FILM-DIENST 9/2012

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thema: Oberhausener Manifest Fred Kelemen / Alfred Holighaus Märchenhaftes aus Hollywood DAS FILM MAGAZIN

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www.film-dienst.de · 65. Jahrgang · 26. April 2012 · 4,50 Euro · 9/2012

Alle Kinofilme vom 26.4. und 3.5. Alle Filme im Fernsehen


thema: 50 Jahre Oberhausener Manifest 6

Zwischen den Zeiten Ein Signal für Standortsuche Von Horst Peter Koll

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First Exit Oberhausen Notizen zum Stellenwert des „Manifests“ Von Ralf Eue

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„Was wir mit Freiheit meinen“ Oberhausen in München: Erinnerungen Von Stefan Drössler 32

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Zeichen des Trotzes Das Manifest als einer von vielen Wendepunkten Von Volker Baer

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Was heißt Filmbildung? Dokument zum Stellenwert der Filmbildung

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Auf dem Holzpfad „Maya“: Das Manifest eines kommenden Kinos Von Olaf Möller 36

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Interessiert am Experiment Josef Anton Riedls Musik für die Oberhausener Von Pia Steigerwald

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Ein Werkzeug für drei Freiheiten Das Erbe von Oberhausen und der deutsche Gegenwartsfilm Von Rüdiger Suchsland

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magazin geschichte Nur unter Vorbehalt? Über den Umgang mit NS-Filmen Von Jochen Kürten porträt Das Dunkel bleibt Der Kameramann Fred Kelemen Von Ralf Schenk interview Arbeit im Spagat Alfred Holighaus zum Deutschen Filmpreis Von Margret Köhler veranstaltung Fuchtelfilme und tote Fische Die „Diagonale“ in Graz Von Ralf Schenk aus hollywood Schneewittchens neue Kleider Der Umgang mit der Märchenwelt Von Franz Everschor personen neu im kino kino schweiz impressum nachspann

ALLE NEUEN KINOFILME VOM 26.4. UND 3.5.2012 54 49 46 58 39 62 53 40 51 65 58 52 64 56 41 60 45 48 55 48 44 57 50 62 43 44 47 42 60

50/50 – Freunde fürs (Über)leben American Pie: Das Klassentreffen Aurora Bar 25 – Tage außerhalb der Zeit Battleship Bel Ami Ehrenmedaille Faust II reloaded Fischen Impossible Friede, Freude, Eierkuchen Das Leben gehört uns Die Liebenden – von der Last, glücklich zu sein Marvel’s The Avengers Medianeras Mevsim Çicek Acti – Blüte der Jahreszeit Pension Freiheit Project X Raising Resistance Spy Kids 4D Superclassico... Meine Frau will heiraten The Cold Light of Day The First Rasta This Is Not a Film (kino schweiz) Tomboy Totem Märchenhaftes Ufo in her Eyes aus Hollywood: Unter Männern – Schwul in der DDR „Snow White and the Huntsman“ Väter und andere Katastrophen Wir kaufen einen Zoo Titelbild zu 50 Jahre Oberhausener Manifest: „Die Utopen“ (1976; Regie: Vlado Kristl)

INHALT 09/2011


THEMA

Oberhausener Manifest vom 28. Februar 1962:

Zwischen den Zeiten Signal f端r Standortsuche: 50 Jahre Oberhausener Manifest

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„Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen Films entzieht einer von

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igentlich sah alles nach einem normalen Festivalalltag aus: Die Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen (26. 2.-3.3.1962) fanden zum achten Mal statt, Oberbürgermeisterin Luise Albertz und Oberstadtdirektor Werner Schütz luden zur Eröffnungsveranstaltung, und zum fünften Mal folgte man ebenso engagiert wie weltoffen dem programmatischen Festivalmotto „Weg zum Nachbarn“ (von dem sich das Festival erst 1997 verabschiedete). Dann, am 28. Februar 1962, kam es unter dem Titel „Opas Kino ist tot“ zu einer denkwürdigen Pressekonferenz, die als Aktion der Münchener DOC 59-Gruppe von Haro Senft initiiert wurde: Ferdinand Khittl verlas einen Text, der als „Oberhausener Manifest“ in die Geschichte des deutschen Films einging, Alexander Kluge moderierte die anschließende Diskussion über eine Erklärung, die 26 deutsche Filmemacher unterzeichnet hatten und die nichts Geringeres als die Geburt des „neuen deutschen Films“ postulierte: „Wir erklären unseren Anspruch, den neuen deutschen Spielfilm zu schaffen. Dieser neue Film braucht neue Freiheiten.“ Die 26 Unterzeichner waren: Bodo von Blüthner, Boris von Borresholm, Christian Doermer, Bernhard Dörries, Heinz Furchner, Rob Houwer, Ferdinand Khittl, Alexander Kluge, Pitt Koch, Walter Krüttner, Dieter Lemmel, Hans Loeper, Ronald Martini, Hans-Jürgen Pohland, Raimond Ruehl, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Detten Schleiermacher, Fritz Schwennicke, Haro Senft, Franz-Josef Spieker, Hans Rolf Strobel, Heinz Tichawsky, Wolfgang Urchs, Herbert Vesely und Wolf Wirth. Seitdem wurde das Oberhausener Manifest selbst zur (Film-)Geschichte und erfuhr das

Schicksal so mancher öffentlichen Erklärung von Zielen und Absichten, derer man sich im Detail irgendwann gar nicht mehr erinnert, aber um so sicherer weiß, dass es „etwas ganz Wichtiges“ war. Tatsächlich markierte das Manifest eine Art Wendepunkt: mit ihm begann die Wiedergeburt des westdeutschen Kinofilms, ein Prozess, der schrittweise in Gang kam, bis ab 1966 die ersten langen Spielfilme des Jungen deutschen Films in die Kinos fanden. Darunter waren Werke wie „Abschied von Gestern“ von Alexander Kluge, „Der junge Törless“ von Volker Schlöndorff, „Schonzeit für Füchse“ von Peter Schamoni, „Es“ von Ulrich Schamoni und „Der sanfte Lauf“ von Haro Senft. Derweil verblassten die meisten Namen der ManifestUnterzeichner; in den Hintergrund geriet auch, dass der 28.2.1962 eigentlich „nur“ ein markanter Termin in einer langen Phase von Entwicklungen, Strömungen und Veränderungen war, die über die Jahre ineinander flossen und sich untrennbar mit den gesamtdeutschen kulturellen wie politischen Befindlichkeiten zur kulturellen Signatur einer ganzen Epoche vereinten. 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Oberhausener Manifests fanden Feierlichkeiten, Retrospektiven und analytische Bestandsaufnahmen statt, in München (mit zwei Jubiläumsveranstaltungen im Februar) sowie in Oberhausen, wo die diesjährigen Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen (26.4.-1.5.) eine umfassende Werkschau präsentieren. Dazu erscheint ein profundes Buch („Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen“, hrsg. von Ralph Eue und Lars Henrik Gass); eine DoppelDVD mit wichtigen Kurzfilmen der ManifestUnterzeichner (in der Edition Filmmuseum)

wird vorbereitet. Eine informationsreiche Internetseite verweist auf Hintergründe und Zusammenhänge. Angesichts dieser Materialfülle scheint alles gezeigt, gesagt und geschrieben. Gleichwohl greift der FILMDIENST das Jubiläum des Oberhausener Manifests mit einem Themenschwerpunkt auf, um in einer betont offenen und assoziativen Folge von Artikeln auf die Vielfalt der kreativen Kräfte wie auch der kulturellen Impulse (u.a. auch in der Filmbildung) hinzuweisen, die teilweise bis in die 1950er-Jahre zurückreichen – und die als (film-)ästhetisches Programm auch heute noch relevant sind für eine gegenwärtige Standortsuche angesichts sich radikal verändernder Verhältnisse in den Bereichen Filmproduktion, -abspiel und -förderung. Jedes Manifest, und damit auch das Oberhausener Manifest, spitzt zu; es pauschalisiert und vereinheitlicht, das liegt in der Natur der Sache. In der Rückschau lohnt es sich deshalb durchaus, diese historische Zuspitzung zur relativieren, die Zusammenhänge aber so differenziert und komplex zu sehen, wie sie auch damals schon waren. Übrigens: Vor fünf Jahren, Ende 2007, hat Volker Schlöndorff ein gänzlich anderes, weniger Aufsehen erregendes „Mini-Manifest“ verfasst, in dem er sich voller Sorge zum Zustand des aktuellen (Arthouse-)Kinos äußerte. Sein Text endete damals kämpferisch mit den Sätzen: „Zu viele würden uns gerne auseinander dividieren. Es ist das alte Lied, wie zu Zeiten des Oberhausener Manifestes: das Kino ist tot, ES LEBE DAS KINO!“ Horst Peter Koll

www.oberhausener-manifest.com

Pfeil-Motiv aus „Der heiße Frieden“ (1965; Regie: Ferdinand Khittl) Die Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen 1962; Hans Rolf Strobel, Hans-Jürgen Pohland und und Alexander Kluge; Pressekonferenz Oberhausener Manifest (v.l.)

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„Hell“

„Barbara“

Arbeit im Spagat GESPRÄCH MIT ALFRED HOLIGHAUS ZUM DEUTSCHEN FILMPREIS

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enn am 27. April die Verleihung des Deutschen Filmpreises im Friedrichstadt-Palast über die Bühne geht, dann haben die Mitglieder der 2003 gegründeten Deutschen Filmakademie zum achten Mal über den mit insgesamt 2,955 Mio. Euro höchstdotierten deutschen Kulturpreis abgestimmt. Alfred Holighaus, der gemeinsam mit Anne Leppin die Geschäftsführung innehat, äußert sich über Vorauswahl und populäre Filme, Kriterien und Kategorien, weitere Projekte sowie Einmischung in filmpolitische Diskussionen.

Bei der Gründung der Deutschen Filmakademie befürchteten Skeptiker Kommerz. Inzwischen heißt es, die Filmakademie habe ein Problem mit dem populären Film.

Holighaus: Das stimmt nur bedingt. Die Filmakademie kann nicht mit einer Stimme sprechen, sondern ist eine Vielfalt von Gewerken, Genres und künstlerischen Persönlichkeiten. Es stellt sich die Frage: Was sind populäre Filme? Natürlich findet man nicht das Segment mit „Rubbeldiekatz“ oder „What a Man“, wobei „Rubbeldiekatz“ unter den vorausgewählten Filmen war; es gab also eine Beschäftigung mit dem Film. Diese Art von Popularität hat sich bei den Nominierungen nicht niedergeschlagen. Gibt es zu viele deutsche Filme?

Holighaus: Es herrscht jedenfalls ein zu großes Angebot an Filmen. Man braucht viele Filme, damit auch gute Produkte entstehen, aber es gibt zu viele Filme, die leider untergehen, weil die Zuschauer das Angebot nicht mehr bewältigen können.

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Bei 150 eingereichten Filmen, so kritische Stimmen, fehle es in der Vorauswahlkommission an Topleuten, die Zusammensetzung sei zu fernsehlastig.

Holighaus: Ein Vorurteil. Die Zusammensetzung ändert sich von Jahr zu Jahr. Das Problem bei der Vorauswahl liegt nicht bei den Akademiemitgliedern, die sich wählen lassen, sondern bei denjenigen, die nicht gewählt werden können. Eine Befangenheitsklausel schließt jeden aus, der an der Herstellung beteiligt war. Dieses Herausfiltern wird von drei Mitarbeitern der Filmakademie zusammen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geleistet. Durch drei Vorauswahlkommissionen ist die Situation etwas entzerrt. Was halten Sie von einer Ausweitung der Kategorien? Bei den französischen „Césars“ gibt es eine Auszeichnung für den Besten Erstlingsfilm und für die oder den Besten Nachwuchsschauspieler(in). Hat ein nominierter Film wie „Hell“ von Tim Fehlbaum überhaupt eine Chance gegen Werke etablierter Regisseure?

Holighaus: Da die Kategorie „Bester Erstlingsfilm“ nicht existiert, haben wir uns bewusst am „First Steps Award“ beteiligt, um uns nicht selbst Konkurrenz zu machen. In Deutschland werden Nachwuchsfilme sehr genau angeguckt, und es gibt eine Menge Preise für Nachwuchsfilme. Aber eine Auszeichnung als Bester Erstlingsfilm hört sich besser an als eine Nominierung in der Kategorie Bester Film.

Holighaus: Es spielen zwei verschiedene Ligen in einer Kategorie. Aber jeder stellt sich

freiwillig dem Wettbewerb und weiß bei der Anmeldung möglicherweise, gegen wen er antritt. Wem das zu riskant ist, der kann seine Chance beim „First Steps Award“ ergreifen. Besteht keine Möglichkeit zur Ausweitung der Kategorien?

Holighaus: Die Diskussion wird derzeit nicht geführt. Wenn man merken würde, dass der Nachwuchs grundsätzlich immer abgeschlagen landet, müsste man das Thema aufgreifen. Wie kommt es zur Zulassung von Roland Emmerichs „Anonymus“?

Holighaus: Nach dem von Filmakademie und BKM entwickelten Kriterienkatalog ist ein deutscher Film für den Deutschen Filmpreis nicht identisch mit der Identifizierung eines deutschen Films durch die Filmförderungsanstalt (FFA). Der Regisseur muss Deutscher sein oder dem deutschen Kulturkreis zugehören oder der Film in deutscher Sprache gedreht sein. Der Produzent muss Deutscher sein und der größte Anteil der Finanzierung aus Deutschland stammen. Emmerich ist Deutscher, und die Finanzierung kam größtenteils über das Studio Babelsberg zustande. Damit ist der Film trotz englischer Sprache zugelassen. Wäre da nicht eine Co-Produktionskategorie sinnvoll?

Holighaus: Sehr sinnvoll. Das Thema wird intern diskutiert, sogar in einer Arbeitsgruppe. Aber wir können nur Schritt für Schritt vorwärts gehen. Jetzt wurde erst einmal die Kategorie Dokumentarfilm auf drei Filme aus-


„Anonymus“

geweitet. Aber das Co-Produktionsthema kommt jedes Jahr auf uns zu. Wie steht es um eine Kategorie Bestes Drama oder Beste Komödie analog zu den „Golden Globes“?

Holighaus: Darüber könnte man nachdenken. Das würde aber die Schaffung einer neuen Kategorie bedeuten, eine neue Nominierung, ein neuer Preis. Irgendwann platzt das Ganze dann aus den Nähten. Im vergangenen Jahr wurden zwei Komödien mit Gold und Silber ausgezeichnet, und Bronze ging an ein Drama. Wäre der Deutsche Filmpreis ohne Dotierung nicht entspannter? Die Preissumme könnte man in eine andere Form der Filmförderung stecken.

Holighaus: Das Geld ist zweckgebunden. Wenn man an dieser über 60-jährigen Tradition rüttelt, flösse das Geld vielleicht in andere Kanäle und nicht in die Filmförderung. Die Filmpreisverleihung wäre vielleicht entspannter, aber in der Branche würden die Spannungen stärker, auch die wirtschaftlichen Belastungen. Die Preissumme ist wichtig, weil sie nicht Effekt gebunden ist. Natürlich könnten wir unseren eigenen Filmpreis verleihen mit zusätzlichen Kategorien. Aber der Preis würde an Bedeutung verlieren – in der Öffentlichkeit und für die Branche. Der „Lola“ fehlt noch die Anerkennung vom „Oscar“ oder den „Césars“. Wir müssen im Moment noch etwas im Spagat arbeiten. Inwieweit spiegelt die Filmakademie die Gesamtheit der Filmkünstler wider? Sind Schauspieler überrepräsentiert?

Holighaus: Schauspieler bilden die größte Kategorie, ungefähr ein gutes Viertel. Aber sie sind auch bei einem Film stärker vertreten als beispielsweise ein Kameramann. Regisseure und Produzenten haben auch einen großen Anteil, der Rest verteilt sich auf die anderen Gewerke. Wie können Sie einen widerspenstigen Regisseur oder Produzenten von der Filmakademie überzeugen?

INTERVIEW

Holighaus: Wenn ein Kreativer widerspenstig gegen die Idee der Filmakademie in Verbindung mit dem Preis ist, wird es schwierig. Wenn er als Künstler widerspenstig ist, weil er eigene Ideen verfolgt und eigene Wege geht, dann ist er in der Filmakademie gut aufgehoben, weil sie Regisseure und Produzenten näher zusammen bringt. Wir reden über Themen und Projekte, die sonst nicht auf der Tagesordnung stehen. Durch den Deutschen Filmpreis bekommen alle einen viel besseren Überblick über das Schaffen der Kollegen, die Kommunikation wird erleichtert. Ein Münchner Produzent bezeichnete die „endlose Diskussion in der Deutschen Filmakademie“ als eine „provinzielle Veranstaltung“. Ärgert Sie so ein Statement oder steckt da ein Körnchen Wahrheit drin?

Holighaus: Weder noch. Das Statement beruht auf einer aktuellen Sicht und der unterschwelligen Konkurrenz zwischen München und Berlin. Die Filme aus Berlin machen weniger Zuschauer, wobei in diesem Jahr erfolgreiche Filme wie „Kokowääh“ mit über vier Mio. und „Rubbeldiekatz“ mit über zwei Mio. Besuchern aus der Hauptstadt kommen. Die Deutsche Filmakademie wird oft mit dem Deutschen Filmpreis gleichgesetzt. Muss man da nicht etwas entgegensteuern?

Holighaus: Wir haben einen selbst gemachten Konflikt. Wir wollen, dass der Deutsche Filmpreis strahlt und als Teil unserer Arbeit das öffentliche Selbstbewusstsein dokumentiert. Dieser Strahleffekt sollte bleiben. Unsere anderen Aktivitäten sind punktuell. Wenn bei Werkstattgesprächen innerhalb der Filmakademie die Mitglieder konzentriert miteinander reden, ist das wichtig, dringt aber nicht nach außen. Wir müssen verstärkt den Kontakt mit dem Publikum suchen, dazu dient eine Veranstaltung wie „Mein Film“ mit Peer Steinbrück. In diesem Jahr folgen noch zwei Veranstaltungen. Und wir werden natürlich auch zu Fragen des Urheberrechts Stellung nehmen.

Inwieweit versteht sich die Filmakademie als medienpolitische Institution?

Holighaus: Wir sind kein Berufsinteressenverband und keine Gewerkschaft, sondern übergeordnet. Aber an der Diskussion über das Urheberrecht beteiligen wir uns, die geht alle am Film Beteiligten an, egal ob Produzent, Autor oder Cutter. Alle leben davon, dass kreative Arbeit bezahlt wird. Alle müssen mit einer Stimme sprechen und jeder einzelne kann sich stark machen, wenn er seinen Bundestagsabgeordneten bearbeitet oder für seine Rechte auf die Straße geht. Wir haben uns auch in die Debatte um die FFG-Novelle eingemischt und darauf hingewiesen, dass die Förderung die ganze Vielfalt des deutschen Films unterstützen muss, von Arthouse bis Blockbuster. Natürlich können wir nicht die Terms of Trade zwischen Fernsehen und Kino mitbestimmen. Der Spot „Ohne Urheberschutz bleibt beim Film das Licht aus“ kommt gut an. Inwieweit wird die Filmakademie die ACTA-Diskussion weiter begleiten? Wie es aussieht, wird das Europäische Parlament das umstrittene multilaterale Abkommen wohl ablehnen.

Holighaus: Wir werden die ACTA-Diskussion auf jeden Fall weiter verfolgen und unsere Mitglieder noch einmal auffordern, sich dezidiert zu äußern. Wenn es sein muss, auch so drastisch wie Sven Regener. Die Kreativen sind zwar spät aufgewacht, aber das holen wir jetzt auf. Wir nutzen die mediale Aufmerksamkeit für die „Lola“-Verleihung und organisieren einen Tag vorher eine öffentliche Diskussionsrunde zum Thema Urheberrecht. Was steht ganz oben auf der Agenda?

Holighaus: Das Urheberrecht, weil es uns allen unter den Nägeln brennt. Des Weiteren mehr Identifizierbarkeit und eine höhere Publikumswirksamkeit über den Deutschen Filmpreis hinaus sowie die Mitarbeit an der Zukunft der Kinokultur. Das Gespräch führte Margret Köhler. film-dienst 9/2012

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DIE KRITIKEN SEHENSWERT Ehrenmedaille Medianeras This is not a film (kino schweiz) Tomboy

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DISKUSSIONSWERT 50/50 – Freunde fürs (Über)leben Aurora Bel Ami Friede Freude Eierkuchen Raising Resistance The First Rasta Totem Unter Männern – Schwul in der DDR

54 46 62 65 48 57 43 47

Battleship

E

s bedurfte einiger kreativer Anstrengungen, um das bizarrste Lizenzprojekt des Frühlings 2012 zu einem Kinofilm zu machen. „Battleship“ ist der offizielle Film zum seit Generationen bekannten Stift-undPapier-Spiel „Schiffe versenken“, dessen Rechte die Firma Hasbro besitzt, die auch „Transformers“ auf die Leinwand brachte. Doch während man sich noch Plots mit zwei sich bekriegenden Roboter-Rassen unschwer vorstellen kann, wirkt die Filmtauglichkeit von „Schiffe versenken“ eher beschränkt. Natürlich kommt es zu einer Szene, in der die angespannten Gesichter der Schiff-Crew auf einen Monitor mit Schachbrettmuster blicken, während Befehle wie „R, 25, Feuer!“ erschallen; doch alles um diese Szene herum sind letztlich nur verzweifelte Versuche, aus einem im Grunde nicht verfilmbaren Spiel einen spannenden Film zu machen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht Alex Hopper, der sich zu Beginn der Handlung in die blonde Samantha verliebt. Auf Geheiß seines älteren Bruders, der bei der US-Navy als Kapitän dient, schlägt auch Alex einen militärischen Karrierepfad ein, insgeheim aber vor allem deshalb, weil Sam die Tochter eines Admirals ist. Mit allen Protagonisten an Bord soll vor der Küste Hawaiis ein Seemanöver stattfinden. Doch von Funksignalen angelockt, tauchen außerirdische Raumschiffe auf. Sie stürzen ins Wasser, errichten ein undurchdringbares Kraftfeld, das, einer Käseglocke gleich, die Flotte teilt und den Radar stört. Ab jetzt muss also blind gegen den Aggressor und dessen vage Pläne vorgegangen werden. Die Aliens sind die Vorhut einer Invasion, die unter ihrer Glocke auch die hawaiianischen Inseln eingeschlossen haben, weil sie die dortigen Satellitenschüsseln zur Kommunikation mit ihrem Heimatplaneten nutzen wollen. Was die ideale Gelegenheit für den Draufgänger Alex ist, mit unkonventionellen Methoden seine taktischen Fähigkeiten zu demonstrieren. Interessanterweise nimmt sich „Battleship“ absolut ernst. Während Michael Bay zumindest im ersten „Transformers“-Film (fd 38

259) nicht mit Selbstironie geizte, nutzt Regisseur Peter Berg das abstruse Szenario als Hintergrund für schamlosen Patriotismus und Militarismus. So werden im Verlauf des Films greise Kriegsveteranen reaktiviert, die mit ihren ernsten Gesichtern ihre Entschlossenheit demonstrieren, Amerika und die Welt einmal mehr vor dem sicher geglaubten Untergang zu retten. Es ist eine unfreiwillig komische Szene in einem Film, der vor Logikbrüchen nur so strotzt und ein Bündel unbeantworteter Fragen aufwirft: Wieso greifen die Aliens die Erde an? Wieso kommunizieren sie nicht die Bedingungen einer etwaigen Kapitulation? Wieso greifen sie nur Kriegsmaterial an, verschonen aber in direkter Konfrontation die Menschen, insbesondere jene, die sie schließlich zu Fall bringen werden? Und wieso haben ihre Außenbordkameras so begrenzte Winkel, dass Alex sein Schiff außerhalb ihrer Sicht bugsieren kann? Es sind Fragen, auf die es nur eine einzige Antwort gibt: weil man unbedingt das Konzept eines Spiels verfilmen musste, das neben Koordinatenangaben nur zwei weitere Äußerungen zulässt: „Treffer“ und „Platsch“. Ein „Treffer“ ist diese hanebüchene Materialschlacht nun wirklich nicht. Sascha Koebner

KINOSTART 12.4.2012 Battleship Battleship Scope. USA 2011 Produktion Produzenten

Regie Buch Kamera Musik Schnitt Darsteller

Länge FSK Verleih

Battleship Delta Prod./Film 44/Hasbro/ Ponysound/Stuber Prod. Sarah Aubrey, Peter Berg, Brian Goldner, Duncan Henderson, Bennett Schneir, Scott Stuber Peter Berg Erich Hoeber, Jon Hoeber Tobias A. Schliessler Steve Jablonsky Colby Parker jr., Billy Rich Taylor Kitsch (Alex Hopper), Alexander Skarsgård (Stone Hopper), Rihanna (Raikes), Brooklyn Decker (Samantha), Tadanobu Asano (Nagata), Liam Neeson (Admiral Shane), Peter MacNicol (Verteidigungsminis ter), Jesse Plemons (Ordy), Josh Pence 131 Min. ab 12; f Universal

Die Erde wird von außerirdischen Invasoren angegriffen. Die Besatzung eines Kriegsschiffs der US-Navy leistet Widerstand, wobei besonders ein rebellischer junger Marinesoldat zum hartnäckigen Gegner der Aliens wird. Tumber Versuch, das Spiel „Schiffe versenken“ zu einer Spielfilmhandlung auszubauen. Während sich der Film im Design an die „Transformers“-Reihe anlehnt, gerät das Ganze inhaltlich zur martialischen, unreflektiert militaristischen und nationalistischen Materialschlacht voller logischer Brüche. – Ab 16.

„Bel Ami“ film-dienst 9/2012

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