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Überschäumen in zwanghafter Alltagslebenskunst

Überschäumen in zwanghafter Alltags

„Kajillionaire“ und „Shirley“: Zwei US-Dramen mit Witz um Machtrituale in Kleinfamilien mit Anhang und das

SCHRULLSTUDIEN: DREHLI ROBNIK

Miranda Julys Filme entfalten oft multiethnische Sozietäten, die skurril wie Kunstprojekte verknüpft sind. Etwa in der Engführung von Kinderfantasie, Netzkunst und Galeriemilieu in „Me and You and Everyone We Know“ (2005). In „Kajillionaire“, einer Tragikomödie mit einem Anflug von Con-Artist-Movie, geht es nun um eine weiße Kleinfamilie, die sich mit Trickbetrug und Restlverwertung durchschlägt. Das erscheint als täglich gelebtes Performance-Ritual: etwa wenn die drei routinemäßig literweise triefenden Badeschaum von der Wand ihrer Wohnung wischen, die im Büro einer Bubble-Factory eingehaust ist; oder wenn die Tochter ihren Postschließfachdiebstahl als Modern-Dance-Choreografie gestaltet.

Das Gewand ist alt, die Miete überfällig; ein Whirlpool wär cool, man könnte einen anzahlen und nach Einmalnutzung retournieren. Dad (Richard Jenkins) ist leidend, Mum (Debra Winger) nüchtern, die Tochter namens Old Dolio (Evan Rachel Wood) ist 26, heiser und gehemmt. Auf einem Flug (zwecks Gepäckversicherungsschwindel) schließt sich der Familie eine kesse Nudel an. Sie ist nämlich Fan der „Ocean’s 11“-Con-Movies. Die redselige Puerto-Ricanerin (Gina Rodriguez) wird Old Dolio aus ihrer Klemme befreien. » Von Gefühlsarmut zur Emotionseruption: Die- Frau im Haus ist ses Emanzipationsnarrativ ist an sich konventionell. Und das filmübergreifende Thema des Nachspielens von „Familie“ weist Shirley Jackson (1916–1965), ins Plakative: Volkshochschulkurssitzun- die Autorin vielgen über Baby-Brust-Bindung als Modell der Elternbeziehung, das Vorspielen tröstlicher Family-Soundscapes – als wär’s von verfilmter Horror- und IchspaltungsYorgos Lanthimos – für alte Leute, die man romane beklaut. Allein, Julys sonniges Draufloserzählen – schon das Titelwort „Kajillionaire“, quasi „Fantastilliardär“, steht für Überschwang im Formulieren – versetzt Psycho- und Genremotive in Taumel: Als finsterstmöglicher Ort zum Rebirthing dient ein Tankstellenklo, das zum bestirnten Weltall gerät; Old Dolio tanzt, die Mähne fliegt; am Supermarktschluss ein Kassakuss, und zur Leitmotiv-Geigenschmacht eines Songklassikers schäumt nun auch Gesang – „Lonely ... I’m Mr. Lonely ...“

July vermittelt Exzentrik in klar komponierten Bildern; die Indie-Regisseurin Josephine Decker versetzt Reproduktionsarbeitsalltag in diffuse Strudel. „Shirley“ betört mit seltsam bevölkerter Soundscape, verwischt den Blick im körpernahen Kameradelirium: Ränder sind unscharf, Bewegungen kurz, Anschlüsse unerwartet. Zwei Ehepaare im Campushaushalt um 1960: Das junge sucht eine Literaturwissenschafts-Postdoc-Stelle FOTO: MATT KENNEDYfür ihn und eine Unterkunft, die ihr zum ambivalenten Gefängnis wird. „Little wifey“ versus Shirley: Frau im Haus ist Shirley Jackson (1916−1965), Autorin vielverfilmter Horror- und Ichspaltungsromane. Alle spielen sehr gut: Michael Stuhlbarg, Logan Lerman als sein Protegé, Odes-

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