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Niccolò Milanese: Europas neue Territorialpolitik
oder Die ungleichen Räume, die uns zum Leben, Atmen, Bewegen und Sterben bleiben
von Niccolò Milanese Europe’s Futures-Stipendiat 2019/2020
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Die politische Geografie Europas ist bekannter- oder der Realpolitik war, zu einer administrativen maßen ungewiss und umstritten. Der Luxus und und juristischen Kompetenzstreitigkeit in einer die Bürde, der einzige Kontinent zu sein, der sich stratifizierten, aber konvergenten Landschaft poselbst einen Namen gegeben hat, besteht darin, litischer Autorität gemacht wurde. dass seine Grenzen nicht definiert sind und sich die europäische Geschichte insgesamt – sowohl Die Voraussetzungen für diese Integration waren von „innen“ als auch „außen“ gesehen – als eine mannigfaltig: Am Anfang standen das vernichteberüchtigte Folge von Ereignissen erzählen lässt, te Nachkriegseuropa und die Notwendigkeit des bei denen es um die Beanspruchung, Zurück- Wiederaufbaus, der Zugang zu den europäischen weisung, Verteidigung oder Aufspaltung von Kolonien und ihren Ressourcen, die weiterhin reLändern, Wurzeln, Kulturen, Namen und Symbo- lativ sicheren Energie- und Industriewerkstofflen geht, die alle mit ihr in Verbindung gebracht quellen und die Klimastabilität, der allgemeine werden könnten. Um ihre Geschichte derart zu militärische Schutz durch die USA, der privilegiererzählen, bedarf es freilich min- te Zugang zu den internadestens zweier Erzählweisen, Lässt sich Territorium tionalen Finanzmärkten und einer „europäischen“ und einer „nicht europäischen“, wenn es auch jenseits militärischer lang anhaltende Perioden globalen Wirtschaftswachsdenn nur möglich wäre, a priori Metaphern denken? tums. zu bestimmen, welche die eine und welche die andere ist. Mit dieser unentrinn- Stand die Geopolitik in den ersten Jahrzehnten der bar gespaltenen Geschichte riskiert ein Handeln europäischen Integration bis 1989 im Vordergrund, im Namen Europas stets, Partei zu ergreifen, aber so ermöglichten es der Zerfall des Sowjetimpeauch die offensichtliche Fragilität unlösbarer in- riums und die „Wiedervereinigung“ der Europäinerer Widersprüche, das Hervortreten abtrün- schen Union, ihre Teleologie als die Verwirklichung niger Renegaten und Rebellen in den eigenen einer „immer engeren Union“ zu artikulieren, die Reihen. Lässt sich Territorium auch jenseits dieser zugleich mit der Osterweiterung verbunden war. militärischen Metaphern denken? Die nach wie vor ungelösten Territorialkonflikte, insbesondere an der immer östlicheren Grenze, sollten Als Friedensprojekt erhebt die Europäische Uni- „später“ behandelt werden. Die grausamen Kriege on – jenes gefeierte „nicht identifizierte politische in Jugoslawien wurden rasch vom Namen „Europa“ Objekt“ – einen starken und berechtigten An- abgegrenzt – die Balkanhalbinsel wieder ein Ort, zu spruch auf die Überwindung von Grenzkonflikten dem Europa noch nicht vorgedrungen war, was es und weiterreichenden Territorialkonflikten, zu- den Mehrheiten in Westeuropa ermöglichte, dem mindest in ihren „Kernländern“, allen voran Frank- makellosen Narrativ des neuen, unberührt und konreich und Deutschland. Mittels verschiedener For- fliktfrei wiedergeborenen Europas treu zu bleiben. men der Integration (funktional, energiepolitisch, Die „Stunde Europas“ lag in der Zukunft. juristisch, monetär, bildungspolitisch usw.) hat man die Ursachen dieser Konflikte verdrängt und Die vernachlässigte Geschichte dieser ersten aus dem Fokus genommen, indem das, was eine Jahrzehnte der europäischen Integration ist die Frage der Außenpolitik, der militärischen Macht Verdrängung der kolonialen Interessen Euro-
Niccolò Milanese, Foto: IWM
pas. Die EWG umfasste die Gründungsstaaten einschließlich ihres Kolonialbesitzes, und ein Hauptanliegen vieler an ihrer Förderung Beteiligter waren die Vereinigung und der Erhalt der europäischen Kolonien, vor allem durch das geopolitische Konzept von „Eurafrika“. Wenn die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten politisch eine Distanz zwischen der Macht Europas und jener Afrikas herstellte, so blieben die von Abhängigkeit und Klientelismus geprägten Wirtschaftsbeziehungen unverändert eng, während die Welt von einer explizit kolonialen Logik zum globalen Kapitalismus und seiner imaginierten flachen und friktionslosen Landschaft gleicher nationaler Unabhängigkeit überging. Unter dem Deckmantel wirtschaftlichen Fortschritts oder humanitärer Hilfe, die an Konzerne und Unternehmen ausgelagert wurde, wurde Europas Beziehung zu seinen Kolonien – geprägt von der der Vergangenheit zugeschriebenen Gewalt und Brutalität, selbst wenn sie noch andauert – in der Öffentlichkeit zu einem von seinen inneren Angelegenheiten unabhängigen Thema, sodass das neue Europa wieder makel- und schuldlos erscheinen konnte.
Diese makroräumlichen Transformationen, Reskalierungen und Neuausrichtungen mögen abstrakt oder distanziert erscheinen, hatten aber sehr wohl mit den Orten zu tun, die ein Gefühl von Zugehörigkeit, Zusammengehörigkeit und Heimat vermittelten. Wenn man die Globalisierung bzw. den fortgeschrittenen Kapitalismus als „Vernichtung des Raums durch die Zeit“ verstehen kann, dann ist der politische Raum der widerstandsfähigste und vielschichtigste. Neue Teleologien der europäischen Integration, des Wirtschaftswachstums und der Menschenrechte – auf die nachkommende Generationen ihre Lebensentwürfe und Zukunftsvorstellungen stützen könnten – stießen auf die verbissene Verteidigung von Privilegien, Vorteilen und Vormachtstellung in verkomplizierten und kulturell aufgeladenen Klassenkämpfen, in denen die untergeordneten Klassen praktisch ausnahmslos durch ihre Heterogenität benachteiligt waren.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde Raum in ganz Europa und an seinen unsicheren Grenzen von verschiedenen Gruppen und Individuen unterschiedlich wahrgenommen, abhängig von ihrem Zugang zu bzw. Ausschluss von Technologien, Rechtssystemen und grenzüberschreitenden Arbeits-, Familien- und sozialen Beziehungen und wie sie sich diese zu eigen machten. Durch die zahlreichen, ineinandergreifenden Krisen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wurde die Kluft zwischen der um Ausgleich bemühten rechtlichen Vertretung der europäischen Ordnung und der materiellen, sozialen und kulturellen Unordnung unübersehbar, die Zuordnung dieser Divergenzen jedoch mit jedem Tag komplexer. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Nicht nur begannen sich die europäischen Länder aufgrund der im Jahr 2008 aufkommenden Finanzkrise in sozioökonomischer Hinsicht auseinanderzuentwickeln, auch miteinander verflochtene Bevölkerungen mit grenzüberschreitenden Verbindungen und Abhängigkeiten waren asymmetrisch betroffen, sodass jede „nationalisierte“ Abbildung oder statistische Darstellung unzureichend ist, jedoch auch eine nicht nationale, europaweite Darstellung könnte die wesentlichen Intermediäre der Mitgliedstaaten und ihre individuellen Verbindungen nicht miteinbeziehen.
Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2007 begann die „geopolitische“ Ambition der Europäischen Union wieder in den Vordergrund zu treten, zunächst verkörpert durch den „Hohen Vertreter“, aber auch durch die Regelungen zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen, die später auf-
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gegriffen werden sollten. Barg die Reaktion auf die Terroranschläge auf die Twin Towers zu Beginn des neuen Jahrtausends bereits das Potenzial für eine Divergenz zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und einigen militärischen Großmächten in Europa, so offenbarte das zweite Jahrzehnt der 2000er-Jahre eine sich dramatisch verändernde geopolitische Landschaft: der amerikanische „Schwenk“ in Richtung Asien und zunehmende Ungewissheit im Hinblick auf die Verteidigung Europas durch Amerika, wachsende Unsicherheit bezüglich Energiequellen sowie sich verschärfende Energie- und Ressourcenkonflikte in Nachbarländern, der Sturz nordafrikanischer Diktatoren, die eng mit Europa verbunden waren, größere Migrationsströme, eine radikale Beschleunigung der technologischen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen, Wirtschaftsströme und die kulturelle Produktion von Symbolen, kombiniert mit einem Wiederaufleben revisionistischer historischer Narrative, die die Grundfesten einer liberalen Ordnung infrage stellen. Diese und andere Phänomene waren auf Makro- und Mikroebene erkennbare Merkmale des Gesamtbildes und der individuellen gelebten Erfahrung in der Welt. Zusammen untergruben sie viele der Voraussetzungen des europäischen Einigungsprojekts bzw. machten sie zunichte, und ihre Verkettung verlangte nach einer schrittweisen Veränderung der Bedeutung und Intensität des Projekts selbst.
Mit ihrer „geopolitischen“ Position in jedem Ressort und ihrem Hauptaugenmerk auf die europäische „Lebensweise“, mit ihrem Green Deal, ihrem Fokus auf die Chancen des digitalen Zeitalters, dem demografischen Wandel und sogar mit einem eigenen Kommissar für „Krisenmanagement“ hat die neue Europäische Kommission viele dieser veränderten Bedingungen erst spät berücksichtigt, auch wenn sie in ihrem Beharren auf der Neuartigkeit ihrer geopolitischen Reichweite auf einem Kontinent, auf dem seit jeher Geopolitik betrieben wurde, dazu beitrug, dass die zugrunde liegenden und seit Langem bestehenden Interaktionen und Wechselbeziehungen zwischen Europa und Nicht-Europa weiterhin in den Hintergrund gedrängt wurden und sie damit ihre Augen vor ihrer historischen und ethischen Verantwortung weiterhin verschloss (erkennbar an der Tendenz, die geopolitische Wende Europas in ihrer Exklusivität, ihrer Abschottung und immer enger gefassteren Definition von Eigeninteresse und Machtprojektion zu unterstreichen).
Gerade als die Kommission begann, sich mit dieser Welt im Wandel zu befassen, beschleunigte, verschärfte und untergrub die Coronakrise einige Entwicklungen der sich verändernden globalen Landschaft, auf die sich die europäischen Regierungen gemeinsam vorbereitet hatten. Auch wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Krise noch verfrüht ist, diese neue Landschaft vollständig zu vermessen, so lassen sich doch einige wesentliche Merkmale erkennen. Das Virus selbst, seine außergewöhnlich hohe Ansteckungsfähigkeit und die Geschwindigkeit seiner Ausbreitung auf dem gesamten Planeten sowie sein unmittelbarer Angriff auf die Schnittstelle zwischen Körper und Umwelt bei jedem Atemzug bewirken eine tiefgreifende Veränderung unserer phänomenologischen Erfahrung von Raum. Ganz abgesehen von vorläufig zu erduldenden Maßnahmen wie Abstandsregeln, Isolierung und das Tragen von Masken geriet die Darstellung unseres Lebensraums stark unter Druck. Auf der einen Seite
intensivieren wir unsere internationalen Kontakte, wohl wissend, dass ein Aufflammen in einem Teil der Welt, bei denen dort, schnell Folgen für uns hier haben kann; wir vergleichen unablässig private Dinge des Alltagslebens in anderen Ländern. (Wie oft dürfen sie nach draußen? Mit wem? Wie lange dürfen die Kinder zur Schule gehen? usw.) Auf der anderen Seite setzen wir uns mit unseren persönlichen Freiräumen auseinander, waschen und desinfizieren unsere Hände, sind gegenüber den kleinsten Anzeichen möglicher Krankheit alarmiert, intensivieren unsere engsten persönlichen Kontakte und denken vermehrt über unsere eigene Sterblichkeit nach.
Inwieweit diese angespannte Situation unsere Vorstellungen von unserem Lebensraum nachhaltig prägen wird, bleibt abzusehen und wird unterschiedlich wahrgenommen werden, aber diese Vorstellungen beeinflussen und überschneiden sich bereits jetzt mit anderen Aspekten unseres Lebens. Wohn- und Arbeitsbedingungen wurden unter anderen Risiko- und Sicherheitsaspekten repolitisiert als jenen, die sich aus der Subprime- und Finanzkrise von 2008 ergaben. Generell ist die Frage, wer frei atmen darf und wer erstickt, sei es aufgrund von Krankheit und Umweltverschmutzung oder durch Polizeigewalt, Tränengas oder Fremdenhass, zu einem essenziellen Thema für unsere Gegenwart und Zukunft geworden. Wer ist getestet, an wem wird experimentiert, wer wird isoliert und in seiner Mobilität eingeschränkt und wer kann sich wo und wann frei bewegen? Das sind die entscheidenden politischen Fragen unserer kollektiven Neuaufstellung, die es auch zuvor schon gegeben hat, die aber in der neuen Realität umso akuter geworden sind.
Darüber hinaus haben die nunmehr geltenden Abstandsregeln etwas infrage gestellt, das in vielen Kulturen die grundlegende Verbindung zwischen Mensch und Erde ausmacht: die Bestattung der Toten. Bei jenen, von denen angenommen wird, dass sie mit dem Virus gestorben sind, entwickelte es sich eher zu einer Beziehung zwischen dem abgesonderten Individuum und den Behörden als zu einer Beziehung zwischen Familie und Erde. Derartige Erfahrungen erinnern an frühere Epidemien, aber auch an Kriegserfahrungen in Europa in jüngerer Zeit. An einigen Orten wie Mailand durchlaufen Familien nun die in der Nachkriegszeit üblichen Prozeduren der Identifizierung, Exhumierung und Wiederbestattung von Angehörigen, die in anonymen Gräbern beigesetzt waren.
In den ersten Monaten des Jahres 2020 wurde die europäische Raum-Zeit-Ordnung vorübergehend auf den Kopf gestellt: Einige schlummernde Grenzkonflikte taten plötzlich wieder zutage, wenn auch nur kurz (etwa im Elsass an der deutsch-französischen Grenze), europäische Länder entdeckten neue geopolitische Allianzen wieder (etwa der außergewöhnliche Moment, als man in Italien die chinesische Solidarität lobte und die fehlende europäische Solidarität verurteilte), der zeitliche Horizont der europäischen Teleologie verschwand zum Teil, denn niemand weiß, was „danach“ kommt. Ein derartiger Bruch
kann vereinzelt positive Auswirkungen haben, wie zum Beispiel das Aufnehmen von Beitrittsverhandlungen für Nordmazedonien und Albanien, was angesichts des Ausmaßes der Coronakrise für die Zukunft von Europa kaum von entscheidender politischer Bedeutung erscheint.
Nachdem die ersten Phasen der Pandemie überstanden waren, versuchten die europäischen Behörden, den Entwicklungen einen Schritt voraus zu sein und gleichzeitig eine gewisse „Normalität“ wiederherzustellen. Sie nutzten die jähe Erfahrung einiger Länder, denen plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, um eine Art Sprung nach vorne vorzuschlagen: das von der Kommission angekündigte europäische Aufbaupaket „Next Generation“. Im Angesicht der Gefahr unterstreicht das europäische Projekt sein teleologisches Versprechen, es bleibt jedoch abzuwarten, wie hoch der Preis für das Vergessen dieses Mal ist. Das Verdrängte oder Vergessene verschwindet nicht und es ist nicht nur Teil der Geschichte, um daraus zu lernen, sondern betrifft auch die bestehenden Beziehungen zwischen Individuen, Ländern und Kontinenten, jede Beziehung mit ihrer unausweichlichen Forderung nach Gerechtigkeit.
Die Feststellung, dass die europäische RaumZeit-Ordnung wiederhergestellt oder rückgängig gemacht wurde, wäre zu einfach: Es gibt keine einfache Rückkehr zu einem Status quo ante oder eine neue alte Nationalisierung, genauso wenig, wie es einen Weg zu einer höheren europäischen Ebene gibt. Die Politik der Vergangenheit und Ideologien wie der Nationalismus sind gezwungen, sich als teleologische Interpretationen des neuen Territoriums der Gegenwart neu anzupassen und neu zu positionieren, und weil sie darin geschickter sind als sozialistische und internationalistische Konzepte, irritieren sie dadurch optimistische Prognosen. Was bleibt, ist eine bunte und subtile Landschaft politischer Auseinandersetzungen um verschiedene Aspekte der europäischen Territorialität, und diese Auseinandersetzungen finden sowohl im formalen Bereich der Politik als auch auf unzähligen „informellen“ Wegen statt und betreffen etwa auch die Frage, ob Menschen mehr oder weniger mobil sind. Um eine Steuerung und Erneuerung der Politik zu bewirken, ist eine umfassende soziale Konzeption der Morphologie Europas notwendig; ohne sie bleibt die europäische Politik nur ein Nebenschauplatz für die grundlegenden Dinge des Lebens: leben, atmen, sich bewegen und sterben zu können, abhängig von den jeweilig vorherrschenden Bedingungen. Die Geschichte lehrt uns, auf welch gefährliche Art und Weise diese spezielle Thematik von faschistischen Agitatoren mit tödlichem Ausgang eingesetzt werden kann, und so gilt es, eine vielschichtige und lebendige Territorialpolitik zu entwickeln, die sich zugleich auf Gerechtigkeit und Diversität stützt.
Europe’s Futures ist eine Kooperation der ERSTE Stiftung mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen zur Entwicklung neuer Perspektiven für ein wiedererstarktes, vereintes und demokratisches Europa. Liberal-demokratische Stimmen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa führen eine hochrangige akademische, gesellschaftliche und politische Debatte über die Zukunft der Europäischen Union.
Denn Europa erlebt eine der dramatischsten und herausforderndsten Zeiten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das europäische Projekt steht auf dem Spiel und die liberale Demokratie wird sowohl von innen als auch von außen herausgefordert. Staatliche und nicht staatliche AkteurInnen aller Richtungen sehen den dringenden Bedarf, brennende Probleme anzusprechen und zu stabilisieren, was mittels dieses politischen Friedensprojekts mühsam erreicht wurde.
Seit 2018 treffen sich jedes Jahr sechs bis acht führende europäische ExpertInnen am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Das Stipendienprogramm Europe’s Futures – Ideas for Action stellt eine einzigartige Plattform für Ideen zur Verfügung. Hier werden grundlegende Maßnahmen erörtert, mit deren Hilfe man die gegenwärtige Situation und die Zukunft Europas stärken und weiterentwickeln kann. Europe’s Futures liefert tiefgreifende Untersuchungen und konkrete politische Vorschläge. Das Programm lebt vom Austausch mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und vom öffentlichen Diskurs. Es wird geleitet von Ivan Vejvoda.
Isabelle Ioannides ist Senior Associate Researcher am Institut für Europastudien und Wissenschaftlerin am Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Brüssel. Derzeit arbeitet sie als Politikanalystin im Europäischen Parlamentarischen Forschungsdienst des Europäischen Parlaments, wo sie sich mit der Entwicklung und Forschung von Strategien zur Unterstützung der Gesetzgebungsaufsicht befasst, die parlamentarische Ausschüsse und Unterausschüsse für EU-Außenmaßnahmen durchführen. Ihre Veröffentlichungen untersuchen die Friedens- und Staatsbildung der EU in Übergangsgesellschaften einschließlich der Steuerung des Sicherheitssektors und das Krisenmanagement der EU, wobei sie sich auf die Leistung der EU auf dem westlichen Balkan sowie im Nahen Osten und in Nordafrika konzentriert.
Leszek Jazdzewski ist ein polnischer Kolumnist und Aktivist. 2008 gründete er LIBERTÉ! – die Zeitschrift, das Webportal und die Stiftung, in der er noch immer als Chefredakteur arbeitet. Als liberaler Gegner nationalistischer und konservativer Tendenzen startete er die Kampagne Świecka Szkoła (Säkulare Schule) mit. Er ist der Gründer des Projekts Igrzyska Wolnosci (Freiheitsspiele) und ein Ratsmitglied des Europäischen Forums für neue Ideen, ein Marshall Memorial Fellow und einer von 25 jungen Führungskräften für die nächsten 25 Jahre, die von der Stiftung Teraz Polska (Polen jetzt) ernannt wurden. Nicole Koenig ist stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Instituts Berlin. Sie leitet die Forschung des Instituts zur EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Institutionen und Demokratie sowie Migration. Zuvor arbeitete sie für verschiedene europäische Thinktanks und Universitäten, darunter die Trans European Policy Studies Association in Brüssel, das Istituto Affari Internazionali in Rom, das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam und das King’s College in London.
Péter Krekó ist Direktor des Political Capital Institute in Budapest, non-resident Stipendiat am Bologna Institut für Politikforschung der Johns Hopkins School of Advanced International Studies und Dozent am Institut für Sozialpsychologie der Eotvos Lorand Universität der Wissenschaften in Budapest. Zu seinen Interessen gehören Verschwörungstheorien und Fake News, der institutionelle Einfluss des Kremls in Europa sowie politischer Populismus und Tribalismus in Europa. Er ist Teammitglied des Projekts Closing Space in Civil Society, das vom in Washington ansässigen Thinktank Center für strategische und internationale Studien (CSIS) geleitet wird.
Bernd Marin ist Direktor des Europäischen Büros für Politikberatung und Sozialforschung in Wien. Zwischen 1981 und 2019 war er Gastprofessor und hielt Vorträge an vielen der renommiertesten Universitäten und Forschungszentren weltweit. Er war politischer Berater verschiedener Regierungen, NGOs und zwischenstaatlicher Organisationen. Seine letzten Bücher untersuchten die Zukunft der Wohlfahrt in einem globalen Europa und Wohlfahrt in Ruhestandsgesellschaften. Grigorij Mesežnikov ist Politikwissenschaftler und Präsident des Institute for Public Affairs. Der Experte hat Studien zur Entwicklung von Parteiensystemen und zu politischen Aspekten der Transformation in postkommunistischen Gesellschaften, zu illiberalen und autoritären Tendenzen, zu Populismus, Radikalismus und Nationalismus in verschiedenen Monografien, Sammlungen und Fachzeitschriften in der Slowakei und anderen Ländern veröffentlicht. Er liefert regelmäßig Analysen der politischen Szene der Slowakei an in- und ausländische Medien.
Niccolò Milanese ist Direktor von European Alternatives, ein in Paris lebender Poet und Philosoph, der als Sohn italienischer und britischer Eltern in London geboren wurde. Neben European Alternatives war er an der Gründung zahlreicher politischer und kultureller Organisationen, Magazine und Initiativen auf verschiedenen Seiten des Mittelmeers beteiligt, einschließlich von Civil Society Europe, wo er derzeit den Vorsitz der Arbeitsgruppe für zivilgesellschaftlichen Raum und Grundrechte innehat. Er berät regelmäßig Kultur-, Bildungs- und Politikinstitute sowie Aktivistengruppen in den Bereichen kulturelle Vermittlung und künstlerische Innovation, Staatsbürgerschaft und politische Theorie über Grenzen hinweg, Generationentrends und Organisationsdesign.
Alida Vračić ist Politikwissenschaftlerin und Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Populari, einer Denkfabrik auf dem westlichen Balkan, die sich auf Demokratisierungsprozesse, gute Regierungsführung und Migration nach Konflikten spezialisiert hat. Sie präsentiert ihre Arbeiten regelmäßig in allen großen europäischen Hauptstädten und wurde als regionale Expertin in zahlreichen südosteuropäischen und westlichen Medien zitiert – u.a. in der New York Times, im Economist, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Neuen Zürcher Zeitung, dem Standard, Reuters und der Deutschen Welle sowie nordamerikanischen Nachrichtenagenturen. Ivan Vejvoda ist der Leiter von Europe’s Futures am Institut fur die Wissenschaften vom Menschen. Bevor er 2017 als Permanent Fellow zum IWM kam, war er Senior Vice President for Programmes beim German Marshall Fund of the United States (GMF). Von 2003 bis 2010 war er Geschäftsführer des Balkan Trust for Democracy des GMF. Bis 2003 diente er in der serbischen Regierung in hervorgehobener Position den Premierministern Zoran Đinđić und Zoran Živković als leitender Berater für Außenpolitik und europäische Integration. Zuvor war er Geschäftsführer des in Belgrad ansässigen Fund for an Open Society und hatte verschiedene akademische Positionen in den USA und in Großbritannien inne. Ivan Vejvoda war in den 1990erJahren eine Schlüsselfigur der demokratischen Oppositionsbewegung in Jugoslawien und hat zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen demokratischer Übergang, Totalitarismus und Wiederaufbau nach dem Krieg auf dem Balkan veröffentlicht.