Ich verfluche den österreichischen Staat. Er will wohl, dass die Muslime den Preis dafür zahlen, dass er die Juden einem Genozid unterzogen hat.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zur israelischen Flagge am Kanzleramt
Fotos: Fazit/Scheriau, Dominik Butzmann
Kurz-muss-weg-Hysterie Die österreichische Innenpolitik gibt wieder einmal ein katastrophales Bild ab. Die Opposition bezichtigt den Bundeskanzler der vorsätzlichen Falschaussage im Untersuchungsausschuss und hat ihn daher bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Nun fordert sie seinen Rücktritt, weil die Staatsanwaltschaft dieser Anzeige tatsächlich nachgeht, anstatt sie ohne eingehende Prüfung zu verwerfen. Die SPÖ wiederum tut alles, um die türkisgrüne Bundesregierung zu destabilisieren. Nachdem das nun erstmals tatsächlich zu gelingen scheint, fordert Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im OE24-Interview dreist eine stabilere Regierung. Aber nicht nur die Rolle der Opposition ist hinterfragbar. Auch die Justiz agiert dubios. Denn dass die geringfügigen Verdachtsmomente gegen die ÖVP tatsächlich Hausdurchsuchungen, die Beschlagnahmung von Mobiltelefonen und Laptops sowie die Auswertung von WhatsApp-Chats und des gesamten Mailverkehrs rechtfertigen, ist mindestens so umstritten wie die Anzeigenflut der Opposition, der inzwischen jedes Mittel recht zu sein scheint, um den Kanzler loszuwerden. Und tatsächlich zeigt die Teflonschicht, die Kurz nachgesagt wird, unter dem Dauerbeschuss Wirkung. Die ÖVP hat ein Problem mit der Justiz und damit mit dem Rechtsstaat Unabhängig davon scheint die ÖVP tatsächlich ein Problem mit der Justiz und damit mit dem Rechtsstaat zu haben. Das ist spätestens seit dem Verhalten von Finanzminister Gernot Blümel im IbizaAusschuss klar, als der es sogar auf einen Exekutionstitel durch den Verfassungsgerichtshof ankommen ließ. Blümel wollte – aus zwar nachvollziehbaren, aber rechtlich völlig irrelevanten Gründen – nicht einsehen, dass er der Aufforderung des UAusschusses auf Herausgabe des gesamten, höchst sensiblen E-Mail-Verkehrs des Finanzministeriums Folge zu leisten hat. Selbst wenn das Verhalten von FPÖ, SPÖ und Neos im U-Ausschuss tatsächlich der »Kurz-muss-weg-Hysterie« geschuldet 14 /// FAZIT JUNI 2021
Hat Bundeskanzler Sebastian Kurz tatsächlich ein Problem mit dem Rechtsstaat, wenn er trotz im Raum stehender Anklage nicht an Rücktritt denkt? sein mag, kann das niemals als Grund dienen, die Aushändigung von Unterlagen rechtswidrig zu verweigern oder auch nur zu verzögern. Blümel unternahm den legitimen Versuch, die Opposition die E-Mails des Ministeriums in einem gesicherten Datenraum nach gemeinsam erarbeiteten Suchphrasen durchforsten zu lassen. Als diese sich weigerte und weiterhin auf die physische Übergabe des gesamten E-MailBestands beharrte, spielte Blümel jedoch auf Zeit und stellte die zuvor von ihm als geheim klassifizierten E-Mails völlig unübersichtlich in ausgedruckter Form und nicht auf einem Datenträger bereit. Unabhängig vom Ausgang wird sich die Spaltung vertiefen Aus heutiger Sicht sind die langfristigen Folgen der beinharten Auseinandersetzung zwischen ÖVP und Opposition auf Politik, Gesellschaft und vor allem auf
die Justiz noch gar nicht abschätzbar. Sollte die Justiz nämlich nur halb so parteiisch sein, wie die ÖVP behauptet, wird es unweigerlich zur Anklageerhebung gegen den Bundeskanzler wegen einer Falschaussage im U-Ausschuss kommen. Selbst in diesem Fall gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Obwohl die politische Verantwortung etwas anderes erfordert, wird Kurz erst dann zurücktreten, wenn er tatsächlich verurteilt werden sollte. Das ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Denn dazu müsste ihm ein Vorsatz zur Falschaussage nachgewiesen werden, was aber sehr schwierig werden dürfte. Eine »falsche Beweisaussage vor Gericht« – so auch vor einem U-Ausschuss – wird in Österreich mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Aber selbst eine objektiv unrichtige Aussage ist nur dann strafbar, wenn zumindest ein bedingter Vorsatz nachgewiesen werden kann. Von einem bedingtem Vorsatz spricht man, wenn jemand die schädlichen Folgen seines Handelns zwar nicht will, aber in Kauf nimmt.
Kurz schlüpft wieder in die Märtyrerrolle Sebastian Kurz wird, selbst wenn er freigesprochen wird, seine weiße Weste nicht zurückerhalten. Daher wird er wieder in die Märtyrerrolle schlüpfen. Dass er das gut kann, hat er schon 2019 bewiesen, als er nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos die türkisblaue Regierung platzen lassen musste und die SPÖ und die FPÖ Kurz einzig und allein, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, als Bundeskanzler in den Wahlkampf zu ziehen, mit einem Misstrauensvotum aus dem Kanzleramt warfen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass sich die ÖVP in der Frage, ob eine Anklage gegen Kurz für einen Rücktritt ausreichen sollte, nicht spalten lassen wird. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) führt die geeinte Phalanx der ÖVPLandeshauptleute an. Er spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer »Menschenhatz der Sonderklasse« und