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2. Treibhausgasneutralität bis 2050
peratur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, bildet die notwendige Konkretisierung des international auszurichtenden Klimaschutzgebots nach Art. 20a GG. Das wird gerade dadurch unterlegt, dass § 1 Satz 3 die international vereinbarte Temperaturschwelle des Art. 2 Abs. 1 lit. a) des Pariser Klimaabkommens bewusst und ausdrücklich zugrunde legt.4 Zugleich wird damit umgekehrt der besondere Zusammenhang zu dem Klimaschutzgebot des Art. 20a GG betont.5 Dadurch entsteht eine Wechselwirkung. Der Bezug auf das Pariser Klimaabkommen in § 1 schlägt die Brücke zum völkerrechtlichen Klimaschutz, den auch das BVerfG heranzieht, vor allem wenn es um die Berechnung des Deutschland noch zur Verfügung stehenden CO2-Restbudgets geht.6 Indem das BVerfG dabei auf das Pariser Klimaabkommen und den Bericht des IPCC zur näheren Bestimmung der Berechnung des auf Deutschland entfallenden CO2-Budgets zurückgreift, wird das Völkerrecht implementiert. Aus der internationalen Dimension des Klimaschutzgebotes folgt dann praktisch auch die Wahrung des Klimavölkerrechts und der auf seiner Grundlage entstandenen Dokumente. Nur wegen der bestehenden Unsicherheiten über die zur Wahrung der Temperaturschwelle global und national verbleibenden Emissionsmöglichkeiten wird die unter Abstützung auf den IPCC-Bericht ermittelte Budgetgröße des Sachverständigenrates für Umweltfragen nicht als zahlengenaues Maß für die verfassungsgerichtliche Kontrolle herangezogen7 und damit noch nicht rechtlich verbindlich gemacht, wohl aber faktisch und im Ansatz zugrunde gelegt, so bei der Berechnung der Erschöpfung des deutschen CO2-Restbudgets bis 2031.8 Bereits jetzt ist diese Berechnung zu berücksichtigen.9 Verschwinden die bestehenden Unsicherheiten, handelt es sich um den rechtlich verbindlichen Maßstab. Der nunmehrige IPCC-Bericht vom 09. 08. 2021 weist dabei die Gefahren für das Klima durch den inzwischen weiter beschleunigten Temperaturanstieg wesentlich deutlicher aus und beklagt irreversibel eingeleitete Entwicklungen wie das Ansteigen des globalen Meeresspiegels. Der Temperaturanstieg lässt sich kaum mehr auf 1,5 Grad Celsius begrenzen. Selbst das 2-Grad-Ziel lässt sich nur noch mühevoll erreichen, nämlich dann, wenn in den kommenden Jahrzehnten drastische Reduktionen der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen erfolgen. UN-Generalsekretär Guterres be3
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4 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 210. 5 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 210. 6 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 218 ff. 7 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 236 a. E. 8 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 246. 9 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 229, 237.
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7 tont die Notwendigkeit alsbaldiger Dekarbonisierung. 10 Der BVerfG-Klimabeschluss verweist aber nicht auf die jeweilige Fassung des IPCC-Berichts, sodass sich daraus nunmehr keine (verfassungs-)rechtlichen Folgen etwa für den Kohleausstieg ergeben. Allerdings unterstreicht der neue IPCC-Bericht die Notwendigkeit klimaschützenden Handelns durch alle Staaten, um die Restchance zu wahren, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Insoweit sind die im BVerfG-Klimabeschluss benannten Unsicherheiten weiter zurückgegangen. Indes ist das Pariser Klimaabkommen nicht derart strikt formuliert wie § 1. Nach seinem Art. 2 Abs. 1 lit. a) zielt es nur darauf ab, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dieser Wert ist damit nicht verbindlich, aber durch entsprechende Anstrengungen anzustreben. Zudem sind die vom BVerfG abgeleiteten Maßgaben für die Berechnung des deutschen CO2-Restbudgets in diesem Abkommen so nicht enthalten. Es wird noch nicht einmal ein konkretes Restbudget gefordert, sondern es bedarf nur der Festlegung von Reduktionszielen, und auch dies nur als Soll-Vorschrift sowie im Hinblick auf die entwickelten Staaten (näher u. Rn. 105). Ohnehin bildet das Pariser Klimaabkommen nur eine Rahmenordnung ohne konkrete Einzelverpflichtungen. Es muss erst näher ausgestaltet werden. Die Staaten müssen sich selbst zu Verpflichtungen bereit erklären und diese dann einer kontinuierlichen Kontrolle unterwerfen. Damit kann nicht das Ziel einer Erderwärmung um möglichst nur 1,5 Grad Celsius bis maximal 2 Grad Celsius als solches bereits verbindlich gesetzt werden. Das ist es in Deutschland erst durch die Festlegung in § 1. Dann aber können erst recht nicht die zusätzlichen Aussagen des Pariser Klimaabkommens innerstaatlich verbindlich gesetzt werden. Das gilt insbesondere für die Festlegung des deutschen CO2Restbudgets. Die nähere Ausgestaltung des Pariser Klimaabkommens erfolgt auf den UNFolgekonferenzen. Die erste fand 2018 in Kattowitz statt. Und bei dieser wurden die Berechnungen des IPCC nicht als verbindlich angesehen, sondern nur die frühe Fertigstellung des Berichts wurde begrüßt.11 Damit können die dortigen Berechnungen jedenfalls nicht wegen ihrer Bedeutung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens bedeutsam sein, sondern nur infolge ihrer Heranziehung durch den Sachverständigenrat für Umweltfragen, dessen Berechnungen das BVerfG gerade wegen ihrer Abstützung auf Zahlen des IPCC als Ergebnis eines qualitätssichernden Verfahrens unter belastbarer Abbildung des aktuellen Wissensstandes schlüssig und wissenschaftlich begründet sieht.12 Indes kann auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen keine verbindlichen Zahlen festlegen, sondern nur Anhaltspunkte liefern. Ein CO2-
10 Tagesschau, Reaktionen auf Klimabericht, abrufbar unter https://www.tagesschau. de/ausland/weltklimabericht-ipcc-reaktionen-101.html (letzter Abruf: 15. 10. 2021). 11 Näher Frenz, Grundzüge des Klimaschutzrechts, 2. Aufl. 2022, Rn. 39 f. 12 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 220 f., 223.
Restbudget muss vielmehr als wesentliche Entscheidung über künftige Grundrechtseinschränkungen durch Reduzierung bzw. Umgestaltung CO2relevanter Verhaltensweisen der Gesetzgeber festlegen (u. Rn. 104 f., 113 f.).13 Dies kann nicht das BVerfG, und zwar auch nicht faktisch. Das gilt auch nach dem neuen IPCC-Bericht vom 09. 08. 2021, der im übrigen Gegenstand der UN-Klimafolgekonferenz in Glasgow ist (u. Rn. 114 sowie o. Frenz, Ergebnisse COP26, Einf. N Rn. 5 ff.). Damit bleibt § 1 auch nach dem BVerfG-Klimabeschluss die zentrale Zweckvorschrift und Grundlagenbestimmung für den deutschen Klimaschutz, aber zu interpretieren mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben, die das BVerfG aufgestellt hat. Diese sind allerdings ihrerseits restriktiv zu interpretieren, da sie die Umweltstaatszielbestimmung und die Bedeutung des Völkerrechts überdehnen (u. Rn. 106 ff.). Zudem ist im Blick zu halten, dass mit dem EU-Klimapaket „Fit for 55“ und dessen Umsetzung die wesentlichen Weichenstellungen für den Klimaschutz unionsrechtlich vorgegeben werden und daher dann auch der EU-Grundrechtsschutz eingreift (s. Frenz, Klimaschutz und Grundrechte, Einf. E Rn. 100 ff.), der keine zugemessenen Freiheitsrechte im CO2-relevanten Bereich kennt, sondern originäre, a priori unbegrenzte Grundrechte, die durch gleichgewichtige Abwägung mit (nicht dominierenden) Umweltbelangen weggewogen werden können, aber nicht wegen zunehmendem relativen Gewicht des Klimaschutzgebots bei fortschreitendem Klimawandel regelmäßig zurückstehen müssen (näher Frenz, Klimaschutz und Grundrechte, Einf. E Rn. 102 ff. sowie Vertiefung EU-Grundrechte, Einf. F Rn. 11, 43 ff.).14 Mit zunehmender EU-Regulierung läuft daher der BVerfG-Klimabeschluss ins Leere, außer der EuGH fasst eine parallele Klimaentscheidung, nachdem er indes Klimaklagen als unzulässig abgewiesen hat.15
2. Abgleich mit § 1 BEHG
Die Begrenzung des Temperaturanstiegs nach der Zweckbestimmung des § 1 wird durch weitere Normierungen entfaltet, so vor allem das BEHG, welches einen nationalen Brennstoffemissionshandel etabliert. Indem seinerseits § 1 den Zweck des nationalen Klimaschutzgrundgesetzes (o. Rn. 1) festlegt, bestimmt er die maßgebliche Ausrichtung, und zwar auch für die Gesetze, welche das KSG näher ausgestalten, und damit vor allem auch für das BEHG. Dessen Zweckvorschrift ist allerdings in mehrerlei Hinsicht parallel gefasst, 8
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13 Bereits Frenz, Anmerkung zum BVerfG, Beschluss vom 24. 03. 2021 (1 BvR 2656/18 u. a.), Freiheitsbedingter Klimaschutz für die junge Generation, DVBl 2021, 810 (817). 14 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 198 im Gegensatz zu EuG, Urt. v. 23. 11. 2005 – T178/05, ECLI:EU:T:2005:412, Rn. 60 – Vereinigtes Königreich/Kommission. 15 EuGH, Urt. v. 25. 03. 2021 – C-565/19 P, ECLI:EU:C:2021:252 – Carvalho in Bestätigung von EuG, Beschl. v. 08. 05. 2019 – T-330/18, ECLI:EU:T:2019:324 – Carvalho u. a.
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13 wenn auch auf den Emissionshandel bezogen. Gleichwohl geht es dort ebenfalls um die Erreichung der nationalen Klimaschutzziele sowie der Minderungsziele der EU. Allerdings ist § 1 BEHG in zweierlei Hinsicht spezifischer: Zum einen nennt er ausdrücklich das langfristige Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050. Dieses ist mittlerweile aber in § 3 Abs. 2 auch im KSG verankert und auf 2045 vorgezogen, sodass insoweit das BEHG anzugleichen ist. Zum anderen werden in § 1 BEHG eigens die Minderungsziele nach der EU-KlimaschutzVO genannt; insoweit steht im Gefolge des EU-Klimapakets „Fit for 55“ eine Novellierung durch die zu überarbeitende Lastenteilungsverordnung16 an, die voraussichtlich zu stärkeren Lasten Deutschlands führen wird (näher Frenz, Art. 2 EU-Klimagesetz Rn. 8 ff.). Diese sind dann auch im Rahmen des KSG zu berücksichtigen. Ebenso wird in § 1 BEHG die Verbesserung der Energieeffizienz aufgeführt. Dieses Element fehlt im Rahmen von § 1 KSG als grundsätzlicherer Vorschrift gänzlich. Letztlich dient aber auch die Energieeffizienz dem Generalziel des Klimaschutzes. Sie wird nur für Gebäude in einem eigenen Gesetz geregelt, dem GEG. Zudem hat sie einen spezifischen Bezug zum Brennstoffemissionshandel, durch den auch die Energieeffizienz befördert werden soll (näher unten Frenz/Schink, § 1 BEHG Rn. 82 ff. mit näheren Ausführungen zur Ergänzungsfunktion des BEHG zum GEG).
II. Anpassung an EU-Ziele
1. Abhängigkeit des deutschen Beitrags
Im Gefolge des Klimapakets „Fit for 55“ wird der europäische Klimaschutz immer stärker dominieren (o. Rn. 9). Bereits das EU-Klimagesetz (Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 37) erhöhte die EU-Ziele deutlich. Die KSGNovelle war schon darauf bezogen, schätzte doch der Expertenrat für Klimafragen im Gefolge des EU-Klimagesetzes eine notwendige deutsche CO2Minderungslast in einer Bandbreite von 62 % bis 68 %.17 Die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben ist in § 1 eigens benannt. Daher war es bisher schon unschädlich, dass die Erreichung der Minderungsziele nach der EU-KlimaschutzVO nicht eigens benannt war. Sie ist fester Bestandteil der ausdrücklich genannten europäischen Zielvorgaben.
16 European Commission, Proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EU) 2018/842 on binding annual greenhouse gas emission reductions by Member States from 2021 to 2030 contributing to climate action to meet commitments under the Paris Agreement, COM(2021) 555 final. 17 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, S. 18.
Wie stark die deutschen Minderungslasten zunehmen werden, zeigt der Blick zurück: Die EU-KlimaschutzVO18 sah nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Anhang I19 für Deutschland ein Reduktionsziel von 38 % bis 2030 gegenüber 2005 vor. Weil dieses Ziel nach den Prognosen von 2019 verfehlt zu werden drohte, wurde daraus eine wesentliche Triebfeder für das nationale Klimaschutzgesetz sowie den vorgelagerten Klimaschutzplan. Schon an seinem Beginn verweist der Entwurf zum Bundesklimaschutzgesetz auf die Senkung dieser Emissionen bis 2017 nur um „3 %“; „eine Verfehlung der europarechtlich verbindlichen Ziele“ würde „mittelfristig zu erheblichen Zahlungspflichten“ führen.20 Jedenfalls durch die Corona-Krise wurden die Zielverpflichtungen nach der bisherigen EU-KlimaschutzVO erreicht.21
2. Treibhausgasneutralität bis 2050
Die Zielsetzung nach der EU-KlimaschutzVO wurde alsbald deutlich überlagert durch das langfristige Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050, welches § 1 BEHG unmittelbar nennt, anders als § 1 KSG, welcher in das Völkerrecht eingebunden ist, das insoweit keine verbindliche Festlegung trifft (o. Rn. 7): Die Klimakonferenz von Glasgow stellt es immerhin als anerkanntes, bis um die Jahrhundertmitte zu realisierendes Erfordernis zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels in den Raum (Ziff. 22). Der bisherige schwache Verweis in § 1 KSG 2019, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 „verfolgt“ wird, ist mittlerweile gestrichen worden, weil das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 nunmehr in § 3 Abs. 2 ausdrücklich und ohne Relativierung festgelegt ist. Dadurch ist es aber als nationales Klimaziel nach § 1 auch Bestandteil des Gesetzeszwecks.22
Weil es sich aber bei der Treibhausgasneutralität um ein europäisches Ziel handelt, war und ist dieses langfristige Ziel ebenso im Rahmen von § 1 verbindlich. Es wurde im mittlerweile verabschiedeten EU-Klimagesetz festgelegt und ist damit auch normativ eindeutig bestimmt und nicht lediglich durch den Green Deal in den Raum gestellt (zu diesem ausführlich o. Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 4 ff. auch zu den näheren Maßnahmen zur Erreichung der CO2-Neutralität bis 2050). Es ist auch aus Art. 4 des Pariser Weltklimavertrages ableitbar (näher u. Rn. 97 f.). Damit waren die Anstrengungen im 14
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18 Zu dieser näher Frenz, Grundzüge des Klimaschutzrechts, 2. Aufl. 2022, Rn. 133 ff. 19 Anhang I der VO (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30. 05. 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 525/2013, ABl 2018 L 156, S. 26. 20 Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zu einem Bundesklimaschutzgesetz, BT-Drs. 19/14337, S. 1. 21 Tagesschau vom 04. 01. 2021, Klimaziele für 2020 wegen Corona erreicht, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/inland/corona-klima-deutschland-101.html (letzter Abruf: 15. 10. 2021). 22 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, S. 18.
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19 Rahmen des nationalen Klimaschutzes bereits bisher auf dieses Langzeitziel auszurichten.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer Rede zur Lage der Union vom 16. 09. 2020 die Klimaneutralität bis 2050 nochmals betont und mit der Konsequenz verbunden, das Ziel der Senkung der Emissionen bis 2030 von bisher 40 % auf 55 % anzuheben – mit entsprechenden Konsequenzen für alle EU-Klima- und Energievorschriften23 und auch für einzelne Mitgliedstaaten, die bislang besonders stark zum Klimaschutz beigetragen haben. Deutschlands Zielsetzung von mindestens 55 % in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG 2019 entsprach nur dem bisher ausgegebenen EU-Gesamtziel von 40 %, welches durch das EU-Klimagesetz auf 55 % bis 2030 gegenüber 1990 gesteigert wurde. Auch deshalb wurde das Reduktionsziel bis 2030 in § 3 Abs. 2 auf 65 % angehoben. 24 Dieses zählt als nationales Klimaziel auch im Rahmen von § 1. Eine weitere notwendige Steigerung kann sich daraus ergeben, dass die
Lastenteilungsverordnung im Gefolge des Klimapakets „Fit for 55“ für
Deutschland strengere Emissionssenkungsziele bestimmt, die wie bereits in der bisherigen KlimaschutzVO bestimmte Sektoren erfassen, und zwar nunmehr neben Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft kleine Industrieanlagen; die großen Industrieanlagen sind bereits in den laufenden EU-Emissionshandel einbezogen. Bei diesen Zielfestlegungen werden wie schon bisher die unterschiedlichen Ausgangssituationen und Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten zugrunde gelegt: Die nationalen Zielvorgaben werden auf der Grundlage des Pro-Kopf-BIP festgelegt, allerdings unter Berücksichtigung und Anpassung an die nationalen Gegebenheiten und die Kosteneffizienz; unionsweit sollen die Emissionen aus den genannten Sektoren gegenüber 2005 bis 2030 um 40 % zurückgehen.25 Damit kann eintreten, dass Deutschland als wirtschaftlich starker EU-Mitgliedstaat über seine bisherigen Festlegungen hinaus Anstrengungen vornehmen und Ergebnisse erreichen muss. Deutschland war bisher immer wieder Vorreiter im Klimaschutz, aber andere Länder könnten mit ihren Möglichkeiten gegebenenfalls hinter Deutschland und dem Langfristziel zurückbleiben. Relevant ist insoweit, wie das Klimapaket „Fit for 55“ wiederum deutlich macht, der Grundsatz der Lastenteilung und damit der Solidarität, welcher auf der Basis von Art. 78 Abs. 3, 80 AEUV vom EuGH entwickelt wurde,26 nunmehr für den Energiesektor eigens betont und als allgemeiner EU-Grund-
23 Kommission, Pressemitteilung v. 16. 09. 2020: „Präsidentin von der Leyens Rede zur Lage der Union: Europas Kurs aus der Coronavirus-Krise und in die Zukunft“, abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_1657 (letzter Abruf: 15. 10. 2021). 24 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, S. 18. 25 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen v. 14. 07. 2021, „Fit für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung des EU-Klimaziels für 2030, COM(2021) 550 final, S. 7. 26 EuGH, Urt. v. 06. 09. 2017 – C-643/15, ECLI:EU:C:2017:631, Rn. 253, 291, 304, 323 –Verteilung von Flüchtlingen.