Piz47 Inn [En]

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#47

Sommer | Stà  2014

COVER: PIZ47_COVER_RZ.PDF

MEHR  NATUR  STATT  DÄMME  Aufwertung der  Auengebiete

DIE  LEBENSADER

Stromproduktion und Wassersport

FLUSS ODER STROM?

Inspirationsquelle für Dichter und Lyriker

N E U M I T K U N ST B E I L A G E Fotos: Elizaveta Konovalova Lyrik: Rut Plouda

Inn [ En ]



INHALT / CUNTGNU Editorial. Der Fluss als Lebensader.

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Freie Flüsse und freie Köpfe. Zum Schutz vor Hochwasser wurden die Flüsse zwischen Dämme gezwängt. Jetzt werden sie vom Korsett wieder befreit – und das schafft auch freie Köpfe.

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Lebensader Inn. Der Talfluss des Engadins treibt Turbinen an,

10

fordert Wassersportler heraus, und ohne ihn gäbe es wohl auch keinen Tourismus.

Tango, Tradition und Talibane. Hans-Jörg Bannwart, der weit gereiste Bezirksgerichtspräsident aus Poschiavo. Festung verbindet. Altfinstermünz, die Wehranlage am Inn

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im Unterengadin, ist zum Kulturort im Dreiländereck geworden.

18

Wie die Kartoffel in die Wurst kam. Die Engadiner Küche hat sich unter dem Einfluss der Händler und Hirten im Laufe der Geschichte stark verändert.

22

Lernen von St. Moritz. Der Ort leidet unter dem eigenen Erfolg. Wie kann er wieder mehr Identität gewinnen?

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Fluss oder Strom? Die Dichter stilisieren den Inn zum ewigen Sänger, zur Stimme des Engadins.

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Fischen: Passion und Ausgleich. Adrian Taisch ist Präsident

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des Unterengadiner Fischereivereins, ein ethischer Fischer und ein engagierter Naturschützer.

«Lia Naira», die frühen Grünen. In den 1950er-Jahren gab es heftige Opposition gegen die Kraftwerkspläne. Der Rückblick zeigt: Der Kampf hatte Wirkung.

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Am Pizzo Badile ging ein Stern auf. Bergführer Andrea

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Bianchi hat eine neue Kletterroute am berühmtesten Bergeller Berg begangen. Er nennt sie «Stella retica», Edelweiss.

Vielfältiges Leben am und im Wasser. Bachforellen,

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Äschen und eine kleine Population Groppen leben im Inn – und viele Tierarten mehr an seinen Ufern.

Silvia Andrea – neu aufgelegt. Johanna Garbald-Gredig (1840–1935) schrieb ihre Bücher unter dem Pseudonym Silvia Andrea. Jetzt sind ihre Werke neu aufgelegt worden.

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Bücher. Neuerscheinungen aus der Region.

58

Pizzeria. Aktuelles und Kulturhinweise aus Südbünden.

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Vorschau. Impressum.

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Titelbild: Elizaveta Konovalova, aus der Serie «Inn Diary, 2012». Foto rechts: Inn-Impression bei Altfinstermünz. Foto: Katharina Hohenstein


Der neue Audi S1 mit quattroÂŽ und 231 PS. The power of small. Der einzige Kleinwagen mit Allradantrieb, der in 5,8 Sekunden auf 100 beschleunigt. Mehr Infos unter www.audi.ch/s1

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Der Fluss als Lebensader «E cagiò l'En cun si'aua e l'uffant chi cuorra sur la punt da lain cuernada via, e's ferma pro ün dals cuccars. E la punt as metta planin in movimaint, lura adüna plü svelt e va eir ella cull'aua da l'En vers la storta gronda, e davo la storta, là es il mar. Inchün cloma, l'uffant as volva, la punt as ferma e tuorna subit a lö. Be l'En va inavant.» Rut Plouda *

M

it dieser piz-Ausgabe bekommen Sie, liebe Le-

A quist quist piz, chara lectura e char lectur, vaina miss

serinnen und Leser, eine Kunstbeilage. Einge-

pro üna agiunta d’art. Cun üna da sias poesias in-

führt vom oben wiedergegebenen Gedicht

trodüa e preschainta Rut Plouda las 18 fotografias da

von Rut Plouda zeigt sie 18 Inn-Fotos der Künstlerin

l’artista Elizaveta Konovalova. Dürant seis sogiuorn a

Elizaveta Konovalova. Sie hat während ihres Aufent-

Nairs ha ella regularmaing fotografà l’En e publichà

haltes in Nairs regelmässig den Inn fotografiert und

seis purtrets i’l cudesch pesant «Inn Diary, 2012». L’a-

die Bilder in ihrem schweren Buch «Inn Diary, 2012»

giunta cun las cuntribuziuns da las duos artistas Rut

publiziert. Die Beilage mit Beiträgen dieser beiden

Plouda da Ftan ed Elizaveta Konovalova, oriunda da

Künstlerinnen, Rut Plouda aus Ftan und Elizaveta Ko-

Moscau ed activa a Paris, simboliseschan la varietà ed

novalova, in Moskau geboren und in Paris tätig, ste-

il spazi. Tuottas duas artistas sun ferm colliadas cun la

hen symbolisch für die Vielfalt und Weite. Auch künf-

tematica da l’En e cun nossa Val. Rut Plouda tras sias

EDITORIAL

tigen piz-Ausgaben möchten wir eine solche «Special

raischs da derivanza e Elizaveta Konovalova chi ha

Urezza Famos

Edition / ediziun speciala» beilegen. Sammeln lohnt

podü e pudarà giodair ün stipendi gio Nairs. Eir in

sich und wir planen bereits eine Sammelbox.

avegnir laina agiundscher al piz üna tala ediziun spe-

Diese piz-Ausgabe widmet sich dem Inn. Mit seiner

ciala. I vala la paina da tillas collecziunar.

Quelle im Engadin durchfliesst er die unterschied-

Quista ediziun dedichaina a l’En. Da la funtana in

lichsten Landschaften – 517 Kilometer sind es bis zur

Engiadina cuorra si’aua sün ün traget da 517 km

Einmündung in die Donau. Er ist damit einer der

tras las plü variadas cuntradas, sbuorfla i’l Danubi

längsten Alpenflüsse – und einer der schönsten. Er hat

e sbocca finalmaing i’l Mar Nair. El es ün dals plü

zahlreiche Autorinnen und Autoren inspiriert.

lungs flüms alpins – ed eir ün dals plü bels ed ha in-

Der Inn ist seit Jahrhunderten aber auch ein wichtiger

spirà a numerus auturs.

Wirtschaftsfaktor, früher als Transportweg fürs Holz,

L’En es daspö tschientiners eir ün important factur

heute für die Gewinnung von Strom. Der Fluss ist eine

economic. Plü bod per transportar laina ed hozindi

Herausforderung für alle Wassersportler, und am

per prodüer electricità. Il flüm es üna sfida per spor-

Fluss verweilen die passionierten Fischer. Wir berich-

tists da l’aua ed üna satisfacziun per pes-chaders

ten auch über die zähen Kämpfe der «Lia Naira», die in

paschiunats. Nus rapportain plünavant davart las

den 1950er-Jahren die intakte Landschaft bewahren

cumbattas raffichuossas da la «Lia Naira» chi s’ha

wollte, und über die späten Erfolge dieser frühen Grü-

ingaschada per mantgnair la cuntrada intacta e davart

nen: Heute wird der Fluss an vielen Orten renaturiert.

ils success tardivs dals Verds da quella jada: Il flüm

Dank «freieren» Köpfen wird eine freie Flussland-

vain hoz renatürà in differents lös. Cheus «plü libers»

schaft möglich, und kreative Köpfe haben aus der

han pussibiltà üna cuntrada fluviala libra e cheus

martialischen Festung Altfinstermünz am Inn einen

creativs han transfuormà la fortezza marziala Alt-

Begegnungs- und Kulturort gemacht.

finstermünz in ün center d’inscunter e da cultura.

Falls Sie piz verschenken oder abonnieren möchten,

Per cas cha Vo vessat jent dad abunar il piz o da til re-

genügt ein Mail: info@editionpiz.ch

galar, scrivai ün mail a: info@editionpiz.ch

piz 47 : Sommer | Stà 2014

* «Und unten der Inn mit seinem Wasser und das Kind, das über die gedeckte Holzbrücke rennt, und anhält an einer ihrer Luken. Und die Brücke setzt sich langsam in Bewegung, wird immer schneller, und schon eilt auch sie mit dem Wasser des Inn davon und der grossen Biegung entgegen, und nach der Biegung, da ist das Meer. Jemand ruft, das Kind dreht sich um, die Brücke hält an und ist schon wieder am Ort. Nur der Inn eilt weiter.» Übersetzung: Angelika Overath

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Freie Flüsse und freie Köpfe Auch im Engadin veränderte der Mensch die Landschaft zu seinem Vorteil – vermeintlich. Mittlerweile ist klar: Die Natur reguliert Hochwasser auf die Dauer besser als menschliche Verbauungen. Und die artenreichen Auen überleben nur bei gelegentlichen Überschwemmungen.

Text: Esther Banz

A

driano Levy steht auf dem Damm, der die

Kilometer langes neues Flussbett. Dieses 28,4 Millio-

rechte Seite des Inns begrenzt, und schaut, ob

nen Franken teure Hochwasserschutzprojekt wurde

sich da unterhalb seiner Füsse nicht doch eine

auch zum ökologischen Pionierwerk. Jetzt fliesst der

Kreuzotter befindet. Dort zwischen den Steinen hät-

Flaz am Hangfuss, am Flugplatz vorbei, in einem brei-

ten viele gelebt. Obwohl man sie im Zuge der Revitali-

teren Bett mit wenig Verbauungen, und er kann sich

sierungsarbeiten einsammeln und dislozieren musste,

natürlich entwickeln. Für die Verlegung und Aufwer-

seien immer einige der giftigen Schlangen hier – und

tung holte man Umwelt-, Fischerei-, Heimatschutz-

sie vermehren sich tüchtig. Sie mögen das Klima im

und weitere Vertreter an den Tisch.

Damm. Adriano Levy, seitens der Gemeinde Bever für

2005 wurden der Kanton und die Gemeinde Samedan

die Revitalisierung des Inns zuständig, ist etwas er-

für das Flazprojekt mit dem Schweizerischen Wasser-

staunt, heute keine Tiere anzutreffen, aber auch ein

preis ausgezeichnet und die Wissenschaftler ziehen

wenig erleichtert. «Ich habe grossen Respekt vor ih-

ein positives Fazit: Für die Fische haben sich die Le-

nen, obwohl der Mensch sie ja eigentlich nicht fürch-

bensraumverhältnisse schnell und im gesamten Ge-

ten muss, denn ohne Grund beissen sie nicht.»

wässersystem verbessert. Die Zahl der Äschen, Bachfo-

Wieviele Kreuzottern in den Inndämmen hausen, re-

rellen und Elritzen nimmt zu, zuvor monotone

alisierte man erst, als man die beschädigten Stellen

Gewässerabschnitte sind zu abwechslungsreichen Le-

des in die Jahre gekommenen Bauwerks genauer unter

bensräumen mit grosser Artenvielfalt geworden.

die Lupe nahm. Levy: «In den Rissen des Damms hatte sich eine grosse Population eingenistet und ent-

Ufer als Lebensräume

wickelt. Das bedeutete, dass man die Löcher nicht ein-

«Ufer und Gebiete, in denen sich die Ökotope Wasser

fach mit Beton zupflastern konnte.» Die Dammsanie-

und Land ineinander verzahnen, sind ökologisch be-

rung war ursprünglich auf 400'000 Franken geschätzt,

sonders wertvoll», erklärt Jacqueline von Arx, Ge-

nach der Entdeckung der Schlagen kletterte das Bud-

schäftsführerin von Pro Natura Graubünden. Es leb-

get auf 700'000 Franken. Die Kreuzotter bewegte die

ten dort viel mehr Arten. Verbaute Ufer seien

Beverser zum Innehalten.

Vorbild Flazsanierung

ökologisch besodners schlecht. Aber das überlegte man sich noch nicht, als man vor mehr als 150 Jahren mit dem Dammbau begann. Man zähmte die Flüsse

In der Nachbargemeinde Samedan konnte man be-

vor allem, um für die Landwirtschaft Fläche zu gewin-

reits beobachten, wie sich ein renaturiertes Gewässer

nen – auch im Engadin, wo die Bauern ohnehin unter

entwickelt – und bewährt. Dort hatten die Einwohner

erschwerten Bedingungen wirtschaften.

in der jüngeren Geschichte immer wieder Hochwasser

Will man heute die Flüsse vom Korsett befreien,

erlebt. 1951, 1954 und 1956 führten mehrere Damm-

braucht es dafür aber Land. Neben der Landwirtschaft

brüche zu Überschwemmungen und 1987 kam es bei-

sind es vor allem Strassen, die der Ausweitung der Bä-

nahe zur Katastrophe. Richtig gefährlich war für

che im Weg stehen. Vielerorts sind in den letzten hun-

Foto rechts: Das renaturierte

Samedan nicht der Inn, sondern der Flaz, der vom Val

dert Jahren auf einstigem Überflutungsland auch

Mündungsgebiet

Bernina her direkt bei den Neubauquartieren in den

neue Gewerbe- und Wohnbauten entstanden. Des-

des Beverin in den Inn.

Inn floss. Im Jahr 2000 beschloss Samedan, die Gefahr

halb ist jede Renaturierung eines Flusses und einer Au-

(Foto: Rolf Eichenberger)

ein für allemal zu bannen, und baute dem Flaz ein vier

enlandschaft ein aufwendiges Abtrotzen von Land.

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1 Zur Renaturierung ist

Die Flüsse wieder breiter zu machen, ist oft nicht mehr

disch überschwemmt wird, ein Fremdkörper. Die Re-

schweres Gerät nötig.

möglich. Die Flazumlegung in ein ganz neues Bett ist

vitalisierungsplaner hatten einst damit gerechnet,

ein einmaliges Beispiel im Alpenraum.

dass diese Fichten von alleine absterben werden, doch

(Foto: C. & A. Levy)

Die Flazverlegung war allerdings nicht das erste Revi-

es kam – mangels Restwasser – anders. Deshalb ent-

2 Übersicht über die neue

talisierungsprojekt im Engadin. Schon von 1997 bis

fernte man sie jetzt, um dadurch auch mehr Dynamik

Beverinmündung mit der reak-

2000 wurden die Innauen bei Strada im Unterengadin

in die Aue zu bringen. Trotz der «ganz schlimmen

tivierten Auenlandschaft.

wiederbelebt. Dies wurde im Zuge der Umfahrungs-

Schwall-Sunk-Strecke», wie Jacqueline von Arx von

strasse möglich. Das erste Strassenprojekt hätte die

Pro Natura Graubünden sagt, sei die Revitalisierung

(Foto: C. & A. Levy)

Auen von nationaler Bedeutung tangiert, ja zerstört.

der Auen bei Strada eine wichtige Massnahme: «Auen

3 Auch im Unterengadin, bei

Dagegen wehrte sich der Bündner Naturschutzbund

sind die Dschungel Europas!»

Strada, fliesst der Inn wieder in

(heute Pro Natura Graubünden) bis vor Bundesgericht.

einem natürlichen Bett.

In der Folge fand man den Kompromiss: Ein Kieswerk

Revitalisierungspläne

(Foto: Pro Natura)

wurde entfernt, das schuf Platz, um die Auen zu revi-

Weil das Gewässerschutzgesetz auch verlangt, dass die

talisieren und für die Umfahrungsstrasse. Der mehr-

Fliessgewässer revitalisiert werden müssen – rund

fach verzweigte Inn hat seither mit seiner Dynamik

15'000 Kilometer gelten in der Schweiz als verbaut

das Flussbett neu gestaltet und eine Landschaft mit

und in einem schlechten Zustand –, müssen die Kan-

hohem naturkundlichem Wert entstehen lassen,

tone dafür Planungen erstellen. Der Kanton Graubün-

freuen sich die Fachleute heute.

den hat rund 120 Bach- und Flusskilometer definiert,

In die Auen bei Strada fliesst für die Fische aber wegen

die prioritär zu sanieren sind. Jacqueline von Arx

des Kraftwerks Pradella bei Scuol oft zu wenig Wasser.

rechnet damit, dass davon aber bloss wenige Kilome-

Ein zweites Problem sind die Wasserstandsänderun-

ter umgesetzt werden.

gen, wenn das Kraftwerk die Schleusen öffnet respek-

Rolf Eichenberger, der in Chur ein Ingenieurbüro für

tive wieder schliesst. Der Schwall schwemmt Larven

Wasserbau und Gewässerrevitalisierung betreibt, ist

und Eier weg, Sunk lässt sie am Flussrand vertrocknen.

überzeugt, «dass die Flusslandschaft im Oberengadin

Zwar erzeugt das Kraftwerk Pradella «Ökostrom»,

in zehn bis zwanzig Jahren ganz anders aussehen

doch die Belastung für das Ökosystem ist erheblich

wird. Nicht nur punktuell, sondern grossräumig. Die

und nachhaltig.

Menschen haben verstanden, dass Flüsse Energie, Dy-

Restwasser-Probleme

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namik und Veränderung bedeuten. Sie sind Lebensadern – nicht nur für die Landschaft, sondern auch für

Seit der Zustimmung zum revidierten Gewässer-

die Bevölkerung. Vorlagen zu ökologischen Verbesse-

schutzgesetz 1992 ist ein Minimum an Restwasser in

rungen bei Gewässern werden an der Urne immer an-

den Flüssen vorgeschrieben, doch mit dem Vollzug

genommen, das sind stets klare Botschaften.» Es gelte,

hapert es. Wenn man in Strada und Tschlin nachfragt,

die Gunst der Stunde zu nutzen.

weshalb in der Aue die Inseln und mit ihnen die Fich-

Das sagt auch Adriano Levy, der für die Arbeiten am

ten verschwunden sind, hat dies auch mit dem Rest-

Inn in Bever zuständig ist. Die «Gunst der Stunde» be-

wasser zu tun. Mit mehr Restwasser würden die Fich-

deutet auch, dass der Bund viel Geld zur Verfügung

ten kaum überleben, nasse Wurzeln mögen sie gar

stellt. Im Kanton Graubünden liegt die Hoheit über

nicht, und sie sind in einer Auenlandschaft, die perio-

das Wasser bei den Gemeinden – ohne ihre Zustim-

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mung geht also nichts. Bever stimmte 2010 mit grosser

3

Der Schlamm in Spöl und seine Folgen

Mehrheit einer ersten Etappe der Beverin- und Innsa-

Ende März 2013 versiegte wegen einer technischen

nierung zu und schloss diese im Herbst 2013 ab. Von

Panne zuerst das Restwasser im Spöl, danach wurde

den Kosten von 2,3 Millionen Franken bezahlten

der Seitenfluss des Inns mit Schlamm aus dem Li-

Bund und Kanton 75 Prozent. Dank weiteren Unter-

vigno-Stausee überschwemmt. Tausende von Bachfo-

stützungsbeiträgen verblieben der Gemeinde nur

rellen und viele Wasserlebewesen verendeten. Zuvor

noch knapp 200'000 Franken. Nicht viel, aber auch

galt der Spöl als Beispiel dafür, dass sich Stromproduk-

nicht wenig für diese kleine Gemeinde, die nicht mit

tion und Ökologie vereinen lassen. Mit künstlichen

Zweitwohnungen das grosse Geld gemacht hat.

Hochwassern hatte man während zwölf Jahren eine

«Schon 1987 hat die Bevölkerung einen Erstwoh-

weitgehend natürliche Flussdynamik und Lebensge-

nungsanteil von 50 Prozent vorgeschrieben», erklärt

meinschaft erreichen können.

Levy nicht ohne Stolz. Die Gemeinde wurde schon

Nach dem Unfall wurde eine Task-Force gebildet, wel-

zweimal für ihre Bemühungen um eine intakte Land-

che die entstandenen Schäden erfasste und Lösungen

schaft ausgezeichnet. Die Innrevitalisierung gilt als

zu deren Behebung vorschlug. Mit einer dosierten

Leuchtturmprojekt, auch bezüglich Partizipation.

Unterschiedliche Interessen

REVITALISIERUNGEN Umgesetzt: • Strada • San Batrumieu, Zuoz • Flazkorrektion, Samedan, mit Revitalisierung des alten Innlaufs • Val Greva, Madulain • Bever, 1. Etappe In Planung: • Celerina • Chamuera-Bach und Inn in La Punt • La Punt • Bever, 2. Etappe

Spülung konnte der Schlamm weitgehend beseitigt werden. Dadurch wurden die Voraussetzungen für eine biologische Regeneration geschaffen. Kontrollen

Tatsächlich: Eine Revitalisierung zerstört immer auch

im Herbst 2013 zeigten, dass Bachforellen in Seitenbä-

Lebensräume. Etwa den kleinen See, der sich entlang

chen die Katastrophe überlebten und dass die Wieder-

des kanalisierten Inns durch die früheren Eingriffe ge-

besiedlung der geschädigten Zonen begonnen hat.

bildet hatte. Er war ein Habitat für viele Wasservögel.

Der Fischbestand dürfte sich auch ohne künstliche

Entsprechend gross war der Widerstand, diesen See

Aussetzungen erholen. Bis aber der alte Zustand wie-

zugunsten der Revitalisierung aufzugeben. Rücksicht

der erreicht wird, kann es noch einige Jahre dauern.

musste man auch auf die Interessen der Landwirte

Die Wiederbesiedlung durch Wasserinsekten wird et-

nehmen. Am Schluss ist das Projekt das Resultat ver-

was schneller erfolgen, da sich diese Kleinlebewesen

schiedener Kompromisse – mit denen aber alle zufrie-

das Gebiet über den «Luftweg» zurückerobern kön-

den sind. Und Rolf Eichenberger hat noch etwas fest-

nen. Jörg Paul Müller

gestellt: «Interessant war zu beobachten, wie die Befreiung der Gewässer auch zu einer Befreiung der Köpfe führt.» Inzwischen hat Bever die nächste Etappe bewilligt und auch die Nachbargemeinde La Punt überlegt sich, mitzuziehen. Ob diese ökologische Verbesserung ohne die Kreuzottern im Damm zu Stande gekommen wären? Adriano Levy zögert. «Das Gegenteil zu behaupten, wäre etwas

Beverin- und InnRevitali sierungen in Bever – Gewässer – Revitalisierungseingriffe – Auen-Perimeter – Neuer Hochwasserschutz

gar zugespitzt. Aber im Prinzip ist es schon so: Die Kreuzottern haben uns gezeigt, dass es mit einer einfachen Sanierung mit Betonkübeln nicht getan ist.»

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Lebensader Inn Der Inn hat nach der Eiszeit das Engadin aus der Alpendecke geschliffen. Auch zehntausend Jahre nach Beginn dieses Schöpfungsprozesses ist der Fluss die Lebensader des Tales geblieben – mit hohem wirtschaftlichem Nutzen.

Text: Ueli Handschin Fotos: EKW / Graubünden Ferien

D

ie Reise an den jungen Inn beginnt mit dieser

denschaft frönen. Sie schwärmen für den Silvaplaner-

grandiosen Ouvertüre, die die Fahrt von der Al-

see, während Seglerinnen und Segler den Silsersee

pennord- auf die Alpensüdseite oft zu bieten

Auch auf dem Wasser bewegen sich die Kanuten und

der Strasse nicht viel zu erkennen. Doch kurz nach der

Kajakfahrer. Sie finden im Inn Flussabschnitte aller

Passhöhe auf einmal gleissendes Licht. Die Sonne

Schwierigkeitsgrade. Es gibt Strecken für blutige An-

bricht durch die Wolkensuppe, der tiefblaue Himmel

fänger, aber auch für die besten Cracks. Ausbildungs-

öffnet sich. Willkommen im «Garten des Inn».

kurse, begleitete Touren und Ausrüstungen werden

Auf die Ouvertüre folgt die Symphonie. Die Komposi-

angeboten. An schönen Tagen sollen sich bis zu 300

tion aus Felsengebirgen, aus klarem Licht und einer

Kanus und Kajaks durch die Schluchten schlängeln

Sonne, wie sie nur im Süden scheint, mit einem ma-

oder im ruhigen Wasser treiben lassen. Das Vergnü-

kellosen Firmament und diesen glitzernden Wasser-

gen ist allerdings nicht ungefährlich und es hat sich

spiegeln hat das Engadin weltberühmt gemacht. Es

am Inn auch ein schwerer Schlauchboot-Unfall ereig-

lässt sich nicht beweisen, doch alles spricht dafür:

net (siehe nächste Seite «Gefährlicher Fluss»).

Gäbe es keine Oberengadiner Seen, wäre die Region

10

bevorzugen.

hat. Am Julierpass ist vor lauter Nebelschwaden ausser

heute nicht «Top of the World».

Sogar eine Schifffahrtsgesellschaft

Für das Geschäft mit den Gästen sind die Seen heute

Weit weniger Gäste als der individuelle Sport auf dem

im Sommer wie im Winter Gold wert. Gibt es genü-

Wasser zieht die Schifffahrt in ihrer klassischen Form

gend Eis und Schnee, werden sie zu einem Eldorado

an. Auf dem Silsersee fährt das kleine Kursschiff mit

für Langläuferinnen, Spaziergängerinnen und Wan-

zwanzig Plätzen im Sommer viermal täglich zwischen

derer präpariert. In den warmen Monaten sind die

Sils, Plaun da Lei und Maloja hin und her. Das Unter-

Seen ein Magnet und ein Tummelfeld für waghalsige

nehmen kann sich rühmen, die einzige Schifffahrts-

Surfer, die sich vom Malojawind übers Wasser jagen

gesellschaft Graubündens und erst noch die höchst-

lassen. Ist der Wind steif genug, das Wetter gut, wer-

gelegene Europas zu sein. Wirtschaftlich ist das

den die Seen so sehr in Beschlag genommen, dass die

Unternehmen nicht von grosser Bedeutung, doch es

Wasserspiegel aus der Ferne vor lauter farbigen Segeln

ist hochwillkommen im Puzzle aus Superlativen und

wie gesprenkelt wirken. Aus aller Welt zieht es Surfe-

Einzigartigkeiten, mit dem sich das Engadin ins rechte

rinnen und Surfer ins Hochgebirge, wo sie ihrer Lei-

Licht zu rücken sucht.

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Nach dem kurzen Lauf als kleiner Bergbach von den

1891 mit Gemeindepräsident Alfred Robbi das erste

1, 2 Aus dem Fluss wird Strom

Quellen am Lunghinsee bis zum Silsersee durchquert

Elektrizitätswerk der Schweiz, die «Aktiengesellschaft

gewonnen.

der Inn – der in seinem ersten Abschnitt bis zum Aus-

für elektrische Beleuchtung». Sie erwarb eine Konzes-

lauf aus dem St. Moritzersee den Namen «Sêla» trägt –

sion zur Nutzung der Wasserkraft des Inns und be-

3 Europas höchst gelegene

mit ganz wenig Gefälle die Oberengadiner Seenplatte.

gann damit, die Gemeinden mit elektrischem Licht

Schifffahrtsgesellschaft fährt

Der Höhenunterschied zwischen dem Silser- und dem

zu versorgen.

auf dem Silsersee.

Wasserkraft mit vertretbarem Aufwand zu nutzen.

Erfolgsrezept Energie

4, 5 Die Oberengadiner Seen

Doch unterhalb des St. Moritzersees sind die Voraus-

Heute zählt die Stromerzeugung neben dem Touris-

sind ein Paradies für Segler und

setzungen ideal, vor allem in der kurzen Schlucht zwi-

mus zu den stärksten Stützen der Engadiner Wirt-

Surfer.

St. Moritzersee misst keine 50 Meter, zu wenig, um die

schen St. Moritz und Celerina.

schaft. Den weitaus grössten Beitrag dazu liefern die Ouvras Electricas d’Engiadina SA, die Engadiner

Erstes Inn-Kraftwerk in St. Moritz

Kraftwerke (EKW) mit Sitz in Zernez und rund 65 An-

Am Fuss dieser ersten Inn-Schlucht steht die Kraft-

gestellten. Das Unternehmen nutzt den Inn und des-

werkzentrale Islas, das oberste der vielen Wasserkraft-

sen Einzugsgebiet von S-chanf bis an die Landes-

werke, die der Inn bis zu seiner Mündung in die Donau

grenze in Martina.

im rund 500 Kilometer entfernten Passau antreibt. Be-

1954 wurden die EKW gegründet, 1962 der Baube-

trieben wird das Werk von der Gemeinde. 2008 wurde

schluss gefasst. Verglichen mit heute und angesichts

die damals bereits 70 Jahre alte Anlage mit drei neuen

der Grösse des Vorhabens waren acht Jahre Planung

Turbinen versehen. Seither deckt sie einen Fünftel des

eine kurze Frist. Zumal sich nicht nur technische Her-

Strombedarfs der Ortschaften St. Moritz, Celerina

ausforderungen stellten. Auf Schweizer Boden fand

und Teilen von Champfèr.

sich ausser im Nationalpark kein Tal, das sich für ei-

Johannes Badrutt, der örtliche Hotel-Pionier, ist als

nen Speichersee geeignet hätte. So wich man ins an-

der Mann berühmt geworden, der im Sommer 1864

grenzende Valle di Livigno auf italienischem Staatsge-

die vier ersten britischen Gäste dazu brachte, den

biet aus. Um dort einen Stausee zu errichten, war ein

Winter in St. Moritz zu verbringen. Er bot freie Kost

Staatsvertrag nötig.

und Logis und versprach, auch die Reisekosten zu tra-

Für die Kraftwerke waren aber im Val Spöl auch Ein-

gen, sollten sie gleich wieder heimkehren wollen. Die

griffe im Nationalpark nötig. Bei Ova Spin wurde ein

Briten blieben bis Ostern. Badrutt hatte so die Ent-

Speicherbecken und ein Pumpspeicherwerk gebaut,

wicklung von St. Moritz und des Oberengadins zu ei-

was schon damals Naturschützer und Kraftwerkgeg-

nem Top-Spot des Wintertourismus in Gang gebracht.

ner auf den Plan gerufen hatte. (Siehe Text über die

Badrutt war aber auch derjenige, der den Strom nach

«Lia Naira», Seite 44). 1970 wurde der erste Teil des

St. Moritz brachte und den Ort zu einem Synonym für

814 Millionen Franken teuren Jahrhundertbauwerks

den technischen Fortschritt machte. An Weihnach-

in Betrieb genommen. Entstanden ist ein weitver-

ten 1878 erleuchteten elektrische Bogenlampen den

zweigtes Stollensystem.

Speisesaal des Kulm-Hotels und den Vorplatz des No-

Der Inn ist Stromproduzent und Gästemagnet, er ist

belhauses. Den Strom lieferte ein Generator, angetrie-

aber auch Rohstofflieferant. Immer wieder geraten,

ben vom Bach Brattas. Badrutts Sohn Caspar gründete

wie etwa in S-chanf und Zernez, Installationen ins

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Blickfeld, die es braucht, um Kies zu fördern oder Be-

und eine Färberei. Auch der Betrieb einer Mühle für

ton herzustellen. Die Silos und Bagger sind keine Au-

Tannen- oder Kiefernzapfen ist belegt. Wofür das

genweide in der Ferienlandschaft, doch sie zeigen: Die

Mahlgut verwendet wurde, ist nicht mehr bekannt.

Bauwirtschaft ist das dritte wirtschaftliche Standbein

Nur noch die Überreste eines Kalkofens zeugen von

des Engadins. Gebaut wird – trotz Zweitwohnungs-

diesen Unternehmen.

gesetz – bisher kaum weniger, und der Unterhalt der

Heute deutet auch nichts mehr darauf hin, dass der

Strassen bringt ständig viel Arbeit.

Inn bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Wasserstrasse

Einst Industriezone, heute Camping

machte es möglich, das Holz aus den Engadiner Wäl-

eine grosse wirtschaftliche Rolle spielte. Der Fluss

Ebenfalls vom Fluss profitieren die Campingplätze,

dern – damals die wichtigste Ressource des Tales –

von denen es im Engadin ein ganzes Dutzend gibt. Der

nach Landeck, Innsbruck und sogar bis nach Hall in

höchstgelegene mit 100 Plätzen liegt in Plan Curtinac

Tirol zu transportieren. Im Oberlauf des Inns konnte

bei Sils-Maria zwischen Wald und See. Der unterste

das Holz aber nicht geflösst, es musste gedriftet wer-

auf Schweizer Gebiet bei Strada kurz vor der Landes-

den: Die Stämme wurden dabei nicht zusammenge-

grenze – sogar mit eigenem Swimmingpool. Zu den

bunden, sondern einzeln auf die Reise geschickt und

grösseren zählen die Plätze in Morteratsch und Sur En

vom Ufer aus gelenkt. Benötigt wurde das Engadiner

unterhalb von Sent mit 230 und 200 Standplätzen.

Holz vor allem als Brennstoff für Hüttenwerke und für

Sur En, «Über dem Inn», am Eingang ins wilde Val

die Befeuerung von Sudpfannen, in denen salzhaltige

d'Uina gelegen, war bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Sole zu Salz eingedampft wurde. Noch vor hundert

eine eigentliche Industriezone. Hier nutzten mehr als

Jahren muss das Flössen und Driften in Graubünden

ein Dutzend Betriebe die Kraft des Flusses. Hier stan-

eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Das dafür zu-

den einst drei Kornmühlen, drei Sägereien und drei

ständige kantonale Amt wurde nämlich erst in den

Kalkbrennereien, zwei Gerbereien, eine Schmiede

1920er-Jahren aufgelöst.

Gefährlicher Fluss

die Gruppe missachtet, übersehen oder nicht verstan-

Der Inn ist Erholungsraum und er wird genutzt – der

den. Jedenfalls gerieten die Boote in eine Wasserwalze

Fluss ist aber auch gefährlich. Am 10. Juli 1993 ereig-

und wurden «wie in einer Waschmaschine herumge-

nete sich das bisher schwerste Unglück auf Bündner

schleudert», wie es ein Augenzeuge damals gegenüber

Flüssen überhaupt. Eine Gruppe deutscher und öster-

der «Bündner Zeitung» beschrieb. Polizei und Ret-

reichischer Touristinnen und Touristen war in drei

tungsflugwacht starteten umgehend eine gross ange-

Schlauchbooten unterwegs. Zwischen Pradella und

legte Rettungsaktion, doch acht Personen konnten

Scuol gab es damals eine Flussbaustelle der Engadiner

nur noch tot geborgen werden. Ein Schwerverletzter

Kraftwerke – die entsprechende Signalisation hatte

wurde mit Unterkühlung und Kreislaufstillstand ins Universitätsspital nach Zürich geflogen, wo er ebenfalls verstarb. 17 weitere Gruppenteilnehmer kamen mit Verletzungen davon. Im Nachgang sorgten die Umstände des Unglücks für Gesprächsstoff. Die Gruppe habe die Warntafeln ignoriert und in den Booten seien halbleere Weinkanister gefunden worden. Vier Jahre nach dem Unglück kam es zum Prozess. Das Kantonsgericht Graubünden verurteilte den deutschen Organisator der Bootstour wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger schwerer Körperverletzung und wegen Verstoss gegen die Schifffahrtsverordnung sowie das Binnenschifffahrtsgesetz zu sieben Monaten Gefängnis. Franco Brunner

Rafting im Inn ist keine ungefährliche Freizeitbeschäftigung.

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vivanda genuina engiadina


Tango, Tradition und Talibane Weggehen und zurückkehren: Das ist der immerwährende Lauf im Valposchiavo. Hans-Jörg Bannwart lebt die alte Tradition der Emigration und Immigration auf besondere Art und Weise. Der Bezirksgerichtspräsident und Kulturveranstalter ist auch für die UNO unterwegs.

Text und Fotos: Flavian Cajacob

V

or dem «Albrici» wartet eine Gruppe Tagesausflügler auf ihre Pizze. Am Markt, der den Dorf-

mierten Energieproduzenten. Doch immer wieder in-

platz aufwerten soll, werden Puschlaver Spezia-

teressierte ihn das Ausland: Afghanistan, Algerien,

litäten und Nippes feilgeboten. Und in den Gassen

Jemen, Irak, Iran, der Balkan – Krisengebiete. Als Dele-

begegnen sich die Einheimischen, die Pus'ciavin, auf

gierter des IKRK hat er Gefangene besucht, die Haftbe-

ihrem Weg an den heimischen Tisch. Mittagspause in

dingungen kontrolliert und den Familien erzählt, wie

Poschiavo. In der Via da la Pesa schwingt sich ein ele-

es ihren Söhnen, Vätern, Brüdern hinter Gittern er-

gant gekleideter Sciur auf seinen schwarzen Dreigän-

geht – und umgekehrt. «Ein Häftling hat mir einmal

ger und fährt zügig in Richtung Dorfausgang. Drei Mi-

gesagt, er könne dank mir sein Zuhause riechen. Das

nuten dauert der «Ritt» über die Sampietrini, die

war für mich ein wunderbares Dankeschön!»

Kopfsteinpflaster, dann biegt er ein in die Via di Palaz und stellt sein Bici in die Garage. «Benvenuto im De-

… und IKRK-Delegierter

von House, erbaut 1864 von einem Pozzi, 1908 überge-

Allein vierzig Mal war Hans-Jörg Bannwart in Guan-

gangen in den Besitz eines Semadeni.» In den Decken-

tanamo, dem Gefangenenlager der US-Marines auf

winkeln des kleinen Salons beim Eingang hat sich der

Kuba. Er zeigt Fotografien von Inhaftierten. Porträt-

Heimkehrer aus dem englischen Devonshire mit sei-

aufnahmen, die er mit ausdrücklichem Einverständ-

nen Initialen verewigt: D.S. – Domenico Semadeni.

nis gemacht hat, um sie dann den Angehörigen zu

Der Herr weist in Richtung Treppenhaus. «Während

überbringen, als Lebenszeichen. «Der hier» – er tippt

Jahren hat auch der deutsche Schriftsteller Wolfgang

auf ein Bild, das einen Mann mit hohlem Blick zeigt –

Hildesheimer hier gelebt. Oben, unter dem Dach, da

«wird verdächtigt, bei der Planung der Anschläge vom

wohnte die Magd Celesta, die Hildesheimer in seinem

11. September eine führende Rolle gespielt zu haben.

‹Tynset› in der Figur der Celestina verewigt hat.» Er

Und das hier ist kaum mehr als ein Mitläufer.» Man

nimmt ein paar Treppenstufen. «Und seit 2004 bin

staunt, grübelt und merkt: Bannwarts Fotos haben so

ich nun hier der Herr im Haus.»

Vielseitiger Jurist …

14

sonalabteilung des mittlerweile in Repower umfir-

gar nichts gemein mit den Fahndungsbildern international gesuchter Terroristen. Sie zeigen keine Monster. Sie zeigen Menschen.

Der heutige Herr im Haus ist Hans-Jörg Bannwart, Ge-

Zweimal zwei Jahre «fulltime» und während zehn Jah-

richtspräsident, Fotograf, Kinoveranstalter, Kunst-

ren punktuell hat Hans-Jörg Bannwart den Job beim

liebhaber, Tangotänzer, Skitourenläufer. Kultiviert,

IKRK gemacht. Weil er gerne reist, weil ihn die Auf-

sprachbegabt, vielgereist – doch immer und immer

gabe gereizt, weil ihn die arabische Welt schon als Mit-

wieder zurückgekehrt. Die Mutter Holländerin, der

telschüler fasziniert hat. «Damals habe ich aus Karton

Vater in Italien aufgewachsener Deutschschweizer,

ganze Städte gebaut, einfach so, wie ich mir vorstellte,

späterer stellvertretender Direktor der Kraftwerke

dass es dort aussehen könnte.» Richtig ans Herz ge-

Brusio. «Ich bin ein waschechter Secundo hier im

wachsen ist ihm die arabische Halbinsel anlässlich ei-

Puschlav», lacht der 52-Jährige, den es nach der Ma-

nes längeren Sprachaufenthaltes in Jemen vor drei-

tura zuerst nach Bern verschlug, wo er Jurisprudenz

zehn Jahren. «Die Gastfreundschaft der Menschen ist

studierte. Dann zog es ihn heimwärts: Er arbeitete für

einmalig, selbstlos. Und niemand erwartet, dass der

die Kraftwerke Brusio im Rechtsdienst und in der Per-

andere sich dafür revanchiert.»

piz 47 : Sommer | Stà 2014


piz 47 : Sommer | StĂ 2014

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Zum selben Zeitpunkt hat ihn zuhause in Poschiavo

aus dem Tal und dem benachbarten Veltlin. Manch-

eine Gruppierung als Gerichtspräsidenten für den Be-

mal dreissig, manchmal siebzig Leute, alle begeistert

zirk Bernina portiert. Ihn, den parteilosen, den Se-

ob der Location: So muss es vor bald siebzig Jahren in

cundo, der keinen der hiesigen Namen trägt. Wahr-

Locarno angefangen haben, als im Park des «Grand

scheinlich war es gerade dieser Umstand, der ihn in

Hotels» das Filmfestival aus der Taufe gehoben wurde.

den Augen der Mehrheit zur Idealbesetzung für jenes

Und wenn es einmal regnet, wird – dai dai! – in die

Amt machte, das die kleineren und grösseren Verge-

grosse Scheune gezügelt, von der aus eine Türe in ei-

hen der Talbevölkerung zu ahnden hat. Betrügereien,

nen geheimnisvollen Raum führt, welcher unlängst

Raufereien, Ehrverletzungen, Strassenverkehrsdelikte,

zum Politikum zu werden drohte.

Tierquälereien, Nachbarschafts- und Erbschaftsstreitigkeiten, Forderungen und Scheidungen. Bannwart

Hans-Jörg Bannwart öffnet die massive Türe. Farbige

von erfahren habe ich in einem Hotel in Algier. Es hat

Fensterscheiben brechen das eindringende Sonnen-

einige Stunden gedauert, bis ich mich getraut habe,

licht. An den Wänden hängen Devotionalien, Schwer-

den Fax mit dem Wahlergebnis zu lesen.»

Milongas und Filme Die Wahl bedeutete zurück ins Valposchiavo. Ins «ver-

Hans-Jörg Bannwart mit einem Kartonmodell einer arabischen Stadt: «Frei erfunden. Einfach so, wie ich mir vorstellte, dass es dort aussehen könnte.»

Ein Stück Jemen im Haus

schmunzelt, wenn er sich an die Wahl erinnert. «Da-

ter, Kupferteller, Fotos. «Ein Stück Jemen, das ich mir habe nachbauen lassen», sagt er. «Eine Stube, so wie man sie in jedem jemenitischen Haus antrifft.» Hier empfängt der Hausherr Gäste und trinkt Tee. Oder er

gessene Tal», wo – salopp gesagt – der Bär nicht unbe-

sichtet auf der Grossleinwand Filme für das nächste

dingt steppt, sondern eher erlegt wird. Was tut einer

Openair-Kino. Das mag dem einen oder anderen

in einem solchen Fall, der weltgewandt ist, der die

spleenig erscheinen – aber doch nicht gesellschafts-

Weite braucht, dem Kunst und Kultur genauso am

gefährdend. Grosser Irrtum! Da erkundigte sich näm-

Herzen liegen wie das Zusammensein mit Gleichge-

lich tatsächlich ein besorgter Zeitgenosse bei zustän-

sinnten? Hans-Jörg Bannwart führt in den zweiten

diger Stelle, ob es denn erlaubt sei, in einem Puschlaver

Stock des Hauses. Hinter einer Glastüre ein kleiner

Privathaus eine Moschee zu unterhalten …

Ballsaal mit Kronleuchtern und Kaminfeuer. Hier ver-

Die Anekdote dürfte bei den Vereinten Nationen wohl

anstaltet er Tango-Abende, Milongas. Früher regelmäs-

kaum jemandem zu Ohren gekommen sein. Im Okto-

siger als heute. «Einige sind weggezogen, andere ha-

ber 2012 wurde Hans-Jörg Bannwart in den UNO-Un-

ben die Lust verloren, so ist das eben.»

terausschuss zur Verhütung von Folter gewählt. Und

Bannwart wäre allerdings nicht Bannwart, wenn er

so kommt es, dass der Herr Gerichtspräsident wieder

die gewonnene Zeit nicht anders nützen würde. Zum

einmal zwischen dem beschaulichen Valposchiavo

Beispiel mit Fotoausstellungen oder der Lancierung

und der krisengeschüttelten Welt hin- und herpen-

und Programmierung eines Openair-Kinos: Seit eini-

delt, Gefangene besucht und sich vor Ort ein Bild

gen Jahren zeigen er und ein paar Freunde in den Som-

macht davon, ob und wie die Vertragsstaaten grundle-

mermonaten im Garten des «Devon House» Filme –

gende Menschenrechte im Strafvollzug einhalten.

Studiofilme statt Blockbuster. Das Publikum kommt

Ein Job, bei dem Sentimentalitäten fehl am Platz sind, wenngleich die Einzelschicksale einen bis in den Schlaf verfolgen können. Hans-Jörg Bannwart stösst die Haustüre auf. Und meint: «Ob Krisengebiet oder nicht, je häufiger man unterwegs ist, desto mehr braucht man einen Ort, an dem man wirklich zuhause ist. Wir Puschlaver kennen das seit jeher. Wir gehen, um zurückzukehren.» Die Mittagspause ist um. Bannwart schwingt sich aufs Velo und pedalt der Gerichtskanzlei in der Via da la Pesa entgegen. Vorbei an den Pizza essenden Touristen. Vorbei am Markt, den Spezialitäten, den Nippes. Vorbei an den Einheimischen: Ciao! Bundi! Sie begrüssen nicht il Presidente, und auch kaum den weltgewandten, umtriebigen Sciur Bannwart aus dem «Devon House», sondern einfach ihren Hans-Jörg.

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2

Festung verbindet Die ehemalige Grenzfestung Altfinstermünz am Inn ist seit ihrer Restaurierung dabei, eine kulturelle Attraktion im Dreiländereck zu werden. Die Wege dorthin waren keine einfachen. Um sie zu gehen, gibt es Menschen wie den Nauderer Hermann Klapeer.

Text: Katharina Hohenstein Fotos: Archiv Altfinstermünz / Katharina Hohenstein

S

teile Wege mit holprigen Stufen sind für den

gen Telefonaten und kurvenreichen Autofahrten un-

den engen Felsentunnel, der von der Felsen-

terwegs zu den inzwischen sechs beteiligten Gemein-

höhle zum Sigmundseck führt, durchaus zügig hin-

den Nauders und Pfunds, Graun und Spiss, Samnaun

auf. Im Schlepptau den Maler Otmar Derungs aus

und Tschlin. Es gab viele Treffen, bei denen den poten-

Strada und Armin Joos, Bildhauer aus dem Vinschgau.

ziellen Unterstützern Aktentaschen voller Finanzie-

Zwar steht eine Begehung der Ausstellungsräume für

rungspläne gezeigt wurden. Und als die Restaurie-

deren Sommer-Ausstellung auf dem Plan, aber zuerst

rungsarbeiten anfingen, waren die Stunden bein-

will er den beiden Künstlern die Festungsanlage zei-

harte Arbeit. Vor allem Maurerarbeiten: «Morgens um

gen: «In dieser Stube hatten wir einen venezianischen

halb acht fingen wir an. Um sechs Uhr hörten wir auf.»

Geiger, einfach wunderbar.»

Klapeer ist noch heute begeistert von der Hilfe, die

Der ehemalige Bürgermeister von Nauders, jahrzehn-

einfach kam, von den eigenen Freunden und den

telang im Gemeinderat in Sachen Kultur unterwegs,

Freunden von Freunden: «Sogar zwei professionelle

gerät ins Schwärmen. Hier, in der Stube von Sigmunds-

Maurer halfen uns zwei Sommer lang. Einfach so!»

eck, das 1472 als Wehrturm gegen die Engadiner errichtet wurde und im Krieg von 1499 als Bollwerk

18

Freiwilligen-Arbeit entstanden nicht nur in unzähli-

Mann kein Problem. Hermann Klapeer rennt

Am Anfang war ein Satz

diente, steht ein alter Holzofen, fast so gross wie das

Die Geschichte der Restaurierung beginnt mit einem

Zimmer selbst: «Heute drehe ich am Schalter und

Weg – einem Veloweg! Schwienbacher und Klapeer

schon wirds warm.» Ein Schöngeist, der es gerne be-

tüftelten 1999 am Plan einer Radwegverbindung. Wie

quem mag? Nicht wirklich.

weit könnten sie diese planen? Es folgten eine Bege-

Es war ein langer Weg, den Hermann Klapeer und

hung, die unter anderem zur Altfinstermünz führte,

seine Kollegen des 2001 gegründeten Vereins Altfins-

und ein Satz, der Klapeer nicht mehr aus dem Kopf ge-

termünz gingen, um die Wehranlage vor dem Verfall

hen wollte: «Wenn diese Anlage auf meinem Gemein-

zu bewahren und um sie mit potenten Inhalten zu fül-

degebiet stünde», so sagte Peter Schwienbacher da-

len. Klapeer und sein damaliger Bürgermeisterkollege

mals, «würde ich sie nicht verfallen lassen.» Für

aus Pfunds, Peter Schwienbacher, sassen nicht nur an

Klapeer wurde der Tadel, den er nicht auf sich sitzen

Verhandlungstischen, um Partner oder Gelder zu ge-

lassen wollte, zum Ansporn. Es folgten Abklärungen:

nerieren. Die insgesamt 20'000 Stunden geleisteter

Wer können die Partner werden? Und schliesslich die

piz 47 : Sommer | Stà 2014


3

4

Die in den letzten Jahrzehnten omnipräsente grenz-

1 Der enge Tunnel führt

malamt, Architekten, Landesbehörden, EU-Förder-

übergreifende Zusammenarbeit liegt allerdings nicht

von der Felsenhöhle zum

stellen und die Bürgermeister von Pfunds und Nau-

in den Genen der Festungsmauern. Jene Wehr-, Zoll-

Sigmundseck.

ders sassen am Tisch und beschlossen: Wir restaurieren

und Festungsanlage im Wald von Finstermünz, dem

Altfinstermünz. «Uns war klar», so Klapeer, «dass ein

vinestana silva, wurde schon 1078 von Herzog Welf im

2 Altfinstermünz, Inn-Festung

Jahrzehnt Arbeit auf uns zukommen würde.» Ein gros-

Kampf gegen den Bischof von Chur als Aufenthaltsort

aus dem 15. Jahrhundert.

ses Ziel und noch grössere Hürden. «Nur mit dem Her-

für Soldaten genutzt. Die Engadiner auf der einen, die

entscheidende Konferenz 2001 in Innsbruck: Denk-

zen dabei zu sein ist nicht genug.

Tiroler auf der anderen Seite. Sie standen sich an zwei

3 Vorbereitung für die Sommer-

Es waren Verstand und Wagemut gefragt», sagt er

Verbindungswegen gegenüber: an der von der Adria

ausstellung: Hermann Klapeer

heute. Doch Schwienbacher und er wussten, was sie

zur Donau führenden Via Claudia Augusta und am

(Mitte) mit Otmar Derungs

wollten: Ein Ausflugsziel für Bewohner und Gäste des

Steig, den die Engadiner Richtung Tirol nutzten. Lo-

(links) und Armin Joos (rechts).

Dreiländerecks, ein geschichtliches Zeugnis, das bei

gisch, dass hier ab 1300 Zölle eingefordert wurden.

Jugendlichen Interesse wecken sollte, und einen Brü-

Nach 1854, mit der Einweihung der Kajetansbrücke

4 Altfinstermünz wurde

ckenschlag zwischen den Nachbarn der drei Länder

nach Nauders, verlor die Festung ihre Bedeutung.

dank Freiwilligenarbeit – hier

malige Talsperre nur in einer touristischen Gesamt-

Europa im Kleinen

Attraktion.

schau aller drei Länder Sinn macht: Touren zur Bier-

Geschichte ist mehr als das Zusammentragen von Fak-

brauerei in Tschlin, zum Buchdruck-Museum, der

ten. Der Historiker Paul Eugen Grimm aus Ftan und

Stamparia in Strada, zur Panzersperre auf Plamort

sein österreichischer Kollege Christoph Haidacher in-

gestalten. Klapeer ist davon überzeugt, dass die ehe-

beim Kalkbrennen – wieder zur

und zum Etschquellen-Bunker im Obervinschgau –

struierten die Führerinnen und Führer, die uns jetzt

all das und einiges mehr müsse ins Gesamtkonzept

Altfinstermünz zeigen: «Wir wollten eine breite Sicht-

eingebunden werden.

weise auf die Geschichte der Festung», sagt Klapeer. Er

Dreiländereckschau – viel Potential

selber ist einer, der jeden Steg zur Brücke ausbaut. Und deshalb hält er auch am europäischen Gedanken fest:

Seit 2013 ist Altfinstermünz nun «in Betrieb» und bie-

«Ich nehme zur Kenntnis, dass es gegenüber Europa

tet mehr als bloss kulturgeschichtliche Führungen:

ein Stimmungstief gibt. Daraus müssen wir aber wie-

eine Ausstellung der Universität Innsbruck, eine zur

der herauskommen.»

Via Claudia Augusta, eine Kunstausstellung. Firmen

Seine Aufgabe im Dreiländereck hat er für sich defi-

feierten hier, Hochzeiten gab es. Trauungen in der

niert: «Die EU gibt die Rahmenbedingungen vor. Ich

1604 gebauten Kapelle sind bereits in Planung. Ein

kann aber nicht erwarten, dass sie mir das Brot auf-

Schrägaufzug soll die Festung mit dem Klausenturm

schneidet. Wir vor Ort sind das Bodenpersonal. Wir

verbinden und Klapeer freut sich auf den Einzug eines

wissen, was in der Region zukunftsweisend ist. Europa

Restaurants in den Neubau des alten Wirtschaftsge-

gibt uns die Chance, in diese Richtung zu arbeiten.»

bäudes. Dort werden Bündner Gerstensuppe und Ca-

Jetzt macht er sich auf den Weg, um mit dem Engadi-

puns, Vinschger Schneemilch und Saure Supp', Tiro-

ner Otmar Derungs und mit Armin Joos aus dem Vin-

ler Schlipfkrapfen und Graukäse auf den Tellern zu

schgau die Räume zu besichtigen. Beides Nachbarn

finden sein. «Eine Dreiländerecksküche mit richtig

und gute Freunde von Hermann Klapeer. Ohne per-

guter Gastronomie», sagt Klapeer.

sönlichen Kontakt zu den Nachbarn läuft nichts.

piz 47 : Sommer | Stà 2014

AUSSTELLUNG: UBERGANG Bilder und Skulpturen von Otmar Derungs (CH) und Armin Joos (I) Vernissage: Sa., 9. 8. 2014, 17 h mit Acoustic Blues und Rock Rumantsch. Kostenlose Führung durch die Anlage um 15 h. Ausstellung bis 15. 10. 2014. Führungen durch die Festung: Dienstags 10 h oder auf Anfrage. Treffpunkt: Hotel Kajetansbrücke, Nauders Individuelle Besichtigungen: So – Fr 13 – 16.30 h. Eintritt 5 € www.altfinstermuenz.com

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Unser Schulfilm

24.04.13 12:52


1

2

Wie die Kartoffel in die Wurst kam Die Engadiner und die Südbündner Küche hat sich unter dem Einfluss der Händler und Hirten im Laufe der Geschichte stark gewandelt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Kartoffel den Speiseplan nachhaltig umgekrempelt.

Text: Dominik Flammer

K

nusprig und buttrig duftend kommt die Engadi-

menden Bündner Gerstensuppe und der Puschlaver

In sämiger Sauce werden die Mangold- oder

Pizzocheri sind die allermeisten heute bekannten Ge-

Krautwickel (Capuns) serviert und deftig-würzig

richte Graubündens noch relativ jung. Zumindest so,

dampfen die Puschlaver Buchweizen-Pizzoccheri aus

wie man sie heute zubereitet.

der Schüssel. Vielseitig und üppig sind die bekanntesten Gerichte Graubündens und nahrhaft wie die be-

Massiv veränderter Anbau

rühmteste Torte der Südostschweiz, die Engadiner

Verständlich wird das, wenn man weiss, dass sich der

Nusstorte. Doch so urtümlich und typisch älplerisch

Anbau von Nahrungspflanzen in Graubünden wie

die Küche des Engadins und der Südbündner Täler

auch in anderen Regionen des Alpenraums in den ver-

auch wirkt, so anpassungs- und wandlungsfähig war

gangenen 200 Jahren massiv verändert hat. Allein die

sie auch immer.

Kartoffel begann ab der zweiten Hälfte des 19. Jahr-

Vielerlei Einflüsse

22

Mit Ausnahme der aus dem tiefen Mittelalter stam-

ner Ofenrösti, die Plain in Pigna, aus dem Ofen.

hunderts die Bündner Küche nachhaltig umzukrempeln. Insbesondere die früheren mus- und breiartigen

Wie im angrenzenden Südtirol prallen auch im Enga-

Getreidegerichte wurden verdrängt. Maluns, eine Art

din all jene Einflüsse aufeinander, welche die Kulina-

Kartoffelribel, sind ein klassisches Beispiel dafür:

rik des Alpenraums über Jahrhunderte geformt und

Wurde zuvor vor allem der gekochte Buchweizen mit

verändert haben. Neue Einflüsse brachten nicht nur

eingesottener Butter in der heissen Pfanne zu einem

Tiroler Getreidekrämer und Ostschweizer Viehhänd-

klümpchenartigen Gericht gebraten, begannen die

ler vom Norden oder Bergamasker Schafhirten und Pi-

Bäuerinnen den Buchweizen im ausgehenden 18. Jahr-

emonteser Weinverkäufer aus dem Süden. Aus allen

hundert zusehends durch die Kartoffel zu ersetzen.

Richtungen beeinflussten auch die emigrierten Enga-

Die Zubereitungsart blieb sich in etwa gleich. Und

diner Zuckerbäcker die Gerichte, Gewürztraditionen

nicht nur das, selbst die Bündner Wursttraditionen

und Zubereitungsarten in ihrer alten Heimat.

kamen durch die neu in den Engadiner Gärten kei-

piz 47 : Sommer | Stà 2014


3

4

5

mende Kartoffel gehörig unter die Räder. Es soll lange

stimmt, die es sich eh kaum leisten konnten.

vor der Ankunft der südamerikanischen Wunder-

Gezüchtet wurden die Rinder, Ziegen und Schafe in

in der Casa Tomé in Poschiavo

knolle Metzger im Engadin gegeben haben, die ihre

erster Linie für die wohlhabenderen Schichten der

(Foto: Gian Giovanoli)

Würste auch mal mit Buchweizen aus dem Puschlav

Lombardei und des Piemonts. Denn dank dem direk-

gestreckt haben, gelegentlich auch mit gekochtem

ten Zugang über seine früh erschlossenen Pässe und

2 Pizzoccheri

Kohl. Vor allem aber mit Innereien, wie man dies von

dem direkten Anschluss über die Täler Südbündens

(Foto: Gian Giovanoli)

der Engadiner Hauswurst her kennt. So wie das die

erlebte die Viehzucht schon seit dem späten Mittelal-

Metzger im gesamten Alpenraum immer mal wieder

ter einen – im Vergleich zu anderen Regionen der

mussten, wenn die Menge des vorhandenen Schlacht-

heutigen Schweiz – beispiellosen Aufschwung.

fleisches nicht ausreichte, um genügend Würste für

1 Detail aus der alten Küche

3,5 Das Engadin ist auch ein Käse-Tal. (Foto: zVg, Joachim Negwer)

die hungernde Hofbevölkerung herzustellen.

Viel Fleisch – aber kein Geld

«Gestreckt» wurden die Würste mit bis zu fünfzig Pro-

In grossen Herden trieben die Bündner und teilweise

zent Getreide oder Gemüse, um so die Ausbeute der

auch italienische Viehhändler Rinder- und Schafher-

alljährlichen Hofschlachtung zu verbessern. Doch

den hinunter in die Poebene, wo die Nachfrage nach

5 Fleisch- und Käseplatte

das Getreide verschwand insbesondere im 19. Jahr-

Fleisch lange Zeit grösser war als das Angebot und eine

(Foto: Joachim Negwer)

hundert von den terrassierten Äckern des Unterenga-

wohlhabende Mittelschicht nach gutem Fleisch aus

dins, verdrängt durch die weit ertragsreichere Kartof-

den Alpen lechzte. Dass es in Graubünden grundsätz-

fel, die auf derselben Fläche bis zu fünfmal mehr

lich an Fleisch nicht mangelte, sofern man das nötige

Kalorien lieferte als das beste Getreide.

Kleingeld dafür hatte, davon zeugen unzählige tradi-

Liongia da tartuffels

von denen viele älter sein dürften als das allbekannte

So begannen die Hofmetzger etwa im Engadin, aber

Bündnerfleisch. Die vor allem mit Innereien herge-

auch in der Surselva, die Würste mit Kartoffeln zu stre-

stellte Engadiner Hauswurst gehört ebenso dazu wie

tionelle Bündner Wurst- und Fleischspezialitäten,

cken: Die Liongia da tartuffels war geboren, die heute

die Churer Beinwurst, der Salsiz oder die früher vor al-

von vielen Bündner Metzgern als Delikatesse angebo-

lem an Sonntagen kredenzte Andutgel, eine klassische

ten wird, derweil man früher die Kartoffelwürste nur

Bündner Feiertagswurst, die aus den edleren Fleisch-

am Familientisch gegessen hatte. Gästen wurde sie

stücken hergestellt wird.

äusserst selten vorgesetzt, denn in Notzeiten wurden Würste mit gar viel Kartoffeln gestreckt und fast ohne

4 Maluns (Foto: Andrea Badrutt)

Keine Hartkäse-Tradition

Fleisch gestopft, im besten Fall enthielten sie noch et-

Der Zucht von fleischreichem Vieh galt denn auch das

was Leber und vor allem Blut, um der Kartoffelmasse

Augenmerk vieler Bündner Bauern. Fette und harte

zumindest etwas Fleischfarbe zu verleihen. Im Volks-

Käse, wie man sie vor allem ab dem 16. Jahrhundert

mund hiessen sie deshalb bald einmal las liongias cat-

insbesondere in der Innerschweiz, im Berner Ober-

schen cagls, die Würste schlagen aus, wie man unter

land oder im Greyerzerland herzustellen begann, hat-

www.kulinarischeserbe.ch nachlesen kann.

ten aus diesem Grund in Graubünden nie eine Chance.

Dabei hätte es in Graubünden schon seit dem Mittel-

Gab eine Kuh Milch, so benötigte man diese vor allem

alter für reine Würste mehr als genügend Fleisch gege-

für die Aufzucht der Kälber. Und wurde die Milch ver-

ben. Nur war dieses nicht für die Einheimischen be-

arbeitet, dann erst, wenn man den Rahm abgeschöpft

piz 47 : Sommer | Stà 2014

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6 Kastanien – eine Bergeller Spezialität (Foto: Stefan Schlumpf)

7 Drei Sorten aus der Brauerei Engadiner Bier, Pontresina (Foto: Daniel Käslin)

und zu Butter verarbeitet hatte. Butter, die sich indes

ger mit ihrer Polenta aufzuwerten. Gut ein Jahrhun-

nur wenige Bauern regelmässig aufs Brot streichen

dert, bevor die aus Südamerika stammende Kartoffel

konnten, forderte doch die Kirche ihren Tribut, um

Graubünden eroberte, gehörte das ebenfalls von

mit dem brennbaren Milchfett ihre Gotteshäuser zu

Übersee eingeführte «Türkenkorn» längst zu den Er-

beleuchten. Ein wichtiger Grund, dass heute bei vie-

nährungstraditionen auf den Bündner Alpen. Und et-

len Bündner Spezialitäten nicht mit Butter gespart

was Maismehl gehört übrigens auch zum Rezept einer

wird, liegt sicher in der Reaktion auf die kargen Zeiten

echten Plain in Pigna.

früherer Jahrhunderte.

Üppige Butterküche

«Südgemüse» schon im 18. Jahrhundert Aus dem Süden kamen aber auch die Kastanien in die

Die üppige und buttrige Engadiner Fuatscha Grassa ist

Südbündner Täler, lange bevor man nördlich der Al-

wohl das beste Beispiel für den Butterhunger, der über

pen überhaupt je etwas von den Marroni gehört hatte.

die armen Jahrhunderte hinweg gewachsen sein

Tomaten, Broccoli oder Blumenkohl wurden im

dürfte. Dieses Mürbteiggebäck – dessen Name auf den

Puschlav, im Bergell oder im Misox schon im 18. Jahr-

italienischen Begriff Focaccia zurückzuführen sein

hundert angebaut und damit fast 150 Jahre bevor man

dürfte – gehört nebst der Engadiner Nusstorte zu je-

diese neuen «Südgemüse» in Zürich oder auch in Chur

nen Bündner Spezialitäten, die aus den Erfahrungen

überhaupt das erste Mal zu Gesicht bekam.

unzähliger, emigrierter Zuckerbäcker in fremden Lan-

Auch an guten Weinen mangelte es selten, denn viele

den resultiert.

der Bündner Viehtreiber kehrten von den Märkten in

Butter, Käse und Ziger stellten in ganz Graubünden

der Lombardei, im Südtirol oder im Piemont nicht nur

vor allem die Bergamasker Hirten her, die bis Ende des

mit Reis und Olivenöl, sondern vor allem mit Fässern

19. Jahrhunderts Jahr für Jahr mit ihren Schafherden

voller Wein zurück in ihre Gebirgstäler. Bier hatte

und den ihnen von den einheimischen Bauern anver-

dementsprechend lange Zeit keine allzu grosse Bedeu-

trauten Kühen über die Weiden der Engadiner Alpen

tung und wurde nur in wenigen Gasthöfen ausge-

wanderten. Sie brachten den Engadinern bei, wie man

schenkt. Schliesslich benötigte man die Gerste vor al-

auch aus Magermilch schmackhafte Käse und aus der

lem für die traditionelle Bündner Gerstensuppe, zu

Molke würzigen Ziger herstellen kann, wie der Enga-

der ein roter Veltliner auch heute noch besser passt als

diner Jachim Bifrun bereits 1554 in einem Schreiben

das Hopfengebräu, das seine grosse Verbreitung in

an den Zürcher Gelehrten Konrad Gessner rappor-

Südbünden erst mit den trinkfreudigen Après-Ski-

tierte. Eine präzise Beschreibung, die sich inhaltlich

Touristen fand.

kaum von jener Käsetradition unterscheidet, die heute noch in der Region des Bitto storico in den Bergamasker Alpen gepflegt wird. Wer erleben will, was früher auf den Bündner Alpen vorwiegend gegessen wurde, der wird sich an der einfachsten italienischen Küche orientieren müssen. Denn die Hirten brachten vor allem ihren Mais mit, ihren grano turco, um die karge Kost aus Molke und Zi24

7

piz 47 : Sommer | Stà 2014


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Lernen von St. Moritz Die Kulturwissenschafterin Cordula Seger und der Architekt Christoph Sauter sind in St. Moritz tätig. Sie beschäftigen sich mit der Entwicklung des Ortes, denn sie möchten, dass man aus der Geschichte lernt. Hier ihr persönlicher Bericht über die Entstehung ihres Buches.

Text: Christoph Sauter und Cordula Seger Fotos: Michael Peuckert

D

ie Situation haben wir schon öfters erlebt, ein

man Dinge im Detail sowie Entwicklungen im Allge-

Tourist fragt mitten auf der Via Serlas oder auf

meinen in Frage stellt und die Menschen vor Ort dafür

dem Schulhausplatz von St. Moritz Dorf: Wie

gewinnen möchte, aus dem Eigenen zu schöpfen, an-

bitte komme ich hier ins Zentrum? Die Antwort lautet:

statt sich von weit her am Fremden zu bedienen.

Das ist es, Sie sind schon da. Oder ehrlicher: Es gibt

Wie reich die eigene Geschichte ist, zeigt uns das viel-

keins. St. Moritz hat seine Mitte verloren, seine Seele

fältige Material, das wir für Forschung und Publika-

und damit die Wertschätzung vor Ort. Die Erwartun-

tion gesichtet haben: Romane und Bäder-Almanache,

gen, die die Marke schürt, werden kaum mehr einge-

Zeitungsartikel und Gesetzestexte, Memoiren und

löst. Besucherinnen und Besucher sind zunehmend

Nekrologe. Um zu begreifen, welche Entscheidungen

enttäuscht. Kein Wunder, dass viele St. Moritz als

dazu geführt haben, dass der Kurort geworden ist, wie

hässlich empfinden. Warum?

er heute erscheint, ist es von Bedeutung, möglichst

Weil der Betrachter im gebauten Gemenge kein Ge-

viele Stimmen zu hören, aber auch vieles zu sichten:

meinsames mehr erkennt und jene Gebäude, die von

Karten, Fotografien, Bilder, Pläne, Projekte und Häu-

Baukultur oder Geschichte zeugen – und davon gibt es

ser. All dies eröffnet den Blick hinter das Offensichtli-

einige –, nicht finden kann. Wie aber konnte es so weit

che und fördert das Verständnis dafür, wie das Se-

kommen, dass der schillernde «Festsaal der Alpen»

henswerte wieder sichtbar gemacht werden kann.

zum «Durcheinandertal» (so der Titel des Romans von Friedrich Dürrenmatt) wurde? Diese Frage, gepaart

Die touristischen Anfänge

mit dem Interesse für die grossartige Tourismusge-

St. Moritz ist auf Wasser gebaut, ohne seine Quelle

schichte des Oberengadins, treibt uns an, einen zwei-

würde es den Kurort in dieser Form nicht geben. Die

ten, eingehenderen Blick auf St. Moritz zu werfen.

erste erhaltene Quellfassung – mächtige, ausgehöhlte

Denn wir sind überzeugt, dass sich durch die Untersu-

Lärchenstämme zeugen davon – geht auf die Bronze-

chung des spezifischen Falls Einsichten gewinnen las-

zeit zurück. Im 16. Jahrhundert lobte niemand Gerin-

sen, die für Bauen für den Tourismus und Städtebau

geres als Paracelsus die heilende Kraft des Wassers.

im ländlichen Raum generell wichtig sind.

Von einem eigentlichen Kurbetrieb lässt sich seit dem

Vor Ort Seit zehn Jahren leben und arbeiten wir im Engadin.

BUCHTIPP St. Moritz. Stadt im Dorf Christoph Sauter, Cordula Seger 280 S., 325 Abbildungen, acht aufklappbare Tableaus mit Karten, Plänen und Schnitten, zwölf Interventionen, Verlag hier + jetzt, 2014, Fr. 89.– / € 80.–

26

19. Jahrhundert sprechen. Am Anfang steht das «Alte Kurhaus», ein stolzer Bau mit 60 Zimmern, 1856 vom St. Galler Architekten Fe-

Kennen gelernt haben wird das Tal schon früher, als

lix Wilhelm Kubly errichtet. Bis Mitte der 1870er-

wir hier waren, um mehr über die stolzen Grandhotels

Jahre entstanden in St. Moritz-Bad ein Park und Pro-

zu erfahren. Seither begleitet uns das reiche Touris-

menaden, eine französische Kirche und eine elegante

muserbe. Dank ihm haben wir zu verstehen gelernt,

Trinkhalle sowie die glanzvollen Hotels «Neues Kur-

dass man den Dingen nahe sein muss, um sie zu er-

haus», «Reine Victoria» und «Du Lac». All das wurde

gründen. Das Ferne ist zwar verlockend, macht neu-

in unmittelbarer Nähe zur Quelle in den sumpfigen

gierig, das Nahe und Nächste aber provoziert. Tagtäg-

Boden der Inn-Auen gebaut.

lich setzen wir uns in St. Moritz dieser Provokation

Mit ihrer strengen Symmetrie und den aufgespannten

aus – der Provokation der Nahsicht, die auch Nach-

Sichtachsen gaben sich die frühen Hotelbauten städ-

sicht bedeutet. Natürlich entsteht Reibung, wenn

tisch. Sie kümmerten sich wenig um die alpine Umge-

piz 47 : Sommer | Stà 2014



1

1, 2 Blick aus den Arkaden in St. Moritz-Bad ins «Niemandsland» und eine Vision, wie sich mit dem Projekt «StattMauer» dieser Ausblick völlig verändern könnte.

bung. Es entstand ein Ort des Kontrasts – eine mon-

rigoros privatisiert. Heute zeichnen sich Zweitwoh-

däne international geprägte Kuranlage inmitten der

nungshäuser vor allem dadurch aus, dass sie vom öf-

rauen Oberengadiner Bergwelt.

fentlichen Raum – wo einem riesige Garagentore ent-

Die Aussicht zählt

Einfahrt verkriechen – möglichst weit abrücken und

Als im Lauf der 1880er-Jahre der Wintersport an Be-

die begehrte Aussicht unbenutzt hinter herabgelasse-

deutung gewann, verlagerte sich das Geschehen zu-

nen Rollos verstecken. Angeheizt durch die massen-

nehmend vom Bad ins Dorf. Johannes Badrutt hatte

hafte Umnutzung von Hotels zu Zweitwohnungen

mit seinem «Kulm», der ehemaligen Pension Faller,

entstand eine Tyrannei der Privatheit. Die Aussicht

die er 1858 kaufen konnte, den Grundstein zum Win-

wurde zum alleinigen städtebaulichen Motor und

tertourismus gelegt. Das Hotel wurde zum zweiten

noch immer gelten Vorstellungen wie «Architektur ist

Wohnsitz einer schnell wachsenden englischen Kolo-

Geschmackssache» oder «wer zahlt, befiehlt».

nie, die sich gerne auch «The St. Moritzer» nannte.

28

gegengähnen und sich Haustüren verschämt in die

Die Gäste verbrachten ganze Monate vor Ort, finan-

Die Folgen der Vermarktung

zierten den Bau von Schlittelbahnen und Eisrinks und

Die Öffentlichkeit – dazu gehören Gäste und Gastge-

gaben gar eine eigene Zeitung heraus.

ber – hatte das Nachsehen. Während der Ort selbst

Das Dorf entwickelte sich – im Gegensatz zum Bad –

immer mehr an Identität einbüsste, reihte die Marke –

aus dem Bestand heraus weiter. Die neuen Hotels

der «Brand» – Erfolg an Erfolg: Der umtriebige Kurdi-

überformten die bestehenden Bauernhäuser und ein-

rektor Hans Peter Danuser liess den Namen St. Moritz

fachen Pensionen. Dabei spielte die Aussicht eine zu-

zusammen mit dem Slogan «Top of the World» 1985

nehmend wichtige Rolle. Hatten sich die alten Häuser

eintragen. So lässt sich nach den Neugründungen im

mit kleinen Trichterfenstern, wie in allen anderen

Bad und dem Umbau des Dorfs von einem dritten orts-

Dörfern des Engadins – von den ersten Touristen als

baulichen Prinzip sprechen, das die Physiognomie

Taglöcher geschmäht – auf die Strasse und den Brun-

von St. Moritz prägt: Es ist die konsumorientierte Fik-

nenplatz hin orientiert, wandten sich die Hotels im-

tion, die sich in den Fantasiepreisen für Boden und

mer mehr vom öffentlichen Raum ab. Mit Veranden

Häuser spiegelt.

und Panoramafenstern inszenierten sie den Blick auf

Was dies für St. Moritz bedeutet, offenbart jeweils die

See und Berge. Das zeigte sich bei den Neubauten be-

Zwischensaison besonders schonungslos: eine leere

sonders drastisch: Vom Hotel «Margna» (1907) beim

und verriegelte Kulisse. «Die Japaner sind anständig

Bahnhof zum «Grand Hotel» (1905) und dem «Carl-

und schimpfen nicht, die Engländer schon», fasst

ton» (1913) bis hinauf zum «Chantarella» (1912) wur-

Felix Schlatter, Hotelier des «Laudinella», Reaktionen

den die Hotels Stufe um Stufe übereinander in den

seiner Gäste zusammen. Gerade die Zwischensaison

Hang gebaut, wie die Logen eines Theaters.

offenbart, was Städtebau für den Kurort zu leisten

Während die Hotels mit ihren Vorfahrten und Hallen,

hätte, nämlich: Orte schaffen, die vom grossen Gan-

Terrassen und Restaurants die Öffentlichkeit bedien-

zen, vom Zusammenhang berichten. Gedächtnisorte,

ten und möglichst viele Gäste am schönen Blick teil-

die die Sehnsucht nach der Saison wach halten und

haben liessen, wurde mit dem einsetzenden Ferien-

die Teilhabe an der abwesenden Gemeinschaft sugge-

hausbau nach dem Zweiten Weltkrieg die Aussicht

rieren, selbst wenn viele Hotels, Läden und Restau-

piz 47 : Sommer | Stà 2014

2


3

4

rants geschlossen sind. Dies erreicht aber nur, wer den

rismuskrise, vielmehr wird sie zum langfristig ange-

3 St. Moritz-Bad (im Vorder-

Blick auf die verschüttete Schönheit und auf die viel-

legten Bollwerk gegen die Geschichts- und Gesichtslo-

grund) und St. Moritz Dorf sind

schichtige Geschichte des Orts lenkt.

sigkeit der touristischen Agglomeration Oberengadin.

zur Stadt geworden.

«Statt-Mauer» statt Stadtmauer

Mir ihr verfolgen wir eine gemeinsame, suggestive Bebauungsstrategie für die Zukunft des Kurorts: Bauen

4 St. Moritz-Bad den Spiegel

In unserem Buch «St. Moritz. Stadt im Dorf» schlagen

für den Tourismus fusst auf Identität und begründet

vorhalten: Die Kirche St. Karl,

wir deshalb vor, den Blick vom «äusseren Panorama»,

in der Differenz die «Stadt im Dorf».

das den Nachbarn immer als Störefried im Wettstreit um das beste Stück Aussicht begreift, hinein in den

ein Zeuge der Tourismusgeschichte.

Bestand zu lenken und das Miteinander zu verdichten.

Das Echo vor Ort

Dabei erkennen wir das Neue im Gewussten und er-

Zu den Analysen und Anregungen im Buch «St. Mo-

schliessen das «innere Panorama» des Kurorts. Um in

ritz. Stadt im Dorf» gibt es auch Echos aus dem Ort. In

diesem Panorama die Mitte zu stärken, ist es zentral,

seinem Vorwort ruft Gemeindepräsident Sigi Aspiron

jene Gebäude zu identifizieren, die ein Stück Kurorts-

dazu auf, Verantwortung für Missstände und Verpass-

geschichte verkörpern. Dazu gehören Hotels und tou-

tes zu übernehmen. Kritik und alles, was schwierig zu

ristische Infrastrukturen, aber auch private Bauten,

erreichen ist, solle man nicht einfach ablehnen. Er

die für den Ort, seine Lage und Bedeutung relevant

regt zu einem Gedankenspiel an: «Geben wir uns der

sind. Denn Häuser lassen sich schlecht verschieben,

Versuchung hin zu träumen, und vergessen wir für

ihre Wahrnehmung aber schon.

eine Weile, auf alle erwartbaren Widerstände einzu-

Und so führen wir das Wasser an die Sehenswürdig-

treten. Erfreuen wir uns an den visionären Gedanken

keiten heran, machen diese dank dem mäandrieren-

und fürchten uns nicht vor Illusionen! Die individuel-

den Inn oder einer neu angelegten Uferpromenade

len Interessen und das Eigentum, die Ämter und Ge-

wieder sichtbar und geben ihnen in der Zusammen-

setze, die Financiers und Investoren und nicht zuletzt

schau einen verständlichen, dem Beheimateten er-

die Politiker und alle anderen Realisten werden uns

klär- und dem Beherbergten erzählbaren Grund.

genug früh auf den steinigen Weg des Hier und Jetzt

Diese Stadtidee will zwischen Umraum und Gebau-

zurückholen.» Das Buch und dessen Projektvor-

tem einen spannungsreichen Dialog erzeugen und

schläge wecke bei ihm «Fantasie und Tatendrang».

mittels einer «Statt-Mauer» die Mitte befestigen. Indem sie sich dem Niemandsland der Zwischenräume

Der frühere Kurdirektor Hans Peter Danuser findet es

annimmt und diese zu Nachbarschaften fügt, schützt

im Nachwort «höchste Zeit, sich über die touristische

diese «Statt-Mauer» – anders als die Stadtmauer im

und bauliche Zukunft des Orts Gedanken zu machen.

herkömmlichen Sinn – nicht die Siedlung vor der

Dafür kommt dieses Buch zum richtigen Zeitpunkt.

Landschaft, sondern die Landschaft vor der weiteren

Noch besser wäre es schon 1950 erschienen, aber da-

Zersiedelung.

mals hatten die Engadiner ganz andere Probleme.

Die «Statt-Mauer» ist ein Resultat unserer zehnjähri-

Heute jedoch sollten wir die Chance packen und auf

gen Auseinandersetzung mit St. Moritz – sie lässt sich

der Basis dieser gesamtheitlichen Analyse fundiert

Zeit. Ihr Szenario versteht sich nicht als schnelle

prüfen, was noch zu retten ist und wie die Weichen für

Antwort auf die drängenden Fragen der aktuellen Tou-

die bauliche Zukunft von St. Moritz zu stellen sind.»

piz 47 : Sommer | Stà 2014

CHRISTOPH SAUTER hat Architektur an der ETH Zürich und der Columbia University in New York studiert. Seit 2004 leitet er sein eigenes Büro in St. Moritz.

CORDULA SEGER hat Germanistik und Kunstgeschichte in Zürich und Berlin studiert und beschäftigt sich als Kulturwissenschaftlerin mit den Schnittstellen zwischen Architektur und Literatur.

29


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Fluss oder Strom? Die Dichter stilisieren den Inn in der Engadiner Lyrik zum ewigen Sänger, zur Stimme des Engadins. Viele Kulturschaffende hatten sich auch gegen die Kraftwerkbauten engagiert. Dennoch fliessen jetzt Strom und Wasserzinsen.

Text: Clà Riatsch Fotos: Karin Isler

D

as Bedürfnis, die Treue zur Heimat zu bezeugen,

licht Bezzola seine Lieder per coros virils, vier Jahre

scheint nie so dringend, wie im Augenblick, in

später, 1893, erteilt die Gemeinde S-chanf eine der ers-

dem man sie verlässt. In der Heimwehlyrik der

ten Konzessionen zur Nutzung der Wasserkraft des

Bündner Emigranten ist der Treueschwur beim Ab-

Talflusses, des Inns.

schied immer wieder zu hören, die berühmteste Ver-

Vergleichsweise spät, herausgezögert durch die Welt-

sion ist wohl diejenige der Schlussverse von Andrea

kriege, das Schutzgebiet des Nationalparks und durch

Bezzolas (1840–1897) Adieu a l’Engiadina. Mit der Me-

die politische Opposition, erhält das Rauschen des

lodie von Theodor Gaugler wird dieses Gedicht als

Inns seinen historischen Schnitt: 1958 wird den Enga-

Chorlied bis heute gerne gesungen, der Anfangsvers

diner Kraftwerken die endgültige Konzession erteilt,

Ma bella val, mi’Engiadina ist ebenso zum Allgemein-

1970 wird das Kraftwerk in Betrieb genommen, das

gut geworden wie der Schluss, wo sich der pathetische

den Fluss zwischen S-chanf und Scuol in den Druck-

Emigrant zum Sprachrohr eines Kollektivs macht und

stollen zwingt. 1994 wird die zweite Stufe fertig, der

erklärt, wie exklusiv und wie lange unser Herz dem Tal

letzte Abschnitt des Engadins wird zur ruhigen Rest-

verbunden bleibt. Solange wie Mond und Sterne über

wassergegend.2 Immerhin rauscht jetzt die Land-

den Bergen leuchten, und:

strasse, die versandeten Ufer des ehemals reissenden Bergflusses werden endlich zum kindertauglichen

Fintant tras spelma l’Oen murmura;

Freizeitgelände, die neuen Grillplätze werden ge-

Nos cour non ama co a tai!

rühmt, vor Nostalgie wird gewarnt. 3

Solange der Inn zwischen Felsen rauscht,

Der grösste Sänger des Engadins

Liebt unser Herz nur dich allein! 1

Die auch im Tal chancenlose einheimische Opposition gegen die Engadiner Kraftwerke formiert sich in

Kein Zweifel, in einer Reihe mit dem Mond und den

32

den Fünfzigerjahren in der sogenannten Lia Naira,

Sternen über den Bergen ist das Rauschen des Inns ein

dem Schwarzen Bund (s. Seite 44). Sie zählt nur wenige

Bild für die Ewigkeit; die Liebe des Emigranten zu sei-

aktive Mitglieder, fast ausschliesslich Männer, darun-

nem Tal soll räumlich und zeitlich grenzenlos sein.

ter auffällig viele Literaten und Dichter. Zu den knapp

Das übliche poetische Bild wird von der Zeitgeschichte

zwei Dutzend eingeschriebenen Mitgliedern gehören

kurze Zeit später kräftig unterspült: 1889 veröffent-

Men Rauch, Men Gaudenz, Armon Planta und Jon Se-

piz 47 : Sommer | Stà 2014


madeni, als prominenteste Sympathisanten sind Reto

Chanzun da l’En [...]

Caratsch, Andri Peer und Cla Biert zu erwähnen. Ih-

schi’s taidla bain, minchün lur’ingiavina

nen geht es vor allem um den Erhalt des Inns, dessen

i’l chant per tuots alch be per el sulet.

Rauschen sie zum kulturellen Gedächtnis, zur Stimme des Tals und der Ahnen und damit zum Emblem des

Lied des Inns [...]

Romanischen stilisieren.

wenn man gut lauscht, errät ein jeder

4

im Gesang für alle etwas nur für sich allein. 6 Pionier und berühmtester Vertreter dieser Tradition ist der Dichter und Sprachkämpfer Peider Lansel

Damit ist nicht nur ein Ideal der Dichtung umrissen,

(1863–1943), der sich schon 1921 mit den Mitteln po-

sondern auch die Verbindung der kulturellen und per-

etischer Rhetorik gegen die sogenannte Industrialisie-

sönlichen Dimension jener Gewissheit skizziert, die

rung des Silsersees wendet. Ein geniales Projekt wollte

heute mit dem arg strapazierten Begriff der «Identität»

den See als natürlichen Stausee nutzen und über ei-

angesprochen wird.

nen Druckstollen in eine Zentrale ins Bergell leiten:

Die Stimme des Riesen Das Hohelied auf Tradition und Kontinuität kennt

Per far raps sforzessan la natüra

zwei komplementäre Bedrohungen seiner Wunsch-

Volvand l’aua dad ün’otra vart;

vorstellung, die Emigration der Eigenen, ils noss, und Um Geld zu machen, zwängen wir die Natur

die Immigration von Fremden, die mit dem berüch-

Das Wasser umleitend auf die andre Seite.

tigten «Ausverkauf der Heimat» umschrieben wurde

5

und wird. Im Rauschen des Inns ist, so sagen uns die Die Flussrichtung des Wassers ändern, eine alte rheto-

Dichter, zu beidem etwas zu hören.

rische Figur des Unmöglichen, das gilt dem Dichter als

In Peider Lansels La vusch da l’En («Die Stimme des

Emblem des Perversen. Dass auch diese Vorstellung

Inns», 1936) wird der Fluss zum Pendant des Emigran-

ihre Zeit hat, zeigen die unbestrittenen Pumpspei-

ten, er repräsentiert den «Sohn unseres Landes», der

cherwerke der Gegenwart. Peider Lansels auf Kontinu-

in die Welt hinaus muss, wo er zuerst seinen Namen

ität und Restauration eingeschworenes poetisches

und schliesslich sich selbst – im Meer – verliert. Könnte

Werk findet im Rauschen des Inns ein mächtiges Sym-

dieses Schicksal, fragt der Dichter, dem ruhigen Rau-

bol des Zeitlosen, der Fluss ist ihm jene natürliche

schen des Flusses etwas Tiefes geben, das man nie ver-

tiefe Stimme, die den zerstörerischen Lärm des Fort-

gisst?, alch da profuond chi nu s’invlida mâ? 7 Der mit

schritts übertönt. So wird der Inn zum gigantischen

der Aufgabe der Heimat verbundene Verlust des Na-

Patron der romanischen Dichtung, zum plü grand

mens ist auch in Andri Peers berühmter Engadin-

chantadur da l’Engiadina, zum grössten Sänger des

Hymne Larschs vidvart l’En («Lärchen über dem Inn»)

Engadins, womit die Herkunft des Sängers und der

aus dem Jahre 1955 thematisiert. 8

wichtigste Gegenstand seines Lieds gleichzeitig be-

Nach dem epischen Hohelied auf die Erstbesiedler des

stimmt sind. Was grosse Dichtung leistet, die Verbin-

Tals, deren klingende Werkzeuge im Rauschen des

dung des Allgemeinen mit dem Persönlichen und In-

Inns noch zu hören sind, wird gefragt, was die zurück-

timen, das macht dieser Naturgesang vor:

kehrenden Geister der Ahnen in ihrem Tal vorfänden:

LOCHKAMERA-FOTOS Die Fotos auf diesen Seiten hat die Basler Künstlerin Karin Isler (*1961) mit einer einfachen Lochkamera fotografiert. Nach der Ausbildung an der Schule für Gestaltung in Basel und einem Studienaufenthalt in New York konnte sie ihre Werke schon öfter ausstellen. Sie war auch Stipendiatin der Fundaziun Nairs, Zentrum für Gegenwartskunst, Scuol.


Vhè voss spierts ünsacura schi tuornan

als Stimme des Schuldgefühls auch in Andri Peers Re-

chattaran be suldüm vossa dmura

tuorn («Rückkehr») 9 aus dem Jahr 1975. Allein zurück-

e vendüda prad'e pas-chüra

gekehrt, «mit dem Zeichen der Ahnen im Blut», hört

Be ils larschs cun lur bratscha verda

der Emigrant die Wasseramsel:

faran tschegns cha vus inclegiaivat e l’En cun sa vusch da gigant

Il merl da l’aua

savarà amo dir vos nom

ha il clom

Weh, sollten eure Geister je zurückkehren,

E tü,

sie fänden öde eure Wohnung

che respuondast

Wiesen und Weiden verkauft

a l’En?

d’antruras.

Nur die Lärchen mit ihren grünen Armen Werden Zeichen geben, die ihr versteht,

Die Wasseramsel

Und der Inn mit seiner Riesenstimme

hat den Ruf

Wird eure Namen noch nennen können

von ehedem. Und du,

Die Spätgeborenen haben das Tal verkauft und damit

was antwortest du

die Ahnen verraten. Dass sie diese nicht mehr erken-

dem Inn?

nen und ihre Namen nicht mehr sagen, geschweige denn richtig aussprechen können, ist das mythische

des Inns, die peinliche Frage nach dem Grund der Aus-

sich selbst verkauft haben. Die alleinige Kontinuität

wanderung und nach der Entschuldigung für die

ist die natürliche. Die im Zeichen mythischer Meta-

späte Rückkehr. Dass der Inn zu diesem Gegenstand

morphose vermenschlichten Lärchen und der Inn mit

nicht nur die vorwurfsvolle Frage stellt, sondern auch

seiner Riesenstimme erkennen und begrüssen als Ein-

eine philosophische Antwort auf das Dilemma der

zige die Rückkehrer aus der Frühgeschichte. Damit

Auswanderung bereit hat, zeigt die Stelle aus Cla Bierts

übernimmt die Wasserader die Garantie für Traditio-

La müdada (1962), wo sich der unentschlossene Prota-

nen, die das Blut in den Adern der Dekadenten nicht

gonist wünscht, er könnte es wie der Fluss machen: i’s

zu übernehmen vermag. Dass der Inn und die «Ader»

stess pudair far sco l’En: adüna qua ed istess adüna in

des Dichters mythisch miteinander identifiziert wer-

viadi, «man sollte es machen können wie der Inn: im-

den, zeigen die Verse der ersten Strophe, wo die «Stim-

mer da und doch immer auf Reisen». 10

men des Wassers» zugleich die «Quellen der Erinne-

34

Rhetorisch wirkungsvoll verschwiegen ist die Frage

Indiz dafür, dass sie nicht nur die Landschaft, sondern

rung» sind, die nicht nur im Innern des Dichters

Die Rückkehr des (Sprach-)Flusses

rauschen, sondern in seinem Blut, in der «dunkelro-

Fragen nach einer möglichen Schuld im Umgang mit

ten Nacht des Gehörs».

der Natur kommen aus dem Jenseits der eigenen Le-

Die Rückkehr der Ahnen ist kein beliebiger Spuk, son-

benszeit, die Geister der Toten können sie stellen, aber

dern ein Kontrollgang, vor dem sich der Spätgeborene

auch die Phantasmen noch ungeborener Nachkom-

mit gutem Grund fürchtet. Und so meldet sich der Inn

men. Auf sie werden Restaurationsphantasien proji-

piz 47 : Sommer | Stà 2014


ziert, von ihnen erhofft man die Wiederherstellung

der pathetischen Vorhersage früher Sprachkämpfer,

dessen, was man in unbedachter Sorglosigkeit aufge-

wonach die Aufgabe der eigenen Sprache einen un-

geben hat. Das erwartete Urteil später Nachkommen

wiederbringlichen Verlust bedeutet und zu nicht be-

ist für Cla Biert nicht ohne Komik und Ironie stilisier-

hebbarer Sprachverwirrung führt. Was der italieni-

bar, und so versucht er es im Jahr 1971 mit einer ge-

sche Sprachwissenschaftler Graziadio Ascoli (1829–

nüsslichen Imitation eines Schulaufsatzes, der von

1907) als materia romana e spirito tedesco umschreibt

seinem Ururenkel im Jahr 2071 verfasst wird. Der

und viele Puristen als «deutsch gedacht und roma-

Zweitklässler schreibt auf Deutsch, berichtet von ei-

nisch gesprochen» beanstanden, ist hier ins Gegenteil

nem Schulausflug nach S-charl und von seiner Erwar-

verkehrt, der späte Nachkomme bleibt in seinem

tung, dass zwei Verschwundene ins Tal zurückkehren,

Deutsch romanischen Mustern des Satzbaus verhaftet,

der Inn und das Romanische:

die zum Indiz eines romanischen Denkens stilisiert werden. Trotz ironischer Verhöhnung der Sentimen-

L’an 2071

talität des «Leerers», der noch «abiz» Romanisch kann

Aufsatz von Cla Biert 2. Klasse Primar

und beim Singen von Bezzolas Adieu a l’Engiadina

[...] und der Leerer hat erzählt von der Geschichte von

«immer Tränen kriegt», trotz der Komik der Euphorie

Val S-charl und von mein Uhr-Uhr-grossvater wo noch

des Jungen, dessen Romanisch nicht über Fifa la Kri-

auf Rumantsch geschrieben hat. Und der hat der

scha hinauskommt, zeigt sich auch hier die mythi-

Name gehabt präzis wie ich. Der ischt schon lange tot

sche Verbindung der beiden «Reden», die miteinander

und war fascht 2 Meter. Und dann haben wir gesun-

ins Tal zurückkehren sollen, das Romanische und das

gen das Lied Fin tanter Spälma l En murmuren wo im-

Rauschen des Flusses.

mer am Schluss kommt Mais Kor nun amen koa tai. Das ischt sehr schön. Und unser Lerer wo noch abiz Rumantsch kann kriegt immer Tränen bei dem Lied. Unser Alter leerer sackte ab Heute müssen wir wieder Rumantsch leeren jawoll weil auch der schöne Inn wieder so ischt wie in alter Zeit. Ich möchte sehr gern Rumantsch können, Fifa la Krischa! 11 Der Kleine unterschreitet orthografische Normen und schafft es nicht, sein Standarddeutsch gegenüber dem Schwyzerdütsch abzugrenzen, ein durchaus realistischer Zug der Imitation des schriftlichen Ausdrucks eines Zweitklässlers. In seinem Aufsatz drückt aber noch eine andere Sprache durch, das Romanische, das den Satzbau und damit die grundlegende Struktur seines Sprachgebrauchs färbt. «Der Leerer hat erzählt von der Geschichte», «Und dann haben wir gesungen das Lied»: Was hier vorgeführt wird, ist die Erfüllung

A. Bezzola, «Adieu a l’Engiadina», in: ASR XXIII, 1909 Zur Geschichte der EKW und des Widerstands gegen sie: D. Truttmann, «L’otra vusch da l’Engiadina bassa: La Lia Naira e sia resistenza encunter la construcziun dad ovras idraulicas en Engiadina», in: ASR CXXII, 2009 3 N. Bardola, «Schlemm», München, A1 Verlag, 2005 4 Ausführlich dazu D. Truttmann, wie Anm. 2 5 P. Lansel, «Cunter l’uscheditta industrialisaziun dal lai da Segl» 1921, in: A. Peer ed., «Poesias originalas e versiuns poeticas» UdG, LR, 1966 6 P. Lansel, «Il plü grand chantadur», 1939, in: A. Peer wie Anm. 5 7 P. Lansel, «La vusch da l’En», 1936, in: A. Peer wie Anm. 5 8 A. Peer, «Larschs vidvart l’En», in: «Battüdas d’ala», Winterthur, Mustér, 1955 9 A. Peer, «Il chomp sulvadi». Poesias, Winterthur, 1975 10 C. Biert, «La müdada», Thusis, Roth, 1962 11 C. Biert, «L’an 2071». Aufsatz von Cla Biert 2. Klasse Primar, in: «Caricaturas», Ed. Chardun, Zernez, 1981 1

2

piz 47 : Sommer | Stà 2014

35


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16.04.14 07:58



Fischen: Passion und Ausgleich Seit seiner Jugend streift der Fliegenfischer Adrian Taisch den Bündner Gewässern entlang. Am liebsten fischt er heute am Inn. Und er hofft, auch noch hier zu stehen, wenn er alt und grau ist, denn Fischen sei das Letzte, was er aufgeben würde.

Text: Corinne Riedener

E

s braucht Können, aber auch eine Portion Glück –

Adrian Taisch vertritt Prinzipien, aber rigoros ist er

im Leben, wie in der Fischerei», stellt Adrian

nicht. «Denkanstoss statt Werturteil» sei seine Devise,

Taisch fest. Für Sekunden scheint der 40-Jährige

sagt er, lacht und schon ist die vermeintliche Strenge

von der Vergangenheit zu träumen. Dann wechselt er

weg, verschwunden unter den sonnengebräunten

ohne weiteren Kommentar in die Gegenwart und be-

Lachfalten. Die zeigen sich auch, wenn er als «Wasser-

richtet vom schönen Leben in und um Scuol, von sei-

mann» bezeichnet wird; dann vernimmt man sein

nem Geburtsort, seiner Heimat, wie er mehrfach be-

bäriges, ansteckendes Lachen hinter seinem Jägerbart,

tont. Adrian Taisch war allerdings lange Zeit weg.

einem «Henriquatre», wie der Schnitt von Profis ge-

Sieben Jahre ist es her, seit er zurückgekehrt ist und

nannt wird. «Wassermann triffts ziemlich exakt»,

aus der einstigen Schicksals- seine neue Wahlheimat

amüsiert er sich, «aber mein Sternzeichen ist Fisch».

machte. Mittlerweile ist er technischer Leiter des

Die auffällige Kette um seinen Hals mit dem silbernen,

Bogn Engiadina. Ein waschechter Engadiner und ein

fast drei Zentimeter langen Fisch trage er aber nicht

«Wassermann» sozusagen.

aus astrologischen Gründen, sondern weil er eben Fi-

Zwischen Adrian Taisch und seinem Lieblingsele-

scher sei – passionierter Fliegenfischer.

ment, dem Wasser, lassen sich Parallelen finden. Beide

Adrian Taisch ist Präsident des Unterengadiner Fische-

haben etwas Ursprüngliches, und wie das Wasser

reivereins und sitzt auch im Vorstand des Kantonal-

kennt auch der selbstbewusste Fischer mehrere «Ag-

verbands. Nicht als Erster in der Familie, denn Angeln

gregatszustände». Der kraftvolle Mann zeigt überra-

hat Tradition bei den Taischs. Stundenlang kann er

schend flüssige Bewegungen. Mit seiner farbigen und

am Wasser verweilen, wie schon sein Vater und sein

warmen Stimme macht er manch pointiert-kühle

Grossvater, von denen er gelernt hatte. 16 war er da-

Feststellung, mitunter in einem trockenen Humor.

mals. Und auch sein zwölfjähriger Sohn Gian Luca

Seine stahlblauen Augen scheinen alles zu registrie-

fischt bereits mit Begeisterung. «Regelrecht angefres-

ren. Und wenn er nachdenklich die Stirn runzelt,

sen, sogar verbissener als ich es früher war», urteilt der

wirkt er fast schon grossväterlich streng.

Vater und zeigt stolz ein Handy-Foto des Juniors mit dessen bisher grösstem Fang, einer «47er»-Forelle.

38

Beachtliche Fänge

In der halben Welt unterwegs

Heutzutage geht es beim Fischen weniger um das Nah-

Taisch geniesst diese Stunden mit seinem Sohn. Oft

rungsmittel Fisch, sondern um die Passion. Dass dem

packten sie ihre Rucksäcke. «Zusammen unterwegs

so ist, davon kann man sich im Engadin jeweils am

sein bedeutet Zeit füreinander haben, lachen, stän-

1. Mai überzeugen, wenn die Fischerei-Saison beginnt.

kern und dann in eine Wurst beissen oder schweigend

Von Maloja bis hinunter nach Martina säumen dann

die Natur bewundern – klassische Angelausflüge, ich

jeweils am ersten Tag der neuen Saison schon am frü-

weiss», sagt er grinsend, «aber sie schweissen zusam-

hen Morgen Hunderte von Fischerinnen und Fischern

men, egal wie altbacken man das finden mag.» Selber

die Ufer. Die Fänge im Engadin sind beachtlich. 2013

hatte er einst mit 15 Jahren Scuol verlassen und in

wurden knapp 33'000 Fische allein aus den Oberenga-

Chur eine Ausbildung zum Maschinen- und Elektro-

diner Seen gezogen, über 34'000 Fische haben im Inn

mechaniker absolviert. Danach zog es ihn überall hin

und seinen Zuflüssen angebissen. Ueli Handschin

– ausser zurück nach Hause. Jahrelang war er in den

piz 47 : Sommer | Stà 2014


1

3

1 Hier drin stecken die Geheimnisse des erfolgreichen Fliegenfischens. 2 Auswerfen will gerlent sein: Szene aus einem Jungfischer-Kurs. (Fotos: May Wendt) 3 Adrian Taisch: ÂŤFischen ist mein Ausgleich zum Alltag.Âť (Foto zVg)

2


USA auf Montage, in Mexiko, Kanada und in europäi-

noch vor zehn Jahren.» Das alleine reicht ihm aller-

schen Ländern. «Ein Traumjob», schwärmt er, «mit

dings nicht. Nachhaltigkeit beginne im Kleinen, etwa

Verantwortung, Herausforderungen und einem guten

indem man einen Fang wieder ins Wasser zurücklässt.

Gehalt. Dabei lernte ich viele eindrückliche Men-

Taisch selber verspeist seine Fänge ohnehin nicht. Er

schen und Kulturen kennen.»

bevorzuge Fleisch, aber das sei nicht der Grund. «Fi-

Diese Wanderjahre hätten ihn weltoffener werden las-

schen hat für mich nichts mit Nahrungsbeschaffung

sen und toleranter. Besonders gerne denkt er an Me-

zu tun. Es ist mein Ausgleich zum Alltag. Fischen

xiko zurück. «Rumantsch hat nämlich einen grossen

heisst sein, fischen heisst die Umwelt betrachten,

Vorteil», lacht er, «Spanisch ist gar nicht so schwer zu

nach seltenen Tieren Ausschau halten, eigene Köder

verstehen.» Es war eine gute Zeit für den jungen Glo-

herstellen.» Für Kollegen, die ihre Fänge verkaufen,

betrotter. Er war 27 und gerade in Bordeaux, als er von

hat er wenig übrig. Oder für solche, die die maximal

seiner damaligen Freundin die Nachricht von der

erlaubte Fangzahl um jeden Preis ausschöpfen wollen,

Schwangerschaft erhielt. Unverzüglich hatte er seine

um anschliessend am Stammtisch damit zu prahlen.

Sachen gepackt.

«Das ist schlicht unethisch.»

Die Schwellen umbauen

Von Schonzeiten und Anglerglück

Zurück in die Schweiz hiess auch zurück ins Engadin,

Stolz berichtet er von einem Fang seines Juniors: Von

zurück an den Inn. Doch die Region hatte sich in der

einer Forelle, die Gian Luca mit folgenden Worten zu-

Zwischenzeit verändert. Lebensräume gingen verlo-

rück in den Fluss gelassen habe: «Du darfst noch ein

ren, Kleinkraftwerke entstanden, neue Gewässer- und

Jährchen weiterwachsen.» Ganz der Vater offenbar.

Fischereiverordnungen waren in Kraft und die Forel-

Und dann kommt er auf seine Lebenspartnerin Rosi

lenfänge waren zurückgegangen.

zu sprechen. Sie sei die ideale Gefährtin: «Sie besitzt

«Zeit, umzudenken», sagte sich der Heimkehrer und er

nicht nur ein eigenes Fischerei-, sondern auch ein

begann sich für die Revitalisierung der Gewässer ein-

Jagdpatent.» Manchmal fahren sie zusammen nach

zusetzen. Er nimmt regelmässig die Jung- und Neufi-

Südtirol, wo Rosi aufgewachsen ist. «Dort darf man

scher unter seine Fittiche. Im Frühling 2014 besuch-

nämlich bereits ab März fischen», grinst Taisch und

ten 40 junge Leute den Kurs, an dem er unter anderem

setzt an zum detaillierten Exkurs über die Unter-

zeigte, wie man eine Bienenmade als Köder am Haken

schiede kantonaler und nationaler Fischereigesetze.

befestigt. Für die Jungen ist seit einigen Jahren der Be-

Die Kurzversion: Wegen des Klimas ist in den Bündner

such der Fischereikurse obligatorisch. Das habe sich

Gewässern fischen in der Regel nur zwischen Mai und

als sehr positiv herausgestellt: «Junge fischen ethi-

September erlaubt.

scher», stellt er fest.

Was er im Sommer dann an der Angel hat, hängt nicht

Adrian Taisch engagiert sich auch für den Umbau von

zuletzt vom Glück ab. Und einen Wunsch hat er noch

problematischen Flussschwellen. «Sind sie zu hoch,

bis zum vollkommenen Fischerglück: «Einmal im Le-

werden sie zu Todesfallen», erklärt er. Zwar gibt es

ben will ich noch nach Alaska, Lachse fischen.»

dazu schon seit 1991 einschlägige Vorschriften und seit der letzten Revision des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes vor drei Jahren sind die Kraftwerks-

Lehensfischer am Silsersee

betreiber für die Sanierungen verantwortlich. Aber es

Urkunden belegen, dass die Fischerei schon im Mittel-

gebe noch über hundert Problemschwellen allein im

alter genau geregelt war. Sie war das Recht der Kaiser

Kanton Graubünden.

und Könige. Kaiser Otto I. überliess im 10. Jahrhun-

Verband mit mehr Einfluss

40

dert Bischof Hartberg den Churer Hof und damit auch das Recht zur Fischerei in den Ländereien des Bistums.

43 Fischereivereine sind im Kanton Graubünden im

Die Bischöfe gaben dieses Recht als Lehen an ihre Un-

kantonalen

zusammengeschlossen.

tertanen weiter und liessen sich dafür gut entschädi-

Das Amt für Jagd und Fischerei in Chur hat im letzten

gen. So hatten die Lehensfischer vom Silsersee dem Bi-

Dachverband

Jahr über 9500 Fischereipatente ausgestellt. Taisch ist

schof von Anfang Mai bis Ende September 500 grosse

stolz auf seine Kolleginnen und Kollegen. «Das Um-

Fische abzuliefern. Ritter Johannes von Planta soll im

denken hat auch in den Vereinen stattgefunden», lobt

14. Jahrhundert aus dem Silser- und dem Silvaplaner-

er, «und dank des Dachverbands hat die Fischerei

see sogar 4000 Fische pro Saison bezogen haben.

heute mehr Einfluss auf Politik und Gesellschaft als

Ueli Handschin

piz 47 : Sommer | Stà 2014


piz : Publireportage

Golfen, wo Tradition zu Hause ist Seit 1893 ist Golfen im Engadin Tradition und zum Symbol geworden für unvergleichliche alpine Natur, Gastfreundschaft und viel Sonne! Im wohl schönsten Hochtal der Welt erwartet Sie ein Golfangebot der Spitzenklasse. Die 18-Loch-Plätze in Samedan und Zuoz-Madulain inkl. moderner Trainingsanlagen, Golf Academy, Restaurants und Pro-Shops sind bis Ende Oktober für Sie geöffnet.

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11. – 16. August 2014

Annika Academy exklusiv im Engadin Der Name Annika Sörenstam spricht Bände und für sich. Die Chef-Instruktoren der Top-Golfschule aus Florida bieten im Engadin europaweit exklusive, jeweils dreitägige Golfkurse an. Sie werden sich und Ihrem Golfschwung wohl keinen grösseren Gefallen tun können … Don’t miss it!

4. – 7. September 2014

28. Internationale Herbst Golf Woche Farben und Licht stimmen den Herbst an und die Engadiner Bergwelt läuft

zur Hochform auf. Zeit für den Klassiker, die Internationale Herbst Golf Woche. Nur schon die Teilnahme an diesen vier Turniertagen wird mit einem aussergewöhnlichen Golferlebnis belohnt!

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piz : Publireportage Fotos: Arnaud Delalande

Handwerkliche Qualität mit funktioneller Gestaltung Der Werdegang von David Rohrbach ist spannend: Seine langjährige Berufserfahrung als Möbelschreiner eignete er sich in seiner eigenen Schreinerei in Seattle (USA) an. Dort, am Northwest College of Art, hatte er auch Design studiert. Weitere zehn Jahre war er in Samedan für Ramon Zangger als Schreiner tätig. 2009 wagte er den Schritt zu seiner eigenen Schreinerei in Zernez. David Rohrbach verarbeitet verschiedene Holzarten, unter anderem auch einheimi-

MÖBEL NACH MASS

Massenproduktion gibt es bei David Rohr-

Dank dem grossen Design-Verständnis von David Rohrbach entstehen individuelle und

sches Arven- und Lärchenholz. Wichtig ist

bach nicht. Alle Möbel sind Einzelstücke

einzigartige Modelle, seien es Innenaus-

ihm dabei, dass er Holz verarbeiten kann,

und werden in enger Zusammenarbeit mit

bauten, Einbauschränke, Treppen oder

welches aus den umliegenden Wäldern

den Kundinnen und Kunden entworfen.

Küchen. Nicht nur auf Form und Gestaltung, sondern auch auf die Funktionalität wird

kommt, oder Hartholz, das aus der Schweiz stammt. Die Arvenholzmöbel könnten des-

sehr viel Wert gelegt. Ein Arvenschrank, ist

halb das Label «100 % Engadin» tragen,

auch bei David Rohrbach ein Arvenschrank,

wenn es dieses geben würde. Untersuchun-

aber mit der richtigen Wahl des Holzes und

gen zeigen, dass sich Arvenmöbel positiv auf

dem spannenden Innenleben bietet er mehr.

den Kreislauf auswirken. In modernen ForSKULPTUREN

men lassen sie sich ideal mit zeitgenössi-

Eine weitere Spezialität von David Rohrbach

schen Möbeln aus anderen Materialien

sind seine Skulpturen. Mit Präzision schafft

kombinieren und setzen dabei starke Akzente. Speziell Kunden ausserhalb des En-

er Kunstwerke in allen Grössen, vom hand-

gadins schätzen die moderne Gestaltung.

geschnitzten Schachspiel bis zur riesigen

AUSSTELLUNG NEBEN WERKSTATT

(fast) keine Grenzen gesetzt.

Skulptur im Wald. Der Phantasie sind dabei Als Besucherin oder Besucher hat man im Betrieb von David Rohrbach den kompletten Überblick. Eine alte, gemütliche Engadiner Stube dient als Ausstellungsraum. Die Möbel können vor Ort besichtigt und ausprobiert werden. Auch bei der Produktion

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hat er nichts zu verbergen: Direkt aus der Ausstellung kann man einen Blick in die Werkstatt werfen und zusehen, wie ein Möbel entsteht. Eine spannende Aussicht.

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1

2

3

«Lia Naira», die frühen Grünen Ende der 1950er-Jahre regte sich im Engadin heftiger Widerstand gegen die damals geplanten und heute längst realisierten Kraftwerksprojekte am Inn. Federführend war die «Lia Naira». Wer war die Gruppierung, was wollte sie und hat der Widerstand genützt?

Text: Jürg Wirth Fotos: Archivmaterial zVg / Jürg Wirth

D

er Saal war riesig, jedenfalls im Vergleich zu un-

Oppositionsbündnisses gegen den geplanten Bau der

nert sich an ihr Referat, das sie vor fast sechzig

Kraftwerke. «Lia Naira» bedeutet schwarzer Bund –

Jahren in Zürich hielt. «Mir haben die Knie geschlot-

ein Name, der nicht von den Mitgliedern der Gruppe

tert, das Herz schlug bis in den Hals und der Mund war

erfunden wurde, sondern von den Kraftwerksbefür-

trocken.» Doch sie war überzeugt von ihrer Mission,

wortern. An einer von Kraftwerksgegnern organisier-

blickte über die Köpfe der Anwesenden hinweg und

ten Veranstaltung im Gemeindesaal von Scuol im Ja-

begann zu sprechen. Sie wollte das Publikum davon

nuar 1957 seien die Veranstalter spöttisch als «Lia

überzeugen, im Dezember 1958 den Spöl-Staatsver-

Naira» bezeichnet worden, weil sie ihre Sitzungen im-

trag (siehe «Staatsvertrag» Seite 46) abzulehnen. Die Zu-

mer nachts abzuhalten pflegten. Tagsüber hätten sie

hörer nahmen ihr Votum wohlwollend auf, das Publi-

eben arbeiten müssen, konterte Armon Planta süffi-

kum im Saal war auch gegen den Vertrag.

sant. So beschreibt es David Truttmann 2009 in seiner

Da machte Jacques Guidon deutlich schlechtere Er-

Dissertation «Die andere Stimme aus dem Unterenga-

fahrungen. Als Jungspund engagierte er sich damals

din. Die ‹Lia Naira› und ihr Widerstand gegen den Bau

im Engadin gegen die «Stromer» und begleitete Jon Se-

der Engadiner Kraftwerke».

madeni zu einem Vortrag an einen FDP-Parteitag.

44

Alle vertraten sie die Interessen der «Lia Naira», eines

serer Turnhalle.» Leta Gaudenz aus Lavin erin-

«Wir wurden nicht ernst genommen und niederge-

Prominenz unter den Kraftwerksgegnern

macht», erinnert er sich.

An der Sitzung vom 24. Februar 1957 nahm die Gruppe

Leta Gaudenz und Jacques Guidon kämpften beide ge-

den ihr aufgedrückten Stempel als eigenen Namen an

gen den Spölvertrag – und machten völlig unter-

und verteilte die wichtigsten Ämter: Präsident wurde

schiedliche Erfahrungen. Leta Gaudenz sprach auf

respektive blieb Giachen Arquint, zum Kassier wurde

Einladung von Monica Bleuler-Bisaz, der Ehefrau des

Nuotaporta Gaudenz gewählt. Weitere wichtige Mit-

Psychiaters Manfred Bleuler. Guidon und Semadeni

glieder waren Armon Planta aus Sent und Nicolin Bi-

mussten sich selber zum Parteitag einladen.

schoff aus Ramosch. David Truttmann rechnet dem

piz 47 : Sommer | Stà 2014


4

Widerstand 21 Personen zu, viel lokale Prominenz

5

6

zurück zum Bahnhof führte. Auf den Plätzen hielten

1, 6 Drastische Illustrationen

und die Intelligenzia. Auch der Lehrer und Schriftstel-

sie an und sangen. Die meisten Leute hätten sich ge-

aus dem Argumentarium der

ler Jon Semadeni gehörte der Opposition an.

freut, auch weil die Frauen alle eine Engadinertracht

Kraftwerksgegner.

Eine Motivation, sich der «Lia Naira» anzuschliessen,

trugen. Es habe aber auch Menschen gegeben, die sie

nannte Nicolin Bischoff – der ebenfalls in der Grup-

beschimpft hätten, erinnert sich die Aktivistin von

2, 4, 5 Drei der damaligen Aktivistinnen und Aktivisten:

pierung aktiv war – in einem Artikel im «Chalender

damals. Es gab grundsätzlichen Protest, dass sich die

Ladin» 2001: Der Strukturwandel in den 1950er-Jah-

Engadinerinnen in die Politik einmischten – schliess-

Jacques Guidon, Giachen

ren, der Rückgang der Bauernbetriebe, die techni-

lich sollte es bis zur Einführung des Frauenstimm-

Arquint und Leta Gaudenz.

schen Veränderungen in der landwirtschaftlichen Ar-

rechts in der Schweiz noch über zehn Jahre dauern.

beit und das damals befürchtete Verschwinden des

«Hätten die Frauen damals schon abstimmen dürfen,

3 Das Kraftwerksprojekt in

Rätoromanischen hätten einige Männer dazu bewo-

es wäre anders herausgekommen», mutmasst Jacques

einem Übersichtsplan aus den

gen, sich gemeinsam Gedanken zu machen über die

Guidon im Rückblick. «Sie hätten vernünftiger ge-

1950er-Jahren.

Zukunft des Engadins. Dieses gute Dutzend Männer

stimmt», ist er überzeugt. Die «Lia Naira» selber war

hatte Mitte der 1950er-Jahre die Gründung der Ge-

ein reiner Männerbund mit Lehrern, Pfarrern oder

meindekorporation «Pro Engiadina Bassa» vorge-

Akademikern als führende Köpfe.

schlagen, doch sie scheiterten damals an der Uneinigkeit in der Frage der Wasserkraftnutzung. Diejenigen,

Die ersten Grünen

die gegen eine masslose Ausbeutung der Engadiner

Leta Gaudenz bezeichnet die «Lia Naira» als die ersten

Flüsse gekämpft hatten, machten aber weiter. Und so

Grünen und Linken im Engadin. Und obwohl sie da-

wurde das Los der Bauern, ja der ganzen Talbevölke-

mals nicht politisch mitreden konnten, wollten sich

rung, die Angst um das Verschwinden der Sprache

die Frauen einmischen, weil sie das als ihre Pflicht an-

und die Ausbeutung des Inns zu den wichtigsten Ar-

sahen. «Die Herzen vieler Engadiner seien bereits ge-

gumenten der «Lia Naira».

blendet gewesen vom Geld», erklärt sie. Auch Politiker

Frauen in Tracht demonstrieren in Zürich

Guidon nach.

seien den Verlockungen des Geldes erlegen, doppelt

Die Frauen kämpften mit Gesang gegen die Kraft-

Das Fass zum Überlaufen, respektive die Frauen zum

werkspläne. Am Morgen nach ihrem Vortrag in Zürich

Protestieren, brachten die Propagandafilme der Kraft-

machte sich Leta Gaudenz auf zum Bahnhof, um wei-

werksbefürworter. Diese zeigten die Engadinerinnen

tere Engadinerinnen abzuholen, die für einen Protest-

immer in der Tracht und stellten die Bevölkerung als

marsch nach Zürich gereist waren. Sie traute ihren Au-

arm und eher zurückgeblieben dar. «Das ging so weit,

gen kaum und war überwältigt, als etwa fünfzig

dass im Film die Einheimischen Kartoffeln aus dem

Frauen aus dem Zug ausstiegen. Giachen Arquint, der

Schnee ausgraben mussten», ereifert sich Guidon. Der

ebenfalls vor Ort war, habe Tränen in den Augen ge-

Protestzug der Frauen in Zürich diente denn auch

habt, erinnert sie sich. Als Erstes sangen die Frauen

dazu, die «Ehre der Engadinertracht» wieder herzu-

schon in der Bahnhofshalle «Chara lingua da la

stellen. Mehr noch: Auch in einer Trachtenfrau steckt

mamma», weiss Leta Gaudenz noch. Dann starteten

Opposition. Nach dem Umzug in Zürich fuhren die

sie ihren Umzug, der durch die Bahnhofstrasse bis

Frauen nach Basel, wo sie ebenfalls durch die Stadt zo-

zum Bellevue und dem Limmatquai entlang wieder

gen. Dort, so erinnert sich Leta Gaudenz, habe ein

piz 47 : Sommer | Stà 2014

45


Mann etwas ganz Böses aus dem Fenster gerufen. Da

verlust in Form von Heimatlosigkeit. Man hatte Angst

sei aber flugs die Polizei zur Stelle gewesen und habe

davor, dass Bauern ihre Betriebe aufgeben, um leichtes

ihn verhaftet.

Geld bei den Kraftwerken zu verdienen. Und man

Der Auftritt der Engadiner Trachtenfrauen in den

fürchtete sich auch davor, dass viele Stellen bei den

grossen Schweizer Städten sorgte für Rauschen im

Kraftwerken durch Auswärtige besetzt würden.

Blätterwald. Die NZZ schrieb von einem «lieblichen

Für Tradition und ihre Sprache standen auch die

Defilee». Die «Lia Naira» selbst hatte es schwerer, ihre

Frauen ein. In Bern zogen sie nach einem kurzen Um-

Meinung zu verbreiten. Die Spalten der Bündner Zei-

zug durch die Stadt in die ehrwürdigen Hallen des

tungen blieben ihr oft verwehrt. Nur im «Fögl Ladin»

Bundeshauses ein, wie sich Leta Gaudenz noch heute

bekam die Gruppe Platz für ihre Meinung, der verant-

ehrfürchtig erinnert. Sie übergaben dem Bundesrat

wortliche Redaktor Men Rauch war selbst engagiertes

eine Protestnote. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie

«Lia-Naira»-Mitglied. Die Berichterstattung war dort

allerdings ein ungutes Gefühl gehabt, sagt die heute

zeitweise so einseitig, dass sich der Verwaltungsrat der

80-Jährige. Und tatsächlich: Am 7. Dezember 1958

Druckerei zu einer Stellungnahme gezwungen sah.

Die Argumente Für den Naturschutz, für das Schweizervolk, für das

Naira» auch ihre Nationalparkinitiative zurück.

Unterengadin und für uns alle gemeinsam – das waren

Was bleibt?

laut David Truttmann die wichtigen Argumentatio-

War also alles umsonst? Das hat sich Leta Gaudenz im-

nen der «Lia Naira». Man wollte den Nationalpark er-

mer wieder gefragt und ihre Gedanken 2004 zu Papier

halten, warnte vor einem ausgetrockneten Flussbett.

gebracht. «Unsere Bemühungen hatten keinen Er-

Die Angst der verschwindenden Sprache war bereits

folg», schreibt sie. «Oder doch?», fragt sie sich. «Flies-

Jahre zuvor bei einem Kraftwerksprojekt aufgetaucht.

sen deshalb die Seitenbäche des Inns noch unberührt

Schon 1940 hatte der Romanist Jon Pult geschrieben:

und präsentiert sich das Bett des Inns grosszügig und

«Die Einrichtung eines solchen Werkes wird eine gro-

der Fluss lebhaft?» Auch Jacques Guidon sieht Erfolge:

sse fremdsprachige Invasion in unsere Engadiner Dör-

Die «Lia Naira» habe eine markante Erhöhung der

fer bringen. Tausende von Arbeitern werden kommen

Restwassermenge erreicht. «Opposition ist nötig», re-

und mit uns leben. Wie die Erfahrung zeigt, gewinnen

sümiert Leta Gaudenz. Jacques Guidon ist eine Kämp-

solche Leute Einfluss in den Gemeinden und vermi-

fernatur geblieben und hat seit damals noch so man-

schen sich mit der Bevölkerung, ohne die Landesspra-

che politische Schlacht geschlagen. «Ich wurde

che zu lernen …»

damals politisiert», erklärt er. Das Widerstandsgen

Ganz so hart argumentierte die «Lia Naira» nicht

lebt auch in den Söhnen von Giachen Arquint (Ro-

mehr, doch auch 1958 befürchteten sie einen Wert-

medi) und Armon Planta (Tumasch) weiter.

Staatsvertrag und Nationalparkinitiative

nicht nur Unterschriften, sondern oft auch Kommen-

Die «Lia Naira» kämpfte politisch mit zwei Instru-

tare der Kraftwerksbefürworter. Die Gegner wurden

menten: Sie lancierte das Referendum gegen den Spöl-

als stur beschimpft, am besten, man würde ihnen den

Staatsvertrag und sammelte gleichzeitig Unterschrif-

Strom abstellen, stand da etwa zu lesen – oder der hier

ten für die Volksinitiative zur «Erhaltung des

abgebildete Kommentar.

Schweizerischen Nationalparks». Der Staatsvertrag mit Italien regelte den Bau der Staumauer Punt dal Gall und den Betrieb des Speichersees in Livigno. Die Initiative verlangte die integrale Erhaltung des Nationalparks auf dem Stand von 1957. Mit diesen zwei politischen Instrumenten wären die Anlagen der Engadiner Kraftwerke nicht zu bauen gewesen. Dabei war das Projekt mit dem Livigno-Stausee, dem Ausgleichsbecken Ova Spin und der Zentrale Pradella bereits eine «Verständigungslösung». Auf den Referendumsbögen und den Initiativkarten fand die «Lia-Naira» bei der Auswertung allerdings 46

sprach sich eine deutliche Mehrheit der Schweizer Männer für den Spölvertrag aus. Darauf zog die «Lia

piz 47 : Sommer | Stà 2014


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5c+

Am Pizzo Badile ging ein Stern auf

5b+

5c+

Selbst am weltberühmten Pizzo Badile im Bergell sind noch neue Kletterrouten möglich. Die jüngste stammt vom Malixer Bergführer Andrea Bianchi und heisst «Stella retica». Mit dabei war auch sein zwölfjähriger Sohn Carlo.

Text: Ralph Hug

5b+ Foto: Peter Breitinger

5b

5c+

W

ie viele Male hat er den Pizzo Badile (3305 m

Der Einstieg liegt nordwestlich der Hütte auf einer

ü.M.) schon bestiegen? Andrea Bianchi muss

Höhe von 2900 m ü.M. Gleich links davon befindet

rechnen. Das erste Mal war er mit 16 Jahren

sich die bekannte Route «Via Molteni». Bianchi nahm

am bekanntesten aller Granitfelsen. Dann hörte er

die Sache in Angriff und zog mit Bohrhaken und

mit dem Klettern auf und kam erst mit 33 wieder auf

Klemmkeilen los. Das tat er aber nicht allein. Mit von

den Geschmack. Heute ist er 61 Jahre alt und hat mehr

der Partie waren der langjährige Bergsteigerkollege

als ein Vierteljahrhundert Praxis als Bergführer hinter

Luigi Arigoni sowie der langjährige Bergsteigergast

sich, unter anderem mit seiner Bergsportplattform

Cornel Furtwängler, die ihn beim Aufstieg sicherten.

Grischunalpin und als Mitgründer der Kletterschule

Und da war noch einer: Carlo, Bianchis Sohn, damals

YoYo. Da er jeden Sommer etwa zwei Mal auf dem Ba-

elf Jahre alt. Er zählt inzwischen zwölf Lenze, und als

dile war und auch mehrfach dessen schwierigste

er beim Besuch von piz am Stubentisch in Bianchis

Route («Hiroshima») geklettert ist, ergibt dies mehrere

Heim in Malix mit der Frage konfrontiert wird, ob er

Dutzend Besteigungen. Eine sportliche Leistung, die

da nicht viel Respekt gehabt habe, antwortet er mit ei-

sich sehen lassen darf.

nem schlichten «Ja!».

Bianchi vollbrachte am Pizzo Badile besondere Taten.

5b

6a

5c

Zusammen mit Jack Frei realisierte er im Jahr 2003

Der jüngste Erstbegeher

eine Erstbegehung in der Ost-Nord-Ostwand, die un-

Vater Bianchi freut sich riesig, dass sein Sohn bei der

ter dem Namen «Via panoramica» bekannt ist. Letztes

Erstbegehung dabei war, wenn auch «nur» bis zur

Jahr kam eine weitere Erstbegehung zustande. Sind

fünften der insgesamt elf Seillängen. Doch damit hat

solche überhaupt noch möglich? Ein Blick in den Klet-

der Sohn am Pizzo Badile bereits die Nase weit vorn: Er

terführer zeigt, dass es an diesem Berg, wo sich die

war schon mit elf in der Wand, der Vater war damals

«Kante aller Kanten» («WochenZeitung») befindet,

16-jährig. Der jugendliche Carlo hat damit möglicher-

mittlerweile rund dreissig Routen gibt, sowohl auf der

weise den Grundstein für eine grosse Bergsteigerkarri-

Nordseite vom Bergell her wie auf der Südflanke, die

ere gelegt. Weit entscheidender aber: Carlo dürfte der

aus dem Val Masino im Veltlin aufragt. Auf der Karte

jüngste Kletterer sein, der bei einer derartigen Erstbe-

überziehen sie den Berg wie ein Spinnennetz. «Ja, es

gehung mit von der Partie war.

ist möglich», beantwortet Bianchi die Frage unter Hin-

Als Erstbegeher durfte Bianchi der Route nach alpi-

weis auf die enorme Grösse dieses Felsmassivs.

nem Brauch einen Namen verleihen: «Stella retica».

Vom benachbarten Gipfel aus erkundet

5b

III-IV

48

Was hat es mit diesem «rätischen Stern» auf sich? Er erklärt, das sei die Bezeichnung für Edelweiss. Zwar

Als er auf einer Bergtour auf die Punta Sertori, einen

heisst die Pflanze im Italienischen ansonsten «stella

benachbarten Gipfel, war, hatte er Zeit, die Südflanke

alpina». Soweit sie aber nördlich des Veltlins vor-

des Piz Badile mit dem Feldstecher intensiv zu studie-

kommt, trägt sie eben den Namen «stella retica», also

ren. Dabei fiel ihm auf, dass es möglich sein müsste,

Edelweiss der rätischen Alpen. Umsomehr sah sich Bi-

eine neue Route zwischen dem dritten und vierten

anchi zur Verleihung dieses Namens berechtigt, als er

Pfeiler der Südostwand zu realisieren. Ausgangspunkt

ja selbst ein Bündner und somit ein «Rätier» ist und,

musste die Gianettihütte des italienischen Alpenver-

geschichtlich gesehen, das Veltlin vor gut zweihun-

eins am Südfuss oberhalb von Bagni di Masino sein.

dert Jahren auch noch zu Graubünden gehörte.

piz 47 : Sommer | Stà 2014


2003 gelang Andrea Bianchi die Erstbegehung der Ost-Nordost-Wand am Badile, der ÂŤVia panoramicaÂť.


Bianchi selbst charakterisiert die von ihm eröffnete

und mit «Placements» sind Felsstrukturen gemeint,

Route als eine «Plaisir-Alpintour»: «Es ist eine, bei der

die das Legen solcher Klemmkeile ermöglichen. Be-

allfällige Wiederholer nicht Kopf und Kragen riskie-

sonders freut sich Bianchi über erste Wiederholungen

ren.» Die Hakenabstände seien durchaus moderat,

seiner Route. Die Kommentare fielen sehr positiv aus.

und wo sie etwas weiter auseinanderliegen, böten sich

Dies hat er vom Hüttenwart erfahren, der jeweils über

Risse für zusätzliche Sicherungsmittel an. Mit elf Seil-

die verschiedenen Seilschaften am Badile im Bild ist.

längen und einer Höhendifferenz von 400 Metern weist «Stella retica» eine stattliche Länge auf, auch

Legendärer Pizzo Badile

wenn sie nicht mit den berühmten Nordostwandrou-

Der Pizzo Badile gilt in Bergsteigerkreisen als einer der

ten am Pizzo Badile vergleichbar ist.

legendärsten Berge der Alpen. Wer hier eine Marke

Wenn diese Beschreibung nach lockerem Freizeitver-

setzt, darf sich im Ruhm einer grossen Tradition son-

gnügen tönt, muss allerdings der Schwierigkeitsgrad

nen. Diese begann mit Riccardo Cassin (1909 – 2009).

richtig eingeordnet werden: Nur gerade im Einstiegs-

Dem Italiener und seiner Crew gelang am 14. Juli 1937

teil genügt eine Kletterei im dritten und vierten Grad.

zum ersten Mal der Durchstieg der Nordostwand. Da

Unmittelbar danach und bis hinauf zum Grat muss

ihn und seine vier Begleiter unterwegs Gewitter stopp-

man im fünften bis sechsten Grad klettern können,

ten, standen sie erst zwei Tage später auf dem Gipfel.

mit einer kurzen Spitze sogar im unteren siebten Grad.

Beim Abstieg stürzten zwei Begleiter aus Erschöpfung

Im Schnitt weist die Route einen 5b/5c-Schwierig-

ab und fanden den Tod.

keitsgrad auf. Für Andrea Bianchi sind das keine nen-

Die Cassin-Route gilt heute zusammen mit derjenigen

nenswerten Hindernisse. Er zeigt sich befriedigt, dass

über die Nordkante als Klassiker, die Kletterer aus aller

es ihm mit über sechzig Jahren noch möglich ist, im

Welt anzieht. Daher ist im Sommer die Hütte Sasc Furä

neunten Grad zu klettern, wobei er früher auch noch

oft ausgebucht. Seilschaften biwakieren sogar unter-

etwas schwierigere Routen schaffte.

halb der Nordkante oder müssen beim Abstieg über-

Internationales Echo

tion Badile erweist sich als ungebrochen. Der

nachten, weil sie in einen Stau geraten. Die Faszina-

Bereits hat es die «Stella retica» in die einschlägige

majestätische Granit präsentiert sich aus der Ferne

Kletterliteratur geschafft. Bianchi zeigt piz nicht ohne

spiegelglatt und unüberwindbar. Im Aufstieg verwan-

Stolz Kopien aus Fachmagazinen, in denen sein Werk

delt er sich aber in eine faszinierende Welt von Bän-

gewürdigt wird. Das Fachblatt «Vertical» stellte seinen

dern und Rissen, die man nie mehr vergisst.

Leserinnen und Lesern «Stella retica» als «heissen

Der Badile lässt auch Andrea Bianchi nicht los. Als er

Klettertrip in Europa» vor und gab dabei folgende

2007 für die Bündner SP für den Nationalrat kandi-

Tipps: «Die Stände sowie die wichtigsten Zwischensi-

dierte, liess er sich einen speziellen Leistungsausweis

cherungen sind eingerichtet. Dennoch sollten Wie-

einfallen: Er startete zusammen mit dem Davoser

derholer mittlere und kleinere «Friends» und Keile mit

Bergführer Walter von Ballmoos zu einer Rekordtour

sich haben. Gute «Placements» sind reichlich vorhan-

rund um den Badile. In sieben Stunden 24 Minuten

den.» Im Kletterjargon sind «Friends» Klemmkeile,

stiegen die beiden ab der Sasc-Furä-Hütte zum Nordgrat und über diesen auf den Gipfel, über die Rinnenführe die Südostwand hinunter und dann über die beiden Pässe Porcellizzo und Trubinasca wieder zur Sasc-Furä-Hütte zurück. Wobei Bianchi nicht Tempobolzerei am Herzen liegt, sondern der Schutz der Alpen, den er zu seinem Wahlkampfthema machte. Bianchi, von Beruf Rechtsanwalt, engagiert sich seit vielen Jahren für Naturschutzorganisationen. Zuletzt kam er wegen Roger Federer in die Schlagzeilen: Der Tennisstar wollte seine Villa in Lenzerheide/Valbella mit einem Zaun vor neugierigen Blicken schützen und hielt dabei den Grenzabstand nicht ein. Es kam zu Einsprachen und einem Prozess, den Federer verlor. «Das war ich», sagt Andrea Bianchi und schmunzelt.

Andrea Bianchi, 61, mit

Wieder einmal hat er einen Berg bezwungen.

Sohn Carlo, 12. (Foto: zVg)

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1

Vielfältiges Leben am und im Wasser Bachforellen und Äschen sind die häufigsten Fischarten im Inn. Im Unterengadin lebt eine kleine Population von Groppen. Am Ufer fühlt sich die Wasserspitzmaus besonders wohl und der Biber ist erst vor ein paar Jahren eingewandert. Viele Tieren leben am und im Fluss.

Text: Jürg Paul Müller

D

er Inn ist eine wichtige Lebensader. Kiemenat-

das eigentliche Mekka der Äschen im Oberengadin,

mende Tiere wie die Fische leben ständig im

dort wurden die Tiere allerdings ausgesetzt. Früher lag

Wasser. Andere Tiere sind Lungenatmer, su-

der Schwerpunkt ihrer Verbreitung im Innbogen bei

chen aber regelmässig ihre Nahrung im Wasser, wie

Samedan. Heute, nach der Revitalisierung des Flaz (s.

der Fischotter oder die Wasserspitzmaus. Auch sehr

Seite 6), ist auch dessen Mündungsgebiet in den Inn

viele Vögel haben eine enge Bindung an die Gewässer.

ein Äschenrevier. Die Art ist empfindlich, erträgt vor

Der Inn hat für die Tierwelt des Engadins aber noch

allem hohe Wassertemperaturen nicht. Im Hitzesom-

eine ganz andere Bedeutung – eine, die weit in die

mer 2003 waren die Äschen vor allem in den Flüssen

Vergangenheit zurückreicht: Während der Eiszeit war

im Unterland höchst gefährdet.

das Tal mehrfach von einer dicken Eisschicht bedeckt, aus der nur die höchsten Berge herausragten. Bei der

Groppe und Fischotter

Wiederbesiedlung nach der Eiszeit konnten viele Tiere

Viel unscheinbarer als die elegante Forelle und die

und Pflanzen entlang des Flusses und seiner Talfurche

Äsche ist die Groppe mit ihrem grossen, breiten Kopf.

aus den Refugien weit im Osten und Süden, wo sie die

Sie war vor über hundert Jahren im Inn bis Ardez häu-

Eiszeit überdauert hatten, wieder einwandern.

Bachforelle und Äsche Im Inn leben die bekannte Bachforelle und die Äsche,

52

fig anzutreffen. Heute finden wir nur noch ein kleine Restpopulation bei Martina im Unterengadin. Sie dürfte von der Revitalisierung der Inn-Auen bei Strada profitieren. Die Revitalisierungen sind für alle Fisch-

die unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Die-

arten von grosser Bedeutung.

ser Fisch liebt die reich strukturierten Flüsse ganz be-

Ein tüchtiger Fischer fehlt heute im Revier: der Fisch-

sonders. Die Äsche lebt vor allem in zwei Flussab-

otter. Diese Marderart ist vor vielen Jahren im Enga-

schnitten: Stromaufwärts bis Ardez kann sie ihren

din ausgerottet worden. Ende des 19. Jahrhunderts

natürlichen Lebensraum erreichen. Die Schwelle bei

wurde gegen diesen Fisch-«Räuber» eine regelrechte

Ardez kann sie aber nicht überwinden. Trotzdem liegt

Kampagne lanciert. Dazu kamen Landschaftsverän-

piz 47 : Sommer | Stà 2014


2

3

4

derungen und ab den 1960er-Jahren die Kraftwerks-

eingewandert, wo bei Innsbruck etwa 100 Tiere leben.

1 Die Äsche im Inn.

bauten, die dem Otter und den Fischen – seiner Nah-

Dieser Bestand geht seinerseits auf Tiere zurück, die

(Foto: shutterstock.com)

rungsquelle – das Leben schwer machten. Damalige

um 1970 in Bayern ausgesetzt worden waren. Der Bi-

Umfragen zeigten, dass einzelne Fischotter bis gegen

ber konnte offensichtlich die sehr engen und zum Teil

2 Der Fischotter wurde im

Ende der 1960er-Jahre hauptsächlich am Spöl beob-

verbauten Flusspassagen zwischen Landeck und Mar-

19. Jahrhundert gejagt und ist

achtet werden konnten. Heute leben nur noch wenige

tina überwinden. Dieses Beispiel zeigt, dass der Inn

seit den 1960er-Jahren aus

Menschen, die je einen Fischotter im Engadin mit ei-

auch für Tierwanderungen von Bedeutung ist.

dem Engadin verschwunden.

genen Augen gesehen haben.

Wasserspitzmaus …

Dem Fluss entlang besiedelt

(Foto: Dreamstime)

Mindestens zwei Millionen Jahre dauerte das Eiszeit-

3 Der Wasserspitzmaus gefällt es

Auf kleinere Beutetiere abgesehen hat es ein anderes

alter. Nur wenige Tierarten konnten hier überleben.

gut an Inn und Spöl.

Säugetier, die nur etwa 15 Gramm schwere Wasser-

Die meisten wurden in eisfreie Gebiete abgedrängt.

(Foto: M. Andera)

spitzmaus. Sie ernährt sich vor allem von Bachfloh-

Unterbrochen wurde diese Phase der starken Verglet-

krebsen und Insektenlarven. Am Inn und am Spöl ist

scherung durch mehrere Warmzeiten, in denen das

4 Der Baumschläfer ist nach der

diese Art erstaunlich häufig. Die Wasserspitzmaus ist

Klima oft wärmer war als heute. Vor etwas mehr als

Eiszeit ins Engadin zurückge-

an das Leben im Wasser hervorragend angepasst.

10'000 Jahren ging die Eiszeit zu Ende. Das Tal des Inn

wandert und kommt von Sibi-

Wenn sie auftaucht, schüttelt sie sich ein paar Mal und

öffnet sich einerseits zum bayerischen Alpenvorland

rien bis S-chanf vor.

schon ist sie trocken. In ihren Haaren, welche den

und ist andererseits über eine Reihe von relativ niedri-

(Foto: M. Andera)

Querschnitt eines Doppel-T zeigen, bleiben Luftbläs-

gen Pässen am Südrand der Alpen, etwa über den Re-

chen hängen, welche unter Wasser einen abdichten-

schen, erreichbar. So konnten Tier- und Pflanzenar-

den Luftmantel bilden. Auf der Unterseite des Schwan-

ten aus mitteleuropäischen, aber auch südöstlichen

zes trägt die Wasserspitzmaus einen Borstensaum, der

Gebieten, wo sie die Eiszeit überdauert hatten, zurück-

ihr im Wasser als Ruder und Antrieb dient. An den

kehren. Ein Beispiel dafür ist der Tiroler Baumschläfer,

Hinterfüssen sitzen ebenfalls Borsten, eine Art Paddel

der – wie der Siebenschläfer und die Haselmaus – zu

an den Füssen. Der frühere Nationalparkdirektor, Ro-

den «Bilchen» oder Schlafmäusen gehört. Der kleine,

bert Schloeth, hat die Wasserspitzmaus bei ihren

sehr schön gezeichnete Baumschläfer ist vor allem im

Tauchgängen am Spöl beobachtet. 22 Mal tauchte sie

Osten zu Hause. Er kommt tatsächlich von Sibirien bis

ohne Pause hintereinander ins kalte Wasser. Jeder

S-chanf vor. Der Inn war bei der Einwanderung dieser

Tauchgang dauerte 15 bis 20 Sekunden.

Tierarten nach der Eiszeit eine Leitlinie.

… und Biber Als Gian Fümm am 1. Mai 2008 in der Innschlucht bei

Katastrophe und Renaturierungen

Vinadi einen Biber beobachten und fotografieren

Im März 2013 tötete eine Schlammwelle aus dem Stau-

konnte, staunte er nicht schlecht. Es staunten auch

see Punt dal Gall bei Livigno Tausende von Bachforel-

alle Fachleute, denen er die Aufnahme zeigte. Rasch

len und viele Wasserlebewesen im Spöl. Zuvor war der

wanderte der Biber weiter bis zum Stausee von Pra-

Seitenfluss des Inn ein Vorbild für Renaturierungen.

della bei Scuol, wo er heimisch wurde. Offenbar ist er

Was am Inn und am Flaz für die Artenvielfalt alles ge-

aus der Biberpopulation der Nachbarschaft in Tirol

tan wird, lesen Sie auf Seite 6.

piz 47 : Sommer | Stà 2014

53


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1

2

Silvia Andrea – neu aufgelegt Weil vor 150 Jahren im Bergeller Grenzdorf Castasegna die Villa Garbald nach Plänen von Gottfried Semper erbaut wurde, wird in diesem Sommer jubiliert. Ins Licht rückt auch die ehemalige Hausherrin, «la poetessa» Silvia Andrea, die Ehefrau des Zolldirektors Agostino Garbald.

Text: Esther Scheidegger Zbinden Fotos: Fondazione Garbald / Bündner Kunstmuseum

GARBAL-JUBILAUM Im Garbald-Jubiläumsjahr finden zahlreiche Anlässe statt. 21.8. Poetessa Silvia Andrea im Hotel Waldhaus, Sils 22.8. Wanderung auf den Spuren der Garbalds. 8.–10.9. Villa Garbald und die Semperforschung. Auch ein Band über den Fotografen Adrea Garbald ist erschienen (siehe Seite 58). Details: www.garbald.ch

56

A

ls die Bündner Schriftstellerin Silvia Andrea

Johanna Gredig, Tochter eines Lehrers in Zuoz, war

(Pseudonym für Johanna Garbald-Gredig) der

gerade zwanzig, als der zwölf Jahre ältere Serneuser

Literaturzeitschrift Helvetia 1902 ihre Biogra-

Agostino Garbald militärisch in ihrem Elternhaus ein-

fie liefern sollte, antwortete sie da zynisch und frust-

quartiert wurde. Im allerletzten Moment, gerade als er

riert, oder resigniert, oder kokettierte sie kapriziös?

wieder abreisen musste, machte er der jungen Frau ei-

Auch das wäre denkbar, schliesslich war sie eine Frau.

nen Heiratsantrag. Es folgte ein intensiver, roman-

Schrieb sie als Silvia Andrea, oder als bürgerliche Si-

tisch und belesen-angeregter Briefwechsel bis zur

g nura Johanna Garbald-Gredig (1840–1935)? Jeden-

Hochzeit am Pfingstsonntag im Mai 1861, womit «die

falls fasste sie ihr «äusseres Leben» nur knapp und

Poesie des Lebens» endete und die Prosa des Verheira-

ziemlich düster zusammen:

tetseins anfing.

«(…) denn wie ich auch die grossen und kleinen Ereig-

Philosophieren, lesen, studieren

nisse meines Lebens zusammenstelle, will es mir nicht

Agostino Garbald hatte beteuert, seine Ehefrau müsse

gelingen, ein Schicksal daraus zu machen, das andre als

nicht nur eine «perfekte Koch-, Wasch- und Nähma-

die Nächsten, interessieren könnte. Geht es so vorwärts

schine» sein, er wolle mit ihr «philosophieren, lesen

bis an mein Lebensende, so wird man von mir nichts

und studieren, bis wir schrecklich gescheid sind». Er

anders sagen können, als: sie wurde geboren, heiratete

nannte sie seine «Engadiner Sappho», und die Ver-

und starb.»

lobte wollte zagend wissen: «Sag, werde ich (…) am nächsten Neujahrstag (…) auf Deinem Schoss sitzen

Silvia Andrea war damals 62 Jahre alt, Mutter von drei

oder sind wir dann schon so weit in der Liebe vorge-

schon erwachsenen Kindern: Andrea (1877–1958),

rückt, dass Du in Deinem Bureau allein bei Deinen

Margherita (1880–1955) und Augusto (1881–1932). Ihr

Rechnungen sitzest und ich wieder zu Hause allein

Mann Agostino Garbald starb sieben Jahre nach die-

mich mit der Katze unterhalte?» Eine Wundertüte ist

sem Brief, 1909. Sie lebte noch 33 Jahre als Witwe.

die bis heute erhaltene, imponierend bestückte Gar-

piz 47 : Sommer | Stà 2014


3

4

bald-Familien-Bibliothek. Sie umfasst rund 2000

nur wenig gemeinsam, er liest sich geradezu locker.

1 Johanna Garbald-Gredig

Bände. Bildungsbürgerlich quer durch die Jahrhun-

Violanta Prevosti ist im Buch eine fiktive, freiheitslie-

schrieb ihre Erzählungen und

derte. Silvia Andrea hat den Münstertaler Humanis-

bende Enkelin des Giovanni Battista Prevosti aus

Bücher unter dem Künstler-

ten Simon Lemnius (um 1511–1550) gelesen, und

Vicosoprano. Sie mischt sich in die Konflikte ein. Da-

namen Silvia Andrea.

Meta von Salis-Marschlins, die erste Schweizer Histo-

bei ist sie ein schlichtes Mädchen aus den Bündner

rikerin («Die Zukunft der Frau»). Aber der Poetessa im-

Bergen, keine Amazone und keine Emanze.

2 Silvia Andrea (links) in der

ponierte

die

Die Autorin Silvia Andrea war in die im 19. Jahrhun-

Gartenlaube der Villa Garbald.

Henriette

dert akute nationalgeschichtliche Ideologiebildung

auch

«die

Marlitt»

«Gartenlaube»-Starautorin

(1825–1887),

Friederieke

Christiane Eugenie John. Die schrieb zwar triviale

eingebunden. In ihren historischen Erzählungen

3 Die Familie vereint: Vater

Frauenliteratur, war aber als Erfolgsautorin emanzipa-

spielen aber nicht nur Männer eine Rolle, sondern

Agostino, Sohn Andrea, Mutter

torisches Vorbild für Johanna Garbald-Gredig.

auch vaterlandsliebende, mutige Frauen.

In der Zeitschrift «Der Hausfreund» wurde 1878 Silvia

Johanna und die Kinder Augusto und Margherita

Andreas erster Text publiziert. Die Autorin war inzwi-

Neu aufgelegtes Werk

schen 38 Jahre alt. Ein Jahr später begann mit der Er-

Jetzt ist im Chronos Verlag eine vierbändige, sorgfäl-

zählung «Die Rüfe» ihre jahrelange Zusammenarbeit

tig erarbeitete und kommentierte Edition ausgewähl-

4 Die Villa Garbald in einer

mit der «Helvetia». Sie schrieb – obwohl rätoroma-

ter Werke von Silvia Andrea erschienen, herausgege-

historischen Aufnahme.

nisch sozialisiert – auf Deutsch. Und sie schrieb inten-

ben von Christine Holliger, der kürzlich verstorbenen

(von links nach rechts).

siv, auch während sie ihre Kinder betreute. Die Dop-

Bündner Kantonsbibliothekarin, und Maya Widmer,

pelbelastung hielt sie aus.

der Gleichstellungsbeauftragten für Forschungsför-

Biografischer Entwicklungsroman

Schriftstellerin?», fragt Silvia Andrea, und antwortet:

derung beim Nationalfonds. «Warum wird man

Ihr zweites Buch, der autobiografisch gefärbte Entwicklungsroman «Faustine», in dem sie ihr «inneres

«Weil das innere Leben von Stürmen durchsetzt ist, die

Ringen» thematisierte, erschien 1889; sie hat ihn spä-

sich Luft machen müssen. Die grossen Fragen der Zeit,

ter überarbeitet. Er wurde im Feuilleton des «Bund»

die in den Städten auftauchen, werden einem durch Bü-

hoch gelobt, verkaufte sich aber mässig. Auch ihre

cher und Zeitungen ins Haus getragen, und wie sollte

Version des «Wilhelm Tell», den sie aus Anlass der

man sich nicht als Kind seiner Zeit fühlen und in jeder

600-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft verfasste, war

Fiber ihre Freuden und Leiden mitempfinden? Die wei-

Band 1

kein Publikumserfolg. Dabei gab es hier politisierende

ten Interessen der Welt, die engen des lieben Ich, alles

Frauen in der Spinnstube.

was in der Seele webt, klingt und singt, weint und lacht,

Bis heute aktuell und lesenswert ist ihr inspirierendes

ringt nach Ausdruck …»

Edition Silvia Andrea herausgegeben von Christine Holliger und Maya Widmer

silVia andrea

silVia andrea

Violanta PreVosti

Violanta PreVosti

Unter dem Pseudonym Silvia Andrea war Johanna Garbald-Gredig (1840 –1935) weit über die Grenzen ihres Heimatkantons Graubünden hinaus eine bekannte und beliebte Schriftstellerin. Vor allem ihre historischen Erzählungen und Romane fanden grossen Anklang. In Violanta Prevosti schildert sie auf dem Hintergrund der Bündner Wirren zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Schicksal der fiktiven Enkelin von Giovanni Battista Prevosti, der vom Thusner Strafgericht verurteilt und hingerichtet wurde. Zwei historische Ereignisse kommen dabei ausführlich zur Darstellung: der Untergang von Plurs 1618 und die sogenannten Veltlinermorde im Juli 1620.

Geschichtlicher roman

ch T

Schweizer Texte, Neue Folge, Band 39 Herausgegeben von Corinna Jäger-Trees, Dominik Müller, Mireille Schnyder, Hellmut Thomke, Peter Utz, Christian von Zimmermann

herausgegeben und mit einem nachwort von maya Widmer

ISBN 978-3-0340-1207-2

Buch «Das Bergell» (1901), illustriert mit Fotos ihres

9 783034 012072

Bezug 1_Silvia Andrea.indd 1

Sohnes Andrea Garbald. Auch die heutige Bergell-Ex-

Silvia Andreas Werke entstanden in der Abgeschieden-

pertin, die Zürcher Autorin Ursula Bauer, hat sich da-

heit des Bergells und waren jahrzehntelang vergessen.

von inspirieren lassen. 1905 wurde ihr historischer

Jetzt werden sie wieder an die Oberfläche gehoben und

Roman «Violanta Prevosti» veröffentlicht, er wurde

neu beurteilt. Ein alter Text für neue Leserinnen und

sofort ins Italienische übersetzt. Mit C.F. Meyers «Jürg

Leser – und es sind am Ende die gleichen Weisen von

Jenatsch» hat er – ausser dem historischen Kontext –

Leben, Liebe und Tod, die einen ergreifen.

piz 47 : Sommer | Stà 2014

27.01.14 11:25

BUCHTIPPS Edition Silvia Andrea: Violanta Prevosti, Das Bergell, Faustine, Das eigene Ich und die grosse Welt Chronos Verlag 2014, Fr.98.–. Die Bände sind auch einzeln erhältlich.

57


BUCHER In den Wind gelegt

Von Südtirol nach Graubünden

Der Talfotograf

Kunst im Bergell

Bruno Gerber, Ruth-Elisabeth Baur:

Linard Candreia: «Hanna die Südtiro­

Beat Stutzer: «Andrea Garbald (1877–

Luciano Fasciati (Hg.): «Arte Hotel

«Werkstatt Papierflieger», AT-Verlag,

lerin /Hanna la Tirolra», Chasa Editura

1958) Fotograf und Künstler im Bergell»,

Bregaglia 2010–2013», Verlag hier + jetzt,

120 S., Fr 26.90

Rumantscha, 2014, 272 S., Fr. 28.–

Scheidegger & Spiess, 208 S. 2014, Fr. 69.–

230 S., Fr. 79.–

«piz» hatte in der Winterausgabe 2011/12 Bruno Gerber porträtiert – den genialen Papierflieger-Konstrukteur aus Scuol. Sein Traum war damals: «Ein eigenes Buch mit meinen Modellen.» Jetzt ist sein Traum in Erfüllung gegangen. Zusammen mit der wissenschaftlichen Zeichnerin Ruth-Elisabeth Baur ist das Buch mit 44 Anleitungen für unterschiedliche Modelle entstanden. Bruno Gerber zeigt, wie man aus einem einfachen Blatt Papier mit etwas Geduld und Präzision fliegende Eleganz herstellen kann. Das Spektrum reicht von der «Schwalbe» über den kühnen «Asymmetrischen» und gaukelnden Kassenzettel-«Libelle» bis zum pfeilschnellen «Katapult».

Vom Südtirol ins Bündnerland: Hanna, 1937 in Matsch / Vinschgau geboren und aufgewachsen, lernt als Älteste schon früh, zu Hause mit anzupacken und Verantwortung zu übernehmen. Ihr Vater ist Lehrer; daneben betreibt die Grossfamilie einen Landwirtschaftsbetrieb. 1954 wandert Hanna, wie viele andere Südtiroler, nach Graubünden aus, findet eine Stelle als Magd und heiratet den Tgetg von Stierva. Zusammen ziehen sie vier Kinder gross und Hanna vermietet auch Zimmer in Tiefencastel. Das zweisprachige Buch (romanischdeutsch) von Linard Candreia gibt in 54 Kurzgeschichten Einblick in das Leben in zwei Bergregionen, die sich ähnlich sind und in manchem doch auch fremd.

Eine von Andrea Garbalds Fotografien machte Weltkarriere: das Gruppenbild mit der vollständig versammelten Künstlerfamilie Giacometti. Doch ihr Urheber wurde häufig nicht zur Kenntnis genommen. Als Künstlerfotograf wurde er von seinem Umfeld nicht verstanden, vereinsamte gegen Ende seines Lebens und nach dem Tod geriet sein Schaffen in Vergessenheit. Dieses Buch zeigt sein aussergewöhnliches fotografisches Werk, erzählt aus seinem Leben. Garbald verbrachte abgesehen von der Lehre und einem Praktikum in Zürich sein Leben in der elterlichen, Villa in Castasegna. Von dort aus hielt er Landschaft und Menschen, Ereignisse und Bräuche fest.

Das Hotel Bregaglia in Promontogno wirkt auf seine Besucher skurril und anziehend zugleich. Wie ein Findling aus einer fernen Zeit hält der BelleÉpoque-Bau dem Wandel stand. Dem Charme des Hauses verfielen auch 17 international bekannte Künstlerinnen und Künstler. Ihre Projekte deckten Verborgenes und Vergessenes aus der bald 140-jährigen Geschichte des Hotels auf, schlugen Brücken zur Pionierzeit und zogen Verbindungen ins Heute. Arte Hotel Bregaglia entwickelte sich zu einem viel beachteten Kulturereignis. Das Buch präsentiert die Kunstwerke der Jahre 2010 bis 2013 und erzählt auch aus der Geschichte des Hotels und seiner Gäste.

Poesias e purtrets da l’Engiadina

Silsersee

Sonnenlöcher in den Alpen?

Musik in ihrer ganzen Vielfalt

Alfons Clalüna: «Spias aint il vent»,

Christian Haffter, «Silsersee einst und

Kurt Derungs: «Augen der Alpen», Edition

Rezia: CD «Relativ», r-tunes, Fr. 27.90

Stamparia Gammeter, San Murezzan,

heute», Gammeter Druck und Verlag,

Amalia, 200 S., Fr. 39.90

2013, 25 francs.

Fr. 19.50

In quista nouva collecziun da poesias dad Alfons Clalüna as chatta üna bella racolta da poesias nouvas scrittas in vallader, da poesias tradüttas e da poesias veglias surlavuredas. La granda part da las poesias sun ambientedas in Engiadina, inspiredas da la natüra, da las muntagnas, da las stailas e da las stagiuns. Ün inter chapitel es dedicho a poesias per iffaunts. Üna valur supplementera daun a quist cudesch las illustraziuns richas e culuridas dad Esther Rauch. Cun sieus purtrets respuonda ella in ün möd fich egen, sensibel e caracteristic a las poesias dad Alfons Clalüna. Il bel dialog traunter poesias e purtrets in quist cudesch refletta l’amur da l’autur per la lirica taunt scu per l’apparentscha estetica. (rv)

Der passionierte SILSERSEE Fischer Christian Haffner ist zwar pensionierter Biologieund Turnlehrer in Frauenfeld, aber auch Miteigentümer des einzigen direkt am Silsersee gelegenen Hauses «Bartuns» und Mitglied der Jägersektion Lagrev. Den Lej da Segl – der Silsersee war einst ein reiner Forellensee – kennt er genau. Sein Büchlein ist keine wissenschaftliche Publikation, aber ein Kompendium, das verschiedenste Quellen auswertet – und es ist eine Liebeserklärung. Man erfährt alles übers Fischen, aber auch vieles über die Fischereigeschichte und die zahlreichen Gerichtsfälle rund um die Fischereirechte. Wir lesen die Fangstatistik und bestaunen Bilder aus heutiger und früherer Zeit. Nur Nietzsche kommt nicht vor! Er war kein Fischer. (es)

58

einst und heute

S I L S E R S E E einst und heute

Alles Wissenswerte über Fische, Fischfang und Fischereirechte

Christian Haffter

Cover_319X225.indd 1

piz 47 : Sommer | Stà 2014

09.03.14 23:42

In den letzten Jahrzehnten wurden viele Lichtphänomene in den Alpen entdeckt, die als Sonnen- oder Mondlöcher gelten. Es handelt sich dabei um Felsöffnungen in den Bergen, durch welche zweimal im Jahr die Sonne scheint und dabei ein Lichtkegel entsteht. Meistens sind diese Lichtphänomene am Anfang und am Ende des Winters zu beobachten, so dass sich die Menschen in den Alpen zeitlich nach diesen Erscheinungen orientierten. Viele dieser Lichtstrahlen fallen zudem auf Kirchen oder auf Grabhügel. Dies lässt darauf schliessen, dass an frühgeschichtlichen Kultplätzen solche Lichtphänomene einbezogen wurden. Sonnenlöcher gibt es überall in den Alpen, auch in Graubünden. Das Buch zeigt sie auch in beeindruckenden Bildern.

Nein, ein Schnellschuss war «Relativ» wirklich nicht. Die aus Ftan stammende Sängerin Rezia Ladina Peer wollte schon vor drei Jahren ihr Debütalbum herausgeben. Verschiedene Umstände – unter anderem Stimmbänder-Probleme, die zu einer Gesangspause führten – zwangen die ausgebildete Jazz-Sängerin zur Geduld. Nun zeigt sie auf der CD «Relativ» aber ihre gesamte musikalische Bandbreite. Und die ist eindrücklich. Von Soul über Pop, Blues und Jazz bis hin zu einer gehörigen Portion World Music reicht das musikalische Spektrum der Engadinerin. Und das ohne auch nur für einen Augenblick den Eindruck eines wild zusammengewürfelten Musik-Mixes aufkommen zu lassen. (fbr)


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PIZZERIA Nairs unterwegs Während das Kulturzentrum Nairs in Scuol saniert

Nairs – Zentrum für Gegenwartskunst Sommerprogramm  2014

Hotel Restaurant Piz Tschütta, Vnà Sommerprogramm  2014

Details und Ergänzungen: www.nairs.ch

Details und Ergänzungen: www.hotelvna.ch

11.7.

25.6.

wird, führt die Institution an verschiedenen Orten Veranstaltungen durch. Leitmotiv ist die Frage des Basler Architekten und Urbanisten Lucius Burckhardt: «Warum ist Landschaft schön?» Organisiert werden künstlerische Spaziergänge zu den Geheimnissen und zum Zauber des Unterengadins. Künstlerinnen und Künstler aller Sparten geben in ihrer jeweils eigenen «Sprache» Antworten. Weitere Veranstaltungen der Fundaziun Nairs: Markus Ramseier (25.9.). Arno Camenisch und Christian Brantschen (22.10.) Ort: siehe www.nairs.ch Filmprogramm im Hotel Castell, Zuoz, jeweils dienstags, 20 h

«Sieben Jahre später.» Intervention am Morteratschgletscher von Ralph Hauswirth, Basel, und Albert Parzeller, Richterswil. Vernissage 13 h, Morteratschgletscher, Pontresina, bis 17.10. 18.7. «Minimalereien». Uraufführung. Gesangscollage mit Magda Vogel, Sara Maurer und Susanne Petersen. Kirche Lavin. 20 h 19.7. Architekturspaziergang: «guarda Guarda!» Blick auf und hinter die Fassaden des Schellenursli-Dorfes. Treffpunkt: Bushaltestelle Kirche Guarda. 14 h 26.7. «Lakescaping (surface)». Performance von Angela Hausheer und Leo Bachmann, Zürich. Am Lai da Gonda Grassa im Lischana-Gebiet auf 2566 m ü.M. Ganzer Tag. (Verschiebedatum 30. oder 31.7.) 9./10.8. «Nukleus Nairs», Interventionen, Aktionen, Performances und Künstlerfest. 15.8. Himmelsleiter (Wiederaufnahme): «Kirchen, Klänge, Worte», Architekturwandern mit Köbi Gantenbein (Hochparterre), Magda Vogel (Gesang) und John Wolf Brennan (Musik). Start beim Bahnhof Ardez, 13.15 h 21.10. «Ensemble Boswil», Jahreskonzert mit 20 MusikerInnen. Institut Ftan, 20 h

Leta Semadeni liest neue Prosa in Deutsch und romanisch. Laura Zangger (Violine) begleitet sie. Mit anschliessendem Künstlerinnengespräch. In Zusammenarbeit mit der Fundaziun Nairs. Abendessen ab 18 h, Lesung und Konzert 20 h. Kosten: Konzert mit Menü: CHF 45. nur Konzert CHF 25. 12./13.7. Tag der Kunst und offenen Türe. Präsentation der Kunstsammlung im Haus Piz Tschütta. Werke können erworben werden. Dokumentation: www.hotelvna.ch 15.–18.7. Drei Tage in der Welt der Tiere und Pflanzen: Zum 100-Jahr-Jubiläum des Nationalparks. Mit Besuch des Freilichtspektakels «Laina Viva» am 17.7. 24.7. Tim Krohn liest aus «Das Leben einer Matratze bester Machart» (Verlag Galiani, Berlin 2013). Mit einem raffinierten Kunstgriff öffnet der Autor das breite Panorama eines von zahlreichen Erschütterungen heimgesuchten Europas. In Zusammenarbeit mit der Fundaziun Nairs. 20.8. Peter Stamm liest aus seinem neuen Roman «Nacht ist der Tag». Er spielt teilweise im Künstlerhaus in Nairs. In Zusammenarbeit mit der Fundaziun Nairs.

Kulturhistorische Führungen in Nairs und auf der Baustelle des Zentrums für Gegenwartskunst, 4.7. / 6.8. / 5.9. jeweils 16 h

60

Kurmittelhaus wird saniert Nairs, das Zentrum für Gegenwartskunst, befindet sich Umbau. Das Haus wird mindestens teilweise beheizbar gemacht, damit der Kulturbetrieb künftig nicht mehr auf das Sommerhalbjahr beschränkt bleiben muss. Für künstlerische Aktivitäten und Ausstellungen sowie für Veranstaltungen gibt es mehr Platz. Die Sanierung ist aber auch nötig geworden, weil das über hundert Jahre alte ehemalige Kurmittelhaus teilweise auf einem wacklig gewordenen Fundament stand. Im Kellergeschoss wurde die hangseitige Stützmauer verstärkt und saniert, damit ist auch die Galerie vor dem Gebäude gesichert (Foto unten links). Das Gebäude war in sei-

piz 47 : Sommer | Stà 2014

ner früheren Funktion als Teil des Kurhauses nicht nur der Ort, wo gebadet und wo Therapien durchgeführt wurden, es war auch die Heizzentrale für den gesamten Komplex. Im Keller war ein riesiger Dampfkessel montiert, der nun zerlegt wurde (Foto unten rechts). Damit bekommt die Kunst im Keller viel zusätzlichen Platz. Die Gesamtsanierung ist auf 3,6 Millionen Franken budgetiert, die aktuelle Bauetappe ist mit 2 Millionen vorfinanziert. Noch braucht die Fundaziun Nairs aber zusätzliche Gelder, um alle Teile des Projekts realisieren zu können. Die Verhandlungen mit den Gemeinden der Region und den kantonalen Stellen seien auf gutem Weg, so Nairs-Kurator Christof Rösch.


Ausflugstipps B   ernina Express

Alp Grüm

Von den Gletschern zu den Palmen

Restaurant mit «Nur-Bahnanschluss»

Erleben Sie eine der spektakulärsten Alpenüberquerungen: Die Berninalinie der Rhätischen Bahn von St. Moritz oder Pontresina nach Poschiavo und bis ins südliche Tirano. Sie verbindet ohne Zahnrad den Norden und den Süden Europas. Ein besonderer Hochgenuss ist die Panoramafahrt im Bernina Express – vorbei an Gletschern, hinunter zu den Palmen. 55 Tunnels, 196 Brücken und Steigungen von bis zu 70 Promille meistert der Zug mit Leichtigkeit. Auf 2 253 Metern über Meer thront das Dach der RhB, Ospizio Bernina. Tipp: In Poschiavo lohnt sich ein Zwischenhalt. Das «Spaniolenviertel» lockt mit prächtigen Palazzi, einem charmanten Dorfkern und dem Kunstmuseum Casa Console.

Wo morgens eine Nebeldecke liegt, präsentiert sich kurze Zeit später ein überwältigender Ausblick über das Valposchiavo bis zu den Bergamasker Alpen. Auf der Terrasse des Restaurants serviert das Alp Grüm Team typische Pizzoccheri. Geniessen Sie eine Nacht im renovierten Albergo Alp Grüm oder Ospizio Bernina. Ein einmaliges Erlebnis.

Rhätische Bahn – 125 Jahre  faszinierend unterwegs

Nationalpark

Seit 125 Jahren ist die RhB unterwegs. Was 1889 mit der Eröffnung der Strecke von Landquart nach Klosters begann, ist heute ein 384 Kilometer langes Streckennetz mitten im schweizerischen Hochgebirge. Geniessen Sie im Jubiläumsjahr tolle Erlebnisfahrten mit der RhB. Alle Details finden Sie im Flyer «125 Jahre faszinierend unterwegs» oder online unter www.rhb.ch/125-jahre

Der Nationalpark im Unterengadin versammelt auf geschütztem Raum Steinböcke, Gämse, Hirsche und Murmeltiere. Selbst die riesigen Bartgeier fühlen sich hier zu Hause. Alles Wissenswerte zu Flora und Fauna erfahren Sie im Nationalparkzentrum in Zernez. Tipp: Der Nationalpark wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Jubiläumsfest am 1. August 2014 in Zernez.

Bahnmuseum Albula in Bergün Auf 1300 m² erwarten die Besucher 400 Exponate aus mehr als 100 Jahren Bahngeschichte und Attraktionen wie Fahrsimulator im Original «Krokodil» Führerstand, Wechselausstellungen, Modellwerkstatt, Erlebnisausstellung mit Kindertour und Schaudepot für Tüftler und Laien.

Mit der RhB direkt zum Bündner Wappentier

Beratung  /  Reservierung  /  Verkauf An jedem bedienten RhB-Bahnhof oder direkt am Bahnhof St. Moritz, Tel +41 (0)81 288 56 40, stmoritz@rhb.ch www.rhb.ch


PIZZERIA Art Textil Sent In Sent, im Unterengadin, haben Albert und Beatrice Lanter eine Galerie für Textilkunst eröffnet. Hier finden zwei- bis dreimal jährlich Einzelausstellungen von nationalen und internationalen Textilkunstschaffenden statt. Damit füllen die Initianten eine Lücke. Die Textilkunst wird in der Schweiz immer noch sehr zurückhaltend

Bergeller Ställe werden Kunst-Orte Letzten Sommer hatten Architektur-Studentinnen und -Studenten Ideenskizzen für das künftige Centro Giacometti im Bergell erarbeitet und sie in einer besonderen Atmosphäre leerer Heuställe in Stampa ausgestellt (Foto). Jetzt unterstützt die Ernst Göhner Stiftung die Weiterentwicklung des Centro Giacometti mit 300'000 Franken. Mit dem Geld kann der Umbau von drei Ställen in Angriff genommen werden. Das Centro Giacometti soll 2016, im 50. Todesjahr von Alberto Giacometti, eröffnet werden. Mit dem Geld der Stiftung werden nun die Projekte weiter ausgearbeitet. Es soll auch ein Audio-Guide realisiert werden, der den Spuren der Künstlerfamilie folgt.

behandelt. Noch bis zum 29. Juni stellt Ursula König Quilts aus. Ab 20. September sind dann Werke der in Köln lebenden Künstlerin Inge Hueber zu sehen. Vernissage: Samstag, 20. 9. 2014, 14 h, Ausstellung bis 5. 10. 2014, Di – So 12 –18 h. Chasa Triazza, Stron 277, 7554 Sent www.beatrice-lanter.ch

St. Moritz will Info-Bar einrichten In St. Moritz brütet eine Abeitsgruppe darüber, wie das oft ausgestorbene Dorfzentrum belebt werden könnte. Frühere Versuche, mehr Leben in die Fussgängerzone zu bringen, scheiterten. Für die einheimische Bevölkerung sei die Strasse mit den vielen Luxusgeschäften nicht interessant – die Touristinnen und Touristen ziehen sich nach ihren Ausflügen und Sporttagen rasch

in ihre Hotels oder Wohnungen zurück. Anfang 2014 hat deshalb der Projektentwickler Otto Steiner mit seinem Büro Steiner Sarnen – er arbeitet seit längerem für die Bergbahnen Engadin St.Moritz Mountains, für die Destinationsmanagement-Organisation sowie für die Gemeinden St. Moritz und Celerina – ein Projekt vorgestellt, mit dem der Dorfkern belebt werden soll. Bis zur Ski-WM 2017 soll die heutige TourismusInformation zur «Info-Bar» umgebaut werden, in der die Gäste die Geschichte des Ortes kennen lernen. Die Kellner sollen als professionelle Gästeberater Ausflugstipps geben. An den Tischen soll man sich auf Touchscreens selber informieren können. Realisiert werden soll auch die nächtliche Projektion von Bildern aus der Geschichte des Ortes auf die Rathausfassade (Abbildung). Weitere Vorschläge sind Blumen- oder Schneeskulpturen und künstlerische Darbietungen in den Strassen, ein Wochenmarkt oder sogar die in Linz als Kunstparcours umgesetzte Idee eines «Höhenwegs» über die Flachdächer des Dorfes.

A family affair since 1908

Sommersaison: 6. Juni bis 19. Oktober 2014 Mittags und nachmittags bei schönem Wetter Service und Musik im Freien (bis Mitte September). Sonst Lunch in Arvenstube und Bar, Nachmittagstee mit Musik in der Halle.

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piz 47 : Sommer | Stà 2014


PIZZERIA Kulturagenda Hotel Laudinella, St. Moritz-Bad Sommerprogramm 2014 Details: www.laudinella.ch. Die Abendveranstaltungen beginnen, wo nicht anders vermerkt, um 20.30 Uhr. 18.6. Ballettaufführung der Musikschule Oberengadin, 19 h 26.6. Frauen um Nietzsche, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung 28.6. Klanc Konzert: Chor und Piano, «Sinnenfreuden – elektrisierende Musik», 20 h, www.klanc.ch 8.7. Offenes Singen der Kurswoche Musik mit Blockflöten 11.7. Abschlusskonzert Kurswoche für Alphornbläser, 17 h, Katholische Kirche St. Karl, St. Moritz-Bad 25.7. Abschlusskonzert Orchesterwoche 8.8. Werkstattaufführung Vocal Swing, 18 h 10.8. BSI Engadin Festival, 20 h 14.8. Nietzsches Goethe, Vortrag von Joachim Jung 7.9. Eröffnungskonzert Meisterkurs für Klavier 13.9. Abschlusskonzert Meisterkurs für Klavier 20.9. Varvara Nepomnyashaya, Klavierrezital 19.10. Abschlusskonzert Blockflötenensemble-Kurs, 17 h, Katholische Kirche St. Karl, St. Moritz-Bad 17.10. Abschlusskonzert Orchesterwoche für Junge und Junggebliebene 20.10. Abschlusskonzert Internationale Blasorchesterwoche, 20 h 24.10. Werkstattkonzert Freude am Klavierspielen, 17 h 15.11. Engadiner Kammerchor, Jahreskonzert 5.12. Adventskonzert der Chorwoche, 17 h

Barone Utopia Bis Ende August wird im Innenhof des Hotels Albrici in Poschiavo das Freilichttheater «Barone Utopia» aufgeführt. Gezeigt wird das turbulente Leben des Bündner Adligen Tommaso Francesco Maria De Bassus. Der hatte am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert Grosses vor und wollte die Gesellschaft ins «Goldene Zeitalter» führen. Bis er Kontakte zu dem Geheimbund der Illuminaten knüpfte und Napoleon Bonaparte die Cisalpine Republik ausrief. Das Stück basiert auf dem historischen Roman «Baron De Bassus und die Illuminaten» des Puschlaver Autors Massimo Lardi. Das Stück wird im Innenhof des Hotels Albrici aufgeführt, dem ehemaligen Palazzo Massella. Der Palazzo gehörte der Familie der Frau des Barons. Heute ist

Lavin – das Schwalbendorf

Säumergeschichten Im Engadin trifft man auf viele sichtbare Zeugen der Säumerepoche: Spuren im Fels im Val d'Uina (Foto), am Maloja- und Berninapass, gepflasterte Säumerrouten am Septimer, Plattenwege im Bergell und mystische Säulen auf dem Julier-Hospiz. Die Ausstellung im Museum Alpin, Pontresina, zeigt Originalobjekte und eine Multimediaschau, die uns mit einer Säumergruppe mitnimmt und die die damaligen Bedingungen schildert: Da wurden Wegzölle erhoben, Futter für die Tiere musste beschafft sowie Unterstände und Herbergen für Mensch und Tier gesucht werden. Die Säumer trugen so auch zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Talschaften bei. Im Engadin sind auch Bauzeugen erhalten, etwa die Berninahäuser, der Ospizio Bernina oder der «Spaniolaturm Pontresina». Die Epoche der Säumer endete abrupt mit dem Ausbau der Alpenübergänge, die den Weg für Pferdekutschen frei machten.

Die Vogelwarte Sempach und die Laviner Dorfbevölkerung wollen dem Symboltier des Engadins – der Schwalbe – wieder bessere Bedingungen für die Brut anbieten. Im Frühling wurden im Dorf 40 Vogelnester für Mehlschwalben montiert. Diese Vögel bauen ihre Nester an Hausfassaden, doch alte Nester wurden oft entfernt oder nicht ersetzt, wenn sie herunterfielen. Auf Initiative von Jürg Wirth hat die Vogelwarte Sempach neue Kunstnester bauen lassen und sie begleitet die Aktion mit wissenschaftlichen Untersuchungen.

Museum Alpin, Pontresina Säumergeschichten, bis Oktober 2014

Barone Utopia Spieldaten

das «Albrici» eine bekannte Adresse der «Swiss Historic Hotels». Küchenchef und Mitbesitzer Claudio Zanolari wird den Theaterbesuchern vor der Vorstellung Speisen nach Rezepten aus dem 18. Jh. auftischen. Inszeniert hat das Stück Oliver Kühn vom Ostschweizer Theater «Jetzt». Gespielt wird das Stück von der Gruppe «Filodrammatica Poschiavina» und einem international zusammengesetzten Ad-hocEnsemble. Parallel zum Theater zeigt das Museo Poschiavino im Palazzo De Bassus-Mengotti – dem ehemaligen Wohnsitz des Barons – die Ausstellung «Dai Bassi ai De Bassus», unter anderem mit historischen Porträtmalereien aus der Familiengeschichte. piz 47 : Sommer | Stà 2014

Bis 31.8. Beginn jeweils 20 h, sonntags 18 h. Ticket- und Übernachtungsreservationen: www.hotelalbrici.ch

63


PIZZERIA Tieferer Preis fürs Schloss Tarasp Seit zehn Jahren will die Familie von Hessen das Schloss Tarasp schon verkaufen. Die Last des Unterhalts ist ihr zu gross geworden. Zuerst war von einem Preis von 15,5 Millionen Franken die Rede, jetzt haben sich die Besitzer

Hotel Waldhaus, Sils Maria, Sommerprogramm  2014 Details und Ergänzungen: www.waldhaus.ch

20.6. 25.6. 26.-29.6. 29.6.

mit der Stiftung Schloss Tarasp auf gut die Hälfte, auf acht Millionen, geeinigt. Dafür bleiben das Inventar und das Verwaltungsgebäude

30.6. 3.-11.7. 4.7.

vorerst im Besitz der Familie von Hessen. Bis zum 1. Mai

10.7.

2015 müssen nun die Region, die Gemeinden, der Kanton und weitere Träger das nötige

28.7. 30.7. 4.8.

7.–12.7.

Geld zusammenbringen.

13.7. 15.–18.7. 16.7. 16.–22.7.

19./20.7. 21.7. 22.7. 23.7. 25.7. 26.7. 27.7.

Autorenlesung auf Berndeutsch: Pedro Lenz «Liebesgschichte». Konzert des Medea Trios. Werke von Beethoven, Brahms und Toru Takemitsu. Silser Hesse-Tage. Buchvernissage: «Wie gross ist die Welt und wie still ist es hier». 18 Geschichten ums Waldhaus. Mit Elke Heidenreich und Alain Claude Sulzer. Welte-Mignon-Konzert, 17.15 h. Shiatsu und Qi Gong mit Claudia Carigiet. Lesung auf Englisch des Schriftstellers und Malers Christian Brechneff (CH/USA). Erlebte Verkehrsgeschichte – 150 Jahre Mobilität im Kanton Graubünden. Vortrag von Felix Bosshard (Wiederholung 14.8.). «Du meine Seele singe». Sing- und Gesprächswoche. Musik-Workshop für Jugendliche mit der Gruppe «Silberbüx». Nietzsche-Werkstatt. Fotografieren für Jugendliche. Drei Abendgespräche mit dem Philosophen und Mathematiker Markus Huber und dem Psychologen und Künstlerphilosophen Martin Kunz. Waldhaus-Tennisturnier. Streetdance- und Breakdance-Workshop von und mit www.lordz.ch Graffiti-Workshop mit www.lordz.ch Waldhaus-Familientag. Autorenlesung: Marie-Luise Scherer. Der allererste Waldhaus-Sommerball mit Dani Felber «live». «Die weisse Schlange» – eine Zürcher Legende um Karl den Grossen. Theater Origen. Im Lärchenwald b. Hotel, 16.30 h.

Welte-Mignon-Konzert, 17.15 h. Kaspers neue Abenteuer, 17.30 h. Buchdruckerkunst im Engadin. Chasper Pult im Gespräch mit Autor Patrick Wild. 6.8. Waldhaus-Familientag. 8.8. Wirtschaftsworkshop für Jugendliche. 8.8. «As Time Goes By», musikalische Reflexioˇ und nen mit Liedern von Mozart, Dvorák Richard Strauss bis Carl Loewe und Herbert Grönemeyer. 10.8. Autorenlesung auf Englisch. Diccon Bewes, «Slow Train to Switzerland – 150 Years and a World of Change Apart». Auf den Spuren der ersten Thomas-Cook-Reise. 11.8. Welte-Mignon Piano und der Konzertpianist Alexander Melnikov. 11.–15.8. Design-Atelier für Jugendliche. 12.8. BSI Engadin Festival im Waldhaus: Schuberts Forellenquintett und mehr. Mit dem Leipziger Streichquartett. 14.8. Erlebte Verkehrsgeschichte (s. 10.7.). 15.8. Weltkulturerbe Albulabahn: Ausflug mit Felix Bosshard. 15.8. «Gipsy Jazz», Koen de Cauter und Söhne. 18.8. Autorenlesung: Norbert Blüm. 21.8. Buchvernissage: Edition Silvia Andrea. 22.8. The Sam Singers. Sentimental Journey, Swing und Schlager. 24.8. Film-Vorpremiere: «Iraqi Odyssee» von Samir. Familienwiedersehen im Waldhaus. 26.8. Weingala. Degustation 16–18 h. 28.–31.8. Silser Kunst- und LiteraTourtage. Details: www.kubus-sils.ch/Kalender/Kultourtage. 1.9. Lyrisch-musikalischer Abend. 4.9. Welte-Mignon-Konzert, 17.15 h. 5.9. Die Kürze des Lebens: Verena Buss liest Seneca. 6.-8.9. Tanzwochenende mit Sonja Wenzler. 8.9. Autorenlesung: I. Noll «Hab und Gier». Weitere Veranstaltungen und Details: www.waldhaus.ch

Ladina Gaudenz im Andrea Robbi Museum Sils Maria 10. Juni bis 19. Oktober

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Chesa Fonio, neben der Kirche, 7514 Segl/Sils Maria Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 16 bis 18 Uhr Eintritt CHF 6.–, Jugendliche CHF 4.– www.andrearobbimuseum.ch © Ladina Gaudenz, aus der Serie „Cavloc“, 2014, Oel auf Leinwand, 22 x 33 cm

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28.04.2014 11:52:33


PIZZERIA Gletscherschwund sichtbar gemacht Der Basler Fotograf und Künstler Ralph Hauswirth und Albert Pazeller aus Richterswil machen mit einer Installation und Intervention am Fuss des Morteratschgletschers bei Pontresina auf den rasanten Schwund des Eises aufmerksam. 2006 hatte Hauswirth auf der Gletscherzunge sein Projekt «Exchange of Elements» umgesetzt und eine 162 Meter lange, aus roten Tüchern zusammengesetzte Linie im Eis markiert (Foto unten links). Die Linie hatte damals einen Bezug zu einer vorangehenden Aktion in der nordafrikanischen Wüste. In diesem Sommer setzt er eine an Seilen befes-

tigte, transparente Tüllstoffbahn an die exakt gleiche geografische Position wie 2006 (Foto unten rechts). Inzwischen liegt an dieser Stelle aber nur noch aperes Geröll, denn der Gletscher zieht sich jedes Jahr um rund 40 Meter weiter zurück. Das Projekt wird fotografisch und filmisch begleitet und dokumentiert. Zusammen mit den vorangegangenen Arbeiten wird die Trilogie später in Basel präsentiert werden. Die Installation wird zwischen dem 5. und 10. Juli aufgebaut. Vernissage: 11. Juli im Rahmen der 3. Triennale «Vias Arts Puntraschigna», bis 17. Oktober.

Oscar Peer Im vergangenen Dezember starb der Schriftsteller Oscar Peer im Alter von 85 Jahren. Er wusste noch, dass er den Bündner Literaturpreis 2014 erhalten werde, er erlebte die Preisverleihung Anfang 2014 dann nicht mehr. Oscar Peer schrieb sowohl in Vallader als auch in Deutsch. Peer war in Lavin aufgewachsen. In seinem Alterswerk «Das Rauschen des Flusses» («La rumur dal flüm») beschreibt er seine Engadiner Kindheits- und Jugendjahre. Frühere Bücher sind «Das alte Haus», «Akkord» oder die Novelle «Begegnung».

PUBLITEXT

Die neue Win-win-Situation für Studierende und Arbeitgeber

sowie lange Einarbeitungszeiten gehören

Das saisonale Studium der Höheren Fach-

unseres Saisonmodells hingegen sind dank

schule für Tourismus (HFT) Graubünden

des hohen Praxisanteils (insgesamt rund 18

bietet ab Herbst 2014 DIE Lösung für

Monate) während des Studiums finanziell

Studierende, welche finanziell unabhängig

unabhängig. Das Sammeln von wertvoller

sein wollen. Für touristische Arbeitgeber,

Arbeitserfahrung und das Knüpfen von

die während der Hauptsaisons im Sommer

Kontakten in der Branche sind weitere

und Winter personelle Verstärkung brau-

entscheidende Vorteile dieses Studiums.

chen, öffnet das Saisonmodell neue Türen.

Durch die klare zeitliche Trennung von

Arbeiten in den Hauptsaisons – studieren

Theorie und Praxis sind auch Saisonstellen

in den Nebensaisons; nach diesem Prinzip

ausserhalb des Kantons Graubünden oder

ist das dreijährige, saisonale Studium

gar im Ausland möglich. Möglich sind Stel-

der HFT Graubünden aufgebaut. Für die

len in Event-, Tourismus- oder Marketing-

Arbeitgeber, welche Studenten der HFT

organisationen oder in einem Hotel- bzw.

Graubünden in Saisonstellen einsetzen,

Gastrobetrieb. Nach drei Jahren erlangen

bedeutet dies wertvolle personelle Ver-

die Absolventen den eidgenössisch an-

stärkung während der Spitzenzeiten im

erkannten Titel «dipl. Tourismusfach-

Sommer und Winter. Die Studienvariante

mann/-frau HF».

der Vergangenheit an. Die Studierenden

ermöglicht es touristischen Betrieben, Ver-

Höhere Fachschule für Tourismus

träge mit qualifizierten Mitarbeitern über

Graubünden, T +41 (0)81 851 06 11,

mehrere Saisons abzuschliessen. Zeit- und

hft@academia-engiadina.ch

kostenaufwendige

www.hftgr.ch

Personalrekrutierung

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VORSCHAU / PREVISTA

IMPRESSUM

Licht | glüm Licht ist Physik und für den Laien kaum erklärbar. Eine umfassende Beschreibung des Lichts kann nur die Quantenelektronikdynamik liefern. Die nächste Ausgabe des Magazins piz wird aber nicht von der Physik handeln. Licht ist vor allem Leben. Natürliche Lichtquellen sind die Sonne und das Feuer. In den anderen Fällen sind wir Menschen verantwortlich fürs Lichtmachen. Licht ist immateriell: Wir können es nicht anfassen, sondern nur wahrnehmen und fühlen. In der nächsten pizAusgabe wollen wir besonderen Lichtsituationen, aber auch der Magie des Lichts nachgehen – in der Natur, in der Kunst, in der Architektur. Und wir streifen durch das «Tal des Lichts», wie das Engadin poetisch genannt wird.

Herausgeberin | editura Edition piz, Urezza Famos, Schigliana 183, 7554 Sent Tel. +41 (0)79 610 48 04, info@pizmagazin.ch, www.pizmagazin.ch Redaktion | redacziun Urezza Famos, René Hornung (rhg), redaktion@pizmagazin.ch Anzeigenverkauf | inserats E. Deck Marketing Solutions, Edmund Deck, Via Giovanni Segantini 22, 7500 St. Moritz, Tel. +41 (0)81 832 12 93, e.deck@bluewin.ch Produktion | producziun René Hornung, Eva Lobenwein Artdirektion, Grafik | grafica Eva Lobenwein, Innsbruck, www.dieeva.com Bildredaktion | redacziun da las illustraziuns Urezza Famos Bildbearbeitung | elavuraziun grafica TIP – Tipografia Isepponi, Poschiavo Korrektorat | correctorat tudais-ch Helen Gysin, Uster Copyright Edition piz, Scuol Druck | stampa AVD, Goldach (SG)

Autorinnen und Autoren, Fotos | auturas ed auturs, fotografias Foto: piz

Esther Banz, *1970, freie Journalistin in Zürich, www.buerobanz.ch Franco Brunner, *1977, freier Journalist in Chur, www.francobrunner.ch Flavian Cajacob, *1968, Journalist in Zürich, www.flaviancajacob.com

Magazin für das Engadin und die Bündner Südtäler

Dominik Flammer, *1966, Journalist und historische Recherchen, Zürich, www.publichistory.ch

Magazin per l'Engiadina ed il Grischun dal süd

Ueli Handschin, *1953, Journalist in Feldis. Katharina Hohenstein, 1967, Publizistin in Mals (I).

www.pizmagazin.ch

Ralph Hug, *1954, freier Jour nalist im «Pressebüro St. Gallen».

Nr. 47, Sommer | Stà 2014. Erscheint zweimal jährlich. Auflage: 23’000 Ex.

Jürg Paul Müller, *1945, Wildbiologe und Museumsfachmann in Chur, www.jp-mueller.ch

Abonnemente:

Michael Peuckert, *1967, Fotograf in Münchenstein, www.michael-peuckert.com

Edition piz, Schigliana 183, CH-7554 Sent. Zweijahresabonnement: Fr. 35.– (exkl. Versandkosten und

Rut Plouda, *1948, Autorin und Lyrikerin, Ftan.

Mehrwertsteuer). Das Abonnement ist mit einer Frist von zwei

Clà Riatsch, *1956, professur per litteratura rumantscha, Univ. Turich.

Monaten vor Ablauf kündbar. Ohne schriftliche Kündigung er-

Corinne Riedener, *1984, Grafikerin und Redaktorin beim Stadtmagazin «Saiten», St. Gallen.

neuert es sich automatisch um zwei Jahre. info@pizmagazin.ch

Esther Scheidegger, *1946, freie Journalistin in Zürich. Nächste Ausgabe: Juni 2014 Für unverlangt eingesandtes Text-, Bild- und Tonmaterial über-

Bettina Vital, *1982, Übersetzerin und Koordinatorin für das Romanische in der Bundeskanzlei, Zürich.

nimmt der Verlag keine Haftung. – Nachdruck, auch auszugs-

Mayk Wendt, *1982, Fotograf in Tarasp. www.maykwendt.com

weise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.

Jürg Wirth, *1969, Wirtschaftsingenieur, Journalist und Landwirt in Lavin, www.uschlaingias.ch

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