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Unterrichtsthema Herkunft –eine Gratwanderung

In der Schule über Migration zu reden, soll die Integration fördern. Doch wie verhindert man, dass Lehrpersonen Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine ethnischnationale Schublade stecken und damit das Gegenteil bewirken? Die PH FHNW entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Partnerschulen auf der Sekundarstufe I praktische Handreichungen.

Von Thomas Röthlin

Lehrpersonen sind im Schulalltag mit dem «Dilemma der Differenz» konfrontiert, wie es der Erziehungswissenschaftler Doron Kiesel 1996 nannte: Sie sind einerseits angehalten, alle Schüler*innen gleichwertig zu behandeln. Andererseits sollen sie deren unterschiedliche Lebensrealitäten, Familiengeschichten und Sprachbiografien berücksichtigen. In diesem Spannungsfeld spielt sich auch der Umgang mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund ab. Diesbezüglich ist die Schule der Ort der Integration und Chancengleichheit. Weil für die gezielte Förderung aber eben auch die individuelle Herkunft eine Rolle spielt, besteht das Risiko, das Gegenteil zu bewirken: Ausgrenzung statt Teilhabe. Dies wegen «stereotypen Kulturalisierungen, rassistischen Diskriminierungen und exkludierenden Zuschreibungen».

So steht es im Beschrieb von «Zugehörigkeit Reconsidered», einem Projekt des Instituts Forschung und Entwicklung der PH FHNW. Bereits im Vorgängerprojekt «Doing/Undoing Difference in Politischer Bildung» haben die Forschenden anhand von Unterrichtsvideos herausgearbeitet, dass die beschriebene Gefahr real ist – nicht zuletzt, weil fachdidaktische Konzepte fehlen. Das Anschlussprojekt soll sich dieser Lücke annehmen. Es hat zum Ziel, Unterrichtsmaterialien und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, und zwar in enger Zusammenarbeit mit Lehrpersonen und Schüler*innen auf der Sekundarstufe I.

«Behutsame Annäherung»

Eine Partnerschule des Projekts ist die Oberstufe Pratteln. Lehrerin Susanne Grubenmann unterrichtet hier seit zwanzig Jahren unter anderem Geschichte, ein Fach, in dem sie Migration thematisiert. «Das Thema liegt auf der Hand, denn der Grossteil meiner Schüler*innen oder ihre Eltern haben Migration selber erlebt.» Deshalb behandle sie nicht nur die Auswanderungen in die USA im späten 19. Jahrhundert und die Immigration aus Italien und Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, welche die Schweiz prägten. Platz haben soll auch Persönliches – allerdings nicht unbedingt vor versammelter Klasse. «Wenn die Jugendlichen über ihre eigene Herkunft sprechen, dann fällt ihnen das leichter in einer Gruppenarbeit und wenn es freiwillig ist.»

Auch in Einzelgesprächen versucht Grubenmann herauszufinden, was ihre Schüler*innen umtreibt, unter welchen (elterlichen) Zwängen sie vielleicht stehen. Und sie zeigt ihnen auf, wie sich diese Erwartungen mit den hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen vereinbaren lassen. «Es ist eine behutsame Annäherung mit klarem Ziel: volle Inklusion», sagt Grubenmann.

Das Forschungsprojekt leiten Simon Affolter und Vera Sperisen. Sie haben den Unterricht von Susanne Grubenmann beobachtet und ausgewertet. «Das Feedback war ein wissenschaftlicher Hammer, wenn auch sehr aufschlussreich», sagt Grubenmann. Anteil zu nehmen an einer Migrationsgeschichte und nicht in Zuschreibungen von «typischen» Haltungen und Verhaltensweise zu verfallen, sei eine Gratwanderung. «Es genau richtig zu machen, ist schwierig», findet Grubenmann.

Unterschiedliche Perspektiven

Dessen ist sich Vera Sperisen bewusst: «Solche Zuschreibungen sind nicht abwertend gemeint, sondern prägen das Denken von uns allen – auch von mir.» Deshalb brauche es den Dialog zwischen Forschung und Praxis, mit gegenseitigem Respekt vor der jeweiligen Expertise. Und indem auch die Perspektive der Schüler*innen einbezogen werde. Nach der Unterrichtsanalyse haben Affolter und Sperisen einen Workshop mit Grubenmanns Klasse durchgeführt und dort verschiedene Fragen rund ums Thema Rassismus erörtert. «Dabei zeigte sich, dass die Jugendlichen selbst identitäre Bezüge herstellen. Zum Beispiel ist die eigene Religion ein wichtiges Thema. Diese Selbstzuschreibung muss man ernst nehmen», sagt Sperisen. Jugendliche leiden nicht automatisch unter Zuschreibungen, nur weil Erwachsene diese als Klischee entlarven (vgl. Box Seite 39).

Zum permanenten Aushandeln eines praxistauglichen Zugehörigkeitsmodells gehört, mit möglichst unterschiedlichen Fallbeispielen zu arbeiten. Neben der Agglomerationsgemeinde Pratteln vor den Toren Basels mit ihrer stark durchmischten Sozialstruktur macht

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DAS INTERKULTURELLE FRÜHSTÜCK – «KULTURALISIERUNGSFALLE» ODER NICHT? Im Workshop der Forschenden mit der Oberstufenklasse in Pratteln wurde unter anderem über das sogenannte interkulturelle Frühstück diskutiert. Dabei werden Schüler*innen aufgefordert, das in ihren Herkunftsländern typische Zmorge mitzubringen. Beim gemeinsamen Frühstücken soll ungezwungen über die Essgewohnheiten in diesen Ländern gesprochen werden. Die Pratteler Jugendlichen wurden gefragt, was sie von diesem Setting halten. «Einige fanden es übertrieben, darin ein Ausgrenzungsmanöver zu sehen», sagt Lehrerin Susanne Grubenmann. Für Erziehungswissenschafterin Annita Kalpaka hingegen beinhaltet das interkulturelle Frühstück problematische Zuschreibungen. Ihre 2006 publizierte Analyse einer solchen Schulveranstaltung ergab, dass gewisse Kinder das mitgebrachte Frühstück gar nicht oder nur aus den Ferien kannten und andere überhaupt nie frühstücken. Trotzdem hatten sie etwas dabei, um nicht mit leeren Händen da zu stehen. «Die Kinder antizipieren die an sie gestellten Erwartungen und lernen mit Fremddefinitionen umzugehen, allerdings manchmal in Form von/um den Preis der Unterwerfung unter diese», folgert Kalpaka. Das interkulturelle Frühstück als «Kulturalisierungsfalle». Angemessener wäre gewesen, den Auftrag so zu formulieren: «Was frühstückt ihr zu Hause? Bringt morgen etwas davon in die Schule mit. Durch einen solchen Auftrag würde das angesprochen, was sie tatsächlich tun und nicht das, was sie als Vertreter*innen einer Nation erwartungsgemäss tun sollten.»

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