stellt. Darüber hinaus tragen institutionelle Förderungen, ein Förderkreis, eine Stiftung, Sponsoren und nicht zuletzt Konzerteinnahmen den Chor. An die evangelische Kirche gebunden, widmete sich der Chor von Anfang an der geistlichen Musik in den Stuttgarter Gotteshäusern. Bis heute singt der Hymnus-Chor die großen Werke der Kirchenmusik von Bach, Händel, Mozart, Mendelssohn Bartholdy und anderen, doch auch Gospel und weltliche Musik zählen zum Repertoire. Im Gegensatz zu anderen bekannten Knabenchören ist der Hymnus-Chor an kein Internat angeschlossen. Die Jungen leben in ihren Familien und gehen auf unterschiedliche Schulen. Chorleiter Rainer Homburg: „Stuttgart hatte um 1900 keinen Bedarf an einem Chorinternat. Das war von der Kirche nicht erwünscht, die in den Schulen fest verankert war.“ Das Zeitalter der Industrialisierung hätte die Situation verändert und die Formel „Bildung gegen Singen“ verlor ihre Relevanz. „Der Hymnus-Chor wollte die Kinder einfach von der Straße holen “, erläutert Homburg. Nachwuchssorgen hatte der Chor damals und auch heute nicht. „Ein guter Zeitpunkt für den Einstieg ist die zweite Schulklasse“, weiß Chorlei-

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Fotos: Holger Schneider, TÖLZER KNABENCHOR

und Praxis als Sängerknabe sind ähnlich wie bei den Thomanern. Im eigenen Kindergarten werden Talente gesichtet. In der eigenen Volksschule kümmern sich bis zur dritten Klasse drei Stimmbildner und zwei Kapellmeister um die Stimmbildung im Einzel- und Gruppenunterricht. Im Allgemeinen kommen alle Buben ab der vierten Klasse ins Internat. Die Wiener Sängerknaben sind der einzige reine Knabenchor und treten gewöhnlich ohne Männerstimmen auf. Franz Schubert, Joseph Haydn und Michael Haydn zählten zu den Sängerknaben und auch Schauspieler und Regisseur Peter Weck. Im Unterschied zu anderen Knabenchören erhalten die Sängerknaben keine regelmäßige Förderung. Sie finanzieren sich aus Konzert- und Tourneeeinnahmen, Tantiemen, Beiträgen, Zuwendungen von Sponsoren und Mäzenen.


Tölzer Knabenchor Anzahl der Mitglieder: 200 Repertoire: Mittelalter bis Moderne Spezialität: Kirchenmusik aus Barock und Klassik; Partien der „Drei Knaben“ in „Die Zauberflöte“

ter Rainer Homburg. „Grundsätzlich ist eine Aufnahme jederzeit möglich.“ Wenn eine musikalische Grundbegabung erkennbar ist, steht die kostenlose hochqualifizierte musikalische Ausbildung offen. Der A-Chor ist die „Talentschmiede“, in der die nächste Generation der Konzertsänger spielerisch vorbereitet wird, mit Stimmbildung, wöchentlichen Chorproben und Auftritten in der Stuttgarter Stiftskirche oder im Konzerthaus Liederhalle. Der B-Chor – oder auch Nachwuchschor – aus Dritt- und Viertklässlern übt anspruchsvollere Werke ein, die auf die spätere Laufbahn im Konzertchor vorbereiten. Hier unterscheidet man dann auch zwischen Sopran und Alt. Der C-Chor schließlich bildet mit dem Männerchor den Konzertchor, der etwa Bachs Weihnachtsoratorium oder Händels Messias singt.

Authentisch: Der Tölzer Knabenchor weiß durch Leichtigkeit und Konzentration zu überzeugen.

Mozarts Zauberflöte gilt dagegen als Markenzeichen des Tölzer Knabenchors, der in Opernhäusern aller Welt für die Rollen der „Drei Knaben“ gebucht wird. Auch hier liegt das Geheimnis für Bewunderung und Erfolg in der hochprofessionellen Ausbildung, die neben Stimmbildung und Chorproben wöchentliche Solostunden für jeden Sängerknaben beinhaltet. Die private Initiative und Passion des 18-jährigen Abiturienten Gerhard Schmidt-Gaden führte 1956 zur Gründung des Tölzer Knabenchors. Während seines musikwissenschaftlichen Studiums hielt er sich bei den Thomanern in Leipzig auf und lernte authentische Aufführungspraxis in Original-Besetzungen kennen. Daneben setzt man auch in Tölz auf die Begeisterungsfähigkeit und ungeheure Auffassungsgabe der Kinder. Die Ausbildung beginnt während der ersten Grundschulklasse, sobald die Kinder lesen können. Ob Stimmbildung, Gesangstechnik, Körperspannung, Repertoire einstudieren – hier ähneln sich alle Knabenchöre. Konzertmanager und Pressesprecher Peter Schulz betont: „Bei zeitgenössischer Musik, die nicht immer so tonal ist, müssen die Jungs glockenrein singen und sehr speziell intonieren. Wir sind bekannt dafür, dass wir das schaffen.“ 180 bis 200 Auftritte meistert der Chor jährlich. 2015 gastierte er zweimal in China. Generell begleiten Lehrer die Kinder auf ihren Chorreisen. Der Unterricht erfordert zuweilen ein wenig Motivationshilfe. Doch benötigt kein Sänger in den Knabenchören bundesweit einen Antrieb. Thoralf Schulze: „Die Jungs sind alle mit Feuereifer dabei, weil sie einfach gerne und gut singen. Und das wissen sie, und deshalb wollen sie es.“

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Tempel des Alltags Die experimentelle japanische Architektur begeistert mit innovativen Ideen oder Designs und bietet viele individuelle Wohnlösungen. :: Von Birga Teske

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Auf Tokios berühmten Einkaufsmeilen „Ginza“ und „Omotesando“ drängen sich viele spektakuläre Bauten auf engstem Raum – keine Metropole dieser Welt verfügt auch nur annähernd über ein ähnliches Stadtbild. Luxusgüterhersteller wie Mikimoto, De Beers, Dior, Prada, Cartier oder Louis Vuitton locken mit ihren Flagship-Stores nicht nur Kunden, sondern auch Heerscharen von Touristen an. Deren Gebäude wurden alle von Stararchitekten entworfen. Immerhin gibt es aktuell sieben japanische Preisträger des „Pritzker Prize“, der höchsten internationalen Auszeichnung für Architekten. Fehlende Bebauungspläne und lockere Energievorschriften lassen Nippons Bauherren und Architekten Freiheiten, von denen man anderswo nur träumen kann. Obwohl die 126 Millionen Köpfe zählende Bevölkerung schrumpft und die Zahl der Hausbauten in jüngster Zeit zurückgegangen ist, bleibt der Gesamtmarkt groß. Der In-

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Moderne Schularchitektur: Collagenhafte Kompositionen aus unterschiedlichen Materialien, Fassaden und Formen zeichnen die Showa Tetsudo High School aus und erinnern nur wenig an eine Lehreinrichtung (links); die Metallbänder an der Fassade erinnern zugleich an einen riesigen Schaltplan (siehe unten).

ternational Union of Architects zufolge zählt Japan 2,5 Architekten pro 1000 Einwohner. Damit ist die Dichte doppelt so hoch wie in Deutschland. Viele junge, aufstrebende Büros hoffen auf eine Chance, durch ausgefallene Entwürfe berühmt zu werden. Rückenwind erhalten sie durch die Geschwindigkeit, mit der gebaut und wieder abgerissen wird: Durchschnittlich stehen Wohnhäuser in Nippon nur 30 Jahre. Bereits nach der Hälfte dieser Zeit sind sie wertlos. Das führt zu reger Bautätigkeit und spektakulären Entwürfen. Sogar Schulgebäude wie die Showa Tetsudo High School von Atsushi Kitagawara erinnern mehr an Kunst als an eine Lehrinstitution. Material und Design stehen im klaren Kontrast zur ano­nymen kleinteiligen Wohnbebauung der Umgebung und fügen sich doch in die Maßstäblichkeit des Viertels ein – Kitagawara bricht große Gebäudeflächen in Untereinheiten auf, die in sich geschlossene Kompositionen sind. Die Fas-

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sade im Stil eines Schaltplanes weckt zudem eindeutige Assoziationen zum Lehrinhalt der Hochschule. Wie viele seiner japanischen Kollegen verweigert Atsushi Kitagawara dem Betrachter einen eindeutigen Überblick über das Bauobjekt, ignoriert oft feste Abgrenzungen wie „drinnen“ und „draußen“ und schafft Platz für Interaktion. Die experimentellsten Beispiele japanischer Architektur zeigen allerdings Einfamilienhäuser: International bekannt sind Bauten wie das „Moriyama House“ von Ryue Nishizawa, dessen quadratische Zimmer einzeln auf dem Grundstück verteilt sind. Nishizawa und seine Kollegin Kazuyo Sejima erhielten ebenso wie Tadao Ando den „Pritzker Prize“. Ein weiterer Preisträger ist Shigeru Ban, dessen „Curtain House“ Vorhänge anstelle von Außenwänden nutzt. Sein Kollege Sou Fujimoto wiederum hat mit dem „House N“ im Süden Japans auf sich aufmerksam ge-

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von Shigeru Ban (oben links), „Hori no uchi house“ (oben rechts), „Lucky Drop House“ (unten links), „Mikimoto-Hochhaus“ (Mitte rechts) und das „Moriyama House“ (unten rechts).

macht. Das Wohnhaus besteht aus drei ineinander verschachtelten rechteckigen Außenhüllen, deren Oberseite und Wände riesige unverglaste Öffnungen durchbrechen. Angesichts des extremen Preisverfalls nehmen Bauherren keine Rücksicht auf den Wiederverkaufswert ihrer Immobilien. Auch deshalb entscheiden sich mehr Besitzer in Japan als in Deutschland für individuelle Wohnlösungen. Weltweite Beachtung finden etwa die für Japan typischen „Mikro-Häuser“. Darunter das „Hori no uchi house“, dessen Erdgeschoss weniger als 28 Quadratmeter Fläche beansprucht oder das „Lucky Drop House“, das an seiner breitesten Stelle nur drei Meter misst. Zustande kommen solche

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Fotos: Takeshi Yamagishi, akg-images/VIEW Pictures Ltd, Hiroshi Tanigawa, Mikimoto, Atelier Tekuto, Leonello Calvetti, Dirk Schmidt

Innovative Architektur: „Curtain House“

Zuschnitte vor allem durch hohe Erbschaftsteuern. Um diese begleichen zu können, verkaufen viele Nachkommen Teile des elterlichen Grundstücks. Nicht selten schrumpfen Bauflächen so auf 50 bis 80 Quadratmeter zusammen. Ausländische Besucher sind über die dichte Bebauung meist überrascht. Selbst bei alleinstehenden Häusern beträgt der Mindestabstand zum Nachbarhaus nur einen Meter. Gebäude verschiedenster Größen und Stilrichtungen prallen in Tokio und anderen Städten wild aufeinander. „Architektonisch anspruchsvoll sind höchstens 5 Prozent“, sagt die deutsche Architektin Kathrin Sauerwein, die mehrere Jahre in einem japanischen Architekturbüro arbeitete. Dennoch finden sich in der Masse der Durchschnittswohnungen spannende Parallelen zur traditionellen japanischen Bauweise. Dazu zählen Elemente wie die obligatorische Stufe zwischen Eingangs- und Wohnbereich, die Nutzung von Schiebetüren und die Ausstattung einzelner Räume mit Reisstrohmatten. Auch ihre papierdünnen Wände haben die Japaner über die Jahrhunderte gerettet: Trotz Energieeinsparverordnungen bleiben Fassaden und Fenster dünn und kaum isoliert. Hinter der japanischen Bauweise steckt Philosophie. „In Deutschland legen wir Wert auf das Objekt, die Wände sind besonders wichtig“, erklärt Sauerwein. „In Japan ist das wichtig, was zwischen den Wänden vorgeht.“ Eine Besonderheit, die weltweit mit japanischer Architektur verbunden wird, ist allerdings keine: der Minimalismus. Zwar gibt es in vielen Bereichen Einflüsse des Zen-Buddhismus mit seinen reduzierten Farben und Formen. Doch existiert auch eine bunte, schrille und chaotische Seite Japans. Ganz Japan, nicht nur die Architektur, ist von Kontrasten geprägt. Neben überquellenden Straßenkreuzungen, gigantischen Reklametafeln und heruntergekommenen Wohnblocks gibt es ruhige Parks, gepflegte Gehwege und großartige Bauwerke. Ein faszinierendes Durcheinander, selbst in Tokios belebtesten Einkaufsvierteln, das als Ganzes eine ungewohnte und über die Grenzen anziehende Perspektive schafft.


Motivation neu denken Mitarbeiter sollen von ihren Führungskräften motiviert werden, Unternehmer und Selbstständige sollen sich selbst motivieren,Verkäufer sollten per se motiviert sein. Was aber in Wahrheit oft fehlt, ist der Mut zur eigenen Persönlichkeit. :: Von Dirk Schmidt

Warum eigentlich kaufen wir immer wieder Produkte, die weder die preiswertesten noch die besten sind? Produkte, die wir vielleicht noch nicht einmal benötigen, die keinen konkreten Bedarf befriedigen, allenfalls ein verborgenes Bedürfnis: nach Status, Anerkennung oder persönlicher Genugtuung? Die Antwort ist einfach: Wir sind an einen Verkäufer geraten, der es geschafft hat, uns im Innern zu erreichen, der sich Zeit nahm, unser Vertrauen zu gewinnen. Während wir über das Produkt und die repräsentierte Marke plauderten, hat er erkannt, wo er uns packen kann. Schwupps – wir haben das Produkt gekauft. Das glauben wir. Dabei war es der Verkäufer, seine Persönlichkeit, seine Eloquenz, uns von sich zu begeistern. Das macht das Produkt nicht schlechter, im Gegenteil. Das Produkt wird besser, weil wir es mit dem schönen Kauferlebnis verbinden und uns darin wiederfinden. Nein, hier soll es nicht um Verkaufen gehen, sondern um Motivation. Aber der Gedanke ist wichtig, um Motivation in ihrer modernen Ausprägung besser zu verstehen. Früher sind Motivationstrainer und Business-Entscheider davon ausgegangen, dass der Verkäufer aus reinem Egoismus handelt. Er parliert und gewinnt uns, um das Geschäft abzuschließen und seine Provision zu kassieren. Er wäre also extrinsisch motiviert – etwa durch Geld. Für diese Art der Motivation waren Tschakka-Rufe, Laufen über glühende Kohlen und das Zerschlagen von Holzbrettern als mentaler Anker für den persönlichen Durchbruch vielleicht gute Instrumente. Aber funktioniert das noch? Sind moderne Individuen in einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren immer noch weitgehend extrinsisch motiviert?

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Seien wir ganz ehrlich: Rümpfen wir heute nicht alle die Nase, wenn wir den Eindruck gewinnen, jemand sei nur geldgetrieben oder seinem eigenen Vorteil verpflichtet? Rufen wir nicht vielmehr nach unabhängigen Persönlichkeiten, die uns lange in Erinnerung bleiben? Unsere Wirtschaft hat sich doch schon lange vom reinen Materialismus entfernt. Unsere Gesellschaft hat akzeptiert und vielleicht sogar gelernt, dass Wirtschaft nur mit Menschen zu machen ist. Diese werden in der Tat selbstbewusster, mutiger, individueller. Sie streben nicht mehr nur nach Gütern, sondern auch nach Respekt und einem Sinn für ihr Handeln. Diese Menschen brauchen eine intrinsische Motivation, müssen aus sich heraus die Lust auf Leistung und Erfolg beziehen, wenn sie ihren Zielen entgegenstreben. Der oben genannte Verkäufer hat uns wahrscheinlich deswegen überzeugt, weil er ein Typ war, eine ernst zu nehmende Persönlichkeit, die Lust hatte, mit uns zu sprechen, uns zu beraten und ja – auch zu verführen. Und wir haben es genossen. Seiner inneren Motivation folgte unser Kaufverhalten. Zwei Menschen auf Augenhöhe mit Leidenschaft in Dialog, nicht ein Kunde und ein Verkäufer. Wer heute andere motivieren möchte, benötigt moderne und innovative Konzepte, die den Dienstwagen, den Bonus oder die Karriereleiter vielleicht nicht ersetzen, aber ergänzen. Statt „Du schaffst das schon!“ ist nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung gefragt – und der Mut moderner Führungskräfte, diese auch bei anderen zuzulassen und zu fördern. Der starken und von sich überzeugten Persönlichkeit folgt der Erfolg von allein. Charaktere und Typen statt Parolen – so geht langfristige Motivation heute.

Dirk Schmidt ist Keynote-Speaker und Buchautor. Er gehört zu den gefragtesten Motivations-Experten im deutschsprachigen Raum. Als Mentaltrainer arbeitet er mit Olympiasiegern, Nationalspielern und Topmanagern. Anlehnend an seine Bücher und Veröffentlichungen hält er Vorträge und bietet Seminare zum Thema Vertrieb und Motivation an.

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Mit Erfahrung leichter lernen Wir werden immer älter und bleiben geistig und körperlich länger fit. Zeit, um sich nochmals Neues anzueignen, denn Forscher sagen: Ältere sind Jüngeren beim Pauken nicht grundsätzlich unterlegen. :: Von Sarah Sommer

Gut lachen: Im Alter hilft vorhandenes Wissen beim Erlernen neuer Fähigkeiten oder Sprachen. Dies widerlegt die vorherrschende Meinung, dass jüngere Menschen schneller lernen.

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Fotos: Getty Images, 68/Andrew Bret Wallis/Ocean/Corbis

Es kann frustrierend sein, sich mit Jüngeren zu messen. Diese Erfahrung hat James R. Flynn früh gemacht: Der US-Forscher hatte einst mit seiner Basketball-Mannschaft in der High School einen Sieg nach dem anderen eingefahren. Nur fünf Jahre später verlor dieselbe Mannschaft gnadenlos gegen jüngere Teams. Nicht weil die größer waren, stärker oder fitter – sie hatten neue, moderne Wurftechniken gelernt, die das Spiel schneller und unvorhersehbarer machten. Die älteren Spieler taten sich schwerer als die jüngeren Nachwuchssportler, diese neue Technik zu erlernen – und waren ihnen daher unterlegen. Noch viele Jahre später griff er auf das Basketball-Beispiel zurück, um seine Theorien zu erklären. Er stellte die These auf, dass altersbedingte Unterschiede in der Lern- und Leistungsfähigkeit dadurch zustande kommen, dass jede Generation etwas intelligenter sei als die vorherige. Tatsächlich scheinen Studien den sogenannten Flynn-Effekt zu belegen: Der IQ-Wert bei Kindern hat sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts weltweit um drei Punkte pro Jahrzehnt erhöht. Ganz so einfach ist die Erklärung für dieses Phänomen nicht. „Man kann nicht pauschal sagen: Die Jungen sind klüger als die Alten“, betont Björn Schott, Forscher und Psychiater am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg. „Die Intelligenz eines Menschen ist ein komplexes Konstrukt, das sich aus mehreren Teilbereichen zusammensetzt – und das sich zudem im Laufe des Lebens verändert“, erklärt er. Intelligenzforscher unterscheiden zwischen „fluider“ und „kristalliner“ Intelligenz. Zur fluiden Intelligenz zählen eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Arbeitsgedächtnis. Sie ermöglichen es uns, Neues schnell und konzentriert zu erlernen, machen uns flexibel und helfen uns, wenn wir uns neuen, unbekannten Situationen anpassen müssen. Diese Fähigkeiten sind insbesondere in jungen Jahren wichtig – und zu dieser Zeit auch am stärksten ausgeprägt. „Die fluide Intelligenz steigt im Kindes- und Jugendalter schnell an und erreicht ihren Höhepunkt mit etwa Anfang Zwanzig“, erklärt Schott. Doch während diese Komponente unserer Intelligenz im Alter messbar nachlässt, kann die sogenannte kristalline Intelligenz gleichzeitig sogar steigen. Diese umfasst die im Laufe des Lebens erworbenen Fähigkeiten, zum Beispiel das verbale Ausdrucksvermögen, das

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„Die Liebe zum Lernen ist der Weisheit verwandt“, sagt der chinesische Philosoph Konfuzius.

Keine Seltenheit: Immer häufiger starten ältere Menschen nach dem Berufsleben ein Studium und schließen dieses erfolgreich ab.

Fachwissen und die soziale Kompetenz eines Menschen. Sie beruht auf Übung, setzt Gelerntes zueinander in Beziehung und wird von unserem kulturellen Umfeld beeinflusst. Die kristalline Intelligenz ist weit mehr als nur angesammeltes Wissen: Wer in jungen Jahren etwa zwei romanische Sprachen erlernt hat, der kann sich im Alter schnell eine dritte romanische Sprache aneignen – wahrscheinlich sogar schneller und leichter als ein jüngerer Mensch, der noch keine dieser Sprachen gelernt hat. Geht es hingegen darum, eine Sprache wie etwa Japanisch zu lernen, wird der jüngere Sprachschüler den älteren höchstwahrscheinlich abhängen. Dabei können die Rahmenbedingungen, unter denen wir in jungen Jahren lernen, entscheidend für die Entwicklung der Intelligenz bis ins hohe Alter sein. Stefan Krumm, Professor für Psychologische Diagnostik, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der Freien Universität Berlin, weiß: „Eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität sowie regelmäßige kognitive Stimulation durch neue LernHerausforderungen fördern die geistige Leistungsfähigkeit im Alter.“ Vor diesem Hintergrund erscheint auch der von Generation zu Generation steigende durchschnittliche IQ in einem anderen Licht: „Man muss berücksichtigen, dass die heute 90-Jährigen eine schlechtere Schulbildung, Ernährung und Gesundheitsversorgung hatten als nachfolgende Generationen“, so Krumm. Während früher in Schulen vor allem Wissen auswendig gelernt wurde, werden heute viel stärker abstraktes Denken und logisches Schlussfolgern gefördert – was sich wohl auch auf die fluide Intelligenz und damit die Lernfähigkeit auswirkt. Aktuelle Studien legen nahe, dass der bislang beobachtbare Anstieg des durchschnittlichen IQs in den Industrieländern schon bald zum Stillstand kommen wird. Denn die wichtigen Einflussfaktoren Bildung, Gesundheit und Ernährung können nicht mehr sehr viel besser werden. Also macht auch die Intelligenz der jüngeren Generationen in Zukunft wohl keine großen Sprünge mehr. Es lohnt sich also, auch im höheren Alter noch eine neue Sprache, vielleicht sogar ein Musikinstrument oder eine Sportart zu erlernen – auch wenn das Lernen nicht mehr so leichtfällt wie in jungen Jahren. Denn selbst wenn man das Instrument vielleicht nicht perfekt spielen lernt, hält der Lernprozess in jedem Fall das Gehirn fit.

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Seide für die Haute Couture Nichts verkörpert Luxus und Sinnlichkeit wie kostbare Seide. Die Züricher Manufaktur Fabric Frontline macht aus dem kostbaren Material in alter Handwerkstradition einzigartige Lieblingsstücke. :: Von Jutta von Campenhausen

Purpur, Zinnober, Burgunder. Und dann über Koralle, Aprikose und Safran zu mindestens zwölf verschiedenen Gelbtönen. Die Stoffballen im Showroom des Züricher Seidenhauses Fabric Frontline rauben dem Besucher mit ihrer puren Farbenpracht den Atem, dabei kommt das Beste noch: Der süchtig machende Griff in die schimmernden Falten von glatter Duchesse-Seide, federleichtem Kaschmir-Seide-Mix und zartem Crepe de Chine. Man muss hineinfassen in die matt glänzende Fülle, die Sinnlichkeit der edlen Stoffe begreifen, die im Sommer kühl, im Winter warm sind und immer perfekt fallen. „Wir sind ausgemachte Qualitätsfanatiker“, sagt André Stutz. Gemeinsam mit seinen Schwestern Elsa und Maya gründete er 1980 Fabric Frontline, ein Unternehmen, dessen Geschichte sich wie ein allzu schlichter, verwegener Groschenroman liest. Was die Geschwister heute bieten, kann sich wahrlich sehen lassen: luxuriöse Stoffe, brillante Farben und atemberaubende Designs. Die großen renommierten Modehäuser ordern die Stoffe und entwerfen Unikate für die Haute Couture. Zehn Jahre lang arbeitete „Andi“ Stutz als Pfleger in der Psychiatrie. Ein Grund, warum er in der Modebranche so gut aufgehoben sei, sagt

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er: Er wisse, wie man mit Verrückten umgeht. Gemeinsam mit seiner Schwester Elsa heuert er bei einem befreundeten Seidenhersteller an. Das Material gefällt den beiden Kindern eines Ofensetzers, doch die Produkte finden sie wenig ansprechend. Sie nehmen einen Kredit auf, holen ihre jüngere Schwester Maya, die gerade ihre Floristenlehre abgeschlossen hat, ins Projekt und produzieren selbst. Stutz: „Unsere Sachen waren ebensowenig gelungen, verkauften sich aber gut.“ Nach fünf Jahren schrieb das Unternehmen schwarze Zahlen. Mit Couture-Stoffen von sagenhafter Qualität katapultierte sich Fabric Frontline in den Modehimmel. Chanel, Dior, Givenchy, Lacroix und Nina Ricci verwenden die ausschließlich für das Unternehmen in Norditalien gewebten Stoffe. Opernsängerin Cecilia Bartoli trägt ausschließlich Roben aus Seide von Fabric Frontline, nachdem sie einmal ein solches Kleid anhatte. Star-Modedesigner Alexander McQueen kreierte für Givenchy einen Mantel aus Zürcher Seide, die mit 18 Karat Gold belegt war, Modeschöpfer Christian Lacroix machte ein Brautkleid daraus. Die englische Modemacherin Vivienne Westwood schwört nicht nur auf die Seiden der Firma, sie verbindet echte Freundschaft mit Andi Stutz – wohl weil beide bodenständig, herzgesteuert und erfrischend unkonventionell sind. Lange prägten Krawatten, Schals und Halstücher mit naturalistischen, oft ungewöhnlichen Motiven das Image des jungen Unternehmens. Stachelige Kakteen, haarige Spinnen, Nachtfalter und Käfer bevölkerten die Accessoires. Doch die Zeit der launigen Giftfrosch-, Heuschrecken- und Gemüsekrawatte ist der Ära märchenhaft verspielter und grafischer Muster gewichen. Heute machen große Foulards mit asymmetrischen, wilden Designs Furore. Mit gestochen scharfen

Schlüssel, Schloss und Rotkehlchen:

Details und Mut zur Farbe sind sie mehr als ein Tuch. Im Sommer geben Sie ein raffiniertes Top ab, im Winter eine Stola und um die Hüfte geschlungen einen unwiderstehlichen Hingucker. Gleich geblieben ist die atemberaubende Qualität, in der das Seidenhaus Schmetterlinge, Origami-Kraniche und grafische Ornamente in einer Präzision aufs Gewebe bringt, die ihm früh einen Platz auf dem umkämpften Modemarkt sicherte. Auf schimmerndem Satin und zartem Georgette leuchten einzelne Blütenfäden, Schnurrhaare ei„Der geheime Garten“ nes Fuchses und Blütenblätter prangen in nie da gewesener Tiefe und Intensität. Das Geheimnis heißt das Tuch aus 70 Prozent Kaschmir der Qualitätsfetischisten ist ihre Drucktechnik. Während konventionelle Seidenhersteller ihmit Rankenmotiv. re Muster aufdrucken, lässt Fabric Frontline seine Muster ätzen. Das Verfahren bringt brillantere Farben, weil nicht nur einige Fasern gefärbt, sondern die Fäden durch und durch mit Farbe getränkt werden. Bis zu 26 Farben gelangen so am Comer See von Hand in das vorgefärbte Gewebe. Dabei werden die Drucksiebe zügig millimetergenau auf Stoffbahnen gesetzt – eine Kunst, die nur wenige Druckereien noch beherrschen. Für einen Foulard mit einer hübschen Mohnblüte auf schwarzem Grund verwenden die Drucker drei warme und drei kalte Rottöne, ein Lila, dazu Schwarz und Grau für Schatten und Fältchen sowie Gelb, Smaragdgrün und Oliv – zwölf Grimms „Der ZaunDrucksiebe statt den gängigen vier. Der Aufwand könig und der Bär“ ist enorm, das Ergebnis macht den Unterschied. bevölkert diesen „Wir haben eine völlig neue Käuferschicht Schal aus Seidentwill. erschlossen“, bemerkt Andi Stutz. „Es sind nicht die Frauen, die sonst gerne Hermès-Tücher tragen, die uns kaufen, sondern solche, die noch nie ein Seidentuch hatten.“ Diese möchten keine Steigbügel und Kettchenmuster, die für Seidentücher lange Zeit typisch waren, sondern erfreuen sich an märchenhaften Ornamenten und ­realistischen Blüten.

Der Labyrinth-

Mit Liebe zum Detail illustrieren die

Foulard leuchtet mit

Designer märchenhafte Elemente,

intensiven Rottönen

die später Kaschmir-Tücher zieren.

auf Garza Jacquard.

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Standorte: Der Showroom in der Ankerstraße (links) liegt im alten Rotlichtviertel Zürichs. Doch das Unternehmen ist längst mit einem Salon in der noblen Bahnhofstraße ange-

Die für ihre Plastiken international bekannt gewordene Künstlerin Katharina Fritsch hat sich aus einem mit lebensgroßen Vogelspinnen bedruckten Stoff eine Bluse machen lassen. Und weil das Material so sinnlich und farbenmächtig ist, wollte auch sie damit arbeiten und hat sich mit Kreationen für Fabric Frontline verewigt. „Talking Pieces“ nennt Stutz diese einmaligen Künstlerstücke. „Wir benötigen keine Werbung, zu uns kommen Kunden, die etwas ganz Spezielles suchen“, berichtet Stutz, der mittlerweile auch den russischen Markt für sich entdeckt hat. Dabei sind es nicht nur die sehr wohlhabenden Bevölkerungsschichten, die sich gern in luxuriöse Seiden-Kaschmir-Stolen hüllen oder ihre Häuser und Wohnungen mit Seidenvorhängen aus Zürich einrichten. Mit einem kleinen norditalienischen Familienbetrieb reproduzierte Fabric Frontline auch die Seidentapeten und die Vorhänge des letzten Zaren in Zarskoje Selo, südlich von Sankt Petersburg. Auftraggeber für die blumendurchwirkte, schwere blaue und grüne Seide: die russische Museumsverwaltung. Ob diese sich an eine bessere Zeit erinnerte? Bereits seit dem 16. Jahrhundert ist Zürich eine Seidenstadt. Im 19. Jahrhundert kleideten Schweizer Textilhersteller die Königshäuser Europas ein und verschickten Ware sogar nach Amerika. Als der Schweizer Seidenbaron Robert Schwarzenbach 1904 starb, hatte er 13 000 Angestellte, die für ihn spannen, webten, stickten und verschickten. Heute produzieren die letzten Schweizer Textilunternehmen in Billiglohnländern. Dass ausgerechnet Fabric Frontline das alte Handwerk hochhält, erscheint nahezu grotesk. Die Newcomer auf dem Seidenmarkt ohne modische oder textile Vorbildung gleichen Parvenüs.

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Detailverliebt: Das bucklige Pferdchen des russischen Autors Pjotr Jerschow springt lachsfarben über einen Schal aus Crepe de Chine.

Mit diesem Image spielten die bodenständigen Geschwister Stutz gern. Sie sind ihrem Seidenhaus noch immer verbunden. Das Label gehört zwar mittlerweile der Trudel Fashion Group. An der Marketingstrategie des Hauses hat sich dadurch aber wenig geändert. Seine Kunden sind die großen und die ganz großen der Modeindustrie. Mittlerweile trägt auch Michelle Obama ihre Stoffe. Die bleiben unendlich luxuriös, die Designs atemberaubend und der Anspruch hoch. Deshalb gibt es die sensationellen Foulards, Stolen, Krawatten und Carrés auch nur an wenigen Stellen außerhalb Zürichs zu kaufen. Die Reise zum Stammhaus lohnt sich allerdings. Dass der exklusive Seidensalon in der Ankerstraße ausgerechnet im ehemaligen Rotlichtviertel Zürichs zu Hause ist, hat einen besonderen Reiz. Durch den beschaulichen Innenhof betritt man den lichtdurchfluteten Salon mit den gigantischen Rosenbouquets. Hier gibt es neben Seidenmänteln, die sich in der Oper fix in die Handtasche knüllen lassen, um nach der Vorstellung faltenfrei zu schimmmern, auch feinsten Kaschmir, dazu Plaids, Kissen, Pyjamas und Vorhänge. Die neue Boutique in der Züricher Bahnhofstraße hat freilich etwas mehr Glamour. Während die Keimzelle in der Ankerstraße ein Schmuckkästlein ist, das gefunden werden will, zelebriert sich die Seide an der mondänen Adresse als Diva. Die Rückwand des Showrooms füllt ein deckenhohes Mosaik aus Nahaufnahmen eines grell geschminkten Clowngesichts mit gelben Plastiklocken und einer roten Plastiknase. Stundenlang fotografierte der Schweizer Künstler Ugo Rondinone den Unternehmer André Stutz im Clownskostüm dafür. Das Fazit könnte für das gesamte Seidenhaus stehen. Wer genau hinsieht, erkennt: Die Arbeit hat sich gelohnt.

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Fotos: Fabric Frontline, Mischa Scherrer

kommen (rechts).


Das Gedicht

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn, Aber als Knecht Ruprecht schon Kommt der Winter hergeschritten, Und alsbald aus Schnees Mitten Klingt des Schlittenglöckleins Ton. Und was jüngst noch, fern und nah, Bunt auf uns herniedersah, Weiß sind Türme, Dächer, Zweige, Und das Jahr geht auf die Neige, Und das schönste Fest ist da. Tag du der Geburt des Herrn, Heute bist du uns noch fern, Aber Tannen, Engel, Fahnen Lassen uns den Tag schon ahnen, Und wir sehen schon den Stern. Theodor Fontane :: Illustration: Lisa Rock

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Herr der Kunst: Max Hollein leitet die Schirn Kunsthalle, das Städel Museum und die Liebieghaus Skulpturensammlung und geht auch digitale Wege in der Kunstver­mittlung.

„Museum ist Verantwortung“ Max Hollein leitet drei der bedeutendsten Kunstinstitutionen. Im Interview mit VENTURA erklärt er, wie es ihm gelingt, sensationelle Sammlungen und Ausstellungen nach Frankfurt zu holen. :: Das Gespräch führte Stefan Dangel

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VENTURA: Wie gelingt es Ihnen, so bedeutende Ausstellungen wie etwa Lukas Cranach der ­Ältere, Dürer oder Botticelli in Frankfurt zu vereinen? Max Hollein: Entscheidend ist, dass wir mit solchen Altmeisterausstellungen nicht nur das breite Publikum begeistern, sondern stets die Fachwelt daran teilnimmt und eine inhaltliche wissenschaftliche Diskussion vorantreibt. Dahinter steckt ein schlüssiges Konzept, eine künstlerische Aussage oder eine Forschungsinitiative, die auf zahlreiche zielgruppenspezifische Arten vermittelt wird, sodass am Ende viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Erkenntnisständen daran teilhaben können. VENTURA: Wie lange planen Sie eine Ausstellung? Max Hollein: Die Vorbereitungszeit beträgt in der Regel zwei bis drei Jahre. VENTURA: Warum dauert dies so lange? Max Hollein: Vor allem müssen unzählige Gespräche mit Kuratoren, Experten, Museen oder Privatsammlern geführt werden. Das ist notwendig, damit wir neben einer hochkarätigen Auswahl an Exponaten auch das gesamte Thema, die Gesamtaussage einer Ausstellung optimal begleiten. VENTURA: Stoßen Sie bei den Leihgebern immer auf offene Ohren, wenn Sie ein Projekt planen? Max Hollein: Natürlich nicht. In Wirklichkeit geht es uns ja meistens um die Zimelien, die Kleinodien, die absolut zentralen Werke in den jeweiligen Sammlungen. Und auch wir geben nicht jederzeit und fröhlich eines unserer Spitzenwerke auf Reisen. VENTURA: Befürchten Museen Werke zu verlieren? Max Hollein: Nein – aber für einen gewissen Zeitraum fehlt dann ein bedeutendes Stück in einer Sammlung und wird vom Publikum vor Ort vermisst. Außerdem bedeutet jeder Transport ein generelles Level an Stress für die Kunstwerke. Auch deshalb überlegen wir und viele andere Museen sehr genau, für welche Ausstellungen Werke verliehen werden. VENTURA: Ist das ein Grund dafür, dass es von der Idee einer Ausstellung, über die Umsetzung bis zur Eröffnung so lange dauert? Max Hollein: Das hängt damit zusammen. Insofern ist die lange Vorbereitungszeit vor allem den langen Gesprächen und Prüfungen in Bezug auf die Ausleihmöglichkeit und -fähigkeit solcher Werke geschuldet.

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VENTURA: Wie überzeugen Sie Ihre Gesprächspartner zu einer Leihgabe? Max Hollein: Zuallererst gelingt dies über die Validität der Ausstellung, das Konzept und die Reputation der jeweiligen Institution. Sowohl das Städel Museum als auch die Schirn Kunsthalle haben den Ruf, solche wichtigen Ausstellungen im Bereich der Alten Meister oder der Kunst der Moderne auf allerhöchstem Niveau und mit großer Resonanz präsentieren zu können. Im nächsten Schritt geht es darum, zeigen und beweisen zu können, dass genau dieses spezifische Werk für das Konzept der Ausstellung, für die These und den Dialog mit anderen Werken wesentlich ist. VENTURA: Gibt es da Abhängigkeiten? Max Hollein: Sicher. Es kommt vor, dass etwa die National Gallery in London ein Werk nur ausleihen will, wenn vom Prado in Madrid ein bestimmtes anderes Werk kommt, weil diese nur gemeinsam einen Sinn ergeben. Zuweilen ähnelt unsere Arbeit der Diplomatie in der Außenpolitik. VENTURA: Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Ihre drei Häuser? Max Hollein: Als Erstes gilt es zu erkennen, dass Museum nicht ein Ort, sondern eine Aufgabe ist. Kunstvermittlung passiert weit außerhalb des Gebäudes. Wir haben Museum immer als Notwendigkeit der Kommunikation und Vermittlung aufgefasst, die weit in eine Stadtgesellschaft hineinreicht. Obwohl wir beim Besucheraufkommen in Deutschland sicherlich herausragend sind, geht es uns nicht immer primär darum, Menschen zu Besuchern zu machen, sondern auch andere Formen der Vermittlung von Kunst anzubieten, etwa im digitalen Raum.

Italienischer Manierismus: Agnolo Bronzino, Bildnis

VENTURA: Spielen hier nicht auch Kommunikation, Strukturen und das Personal, welches intern und extern agiert, eine entscheidende Rolle? Max Hollein: Je mehr Kulturinstitutionen die Gesellschaft auffordern, sie zu unterstützen, desto mehr wird die Gesellschaft zurückfragen, was eigentlich die Rolle dieser Kulturinstitutionen für die Gesellschaft ist. Ich glaube, dass wir darauf sehr gute und richtige Antworten gefunden haben und diese auch glaubhaft kommunizieren. Ein weiterer Grundpfeiler für den Erfolg: Die drei Häuser sind in der Tat extrem agile Institutionen mit hochmotivierten und beständigen Mitarbeitern.

einer Dame in Rot, 1537–1540, Städel Museum, Frankfurt am Main

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seiner erfolgreichen Zeit am Solomon R. Guggenheim Museum in New York kam der Österreicher Max Hollein 2001 nach Frankfurt. Dort verhalf er den drei

VENTURA: Woher kommt Ihre Kunstleidenschaft? Max Hollein: Ich bin in einem sehr künstlerisch geprägten Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater war Architekt, der auch Museen plante, meine Mutter Modedesignerin. Beide waren sehr mit der Kunst- und Kulturszene, mit Theater und Musik verbunden. Als Kinder besuchten wir viele Ausstellungen und Museen – damals nicht immer freiwillig, muss ich zugeben.

Museen zu neuem Glanz und brachte sie auf ein internationales Topniveau.

VENTURA: Und ab wann mussten Ihre Eltern Sie nicht mehr „überreden“? Max Hollein: Bereits mit 14 oder 15 Jahren erkannte ich immer mehr, welches Wissen ich gesammelt hatte und wie dieses interagierte, Verbindungen herstellte. Daraus entwickelte sich mein Interesse für Kunstgeschichte, ohne dass meine Eltern mich drängten, Künstler zu werden – diese Ader habe ich nie gehabt. Auf der anderen Seite studierte ich später parallel zur Kunstgeschichte Betriebswirtschaft. Das war meine Revolution gegen das Elternhaus. Bei uns war es eher ungewöhnlich, dass sich jemand für wirtschaftliche Zusammenhänge interessierte. VENTURA: Am 24. Februar 2016 eröffnet im Städel Museum – unterstützt durch den SparkassenKulturfonds, die Frankfurter Sparkasse und die Deutsche Leasing – die Ausstellung „Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici.“ Was erwartet die Besucher? Max Hollein: Etwas Einzigartiges! Einen solchen Überblick mit insgesamt 120 Werken des italienischen Manierismus und dann noch in diesem Kontext – der Rückkehr der Medici nach Florenz – ist außergewöhnlich und garantiert nicht alle Jahrzehnte zu sehen. Das Städel ist dabei ein prädestinierter Ort für die Ausstellung. Warum? Einerseits, weil wir eine Reihe von zentralen Werken aus dieser Zeit in unserer Sammlung haben, andererseits, weil wir in diesem Bereich schon lange forschen.

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VENTURA: Sie stellen in der Ausstellung auch den Bezug zur Florentiner Stadtgeschichte und zum „Comeback“ der Medici her. Wie gelingt das? Max Hollein: Indem wir erzählen und zeigen, dass eine ganze Reihe von Bildern nicht nur von den Medici beauftragt wurden, sondern auch sie selbst und ihre Thematiken darstellen. Man kann diese Kunst und ihre Entstehung nicht begreifen, ohne über das ganz besondere Verhältnis zwischen Künstler und Patron zu reflektieren. VENTURA: Ist das in der Darstellung erkennbar? Max Hollein: Ganz deutlich. Der Anspruch der Medici, Florenz nach ihrer Rückkehr als kraftvolles Wirtschafts-, Kultur- und Machtzentrum wieder aufblühen zu lassen, dieses Selbstbewusstsein und dieses Stürmen und Drängen – das ist nicht nur politisch zu spüren, sondern spiegelt sich eins zu eins in den Werken der damaligen Hofkünstler wider. VENTURA: Wie akquirieren Sie eigentlich Zuwendungen für Ihre Museen? Max Hollein: Es ist wichtig, diese nicht gleich als Zuwendung zu sehen. Zunächst gilt es zu definieren, warum etwas passieren sollte. Erst dann folgt die Analyse: Wer könnte das spezifische Projekt fördern? Im Dialog muss man mit großer Vermittlungsfähigkeit und Offenheit voranschreiten. Die vielen Gespräche, die ich führe, kreisen noch gar nicht darum, wie viel Geld wir brauchen und was unsere Probleme sind, sondern eher darum, was interessant wäre. Daraus ergeben sich oft Konstellationen, die zu einer Förderung und auch Finanzierung führen. VENTURA: Es geht Ihnen also weniger um Gelder, sondern eher um Mitstreiter für Ihre Projekte? Max Hollein: Das trifft es sicher sehr gut.

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Fotos: Katrin Denkewitz/laif, Städel Museum/ARTOTHEK; Bitterwolf, Frank Kleinbach, Stuttgart

Konzeptstark: Nach

VENTURA: Was ist bei der Umsetzung eines solchen Konzepts zu beachten? Max Hollein: Ganz wichtig ist, dass man eine Schau wie „Maniera“ auf allerhöchstem Niveau präsentieren kann. Bei einer Ausstellung zu diesem Thema haben wir eine Verantwortung – nicht nur gegenüber den Leihgebern, sondern zugleich auch gegenüber dem gesamten musealen Umfeld. Denn eines muss klar sein: Ein solches Projekt kann es in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht mehr geben, weil wir das Thema besetzten und man die Leihgeber nicht wiederholt strapazieren kann.


Horizonte 15/16, 2005, Pigmente, Sand, Acryl/Leinwand, 70 x 70 cm (mit weißer Schattenfuge, 73 x 73 cm), 2050 Euro

Exklusive Leseraktion. Kunst kann sich sowohl monetär als auch emotional rentieren und verbindet im Idealfall Sammelleidenschaft und Wertanlage. VENTURA präsentiert in seiner Kunstserie exklusiv ausgewählte Werke zu einem attraktiven Preis. :: Von Ralf Kustermann

Es ist die Natur in ihrer Bewegung, die Beate Bitterwolf akribisch beobachtet und in ihrem künstlerischen Schaffen inspiriert. Ihre Werke bewegen sich zwischen Nähe und Ferne, zwischen Detail und Ganzem. Ob Pflanzen oder Landschaften: Großflächig angelegte Farbfelder bestimmen ihre Wirkung und sind zugleich die Basis der stark ins Abstrakte gehenden Darstellung. Sie sind ein Mittel und zugleich der Stoff ihrer Malerei. Facettenreiche kräftige Farbnuancierungen und Farbschichtungen vermischen sich und hinterlassen deutlich sichtbare Fließspuren. Dadurch entstehen Bewegung, Licht und Raum. Die im Allgäu geborene Künstlerin verwendet neben gängigen Malmaterialien reine Pigmente, Sande, Steinmehle oder Papiere. Die starken, oft intensiv leuchtenden Farben und die sich spürbar bewegenden Oberflächen sprechen an, las-

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sen unbewusst neue Perspektiven und die stetige Veränderung der Natur erkennen. Anders gesagt: Das Auge des Betrachters entdeckt und findet Bitterwolfs Bilder immer wieder von Neuem. Die Leser von VENTURA können beim DSV Kunstkontor des Deutschen Sparkassenverlags Werke von Beate Bitterwolf erwerben. Die Kunstexperten des Deutschen Sparkassenverlags arbeiten seit vielen Jahren mit über 500 renommierten Künstlern und Talenten zusammen und beantworten gerne Fragen zur VENTURAEdition, zu ihren Künstlern und zur Kunst.

Weitere Informationen: www.dsvkunstkontor.de kunstkontor@dsv-gruppe.de Tel. +49 711 782-1566

Beate Bitterwolf 1961 in Wangen/Allgäu geboren 1984 bis 1987 Studium an der Alanus-Kunsthochschule in Alfter, Bonn 1989 Kunstförderpreis der Kreissparkasse Immenstadt lebt seit 2006 in Horn 23


Fest am Drücker Mit Vollgas aus der Spielzeugkiste – Carrera ist der Inbegriff für spurgebundene Autorennbahnen und erlebt eine Renaissance. Möglich machen dies neue Techniken und alte Kindheitserinnerungen.

Mit einem kühnen Manöver schießt ein Porsche-Rennwagen an einem Ferrari vorbei, doch der kontert auf der Geraden – ein rundenlanges Kopf-an-Kopf-Duell, das schließlich ein Dreher in einer Kurve entscheidet. Was sich im ersten Moment wie ein Rennbericht vom Nürburgring liest, spielt sich seit Jahrzehnten fast täglich in heimischen Kinderzimmern ab: mit Carrera. Die spurgebundenen Autorennbahnen erfreuen seit über 50 Jahren die Herzen vieler Jungen. Und auch die vieler Männer, denn anders ist es kaum zu erklären, weshalb im Zuge der Renaissance von CarreraBahnen die Preise für hochwertige Fahrzeuge und teures Zubehör so in die Höhe schnellten: Spezielle Sets wie etwa das „Gentlemen Race“ kosten deutlich über 500 Euro.

Das Hobby, mit dem viele Männer eigene Jugenderinnerungen wachrufen, heißt eigentlich Slotcar-Racing – ein Begriff, der sich aus dem englischen Wort für Schlitz ableitet. Dieser ist das wesentliche Konstruktionsprinzip: Die elektrisch angetriebenen Autos werden über einen Stift in einer Rille geführt und auf der Bahn gehalten. Gesteuert wird lediglich die Geschwindigkeit, was gleichermaßen einfach ist wie es Raffinesse erfordert, um dauerhaft ganz schnell zu sein, ohne aus der Bahn zu fliegen. Fahren kann jeder und es gibt sogar Clubs und Meisterschaften. Das Slotcar-Racing startete Anfang der 1950er-Jahre von Großbritannien aus seinen Siegeszug um die Welt. Ursprünglich sollen es Modelleisenbahnen gewesen sein,

Gefragte Klassiker: Während Kinder eher

Entwicklung: Die Digitaltechnik ermöglicht

zeitgemäße Rennautos schätzen, bevorzugen

bis zu vier Fahrzeuge auf zweispurigen

Erwachsene vor allem ältere Fahrzeuge.

Bahnen sowie Spurwechsel an Weichen.

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Fotos: Carrera, Florian Stürzenbaum, F1online

:: Von Wolfgang Hörner


die man gegeneinander fahren ließ. Während zunächst nur in speziellen Clubs gespielt wurde, gab es bald schon entsprechende Fahrzeuge und Bahnen für zu Hause zu kaufen. Doch erst 1963 verliehHermann Neuhierl dem Metier einen neuen Namen: Der Fürther Spielzeugfabrikant brachte unter dem Markenbegriff Carrera ein eigenes Modellsystem im Maßstab 1:32 auf den Markt. Technisch absolut hochwertig und zuverlässig, wurden sie auch international schnell zu einem Nimbus und eroberten die Kinder- und Spielzimmer mehrerer Generationen. Carrera-Bahnen sind seither nicht nur ein Marken-, sondern ein regelrechter Gattungsbegriff. Daran änderte sich auch nichts, als das Unternehmen zu Beginn der 1980er-Jahre aufgrund von Fehleinschätzungen in finanzielle Schieflage geriet, 1985 Konkurs anmelden musste und unter neuer, österreichischer Führung in den 1990er-Jahren zu einem zaghaften Comeback startete. Obwohl längst aufwendige Computerspiele Einzug in die Kinderzimmer hielten und es heute ferngesteuerte Rennautos mit unglaublicher Performance gibt, erlebten die spurgebundenen Rennbahnen mit Beginn des neuen Millenniums eine Rückkehr auf die Wunschzettel von Groß und Klein. Beide Generationen begeistert dabei das einfache und sofort verständliche Prinzip, das ein Spielen ohne langwierige Erklärungen und Regeln ermöglicht. Und wäh-

rend die Jüngeren mit ihrem Carrera-Wettstreit eher den Formel-1-Weltmeistern Sebastian Vettel und Lewis Hamilton nacheifern, schätzen Ältere die Geselligkeit des Spiels. Kein Wunder, dass zum Beispiel Event-Agenturen selbst bei Veranstaltungen von renommierten Unternehmen gerne eine große Carrera-Bahn in das Unterhaltungsprogramm einbauen. Die sportlichen Resultate stehen dabei selbstverständlich im Hintergrund. Anders sieht es aus, wenn in Clubs und bei Meisterschaften gefahren wird. Hier geht es – wie beim Rennen echter Boliden – mit speziell weiterentwickelten Fahrzeugen um Sekundenbruchteile. Und in 24-Stunden-Rennen testen wahre Liebhaber ihr Durchhaltevermögen und die Belastungsfähigkeit des Materials. Viele Carrera-Autos bleiben hiervon verschont, weil sie keinen Zentimeter auf der Rennstrecke bewegt werden. Inzwischen sind viele Fahrzeuge so fein detailliert oder stammen aus limitierten Sonderserien, dass sie aus Sorge vor Beschädigungen originalverpackt in kleinen Vitrinen lediglich zum Ambiente beitragen. Gespielt wird stattdessen mit älteren und einfacheren Modellen. Dem Spaß tut das keinen Abbruch. Nur zu alt dürfen die Fahrzeuge nicht sein: Original-Modelle aus den 1960er- und 1970er-Jahren erzielen in gutem Zustand Rekordpreise bei Auktionen. Wohl dem, der seinerzeit pfleglich mit den Boliden umging.

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Die wahren Beziehungskünstlerinnen Sie gehören zu den bekanntesten Porträtfotografen der Welt und repräsentieren dabei zwei verschiedene Ansätze, ihre Modelle zu fotografieren: Annie Leibovitz und Herlinde Koelbl stehen für und zwischen Dokumentation und Kunst. :: Von Klara Walk

Als sie Königin Elisabeth II. vor acht Jahren porträtieren sollte, äußerte die US-amerikanische Starfotografin Annie Leibovitz entspannt, freundlich und bestimmt ihren ganz besonderen Wunsch: „Ich denke, es würde besser aussehen, wenn Sie die Krone absetzen“, schlug sie Ihrer Majestät vor. Berührungsängste kennt sie nicht. Was die Queen davon hielt, ist nicht überliefert. Fakt ist: Sie behielt die Krone im Haar und ließ sich nicht überreden. Doch hat dies nichts mit fehlender Überzeugungskunst zu tun. Leibovitz spielt in der höchsten Liga der Fotografen und kann sich einen solchen Dialog auch mit der Königin von Großbritannien erlauben. Die Szene stammt aus einer BBC-Dokumentation über die britische Monarchie. Sie gibt einen Einblick in die Arbeitsweise einer international bekannten Fotografin, die mutig und zuweilen auch sehr kess agiert und arbeitet. Leibovitz kann sich viele Extravaganzen leisten. Sie gehört zu den Porträtfotografen, die einen Starstatus erhalten haben – ihre Fotos sind geradezu ikonisch. Porträtfotografen arbeiten immer in einem Spannungsfeld zwischen Journalismus und Kunst: Sie sind zugleich Dokumentare und Regisseure. Jedes Porträt ist im Grunde genommen eine Inszenierung, das Produkt eines Schauspiels, welches Fotograf und Modell gemeinsam aufführen. Gute Porträtfotografen sind exzellente Techniker, die ihre Fotoapparate beherrschen und nahezu perfekt mit Licht arbeiten können. Die wirklich hervorragenden unter ihnen sind jedoch vor allem Beziehungskünstler. Erol Gurian, Bildjournalist und Porträtfotograf aus München: „Ein Porträt bildet die Beziehung zwischen Fotografen und Fotografierten ab.“ Porträtfotografen,

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deren Bilder im Gedächtnis bleiben, haben das Gespür und Talent, zu unterschiedlichen Menschen persönliche Beziehungen aufzubauen, ohne sich von Status, Ruhm und Macht oder einem Stammbaum irritieren zu lassen. Annie Leibovitz begegnet ihren Fotomodellen ungehemmt und ungewöhnlich. Ihre Fotos beinhalten immer eine besondere Idee oder eine Innovation, die sie mit den Porträtierten teilt. So wird ihr künstlerischer Anspruch offensichtlich. Jens Ruchatz, Medienwissenschaftler an der Universität Marburg zur Arbeit der Starfotografin: „Bei Leibovitz haben die Modelle großen Einfluss auf das Bild. Dabei fallen ihre Arrangements aus der Norm.“ Die Oscar-Gewinnerin Whoopi Goldberg porträtierte Leibovitz etwa als Dschinn aus der Flasche, ihre Kollegin Drew Barrymore fotografierte sie mit einem Löwen als „die Schöne“ aus dem Disney-Märchenfilm „Die Schöne und das Biest“. Den schweizer Tennisprofi Roger Federer stellte sie im Harnisch auf eine sturmumtoste Klippe und inszenierte ihn als König Artus. Leibovitz gilt als eher schwierig und sehr eigenwillig. Medienwissenschaftler Ruchatz: „Aber – die Stars scheinen sich auf ihren Fotos gut getroffen zu fühlen.“ Ansonsten würden sich nicht so viele Menschen mit bekanntem Gesicht von ihr ablichten lassen. Ihren Durchbruch hatte Leibovitz, die bereits im Alter von nur 24 Jahren zur Cheffotografin beim „Rolling Stone Magazine“ aufstieg, mit einem Foto der US-Schauspielerin Demi Moore aus dem Jahr 1991, das bis heute zu den Ikonen der Popkultur zählt. Auf dem Bild posiert Moore trotz deutlich sichtbarem Schwangerschaftsbauch

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Annie Leibovitz

Berühmtheiten: Annie Leibovitz schüttelt auch der Queen die Hand und hatte bereits

Fotos: Picture Press/Camera Press/Eamonn McCabe, interTOPICS/Empics, WireImage, Jason Webber/Splash News

Filmstar Robert de Niro vor der Kamera.

Ikone: Annie Leibovitz ist ein Star unter den Porträtfotografen. Ihre Karriere begann sie in jungen Jahren: Mit 24 wurde sie Cheffotografin des „Rolling Stone Magazine“.

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Herlinde Koelbl

Spätstart: Herlinde Koelbl entdeckte die Fotografie erst mit Ende Dreißig für sich. Ihre ersten Modelle

Fotos: ddp images/Hermann Knippertz, IMAGO, ddp images/Martin Oeser/dapd

waren ihre Kinder.

Konzeptionskunst: Für das Projekt „Kleider machen Leute“ fotografierte Koelbl dieselben Personen einmal in Arbeits- und einmal in Privatkleidung.

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provokant, weil nackt, vor der Kamera. Das Foto kam auf die Titelseite des Magazins „Vanity Fair“ und sorgte für internationale Furore und für viele Diskussionen. Nach Moore kamen viele andere bekannte Gesichter: So gut wie jeder mit Rang und Namen in Hollywood stand Leibovitz Modell. Die Porträts sind teilweise sehr aufwendig inszeniert, mal opulent, mal schlicht, aber jedem der Fotos merkt man an, dass Leibovitz sich nicht nur hinstellte und sagte: „Gib mir dein Fotogesicht.“ Alle Porträts sind eine Art Wechselspiel zwischen Fotografin und Modell. Es sind keine Schnappschüsse, die einen bestimmten Moment bewahren und wenig bis gar nichts über die Person erzählen. Die Fotos von Leibovitz haben einen weitaus höheren Anspruch, ihre Porträts grundsätzlich ein anderes Ziel als nur den Moment festzuhalten. Es geht ihr darum, Wesensmerkmale der fotografierten Person herauszuarbeiten, und zwar solche, die über das Hier und Jetzt hinaus eine zeitlose Gültigkeit beanspruchen können. Das ist bei Herlinde Koelbl nicht anders. Die Fotografin aus Neuried bei München entdeckte die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits in den Neunzigern und porträtierte sie für die Serie „Spuren der Macht“. Für dieses Projekt, das viel zu Koelbls Ruhm als Porträtfotografin beigetragen hat, traf sie zwischen 1991 und 1998 führende Politiker und Wirtschaftsvertreter Deutschlands jedes Jahr einmal, fotografierte und interviewte sie. Zu den Projektteilnehmern gehörten neben Angela Merkel auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Grünen-Politiker und Ex-Außenminister Joschka Fischer sowie der ehemalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Koelbls Herangehensweise hat Ähnlichkeit mit einer Versuchsanordnung: „Koelbl entwickelt die Beziehungen zu den Fotografierten auf eine geradezu wissenschaftliche Art und Weise“, sagt Jens Ruchatz. Deshalb fotografierte Koelbl nicht nur, sie führte auch lange Gespräche mit ihren Modellen. Alles an dem Projekt „Spuren der Macht“ war auf Dauerhaftigkeit, Wiederkehr und Dokumentation ausgelegt. Koelbl wollte ihre Modelle – beziehungsweise Darsteller – nicht einfach nur jedes Jahr aufs Neue fotografieren: Sie wollte Veränderung einfangen, sie wollte sehen, was

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hinzukommt, was bleibt, was geht. Das war ihre Art, Bilder zu inszenieren. Sie machte einen Langzeitversuch daraus und observierte regelrecht die Personen, die sie ablichtete. Jahr für Jahr analysierte Koelbl die Menschen und auch ihr Umfeld mit ihren Fragen, recherchierte, wie sie sich verändert hatten. „Dies ist kein Pressegespräch, Herr Pierer. Wie immer bin ich deshalb mehr an ihrer Person interessiert“, begann sie eines ihrer Gespräche mit Heinrich von Pierer. Koelbl fragte nach sehr persönlichen Dingen: der Ehefrau, den Kindern, dem Körpergewicht – und Heinrich von Pierer antwortete ebenso wie die anderen Protagonisten. Die fotografischen Porträts sind schließlich das Ergebnis dieser Auseinandersetzung. Sie bilden nicht nur die „Spuren der Macht“ ab, die sich in den Gesichtern und Körpern vor weißem Hintergrund zeigen, sondern darüber hinaus die Beziehung zwischen Koelbl und ihrem Gegenüber. Jens Ruchatz, der sich auch als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Fotografieforschung in der Gesellschaft für Medienwissenschaft engagiert: „Die fotografischen Porträts stehen in der Tradition der Porträtmalerei. Nicht das Ziel, sondern die Technik hat sich verändert. Als Menschen noch mit Pinsel und Farbe auf Leinwand festgehalten wurden, mussten die Porträtierten einem Maler über eine längere Zeit hinweg immer wieder Modell stehen. Was der Maler auf die Leinwand brachte, konnte schon aus technischen Gründen nur etwas sein, das den porträtierten Menschen über längere Zeit kennzeichnete. Heute versucht ein Porträtfotograf sehr Ähnliches, nur hat er andere technische Mittel zur Verfügung. Trotz unterschiedlicher Ansatzpunkte geht es bei der Porträtfotografie um eines: Ein Mensch bekennt sich vor der Kamera zu hervorstechenden Merkmalen seiner Person und seines Körpers. Der Fotograf führt Regie, muss Wesenszüge erkennen und in Szene setzen. Insignien sind nicht gefragt, es geht um die Person. Als Leibovitz der Queen sagte, es würde besser aussehen, wenn sie die Krone absetzte, wollte sie Elizabeth Windsor sehen und nicht die Königin von England. Ein guter Versuch, die Nähe zur Person herzustellen. Doch er zeigt: Das Schauspiel zwischen Fotograf und Modell, egal ob es auf der dokumentarischen oder der künstlerischen Bühne aufgeführt wird, bedarf immer des Engagements beider Seiten.

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Magische Momente Kein Getränk strahlt mehr Ruhe und Wärme aus. Das schätzen viele Genießer und sind zugleich Teil einer neuen Teebewegung. :: Von Yorca Schmidt-Junker

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Fotos: Your_Photo_Today, chiliflow/dima_pics/Fotolia, Regent Berlin

Mythen sind eine wunderbare Sache. Auch wenn ihnen nicht unbedingt die reine Wahrheit anhaftet, so sind sie ein dankbares Medium, um Personen oder Objekte hingebungsvoll zu verklären und ihre Bedeutung oder Begehrlichkeit zu steigern. Das gilt auch für Tee, dem seit Jahrtausenden heilende, mitunter sogar magische Kräfte zugeschrieben werden. Und um den sich in Folge dessen viele Legenden ranken. Der berühmteste Teemythos: Vor rund 5000 Jahren ruhte der chinesische Kaiser Shen-Nung, der stets heißes Wasser trank, unter einem Teebaum seiner kaiserlichen Gärten. Plötzlich wehte ihm der Wind ein Teeblatt in die Tasse. Vom aromatischen Geschmack und der belebenden Wirkung angetan, erklärte ShenNung das Gebräu zu seinem Leibgetränk. Und galt fortan als „Erfinder“ des Tees. Dass wir heute eine Wiederentdeckung des Getränks beobachten, hängt womöglich mit der Sehnsucht nach der Ruhe zusammen, die einst in den Gärten des Kaisers herrschte. In der zunehmenden Digitalisierung, die um uns herum alles schneller macht und unsere permanente Aufmerksamkeit erfordert, sehnen sich viele Menschen nach Entschleunigung, Beständigkeit und festen Ritualen, besinnen sich auf Nachhaltigkeit und eine gesunde Lebensführung. Attribute, die allgemein mit Tee assoziiert werden. Und so kommt der einstige Heiltrank wieder zu seinen alten Ehren. Auch seine Aromenvielfalt, die ihn eindeutig über den rivalisierenden Kaffee erhebt, spielt eine entscheidende Rolle. Es waren die Holländer, die getrocknete Blätter im 17. Jahrhundert in Europa einführten, wo der Teetrend seinen Weg nach Deutschland und vor allem nach England fand. Als die Briten ab 1669 das Handelsmonopol mit Asien innehatten, wurden sie zu den treibenden Kräften der Teeverbreitung und -vermarktung. Und so wurde das Getränk auf der ganzen Welt populär. Trotz modischer Schwankungen blieb Tee immer eine feste Genussgröße, allerdings musste er sich im Laufe der Zeit zunehmend gegen seinen größten Antagonisten behaupten: den Kaffee. Gerade in Deutschland wurde ab dem späten 18. Jahrhundert intensiv dem Konsum der gebrannten Bohne gefrönt, befördert durch berühmte Künstler und Literaten wie Beethoven und Goethe, die ihre schöpferische Kraft darauf zurückführten. Auch die jüngste Vergangenheit brach nicht

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gerade eine Lanze für Tee: Lange galt er – gleich einem Klischee – als Getränk der Umwelt- und Weltverbesserer, die bei einer „Tasse Tee“ stundenlang diskutieren konnten. Während Teetrinkern überspitzt formuliert das Image von aus der Zeit gefallenen Philosophen anhaftete, galt Kaffee als Getränk leistungsorientierter Hedonisten. Ein Zeugnis der neuen Teebewegung: Die Zunahme an vielen kleinen Betrieben und Lokalen, die sich ausschließlich auf Tee fokussieren – und damit einen bewussten Gegentrend zum allgegenwärtigen Kaffee-Hype bilden. Die Angebote und Ansätze sind dabei durchaus sehr verschieden: Während das Münchener Victorian House auf englisches Herrenhausflair und gehobene britische Teekultur setzt, kontert Düsseldorf mit der japanischen Shennong Tea Lounge, bei der auf Wunsch traditionelle Teezeremonien angeboten werden. Hamburg wiederum beweist mit der durchdesignten Teebar T-Boutique, dass Tee sich endgültig als Lifestyle-Getränk etabliert hat. Dieser Teetrend ist bundesweit zu beobachten. Von Flensburg bis Freiburg setzen Szene­cafés und Restaurants zunehmend auf gesonderte Teekarten und eine erweiterte Sortenvielfalt. Und auch der Einzelhandel zieht nach: Konnte man losen Tee oder exotische Mischungen früher nur in Spezialgeschäften erstehen, bietet heute nahezu jedes Kaufhaus und jeder Concept-Store Spitzentees von Traditionsmarken wie Fortnum & Mason oder Kusmi Tea, aber auch Kompositionen von sehr gefragten Labels wie der französischen Manufaktur Løv Organic an.

Getrocknet und

Sommeliers und Tea Lounges – die neue Teebewegung wurde auch von Spitzenhotels gefördert. Die setzten bereits früh auf den Trend und richteten eigene Tea Lounges ein, in denen man die traditionelle Tea Time mit Scones, Clotted Cream, Erdbeermarmelade und Finger Sandwiches genießen kann. Eines der Häuser, das sich voll und ganz der Teekultur verschrieben hat, ist das Regent Hotel in Berlin. Es leistet sich mit Roland Pröh sogar einen eigenen Tee-Sommelier. Roland Pröh: „Wenn man bedenkt, dass ich bis vor acht Jahren ausschließlich Kaffee getrunken habe, ist meine jetzige Tätigkeit erstaunlich.“ Der einstige Barmanager des Fünfsternehotels gründete die hauseigene Teelobby 2006 und musste dafür erst einmal zum Tee konvertieren. Wozu e ­ ine

„Tea Master Gold“:

geschnitten: Rooibos aus den Cedarbergen in der südafrikanischen Provinz Westkap (links); smaragdfarbene Blätter des japanischen Sencha, der mit markantem frischem Geschmack begeistert (Mitte); Big Red Robe, auch unter dem Namen „Da Hong Pao“ bekannt, ist eine Rarität aus der Provinz Fujian im Süden Chinas. Er gilt als teuerster Tee der Welt – kein Wunder: Er wächst zwischen den Felsen des Wuyi-Gebirges (rechts).

Roland Pröh kultiviert Teegenuss in allen Variationen im Fünfsternehotel Regent Berlin.

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Traditioneller Genuss: Noch heute ist Tee in Asien beliebt, aktuell werden Aromen und Zeremonien in Europa wiederentdeckt.

Deutschlands führender Tee-Experte gibt sein Wissen – geschult und verfeinert auf Reisen durch nahezu alle Teeregionen der Welt – in Seminaren weiter und ist als Blogger bei „teapavilion.com“ tätig. Kulturspezifische Teevorlieben sind laut ihm nicht zu beobachten, eher ein globalisierter Geschmack: „Es gibt einen weltweit geltenden Standard, etwa für den klassischen Nachmittagstee, der von den Gästen eingefordert wird. Egal, ob sie aus China, Japan, Russland oder Deutschland stammen.“ Während morgens häufig Darjeeling oder japanischer Sencha, ein markant-frischer Grüntee, getrunken wird, gehört nachmittags der unverwüstliche Earl Grey zum Teekanon. Pröhs aktueller Liebling: der Smoky Earl Grey von Fortnum & Mason, ein Mix aus rauchigem Lapsang- und Gunpowder-Tee sowie Bergamotte. Sehr aromatisch, kraftvoll und exzentrisch. Schließlich beauftragte niemand Geringeres als das englische Königshaus die Mischung. Wegweisend für die Zukunft sind laut Roland Pröh alte, chinesische Grünteesorten, die jüngst wiederentdeckt wurden und über eine immense Aromenvielfalt verfügen. Außerdem spielen ökologische und sozial-ökonomische Faktoren eine

Premium-Teeanbieter: Ein extrem hohes Qualitätsversprechen, der Anbau in herausragenden Lagen und eine hochwertige ansprechende Verpackung machen Kusmi Tea, Samova und Fortnum & Mason zu beliebten Produkten unter Freunden des Teegeschmacks.

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zunehmende Rolle. „Die Nachfrage nach Fairtrade-Produkten und biozertifizierten Tees wird immer stärker. Die Menschen möchten wissen: Wo kommt der Tee her? Unter welchen Bedingungen wurde er produziert? Inwieweit ist er belastet?“ Fragen, die auch Esin Rager beschäftigen. Die Hamburgerin, die in einer türkisch-deutschen Familie passionierter Teetrinker aufwuchs, sorgte sich um Herkunft und Anbaubedingungen. Zudem empfand sie das herkömmliche Angebot als fad, einseitig und lieblos verpackt. Also begann sie, lose Kräuter und Teeblätter aus zertifizierten Quellen zu beziehen und eigene Mischungen herzustellen – in edler Verpackung, für die sie zwei ihr bekannte Designer engagierte. 2002 gründete sie mit Freunden ein eigenes Tee-Label: „Wir stellten Samova im Rahmen eines von uns initiierten Tanztees in einem Hamburger Grandhotel vor. Heute zählt Samova zu den Marktführern im Premium-Bio-Segment. Die beliebteste Sorte: Team Spirit, eine Kräuter-Grünteemischung mit spritziger Zitrusnote. „Team Spirit lässt sich hervorragend für einen erweiterten Teegenuss verwenden“, so Esin Rager. „Zum Beispiel für Tee-Cocktails, isotonischen Eistee oder die Herstellung eines Zitronensorbets oder -kuchens.“ Jüngst eröffnete sie die erste Samova Teabar im Sophienhof in Kiel, eine Art Designerteeküche, die Tee in allen denkbaren Variationen offeriert. Weitere Ableger sowie eine Ready-to-drink-Linie mit Eistees und Teelimonaden sollen folgen. Auf die Frage, was den Genuss von Tee stören könnte, lautet Ragers Antwort: „Streit! Ich kann mir kein freundlicheres, sympathischeres Produkt vorstellen als Tee. Ruhe und eine gewisse Friedfertigkeit gehören zum vollendeten Genuss. Beim Tee findet man immer eine Einigung.“ Dem stimmt auch Roland Pröh zu, allerdings steht auch eine ungleich profanere Sache auf seiner „Bitte vermeiden“-Liste: „Stövchen oder Wärmeplatten gehören auf den Index. Durch die ständige, einseitige Wärmezufuhr verbrennt der Tee, wird bitter und ungenießbar.“ Stattdessen rät der Profi zu einem Tea Cosy, einer Warmhaltehaube aus wattiertem Stoff oder gehäkelter Wolle. Der Tea Cosy wurde übrigens im 19. Jahrhundert von der Herzogin von Bedford salonfähig gemacht. Womit wir wieder bei den Mythen wären – von denen auch die aktuelle Teebewegung hoffentlich einige für die Nachwelt schreiben wird.

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Fotos: Fortnum & Mason, samova GmbH, Kusmi Tea, Bloomimage/Corbis, mauritius images, Getty Images, stockphoto-graf/ Malyshchyts Viktar/Fotolia

Ausbildung zum Spezial-Sommelier gehörte, die neben theoretischem Wissen vor allem einen Schwerpunkt hatte: Teetrinken. Bereits nach wenigen Monaten konnte Pröh aus 80 Teesorten 20 herausschmecken. Sein Zertifikat als „Tea Master Gold“ erwarb er schließlich auf Sri Lanka, einem der größten Produzentenländer für Schwarztee.


Die wunderbare Welt der FARBEN Fröhlich, warm, aktiv und voller Lebensfreude – und manchmal ganz königlich: Orange fällt auf. Der knallige Trendsetter ist eine Farbe für besondere Momente. :: Von Antje Berg

Wenn bei Capri die Sonne im Meer versinkt … leuchtet der Himmel nicht nur rot, sondern auch gelb und in allem, was dazwischen liegt – nämlich Orange. Der mit Licht und Wärme assoziierte Farbton hieß zu Goethes Zeiten noch „Rotgelb“ oder „Gelbrot“ und erhielt seinen Namen erst, als die aus Asien stammende Zitrusfrucht in Europa immer bekannter und beliebter wurde. Erfrischend wie der beliebte Orangensaft – fast acht Liter davon trinkt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr – ist die Wirkung der Farbe. Orange steht für Jugend, Vitalität und Lebensfreude. Dank ihrer Signalkraft wird sie häufig auch als Warnfarbe eingesetzt, etwa um Räumfahrzeuge oder Gefahrengüter zu kennzeichnen. Im Buddhismus steht Orange dagegen für Feuer, Weisheit und Reife. Die Gewänder buddhistischer Mönche verweisen auf ein einfaches Leben und ihr Ziel: die höchste Stufe der menschlichen Erleuchtung. Weniger glücklich als die Mönche zeigten sich jüngst Fußballfans in orangen Hüten, Kostümen und Perücken: Erstmals seit 1984 verpasst die „Elftal“ wieder eine Europameisterschaft. Aber warum nennt man das Land auch „Oranje“, und warum feiern seine Bewohner am Koningsdag, dem Geburtstag des Königs, mit orangen Wimpeln auf den Straßen? Schließlich ist die Nationalflagge der Niederlande blau-weiß-rot. In der Tat liegen die Wurzeln des Königshauses in der französischen Grafschaft Oranien, die in Landessprache Orange hieß. Wilhelm, Fürst von Oranien, führte im 16. Jahrhundert die Niederlande im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien an und

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gilt daher als „Vater des Vaterlandes“. Noch heute trägt die niederländische Kronprinzessin Amalia den Titel „Prinzessin van Oranje-Nassau“. Auf den englischen König Wilhelm III., der vor der Thronbesteigung Fürst von Oranien war, bezieht sich wiederum der nordirische Oranierorden. Wilhelm setzte sich massiv für die irischen Protestanten im 17. Jahrhundert ein. Angehörige des Ordens marschieren noch heute am 12. Juli jedes Jahres mit orangen Schärpen durch Nordirland – oft provokativ durch katholische Viertel. Zumindest eine Provokation für das an sanftere Farbtöne gewöhnte Auge mussten die orangefarbenen Produkte aus Kunststoff sein, die in den 1970ern auf den Markt drängten. Plastik und Orange galten als modern und hielten Einzug in den Wohnbereich: Die Deutsche Bundespost, deren Telefone zuvor nur in zweckmäßigem Grau erhältlich waren, führte eine Farbumfrage durch. Neben Grün und Ockergelb wünschten sich die meisten Bundesbürger den „Fernsprechtischapparat“ (FeTAp) 61 in Orange. Die wenigen erhaltenen Geräte sind heute Sammlerstücke – und bringen bei Orange-Fans wieder die Sonne ins Wohnzimmer.

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Nationalstolz: Wenn die Niederlande sich feiern, ist al-

les orange. Farbe. 4

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Sonnenuntergang: Orange gilt als wärmste

Klassiker: Kunststofftelefon in knalliger Optik.

Erfrischung: Orangen sind vor allem als Saft beliebt.

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Ein Bild und seine

Am Strand von Santa Monica steht ein Auto. Die Zeit scheint stillzustehen – ein verliebtes Paar genießt die Idylle: In den sanften Wellen des Pazifiks spiegelt sich die Sonne, die Umgebung scheint perfekt und voller Romantik – die beiden küssen sich. Dem zufällig vorbeikommenden Fotografen Elliott Erwitt fällt die Reflexion des Paars im Außenspiegel des Autos auf. Er drückt auf den Auslöser und hält den Augenblick fest. 25 Jahre lang schlummert das Negativ in Erwitts Labor, bevor er

es zufällig wiederentdeckt und erstmals drucken lässt. Heute steht „California Kiss“ wie kaum ein anderes Foto für den nostalgischen Glamour der 1950er-Jahre in den USA. Im Zentrum des Bildes steht ganz eindeutig die junge Frau. Mit kräftig geschminkten Lippen und markanten Augenbrauen entspricht sie dem westlichen Schönheitsideal der Zeit. Dass sich Haarsträhnen aus der Frisur gelöst haben, passt zu ihrem Lächeln: frei, spontan und selbstvergessen.

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Foto: Elliott Erwitt/Magnum Photos

Sommer 1955

Der Autospiegel wirkt wie ein Rahmen, in dem das küssende Paar seinen Ehrenplatz findet. Fahrzeug und Meer bleiben in ihrer Unschärfe bewusst im Hintergrund und verknüpfen doch geradezu harmonisch die Szenerie und das Gefühl der Zeit. „California Kiss“ ist die Verkörperung des sorgenfreien Amerikas – einer Welt voller glänzender Cadillacs und raschelnder Petticoats, die man sich der SchwarzweißAufnahme zum Trotz nur in leuchtendem Technicolor vorstellen kann. Zu schön, um wahr zu sein? Zu perfekt, um einem Zufall zu entspringen? In der Tat zweifeln bis heute Experten daran, dass „California Kiss“ spontan entstanden sein konnte. Der Meister – Elliott Erwitt ist heute 87 Jahre alt und fotografiert noch immer – bleibt bis heute bei seiner Darstellung. Sein Gesamtwerk könnte ihm Recht geben: Ein Schatz voller Momentaufnahmen und Zeitgeschichte, mal humoristisch, mal absurd wie seine Hundebilder, oder schmerzhaft wie Jackie Kennedys Tränen beim Staatsbegräbnis ihres Mannes – immer hoch emotional.


Letzte Zufluchtsstätten für gefährdete Arten Vielfalt erhalten, natürliche Wildnis schaffen, die Selbstheilungskräfte der Natur wecken – das sind wichtige Grundsätze der BUNDstiftung. Was heißt das konkret? Die noch junge Stiftung erwirbt Flächen, die die Natur auf genau diese Weise schützen. In der Goitzsche-Wildnis bei Bitterfeld zum Beispiel hat sie dafür gesorgt, dass aus einer rund 1 300 Hektar großen, kargen Mondlandschaft Lebendiges erwachsen ist. Kristallklare Seen haben Kraniche zu Besuch, lange verschwundene Gras- und Krautfluren gedeihen. Am ehemaligen Todesstreifen zwischen den beiden deutschen Staaten schützt der BUND seit 1989 zudem das damals so benannte „Grüne Band“. Dank des gezielten Flächenkaufs durch die BUNDstiftung reihen sich dort mittlerweile wertvolle Lebensräume wie Altgrasfluren und Auenwäldern aneinander. Mehr als 600 bedrohte Tier- und Pflanzenarten konnten sich ins Grüne Band retten.

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