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Die Hypernormalisierung des Alltags

DIE HYPERNORMALISI ERUNG DES ALLTAGS

Die Retrospektive „Recycled Cinema“ erzählt, wie Abfall und Archivmaterial, sogenanntes Found Footage, radikale neue Kunst gebiert

TEXT: DOMINIQUE GROMES

Found Footage – das heißt in digitalen Zeiten: Die fiktive Stadt Liberty City, die den Hintergrund bildet zum Computerspiel „Grand Theft Auto“, in eine menschenleere Metropole zu verwandeln, in einen Ort des Stillstands und der Melancholie. Der Experimentalfilmer Phil Solomon hat in „Rehearsals for Retirement“ sämtliche Figuren auf den Straßen ausradiert – als Therapie, um mit dem Tod seines besten Freundes klarzukommen.

Die Künstlerin Peggy Ahwesh verwendet Material aus dem Videospiel „Tomb Raider“. Und begibt sich auf die Suche nach weiblicher Identität in einer technologieaffinen Welt. Lara Croft trifft hier auf Wölfe, Tiger, Geier. Ihren inneren Monolog spricht sie mal als junges Mädchen, mal als alte Frau.

Found Footage – das wird auch von Fernsehjournalisten verwendet. 2016 hat der BBC-Reporter Adam Curtis einen fast dreistündigen Film aus Nachrichtenmaterial und Youtube-Videos zusammengestellt, „HyperNormalisation“ ist der Titel des genau recherchierten und brandaktuellen Dokumentarfilms. Die Prämisse: Regierungen, Banken und Technologiepioniere haben in den 1970er-Jahren die komplexe „reale Welt“ aufgegeben, um an ihrer Stelle eine einfachere „Fake-Welt“ aufzubauen. In ihr können die Menschen manipuliert, belogen und ruhiggestellt werden. Von den Anfängen bei Google über die Beziehung zwischen dem Westen und dem Nahen Osten bis zur Präsidentschaft von Donald Trump spannt „HyperNormalisation“ einen beunruhigen Bogen – den man gesehen haben muss. F

Das Plakat zur Viennale-Retro von sixpackfilm und Filmmuseum: von 23.10. bis 26.11.

Dominique Gromes

studierte in Wien an der Filmakademie. Sie arbeitet als Cutterin, schreibt Kritiken für den Falter und ist freie Radiomacherin für Ö1

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Found Footage wird auch von Fernsehjournalisten verwendet. 2016 hat der

BBC-Reporter Adam Curtis daraus seinen brandaktuellen Dokumentarfilm „HyperNormalisation“ zusammengestellt

FOTOS: ÖSTERREICHISCHES FILMMUSEUM, VIENNALE

DIE HYPERNORMALISI ERUNG DES ALLTAGS

Gefundenes Material (im Uhrzeigersinn): Werke von Elke Groen: „Tito-Material“ (Ö 1998), Bill Morrison: „Decasia“ (USA 1996), Len Lye: „Rhythm“ (GB 1957), Cécile Fontaine: „Silver Rush“ (F 1998) und Bruce Conner: „A Movie“ (USA 1957)

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