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f) Loslösung der staatlichen von den privaten Handlungspflichten
punkt des § 1 Satz 2 ist zwar eigentlich nur die Berücksichtigung aller drei Eckpunkte sowie ihre vertretbare Abwägung überprüfbar. Jedoch sind die Maßgaben des BVerfG zu wahren, ebenso die unionsrechtliche Zielsetzung sowie deren Ausgestaltung und Berücksichtigung auch in den nationalen Klimaschutzplänen,90 durch welche der allgemeine Rahmen des § 1 konkretisiert wird. Gerade das EU-Klimapaket nimmt immer wieder auf die Nachhaltigkeit Bezug und gestaltet diese näher aus, sodass davon auch die sich nunmehr entfaltende EU-Regulierung geprägt sein wird und so wiederum auf das deutsche Umsetzungsrecht einwirkt.
b) Entfallen der bloßen Verfolgung der Treibhausgasneutralität bis 2050
Die bisherige Auflockerung dadurch, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 nicht verbindlich festgeschrieben (s. o. Rn. 15), sondern nach § 1 Satz 3 KSG 2019 als langfristiges Ziel zu verfolgen war, ist im Zuge der KSGNovelle entfallen. Es ist in § 3 Abs. 2 ohne die bisherigen Relativierungen des § 1 Satz 3 KSG 2019 festgelegt und auf 2045 vorgezogen. Unionsrechtlich erfolgte ebenfalls eine verbindliche Festschreibung im EU-Klimagesetz (Art. 2 Abs. 1), wenn auch mit Zieldatum 2050. Lediglich das Erreichen negativer Emissionen ab 2050 ist nicht unbedingt verbindlich festgeschrieben, in § 3 Abs. 2 Satz 2 mit „sollen“, in Art. 2 Abs. 1 EU-Klimagesetz wird dieses Ziel angestrebt.
c) Praktisch keine Abweichungen mehr wegen Corona
Wegen der langfristigen Zielsetzung muss der erreichte Verlauf allerdings nicht notwendig stringent sein. Das gilt aber nur bei Wahrung des Rahmens, wie er in den näheren Ausgestaltungen des KSG festgelegt ist, so durch den mittlerweile auch über 2030 hinausreichenden festen Reduktionspfad nach Anlage 3 zu § 4. Die zu reduzierenden Jahresemissionsmengen sind weiterhin in Anlage 2 zu § 4 nur bis 2030 festgeschrieben, aber im Zuge der KSGNovelle erheblich verschärft worden. Darüber hinaus bedarf es weiterer Festlegung und auch bis 2030 erlaubt § 4 Abs. 3 eine gewisse Flexibilität. Durch die notwendige Berücksichtigung ökonomischer Belange sind Abweichungen denkbar, so nach oben in wirtschaftlich leistungsfähigen Zeiten oder nach unten in Phasen, in denen eine Krise wie z. B. die Corona-Krise überwunden werden soll. Zu solchen wirtschaftlichen Krisensituationen wurden freilich oft (deutlich) weniger Treibhausgase emittiert, sodass die Klimazielsetzung leichter gewahrt werden kann. Daher geht es spezifisch um Phasen eines Wiederaufbaus und Steigerns der Wirtschaftsleistung nach einem vorliegenden Ausfall wie im Zuge der Corona-Krise. Insoweit können stärker wirtschaftliche Belange zum Tragen kommen, die auch die Handhabung von § 4 Abs. 3 mit steuern. 73
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90 Zu dieser Begleitung durch die Kommission näher Frenz, Grundzüge des Klimaschutzrechts, 2. Aufl. 2022, Rn. 214 ff.
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78 Jedoch sind auf jeden Fall die unionsrechtlichen Vorgaben zu wahren. Diese werden im Zuge des EU-Klimagesetzes und des EU-Klimapakets „Fit for 55“ weiter verschärft werden, sodass für Lockerungen wenig Raum bleibt. Die EU will die Corona-Krise durch Klimaschutz überwinden. Das bedeutet mehr und nicht weniger Klimaschutz aus wirtschaftlichen Gründen.
1. Aktuelle Ausfüllung
Eine wesentliche Direktive von § 1, welche bei der Auslegung des KSG wie bei der folgenden Normsetzung im Bereich des Klimaschutzes zu wahren ist, ist in Satz 2 festgelegt, nämlich die Berücksichtigung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen. Damit steht nicht etwa der Klimaschutz isoliert, sondern er ist untrennbar mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen verbunden sowie bei der weiteren Entwicklung fortlaufend mit diesen abzugleichen. Dieser Gedanke der Verbindung lag auch dem Bündnis zur Klimarettung zugrunde, das Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am 11. 09. 2020 vorstellte: Noch vor der Bundestagswahl sollten Bundestag und Bundesrat eine „Allianz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutralität und Wohlstand“ verabschieden. Es ging um 20 konkrete Vorschläge und dabei nicht nur um die Festschreibung der Klimaneutralität bis 2050, sondern um konkrete Minderungsziele für jedes einzelne Jahr ab 2022, die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen, die Klimaneutralität schon bis 2035 zu erreichen sowie Unterstützungen und Investitionszuschüsse für Unternehmen, die sich zu einem schnelleren CO2-freien Arbeiten verpflichten; die EEG-Umlage sollte weiter sukzessiv gesenkt werden.91 Nunmehr ist sie ohnehin auf 3,7 Ct/kWh gefallen92 und wird zum 01. 07. 2022 ganz abgeschafft. Noch vor der Bundestagswahl wurde die Novelle des KSG verabschiedet –mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 und schärferen Reduktionsleistungen bzw. verminderten Jahresemissionsmengen in den einzelnen Sektoren, für die aber starke Belastungen erwartet werden, welche durch Förderungen aufgefangen werden sollen. Nach dem Gesetzgeber ergeben sich erhebliche zusätzliche volkswirtschaftliche Minderungskosten, nämlich für die Industrie 3,496 Mrd. EUR, für Gebäude 1,075 Mrd. EUR, für den Verkehr 1,039 Mrd. EUR, für die Landwirtschaft 0,445 Mrd. EUR und für sonstige Sektoren
91 Pressemitteilung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie v. 11. 09. 2020 „Altmaier stellt Vorschlag für eine Allianz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutralität und Wohlstand vor“, abrufbar unter https://www.bmwi.de/ Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2020/09/20200911-altmaier-stellt-vorschlagfuer-eine-allianz-von-gesellschaft-wirtschaft-und-staat-fuer-klimaneutralitaet-undwohlstand-vor.html (letzter Abruf: 15. 10. 2021). 92 Tagesschau v. 15. 10. 2021, „EEG-Umlage sinkt 2022 deutlich“, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eeg-umlage-125.html (letzter Abruf: 15. 10. 2021).
0,195 Mrd. EUR, insgesamt also 6,25 Mrd. EUR zusätzliche Kosten.93 Die Kosten der Energiewirtschaft folgen aus den Steigerungen der Zertifikatspreise für EU-Emissionshandelszertifikate sowie auch nationale Brennstoffzertifikate nach dem BEHG. Gleichwohl werden die verschärften Zielwerte aufgenommen – auch bereits mit Blick auf verschärfte EU-Klimaziele.94
Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit erheblicher Investitionen in Forschung, Entwicklung und Skalierung, welche mittels „verbesserter politischer Rahmenbedingungen und einer adäquaten Förderkulisse, insbesondere einer deutlichen Verbreiterung der Fördertatbestände im Bereich der klimaneutralen Industrie und einer Erhöhung der damit verbundenen Fördersummen“ aufgefangen werden sollen, „um eine drohende Überlastung der Industrie mit all ihren Konsequenzen zu verhindern“.95 Daraus folgt die Ausfüllung des durch den Ausgleich von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen markierten Spielraums durch eine ambitionierte Klimapolitik, welche die ökonomischen und auch sozialen Folgen im Blick hält, aber offenbar für akzeptabel erachtet und vor allem durch Förderung auffangen will.
2. Abgleich mit dem BVerfG-Klimabeschluss
a) Intergenerationeller Ansatz
Dieses Vorgehen entspricht dem BVerfG-Klimabeschluss, wonach „selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein“ können.96 Das BVerfG argumentiert von der intergenerationellen Gerechtigkeit her, ebenfalls einem entscheidenden Eckpfeiler der nachhaltigen Entwicklung, und leitet diese auch aus dem objektiv-rechtlichen Schutzauftrag des Art. 20a GG ab. Die Pflicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zielt nicht nur auf den Erhalt dieser Lebensgrundlagen, sondern auch auf die Verteilung von Umweltschutzlasten zwischen den Generationen und damit die Hinterlassung dieser Lebensgrundlagen an die Nachwelt, sodass „nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten“.97 Nur entsprechend begrenzt können daher heute noch CO2-relevante Freiheitsausübungen zugelassen werden, um das Risiko unzumutbarer Freiheits79
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93 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, S. 16. 94 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, S. 18. 95 Stellungnahme Bundesrat zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/30230, Anlage 3, S. 34. 96 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 192. 97 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 193; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 535 m. w. N.
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84 einbußen in Zukunft wenigstens zu begrenzen.98 Dies entspricht dem Kernbestandteil der nachhaltigen Entwicklung in Gestalt des notwendigen Ausgleichs der Bedürfnisse künftiger Generationen mit denen heutiger Generationen nach der intergenerationellen Gerechtigkeit. Diese Ausrichtung hatten bereits die Brundtland-Kommission und die Rio-Deklaration (Grundsatz 3). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit langfristig konzipierter präventiver Maßnahmen entsprechend dem Vorsorgegrundsatz (Grundsatz 15 der RioDeklaration und auch Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV),99 wie sie auch das BVerfG bejaht, selbst wenn wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Zusammenhänge besteht: Belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen genügen.100 Diese Zukunftsbezogenheit des Klimaschutzes folgt nach dem BVerfG aus den Auswirkungen des Klimawandels auf den verbleibenden Freiraum künftiger Generationen, die nicht durch übermäßige Klimaschutzlasten infolge der Untätigkeit der heute Lebenden allzu sehr eingeschränkt werden dürfen. Zudem geht es um die natürlichen Lebensgrundlagen kommender Generationen, welche auch das BVerfG anspricht, aber mit Blick auf die Einschränkung künftiger Freiheitsrechte zu ihrer Bewahrung.101 Dabei folgt unabhängig von einer solchen Einschränkung bereits aus der Menschenwürde, dass die Existenzgrundlagen auf einem Niveau zu halten sind, welches eine würdige Zukunft und eine subjektive Entfaltung des Menschen erlaubt102 (näher Frenz, Klimaschutz und Grundrechte, Einf. E Rn. 52).
b) Dominanz der ökologischen Seite im Gegensatz zu gleichseitigem
Zieldreieck
Die ökonomischen und sozialen Belange werden vom BVerfG in diesem Kontext nicht erwähnt und auch im Weiteren wird ein einseitiger Vorrang des Klimaschutzes herausgearbeitet. Damit dominiert die ökologische Seite des Zieldreiecks einer nachhaltigen Entwicklung, welches auch im GG enthalten
98 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 194. 99 Frenz, in: ders./Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus, EEG, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26, 29 f. 100 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Ls. 1 b). 101 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 193. 102 Diesen Ansatz nur bei apokalyptischen Verhältnissen vertretend BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210324.1bvr265618, Rn. 114.
ist103 und das EU-Umweltrecht prägt (s. Art. 3 Abs. 3 EUV).104 Dieses Zieldreieck ist aber gekennzeichnet durch einen Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen, nicht durch eine einseitige Prägung. Es geht also nicht um eine einseitige Verwirklichung des Umweltschutzes, sondern dieser ist mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten in Einklang zu bringen. Gefordert ist nicht ein rein ökologisches Konzept, sondern eine ganzheitliche Betrachtung, welche alle drei genannten Ziele und deren Wechselwirkungen einbezieht, untereinander betrachtet und dabei zu einem gerechten Ausgleich kommt. Somit sind bei jeder primär wirtschaftlichen Entscheidung auch die Aspekte der ökologischen und sozialen Verträglichkeit zu betrachten. Umgekehrt sind beim Umweltschutz die ökonomischen Auswirkungen einzubeziehen. Dies entspricht dem klassischen Verständnis der nachhaltigen Entwicklung und damit dem Begriff „Sustainable Development“ nach der Brundtland-Kommission, welcher dann in der Rio-Deklaration aufgenommen wurde.105 Damit stellt sich die Frage, ob im Rahmen von § 1 Satz 2 das Konzept des BVerfG angepasst werden muss.
3. Konvergenz mit Unionsrecht
Die Festlegung dieses Zieldreiecks entspricht auch dem Verständnis im Europarecht. Traditionelles Instrument für die Verwirklichung des Klimaschutzes ist dabei der EU-Emissionshandel. Dazu hat das EuG sehr früh entschieden, dass ökonomische und soziale Aspekte bei der Umsetzung miteinzubeziehen sind. Mit der Emissionshandelsrichtlinie sollte „ein effizienter europäischer Markt für Treibhausgasemissionszertifikate unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage geschaffen werden.“106 Das Ziel der Verringerung der Treibhausgase entsprechend den damaligen Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten im Rahmen des Protokolls von Kyoto „muss … weitestgehend unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der europäischen Wirtschaft verwirklicht werden.“107 Damit geht es nicht um einen einseitigen Vorrang des Klimaschutzes. Dieser bildet zwar ein Hauptanliegen, der Weg dahin ist aber so zu gestalten, dass die Bedürfnisse der europäischen Wirtschaft berücksichtigt werden, so wie es auch § 1 Satz 2 vorsieht. Umweltbelange sind nicht einseitig vorrangig, son85
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103 Ausführlich etwa Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, 2000, S. 56 ff.; Art. 20a GG enthält nur die ökologische Nachhaltigkeit; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20a Rn. 10. 104 Näher Frenz, in: ders./Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus, EEG, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 66 ff. m. w. N.; für Vorrang der Umweltbelange aber vielfach die deutsche Dogmatik, etwa Calliess, in: ders./Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 191 AEUV Rn. 21. 105 Näher Frenz, in: ders./Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus, EEG, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 25 ff. 106 EuG, Urt. v. 23. 11. 2005 – T-178/05, ECLI:EU:T:2005:412, Rn. 60 – Vereinigtes Königreich/Kommission. 107 EuG, Urt. v. 23. 11. 2005 – T-178/05, ECLI:EU:T:2005:412, Rn. 60 – Vereinigtes Königreich/Kommission.
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90 dern gleichrangig. Dies entspricht den generellen Vorgaben des europäischen Umweltrechts.108 Also sind Umweltbelange gleichgewichtig mit ökonomischen und sozialen Aspekten zu versöhnen. Damit bildet die nachhaltige Entwicklung auch keinen bloßen Umweltgrundsatz, sondern auch einen Wirtschaftsgrundsatz, der zentral im Europarecht in der Grundlagenvorschrift des Art. 3 Abs. 3 EUV verankert ist.109 Also bewegt sich § 1 Satz 2 auf dem Boden auch des europäischen Rechts, welches im Bereich des Klimaschutzes mittlerweile dominiert und daher auch die Auslegung nationaler Vorschriften prägt (s. o. Rn. 21 ff.). Damit wird aber auch relevant, dass die EU-Kommission in ihrem EU-Klimapaket die Wirtschaft durch Klimaschutz voranbringen will. Damit werden die ökonomischen Belange durch den Klimaschutz verändert. Die Wirtschaft hat nur durch eine Ausrichtung auf den Klimaschutz eine Zukunft (näher o. Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 57 ff.). Sie muss sich damit entsprechend den Maßgaben des EU-Klimapakets und seiner Konkretisierung in der weiteren Regulierung klimafreundlich ausrichten. Darauf fokussiert die EU-Kommission die wirtschaftlichen Belange. Dadurch stellt sich aber die Frage, ob die ökonomischen Belange solchermaßen durch eine notwendige Ausrichtung auf den Klimaschutz determiniert werden können und dürfen, wird doch der Schutzbereich der Grundrechte gerade nicht verengt und sind daher staatliche Maßnahmen im Interesse des Klimaschutzes auch nach dem BVerfG-Klimabeschluss rechtfertigungsbedürftig, wenn dies auch immer leichter fällt: Das relative Gewicht der CO2-relevanten Freiheitsbetätigung sinkt bei fortschreitendem Klimawandel aufgrund der immer intensiveren Umweltbelastungen – wie sie durch Jahrhunderthochwasser und IPCC-Bericht vom Sommer 2021 deutlich wurden – immer weiter.110 Die CO2-relevante Freiheitsentfaltung ist also immer noch grundrechtlich geschützt, auch wenn sie immer weniger möglich sein kann. Klimaschädliche Verhaltensweisen fallen mithin nicht bereits aus dem grundrechtlichen Schutzbereich (näher Frenz, Klimaschutz und Grundrechte, Einf. E Rn. 1 ff.). Indes bildet der Klimawandel als solcher ein festes Faktum. Auf dieses muss sich die Wirtschaft unweigerlich einstellen. Tut sie dies nicht, unterhöhlt sie ihre eigenen Grundlagen, die sie für ihre Arbeit benötigt. Sie zerstört sich praktisch selbst. Das aber kann nicht in ihrem eigenen Interesse sein. Darauf haben sich auch die abzuwägenden ökonomischen Belange auszurichten. Die Grundrichtung der Wirtschaft zu Klimaschutz ist bereits ökonomisch vorgezeichnet.
108 Ausführlich dazu Frenz, in: ders./Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus, EEG, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 66 ff. 109 M. w. N. Frenz, in: ders./Müggenborg/Cosack/Hennig/Schomerus, EEG, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 60 ff. 110 BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021: rs20210324.1bvr265618, Rn. 185.
Die nähere Ausgestaltung dieses Weges erfolgt allerdings durch Regulierung. Bei dieser sind dann die Belange der Wirtschaft gleichgewichtig mit den sozialen und ökologischen Belangen abzuwägen. Das gilt etwa im Hinblick auf das mögliche Tempo zu mehr Klimaschutz. Insoweit ist dann entsprechend dem EuG-Urteil zum Emissionshandel111 darauf zu achten, dass die Bedürfnisse der Wirtschaft möglichst weitgehend gewahrt und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Auf lange Sicht ist dies aber nach dem EU-Klimapaket ohnehin nur noch auf der Basis einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise möglich (o. Frenz, Klimaschutz in der EU, Einf. A Rn. 60 ff.). So ist die Automobilindustrie weltweit kaum wettbewerbsfähig, wenn sie sich nicht auf E-Mobilität einstellt und darauf ihre Produktionsweise sowie die Arbeitsplätze ausrichtet.
Daher ist eine Ausrichtung auf den Klimawandel durch EU- sowie nationale Regulierung vorgezeichnet. Sie ist nicht als solche zu modifizieren bzw. durch ökonomische Belange wegzuwägen und damit zu verdrängen, sondern nur in der Ausgestaltung mit allen Belangen abzugleichen. Dabei besteht ein großer Spielraum, der allerdings durch die gefassten Klimaziele eingeschränkt ist (o. Rn. 69).
VI. Pariser Klimaübereinkommen als Grundlage
§ 1 Satz 3 benennt den Hintergrund und die Grundlage des nationalen Klimaschutzes wie auch des europäischen Klimaschutzes, nämlich das Klimaübereinkommen von Paris aufgrund der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Die Klimarahmenkonvention stammt von 1992 und konkretisierte auf der Basis der Arbeiten der Brundtland-Kommission und der Umweltkonferenz in Rio und damit entsprechend dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung mit seinem Zieldreieck ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte (s. o. Rn. 77 ff.) sowie dem Ausgleich der Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen den Klimaschutz. Nach ihrem Art. 2 ist ihr Hauptziel eine „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“ Das Klimasystem soll zum Wohle heutiger und künftiger Generationen geschützt sowie das Vorsorgeprinzip soll verwirklicht werden (Art. 3 KRK), um eine nachhaltige Entwicklung in allen Vertragsparteien zu erreichen (Art. 3 Abs. 5 KRK).112 Das Pariser Klimaübereinkommen definierte dann dieses bereits in der Klimarahmenkonvention angesprochene Niveau, um eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems durch Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre zu verhindern. Danach gilt es den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wie § 1 91
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111 EuG, Urt. v. 23. 11. 2005 – T-178/05, ECLI:EU:T:2005:412, Rn. 60 – Vereinigtes Königreich/Kommission. 112 Frenz, Grundzüge des Klimaschutzrechts, 2. Aufl. 2022, Rn. 1 ff. mit weiteren Aspekten zur Entwicklung des UN-Klimaschutzes auch für das Folgende.