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Fiston Mwanza Mujilas Roman „Der Tanz der Teufel“
Die Bierzischer von Lubumbashi
Fiston Mwanza Mujila zieht in seinem furios-surrealen Roman „Tanz der Teufel“ alle Sprachregister seines Könnens
Das Getümmel in brodelnden, rappelvollen Musikbars hat es dem in Graz lebenden gebürtigen Kongolesen Fiston Mwanza Mujila offenbar sehr angetan. „Tram 83“ hieß sein von der Kritik gefeierter Debütroman, der das ungebärdige, sexuell aufgeladene Treiben in einem fiktiven, gleichnamigen Jazzlokal in den Mittelpunkt des Geschehens rückte. In seinem neuen Werk mit dem Titel „Tanz der Teufel“ geben sich vergnügungssüchtige „Bierzischer“ zu den Klängen elektrisierender Rumba-Rhythmen in der kongolesischen Metropole Lubumbashi in einem Lokal namens Mambo de la Fête die Kante, als ob’s kein Morgen gäbe. Dort feiern Glückssucher, Tagediebe, Akrobaten, Verrückte und Diamantminenschürfer das – erst durch den Verkauf in Europa in vollem Ausmaß einlösbare – Versprechen von plötzlichem Reichtum so lange, bis von den Träumen des Lebens auf der Überholspur nicht viel mehr übrig ist als der Kater am nächsten Tag.
Das Geld und das damit verbundene schnelle Leben im Rausch- und Partymodus locken auch die Klebstoff schnüffelnden Straßenkinder an, die versuchen, ihr Stück vom Kuchen oder zumindest ihren Spaß nach den anstrengenden Behauptungskämpfen gegen sich „Finanzinspektoren“ nennende, konkurrenzierende Kriminelle in der urbanen Wildnis abzubekommen.
Dazu gesellen sich noch ein dubioser Geheimdienstagent, der Straßenkinder für seine dunklen Machenscha en zur Herrscha ssicherung der Regierung rekrutiert, ein österreichischer Schri steller namens Franz Baumgartner, der Stoff für ein Buch sucht und schon mal über Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ doziert, und eine rätselha e Frau namens Tshiamuena, die sich all jenen zwischen Angola und Japan als göttliche Madonna präsentiert, die an ihre magischen Krä e glauben wollen.
Mujila beschreibt dieses aus Mythen und Wirklichkeit zusammengestellte, zwielichtige Figurenarsenal aus verschiedenen Blickwinkeln. Er wechselt Tonlagen und Ich-Perspektiven. O erfreut er sich an der Kunst kreativer Beschimpfungen und Verwünschungen bis in die x-te Generation oder an der länglichen Aneinanderreihung geistesverwandter Ausdrücke. Dann finden sich wieder surreale Einschübe über eine schlussendlich wohl eh nur eingebildete Epidemie der verlorenen Geschlechtsorgane oder politische Revolutionsfantasien, die das Verschwinden des Rathauses durch magische Krä e erörtern. In anderen Kapiteln fallen Sätze wie aus dem Nichts des plötzlich allwissenden Erzählerhimmels, die den Mann als „außergewöhnliche Lebensform“ beschreiben, denn: „Er ernährt sich von Traurigkeit, als wäre es Brot.“
„Tanz der Teufel“ steckt voller lustvoll dargebotener Ungereimtheiten. Sie entsprechen einer komplexen, nicht ohne Widersprüche zu beschreibenden afrikanischen Realität, die kolonial geprägt ist, aber in der Kolonialgeschichte keineswegs aufgeht. In diesem urbanen, modernen Afrika, in dem – man weiß ja nie, wozu es gut ist – magisches Denken manchmal auch eine Option zur Absicherung der Zukun zu sein scheint, treffen Straßenkinder auf Kindersoldaten. Nur „die Glücklichsten“ sind im Angola-Krieg mit dem Verlust bloß einer Gliedmaße davongekommen.
Die Verhältnisse sind von alltäglicher, normalisierter Gewalt, aber auch von sozialen Aufstiegsfantasien und notorischen Prahlereien geprägt. Sie lassen sich nicht auf hoffnungslose Elendsgeschichten über das Leid der Deklassierten reduzieren. Dafür sorgt auch eine bewusst unreine Sprache mir ironischen Ambitionen, die sich nicht scheut, kongolesischen Straßenkindern deutschsprachige Stehsätze in den Mund zu legen: „Lubumbashi ist auch nicht mehr das, was es mal war.“
Der Romanautor im Roman, der weiße Österreicher Franz Baumgartner, den man in nonchalanter konfessioneller Anspielung
Glückssucher, Tagediebe, Akrobaten, Verrückte und Diamantminenschürfer geben sich im Mambo de la Fête die Kante, als gäbe es kein Morgen
Fiston Mwanza Mujila: Tanz der Teufel. Roman. Aus dem Französischen von Katharina Meyer und Lena Müller. Zsolnay, 288 S., € 25,70
bei der Bierbestellung schon auch mal als „Franziskus“ tituliert, hat nicht nur Probleme damit, all den Selbstdarstellungswünschen seines ihm in der Stadt begegnenden, potenziellen Buchpersonals gerecht zu werden; dieses macht sich auch noch Gedanken über die Freiheit der Fiktion beziehungsweise darüber, ob der weiße Autor das Recht hätte, Figuren zu erschaffen, die nicht denselben Erfahrungshintergrund wie er selbst aufweisen.
An anderer Stelle werden Weiße in einer Art Inversion des exotisierenden Blicks auf „die Schwarzen“ mit einem schelmischen Lächeln zu aus dem Meer kommenden Tieren umgedeutet. Diese essen, so erzählt es die Hobbyethnologie aus dem Kongo, absurderweise mit „Metallstäben“ statt mit den Fingern und benehmen sich auch sonst sehr wunderlich, so man sie überhaupt einmal zu Gesicht bekommt.
Angesiedelt ist der Roman um 1997, also in jener Zeit, als das berüchtigte Regime des Diktators Mobuto in den letzten Atemzügen lag. Damals hieß Kongo noch Zaire, die innerafrikanischen Wege der Migration folgten trotz des Bürgerkriegs im Nachbarland der Spur des schnellen Reichtums, das die Diamantenfunden in Angola versprachen.
Das Geld, das hier keiner länger hat und das ständig durch die Finger rinnt, sorgt in „Tanz der Teufel“ dafür, dass ständig etwas los ist. Es bringt kongolesische Schürfer dazu, Diamanten zu schlucken und sich tagelang nicht zu erleichtern, obwohl angolanische Soldaten sie festnehmen, zwangsernähren und auf wertvolle Ausscheidungen hoffen. Obwohl es Leidenscha en und Energien an sich bindet, wirkt es altmodisch, weil es sich nicht recht zu Kapital verwandeln will, sondern stattdessen in langen Nächten voller Musik verschwendet wird. Darin liegt vielleicht die subversivste Pointe dieses so ungewöhnlichen wie kra vollen Romans.
THOMAS EDLINGER
Bücher
Besser lesen mit dem FALTER
Alle zwei Wochen führt die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb Gespräche mit Autorinnen und Autoren über das Lesen, das Schreiben und das Leben an sich.