Filmdienst 03 2015

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fIlM DIenST Das Magazin für Kino und Filmkultur

03 2015

www.filmdienst.de www.fi lmdienst.de

WA RU M FI LM E M ACH EN?

mit Beilage:

KINDER JUGEND

Gespräche mit jungen filmkünstlern über Perspektiven im deutschen Kino.

FILM Korrespondenz

B EN N E T T M I LLER

... hat sich mit nur drei Spielfilmen zum Regie-Star gemausert. ein Porträt zum Start von »foxcatcher«.

FA RB R AU S CH

eine Bildergeschichte des Kinos in »Glorious Technicolor« aus Anlass der »Berlinale«Retrospektive.

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Vice« t n e r he rein »In t z r-Jah n e ä l 0 g 7 19 , nix Stars iffter Phoe k s n e e i b n u i s aq al ee t. rson ler Jo phos e r e i d o scheu p n s m t A a u h t a s c i e h a n c M om Der S rüche rende ul Th B e a i e P n i g n z ma vo fas kale I . Die i v d i t a r k der tdete Priva

5. februar 2015 € 5,50 68. Jahrgang

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filmdienst 03 | 2015 neu im kino + 41 47 36 48 49 51

alle starttermine 300 worte deutsch 5.2. black sea 29.1. blackhat 5.2. brasserie romantiek 12.2. da muss mann durch 29.1. ella und der superstar 12.2.

24 bennett miller

38 foxcatcher 5.2. drama von bennett miller 51 51 47 39 46 51 45 50 44 47 40 46 46 37 43 42

fünf freunde 4 29.1. guten tag, ramón 5.2. housebound 12.2. inherent vice – natürliche mängel 12.2. let us prey 12.2. manolo und das buch des lebens 12.2. mortdecai – der teilzeitgauner 22.1. road to heaven 5.2. sehnsucht nach paris 12.2. starry eyes 5.2. the interview 5.2. the visitor 5.2. v/h/s viral 5.2. wer rettet wen? 12.2. when the game stands tall 12.2. wild card 12.2.

fernseh­tipps 56 Während ein großteil des fernseh­ programms im Zeichen des Karnevals steht, halten vor allem die Privatsender und arte mit der erstausstrahlung ambiti­ onierter serien dagegen. Prosieben geht mit »flash« in die superhelden­offensive, sat.1 verstärkt mit »Profiling Paris« sein Krimiprogramm. arte sendet die mini­serien »the Code« und »nordkurve«. auch freun­ de klassischer filmkunst kommen auf ihre Kosten: etwa mit »the Palm beach story« von Preston sturges oder filmen von robert altman.

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18 helga reidemeister

23 in memoriam

27 e-mail aus hollywood

fotos: titel: Warner. s. 4/5: studioCanal, deutsche Kinemathek berlin, fd­archiv, academy of motion Picture arts and sciences, nfP, “berlinale” 2015, twentieth Century fox

kinotipp der katholischen Filmkritik

16 christian friedel 28.01.15 17:25


inhalt kino

akteure

filmkunst

10 warum filme machen?

20 joaquin phoenix

28 technicolor

10 WARUM FILME MACHEN?

20 JOAQUIN PHOENIX

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

auch 2015 bietet die reihe »Perspektive deutsches Kino« auf der »berlinale« dem Kinonachwuchs wieder eine bühne: sieben junge filmschaffende erzählen vom be­ sonderen bei ihren arbeit, ihren erfahrun­ gen und ihren träumen.

ob als rapper für eine fake­doku, als wahnsinniger römischer Kaiser oder aktuell als zugedröhnter Privatdetektiv in »inherent Vice ­ natürliche mängel«: der amerikanische schauspieler ist ein spezia­ list für extreme rollen. eine annäherung.

die diesjährigen »oscar«­nominierungen künden von der anhaltenden spaltung der amerikanischen filmindustrie: die studios setzen auf franchises, während mut und innovationen mehr und mehr den independent­filmen überlassen bleiben.

Von Julia Teichmann

Von Kathrin Häger

Von Franz Everschor

23 IN MEMORIAM

28 TECHNICOLOR

16 CHRISTIAN FRIEDEL

durch sein feinfühliges spiel führt der schauspieler immer wieder die schönheit des eigensinns vor, zuletzt als Heinrich von Kleist in »amour fou«. ein Porträt aus unserer »spielwütig«­reihe. Von Alexandra Wach

18 HELGA REIDEMEISTER

die schwedische darstellerin anita ekberg, die durch »la dolce vita« zur legende wurde, ist gestorben. außerdem trauern wir um den australischen schauspieler rod taylor (»die Zeitmaschine«) und den italie­ nischen regisseur francesco rosi.

24 BENNETT MILLER

die »glorious technicolor«­retrospektive der »berlinale« feiert die vielfältigen aus­ drucksmittel und erzählerischen möglich­ keiten der farbe im film. ein spaziergang durch die farbenfrohen bildwelten. Von Jens Hinrichsen

32 KINO HÖREN

Zu ihrem 75. geburtstag zeigt eine Werk­ schau in berlin arbeiten der deutschen dokumentarfilmerin aus fünf Jahrzehnten. ein gespräch über filmen als lebendige entdeckungsreise und die bedeutung von Hoffnungen, utopien und Protest.

auch bei seinem neuen film »foxcatcher« inszeniert der amerikanische regisseur (»Capote«, »moneyball«) wieder mit doku­ mentarischer Präzision und fordert damit auf positive Weise sein Publikum heraus. eine nahaufnahme.

neue dVd­musikdokumentationen geben unbekannte seiten von musikkünstlern und ihrem Werk preis, während auf neuen Cds alte filmmusik auf mitreißende art interpretiert wird. eine umschau unter den neuerscheinungen.

Von Margret Köhler

Von Daniel Kothenschulte

Von Ulrich Kriest

34 MAGISCHE MOMENTE spon

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rubriken editorial inHalt magaZin dVd/blu­raY dVd­Perlen tV­tiPPs abCinema VorsCHau / imPressum

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KIN JUG DER END

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manoel de oliveira erzählt in »ich geh’ nach Hause« von trauer und Verlust, ohne dafür seine entdramatisierte erzählweise aufzugeben. Von Rainer Gansera

Erstmals liegt dieser Ausgabe des FILMDIENST die Beilage »Kinder- und Jugendfilmkorrespondenz« bei, die künftig vier Mal im Jahr erscheinen wird.

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kino warum filme machen?

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warum filme machen? kino

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kino warum filme machen? »bevor ich mist schreibe, schreibe ich lieber gar nichts.« JoHanna stuttmann, dreHbuCH

Was treibt junge Leute an, die sich auf die unsicheren Berufsperspektiven der deutschen Filmbranche einlassen? Sieben junge Film­ schaffende aus unterschiedlichen Bereichen der Filmherstellung sind mit ihren jüngsten Werken auf der »Berlinale« vertreten – allesamt in der Festival­Sektion »Perspektive Deutsches Kino«. Gespräche über Visionen und Wünsche, Ziele und Vorbilder. Von Julia Teichmann den film zum beruf zu machen, das erfordert leidenschaft. gerade am anfang ist die bezahlung meist schlecht, man arbeitet viel, aber keinesfalls regelmäßig. als regisseur steht man im rampenlicht, »dein« film wird auch mit dir assoziiert, man darf davon träumen, eines tages über den roten teppich zu laufen. aber was ist mit den anderen gewerken? Wovon träumen, was versprechen sich die filmkomponisten, Cutter, szenenbildner, Kameraleute und tonspezialisten, die Produ­ zenten und autoren, ohne die es den film gar nicht gäbe, die ihn erst in gemeinschaftlicher arbeit zum Kunstwerk machen? Vielleicht ist das kollektivische arbeiten die lösung, das lisa sperling und florian Kläger mit ihrem »neopankollektiv« gerade ausprobieren. andere schätzen die klassischen Hierar­ chien beim film. in jedem fall geht man »beziehungen« ein, die sich oft über Jahre erstrecken. auch die szenenbildnerin stefanie Übelhör ist am liebsten schon von anfang an in ein Projekt involviert, ebenso wie der filmmusiker leonard Peter­ sen: »da ist man dann nicht nur Zulieferer, sondern kann die geschichte noch mitgestalten.« eben deshalb ist Paul Zischler Produzent geworden. Wenn man drei Jahre mit einem Projekt verbringt, mit den menschen, da »investiert man viel Herz­ blut«. der Kameramann Jakob Wiessner arbeitet »unfassbar viel«, er hat sich »dieser sache verschrieben«, und auch die autorin Johanna stuttmann will »einfach nur geschichten erzählen«. sieben junge filmschaffende, die mit ihren filmen auf der diesjährigen »berlinale« vertreten sind: in der sektion »Per­ spektive deutsches Kino«. sie erzählen von ihren Visionen, Wünschen, Zielen, Vorbildern, davon, was sie glücklich macht an ihrer arbeit, was sie antreibt und was sie sich erwarten – nicht zuletzt auch vom deutschen Kino.

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»im spinnwebhaus«

regie: mara eibl­eibesfeldt etwas anderes als schreiben wollte sie eigentlich nie: »mir ging es immer nur ums geschichtenerzählen.« Johanna stutt­ mann (Jahrgang 1979) kommt aus einer arztfamilie: die eltern Ärzte, die schwester auch. doch ein studium der Patholin­ guistik in Potsdam dauerte nur wenige tage. der Wunsch zu schreiben war zu groß. als 17­Jährige hatte sie inkognito schon zwei – viel gelobte – Kurzfilmdrehbücher für einen freund verfasst, der an der filmhochschule studierte. eine große Karriere hatte sie nie im sinn: »bevor ich mist schreibe, schreibe ich lieber gar nichts.« ihr abschlussdrehbuch an der filmakademie in ludwigsburg wurde auf anhieb verfilmt und vielfach ausgezeichnet: »nacht vor augen« (regie: brigitte bertele) handelt von einem jungen soldaten, der erschüttert aus afghanistan zurückkehrt. dem deutschen film, findet sie, fehlt es an großen Heldengeschichten, aber auch an extremen figuren, die radikal ihren Weg gehen. gerade an ihren zwei kleinen töchtern merke sie, welche geschichten ankommen: eine »große Kunst« sei es, »ernste geschichten leicht zu er­ zählen – das lässt sich genau so auf erwachsene übertragen«. sie bewundert shakespeare »wegen der spannweite« und mag das Kino des new Hollywood; sie kann es nicht leiden, wenn figuren diskreditiert werden. am anfang steht bei ihr immer das interesse an einem thema, aus der recherche erwächst dann die geschichte: ideen trägt sie lange mit sich herum. gerade hat Johanna stuttmann ein Jahr elternzeit hinter sich: »da haben sich viele geschichten angestaut.«

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»Wie sehen die häuser

»elixir«

regie: brodie Higgs es geht ihm um filme mit politischer und gesellschaftlicher relevanz: »Wir machen ja keine filme, um reich zu werden.« Wir, das sind Paul Zischler (Jahrgang 1981) mit sitz in berlin und seine Kollegin susanne mann, die die dresdner nieder­ lassung der »Zischlermann filmproduktion« leitet. Kennen­ gelernt haben sie sich an der berliner filmhochschule dffb. gemeinsam realisieren sie spiel­ und auch dokumentarfilme, zum beispiel »not in my backyard« oder zuletzt »Krieg der lügen« von matthias bittner. »elixir« ist ihre erste internatio­ nale Co­Produktion: der australische regisseur brodie Higgs versetzt die surrealisten ins heutige berlin. entscheidend sei für ihn, ob er lust auf das Projekt, den regisseur, überhaupt alle beteiligten habe: »schließlich verbringen wir die nächs­ ten drei Jahre miteinander!« Produzent ist Paul Zischler auch wegen dieser Zeiträume geworden: »am set ist die sache gelaufen. ich wollte filme inhaltlich mitgestalten – und als Produzent bist du meist schon in der drehbuchentwicklung dabei.« für seine Projekte brennt er: »Wir investieren so viel Herzblut!« Wichtig sei ihm in dem Zusammenhang aber auch, dass er ein Publikum für den film sieht: »ich will keine filme für den giftschrank machen. der film muss doch gesehen werden!« er liebt »absolute giganten« von sebastian schip­ per – »ein prägender film für meine generation« – und die filmemacher andreas dresen und fatih akin. in deutschland, findet er, sei der arthouse­film zu problemorientiert. un­ terhaltung machen »sehr wenige, sehr erfolgreich und sehr arglos«. Zischler: »der mittelweg fehlt einfach.«

»Wir investieren so viel herzblut!« Paul ZisCHler, ProduKtion

aus, Was sitzen für menschen davor?« stefanie ÜbelHör, sZenenbild

»homesick«

regie: JaKob m. erWa Peter Jacksons »Herr der ringe« war die initiation. da ging ste­ fanie Übelhör (Jahrgang 1985) noch zur schule, in die oberstufe. »die erschaffung dieser fantasy­Welt, eines eigenen Kosmos, hat mich so fasziniert!« lichtgestaltung, Kamera – das waren alles optionen. Wichtig war ihr vor allem der »einfluss aufs bild«. mit gestaltung ist sie aufgewachsen: ihr Vater ist grafiker. Zuerst hat stefanie Übelhör audiovisuelle medien in stuttgart, dann szenenbild an der filmakademie in ludwigsburg studiert. der szenenbildner sei »der architekt des films, er sucht farben und drehorte aus, baut und gestaltet die räume«. als Chef des art departments bilde er ein kreatives dreieck mit Kamera und regie. am liebsten ist sie deshalb von anfang an dabei: so war das auch beim thriller­Psychogramm »Homesick«. »man kann noch viel fragen: Was ist das für ein mensch? ist er traurig oder lebensfroh? Welche stimmungen sind da? Wenn im drehbuch steht: ‚sie läuft durch den Park’, könnte man einfach den Park um die ecke nehmen. aber auch ein Park kann viel erzählen: blühen die blumen oder sind sie verwelkt, stehen da bäume und Hecken, entscheide ich mich für eine dunkle ecke oder eine lichte Wiese?« gerade assistiert sie bei einer großen amerikani­ schen Produktion, einer Computerspielverfilmung: viel action, viele explosionen. assistenzen mag sie, da lerne man verschie­ dene arten von Chefs kennen und könne herausfinden, was man selbst für einer ist: »es geht ja gerade erst los.« in vielen, gerade deutschen filmen könne das szenenbild nicht glänzen: »ich mag genrekino, märchen, Horror, apokalypse. alles, was ein biss­ chen zerstörter, kaputter, dreckiger ist. da ist das deutsche Kino ängstlich und liebt den Konsens: »til­schweiger­filme mit netten Kindern und großen, schönen, hellen Wohnungen.« Wenn sie reist, setzt sie sich manchmal an einen 08/15­ort und zeichnet: »Wie sehen die Häuser aus, was sitzen für menschen davor, was ist krumm und schief?« man brauche doch diesen blick, um din­ ge wahrzunehmen – »das ist schließlich mein Job«.

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kino warum filme machen?

»mit minimalstbudgets, »sibylle«

regie: miCHael KrummenaCHer Wenn er über seine arbeit spricht, kommen häufig die Worte »Konsequenz«, »genauigkeit«, »Kontrolle« vor. das klingt sehr nüchtern, nach Handwerk – und es ist kein Widerspruch: Jakob Wiessner (Jahrgang 1984) ist Kameramann aus leidenschaft. »mein Zugang zu filmen war schon immer absolut visuell«, sagt er. da waren zwei dunkle räume am anfang, noch auf der schule: die dunkelkammer, in der er die abzüge seiner fotografien bear­ beitet hat (»das war mein bereich«), und die beiden Programm­ kinos in münchen, wo er aufwuchs und lebt. »dort habe ich Jar­ musch, antonioni, Pasolini, godard für mich entdeckt. ich habe das mit niemandem geteilt, habe etwas gesucht und es darin gefunden. diese filmerlebnisse haben mit unglaublicher strahl­ kraft die möglichkeiten kommuniziert, die das Kino hat.« darum geht es Jakob Wiessner: diese möglichkeiten in seinem beruf auszuschöpfen, »ohne formel, ohne rezept«. er bewundert den Kameramann gordon Willis (»der Pate«), besonders dessen film »Klute« mit Jane fonda: »die extreme, die szenen an der grenze zum ‚man sieht nichts mehr’, fantastische scope­Kompositionen – er geht auf vielen ebenen konsequent und riskant mit den mitteln um, ohne dass man es merkt.« eitelkeit liegt Jakob Wiessner fern: »ich kann wenig damit anfangen, wenn jemand meine bilder toll findet. für bilder allein kann ich mich nicht begeistern: da benutzt du nur einen bruchteil dessen, was film bedeuten kann.« natürlich gebe es »seine bilder«, eine bestimmte art, »mit raum, den menschen im bild und licht« umzugehen. aber das sei »bei weitem noch nicht ausgereizt, bleibt Herausforderung«. »sibylle« ist seine zweite Zusammenarbeit mit michael Krummenacher und gleichzeitig sein abschlussfilm an der münchner filmhochschule Hff. Viele male haben sie für den film stanley Kubricks »shining« gesehen und analysiert: »der perfekte film.«

»für bilder allein kann ich mich nicht begeistern« JaKob Wiessner, Kamera 14

croWdfunding und ohne filmförderung oder redaktionen« lisa sPerling & florian KlÄger, regie und meHr

»sag mir mnemosyne«

regie: lisa sPerling & florian KlÄger

»Wie können wir in Zukunft arbeiten – auch, um davon leben zu können?« Weil das in deutschland allein sehr schwierig sei, zumindest dann, wenn man künstlerisch frei bleiben will, haben lisa sperling und florian Kläger – beide ende der 1980er­Jahre in stuttgart geboren – gemeinsam mit zwei freunden das »neopankollektiv« gegründet. mit dem doku­ mentarischen essay »sag mir mnemosyne« läuft gleich ihre erste Zusammenarbeit auf der »berlinale«. »normalerweise ist das so«, erläutert Kläger: »man steht für sich allein, macht seine Kunst und auf der anderen seite etwas, wo die Kohle reinkommt. also haben wir uns überlegt, uns interdisziplinär zusammenzuschließen und uns mehr zu unterstützen.« Kläger und sperling sind ein Paar, sie haben schon zuvor gemein­ sam filme gemacht: »stuttgart21­denk mal!« zum beispiel, der 2011 auf der »berlinale« gezeigt wurde. gesellschaftliche und politische relevanz ist ihnen wichtig, sogar bei scheinbar unpolitischen filmen: »mit ‚sag mir mnemosyne‘ waren wir in griechenland – die aufgewühlte stimmung dort kann man spüren, wenn man will«, so Kläger. ihre filme sind »studien, zu dem, was wir sehen und hören«. bislang haben sie all ihre Projekte, erzählt sperling, »mit minimalstbudgets, Crowdfun­ ding und ohne filmförderung oder redaktionen« realisiert. leben könne man davon nicht. in Hamburg, wo lisa sperling Kunst studiert, hat sich gerade eine gruppe von unabhän­ gigen filmschaffenden formiert, »die diskutiert, was sich an dem fördersystem in deutschland ändern muss, damit auch freie Projekte stattfinden können«.

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warum filme machen? kino »der bunker«

regie: niKias CHrYssos am anfang ist der Klang: da setzt sich leonard Petersen (Jahrgang 1983) an den Computer, ans Cello oder ans Klavier und macht sich auf die suche nach einem ersten ansatz, »einem anker. ich mache den Kopf so frei wie möglich und lasse es fließen«. meist beginnt er bei einem film dort, wo dieser ihn am meisten berührt: »ich gehe vom gefühl aus und fülle es mit musik.« Petersen hat auch schon Konzert­ musik geschrieben, aber filmmusik ist ihm am liebsten. »es ist unheimlich spannend, eine geschichte mit zu erzählen, impulsiv und intuitiv.« bei Konzertmusik laufe man schneller gefahr, »dass man sich intellektuell verrennt« in der krampf­ haft­theorielastigen anstrengung, unbedingt etwas neues schaffen zu müssen. das ist allerdings schon sein anspruch, den er an filmmusik hat: »bei dieser flut von filmen ist doch die einzige möglichkeit, etwas frisches, eigenes zu komponie­ ren. aber das erfordert mut.« er bewundert deshalb alberto iglesias, den Komponisten von Pedro almodóvar. Wenn musik nur vorgefertigte gefühle generiert, findet er das langweilig. Vor populären melodien hat er keine scheu – nur nimmt er dann »eine andere abzweigung«, legt Wert auf einen »viel­ schichtigen unterbau«. letzterer fehlt ihm auch im deutschen Kino: es könne sich viel mehr »brüche und stilisierungen« erlauben, entweder sei es »sehr realistisch oder sehr abs­ trakt«. begeistert war er von tom fords »a single man«: »da sind musik und film ein guss für sich, das ist ein gedicht als film.« nikias Chryssos, der regisseur von »der bunker«, hat Petersens musik im internet entdeckt: »er fand es gut, dass sie nie kitschig ist.«

»im spinnwebhaus«

»elixir«

»homesick«

»sibylle«

»es ist spannend, eine

»sag mir mnemosyne«

geschichte mit zu

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foto: Pablo ruiz Holst

und intuitiv.«

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kritiken neue filme

blackhat

Hypnotischer »Cyber«-Thriller von Michael Mann

die anfangssequenz ist eine fließende bewegung vom makro- in den (technischen) mikrokosmos: man sieht die erde, die im dunkel des alls wirkt, als wäre sie in einen schimmernden kokon eingewoben; näher an der oberflä­ che erkennt man beleuchtete straßen, die sich wie adern über das land spannen. die Kamera hält auf ein Kernkraft­ werk zu, gleitet hinein und schlüpft schließlich ins innere der rechner, in die Kabel und relais, durch die informationen als bläuliche lichtfunken jagen. alles ist vernetzt – und alles ist zugänglich, wenn man nur den richtigen Code besitzt. irgend­ wo drückt ein finger auf eine »enter«­taste; kurz darauf fällt in dem Kernkraftwerk das Kühl­ system aus und es kommt zu einem verheerenden reaktor­ unfall. michael mann hat den stoff um »blackhat«­Hacker – leute, die in Computersysteme »einbre­ chen« und sie mit krimineller absicht manipulieren – gründ­ lich recherchiert. die inspiration für die geschichte lieferte der

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Computerwurm stuxnet, ein schadprogramm, mit dem sich steuerungssysteme von indus­ trieanlagen sabotieren lassen. Was für folgen das haben kann, zeigt die fulminante dia­ loglose anfangssequenz. betroffen ist ein chinesisches Kernkraftwerk. dem zuständi­ gen experten einer »Cyber­ defense«­einheit, Chen dawai, ist klar, dass er es mit einem anschlag zu tun hat; was damit bezweckt wird, weiß Chen aller­ dings nicht. Handelt es sich um politische motive? aufklärung erhofft sich Chen von einer Zusammenarbeit mit den usa. dort gab es ähnliche angriffe, die aber vereitelt werden konn­ ten. und dort büßt ein »black­ hat«­Hacker seine Zeit im Knast ab, den Chen vom studium am mit kennt: nicholas Hathaway, ein Computer­genie und der erfinder jenes Codes, der bei der sabotage des atomkraft­ werks missbraucht wurde. trotz des misstrauens der us­behör­ den lässt sich das fbi auf den deal ein, mit Chen gemeinsame sache zu machen und Hatha­ way ins team zu holen. ihm

wird ein straferlass in aussicht gestellt, sollte es gelingen, die schuldigen dingfest zu machen. Computerexperten wie Hatha­ way haben sich in den letzten Jahren als populäre Helden eta­ bliert. aktuell verkörpert bene­ dict Cumberbatch in »the imi­ tation game« die eigenschaf­ ten, die mit diesem typus asso­ ziiert sind: hochintelligent bei allem, was mit nullen und ein­ sen zu tun hat, aber unge­ schickt bis soziopathisch im umgang mit anderen (vor allem mit frauen), stark im Kopf, aber körperlich eher schwach. michael mann bricht in der Kon­ turierung des Hackers Hatha­ way radikal mit diesem »nerd«­ muster. gespielt von Chris Hemsworth, steht Hathaway dessen superheld »thor« kör­ perlich in nichts nach: Hatha­ way sieht nicht aus wie jemand, der sein leben hinter Compu­ terbildschirmen verbracht hat, sondern muskulös und hünen­ haft wie ein Kriegsgott. Was ihn zum Kämpfen ebenso prä­ destiniert wie zur liebe. die entscheidung, Hathaway neben seinen intellektuellen

Vorzügen auch mit solch einer imponierenden physischen Prä­ senz auszustatten, mag unrea­ listisch sein. doch es passt ins Konzept: michael manns film über die Virtualisierung des Verbrechens setzt dem Cyber­ space trotzig die Körperlichkeit und sinnlichkeit der soliden materie und des thriller­genres entgegen. das zeigt sich daran, wie die Kamera die nähe der gesichter, der Körper, der gegenstände sucht, in den gewohnt handfesten shoot­ outs wie auch in momenten des innehaltens, wenn z.b. Hatha­ way auf dem Weg vom auto ins flugzeug kurz stehen bleibt, um die Weite der flachen land­ schaft auf sich wirken zu las­ sen. dass der tatort virtuell ist, mag eine zusätzliche dimen­ sion des Verbrechens sein, doch bringt mann dagegen die sichtbar­greifbare, reale Welt in stellung: dort wirken sich die »Kollateralschäden« der Cyber­ anschläge aus, und dort haben sie auch ihre Quelle – einen menschlichen geist in einem menschlichen Körper. auf die­ sen macht Hathaway Jagd, über mehrere Kontinente hin­ weg. Virtuelle spuren führen ihn zu realen orten, in kühle stadtlandschaften, wo blutige gefechte ausgefochten werden. im showdown kulminiert die physische action schließlich in einer fiebrig­brutalen massen­ szene, die an die atemberau­ bende disco­szene aus »Colla­ teral« erinnert. das rad der Zeit zurückdrehen kann der Held trotz seiner stärke freilich ebensowenig wie die sicherheitsinstituti­ onen, das militär und die geheimdienste, die die Hand­ lungsspielräume in der ver­ netzten, globalisierten Welt überwachen. die Kanäle, über die alles miteinander verbun­ den ist, und die risiken, die damit einher gehen, sind eine tatsache, mit der man leben

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neue filme kritiken muss. Wie dieses leben aus­ sieht, hängt letztlich von den moralischen entscheidungen der individuen ab. Hathaway mag als Hacker ein outlaw sein, aber er ist einer mit ethos. der mann, der sich als sein gegenspieler entpuppt, kennt dagegen keinerlei skru­ pel, sondern nur gier. »black­ hat« bestraft ihn dafür ästhe­ tisch: Während Hathaways kör­ perliche Präsenz, seine interak­ tion mit den räumen und mitspielern den film prägen, ist sein gegner über weite teile des films zur unsichtbarkeit verdammt: nur ein finger auf der »enter«­taste. Felicitas Kleiner bewertung der filmkommission

ein team aus chinesischen »cybercrime«-experten und fbiagenten fahndet nach einem attentäter, der virtuell einen verheerenden anschlag auf ein atomkraftwerk verübt hat, und überredet einen inhaftiert meister-hacker mit dem versprechen auf straferlass zur mitarbeit. es beginnt eine mörderische jagd über mehrere kontinente. eleganter thriller über die virtualisierung des verbrechens, der in der inszenierung von figuren und räumen vehement auf der körperlichkeit der welt und des thrillergenres besteht. das komplexe »cybercrime«-szenario wird damit auf einen archaischen konflikt zwischen skrupelloser gier und moralischem handeln zurückführt. – ab 16.

blackhat. scope. usa 2014 regie: michael mann fotos s. 36­51: Jeweilige filmverleihe

buch: morgan davis foehl kamera: stuart dryburgh musik: harry gregson-williams schnitt: mako kamitsuna, j. o’driscoll darsteller: chris hemsworth (nicholas hathaway), viola davis (carol barrett), tang wei (lien chen), william mapother länge: 133 min. | kinostart: 5.2.2015 verleih: universal | fd­kritik: 42 886

wer rettet wen?

Hellsichtige Doku zur Finanzkrise

zentrale begriffe wie »rettungsschirm« oder »systemrelevanz« sind inzwischen ebenso bekannt wie die namen »lehman brothers«, »goldman sachs«, oder mario draghi. seit sechs Jahren fließen milliarden steuergelder, um je nach lage die hochverschuldeten griechen, spanier, Portugiesen oder iren zu retten, indem der ausstieg aus der euro­Zone verhindert wird. natürlich sind diese Zahlungen an bedingungen geknüpft, die letztlich auf einen abschied vom europäischen sozialmodell hinauslaufen. in bester brecht­ manier fragen die Hamburger filmemacher leslie franke und Herdolor lorenz in ihrem Kam­ pagnenfilm: Wen haben die milli­ arden gerettet? Wie konnte es dazu kommen, dass demokra­ tisch nicht legitimierte instanzen wie die troika aus europäischer Kommission, europäischer Zen­ tralbank und internationalem Währungsfond sparmaßnahmen einfordern, die auf die Privatisie­ rung öffentlicher güter, die dere­ gulierung des arbeitsmarktes und den abbau öffentlicher sozialleistungen hinauslaufen? Wenn gilt: die retter sind die täter, wie es der film formuliert, sind wir alle dann Zeugen der machtübernahme des finanzka­ pitals, das es meisterhaft ver­ steht, gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren? Wurden wir Zeugen eines staatsstreichs?

die filmemacher haben sich auf spurensuche begeben, haben experten befragt und zu erklären versucht, welche logik hinter einem Wort wie »derivat« steckt. der befund des films ist eindeu­ tig und eindrucksvoll: soziale rechte werden durch das recht auf schulden ersetzt. schüler werden zu dienstleistungsemp­ fängern, Patienten zu Kunden. Wie lebt es sich in griechenland, wo das öffentliche gesundheits­ system zusammengebrochen ist und ein drittel der bevölkerung ohne Krankenversicherung da steht? Wie lebt es sich im Her­ zogtum lauenburg, wo inve­ storen mit slogans wie »Hier wird der fiskus zum fisküss­ chen!« angelockt werden sollen. ist oskar lafontaine seinerzeit als finanzminister gescheitert, weil er versucht hat, den Weltka­ pitalmarkt zu regulieren? der film hat den unmissver­ ständlichen, aber wenig hoff­ nungsvollen untertitel: »die Krise als geschäftsmodell auf Kosten von demokratie und sozialer sicherheit«. und er stellt fest, dass die finanzindustrie den regeln zu ihrer Kontrolle bislang stets einen schritt voraus gewe­ sen ist, weil sie flexibel und supranational agieren kann. aber es geht nicht primär um das ohnmächtige bebildern von Verschwörungstheorien, son­ dern um praktische formen soli­ darischen Handelns, wenn z.b. gezeigt wird, wie Ärzte und

anwälte in griechenland und spanien sich ehrenamtlich für Kranke und von Zwangsräu­ mung bedrohte engagieren. oder wenn der blick nach ecua­ dor geht, wie sich sogenannte schuldenaudits als politische alternative erwiesen haben. oder nach island, wo die bürger in mehreren Volksabstimmungen die bankenrettung verweigert haben. der durch eine ungewöhnliche form von Crowdfunding durch organisationen wie attac, greenpeace und ver.di möglich gewordene film versteht sich explizit als Hilfsmittel zur aufklä­ rung und wird einen tag vor dem Kinostart europaweit Pre­ miere feiern. nach »Wer rettet wen?« schaut man mit anderen augen nach griechenland, wo die Wähler entschieden gegen die troika votiert haben. Ulrich Kriest bewertung der filmkommission

die moderne finanzwirtschaft hat sich zum billionen-geschäft für kapitalgeber entwickelt, was darauf hinausläuft, dass die gesellschaften sich vom europäischen sozialmodell verabschieden. der dokumentarische kampagnenfilm zeichnet den prozess der machtübernahme durch transnationale finanzkonzerne nach und stellt formen solidarischen handelns vor, die in der krise nach praktischen wie politischen alternativen suchen. ebenso informativ wie aufrüttelnd, lehrt er, die gegenwart mit anderen augen zu sehen. – ab 14.

deutschland 2014 regie: leslie franke, herdolor lorenz kamera: herdolor lorenz, stefan corinth, leslie frank, hans-ulrich fischer, tania sainz martin musik: hinrich dageför, stefan wulff schnitt: hermann dolores, leslie frank, alexander grasseck länge: 104 min. | kinostart: 12.2.2015 verleih: salzgeber | fd­kritik: 42 887

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kritiken fernseh-tipps

sa

samstag 7. februar

20:15–21:55 3sat adel verpflichtet r: robert hamer makabre mörderkomödie mit alec guinness gb 1949 sehenswert ab 16 20:15–23:00 prosieben batman begins r: christopher nolan wie aus bruce wayne batman wird usa 2005 ab 14 20:15 – 23:00 servus tv der pianist r: roman polanski polnisch-jüdischer pianist versteckt sich vor den nazis frankreich/deutschland 2002 ab 16 20:15–22:05 arlington road r: mark pellington hintergründiger, brillant gespielter thriller usa 1999

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ab 16

21:45– 23:45 einsfestival haus aus sand und nebel r: vadim perelman ergreifendes drama um die folgen einer zwangsversteigerung usa 2003 sehenswert ab 16 21:55–23:50 3sat the hours – von ewigkeit zu ewigkeit r: stephen daldry kunstvolle »mrs. dalloway«-adaption usa 2002 sehenswert ab 14

7. februar, 20:15–21:55 fotos s. 55–65: Jeweilige sender.

adel verpflichtet

23:05–01:15 rbb fernsehen don – the king is back r: farhan akhtar rasant choreografierter actionfilm indien/deutschland 2011 ab 12 23:30– 01:10 das erste das messer r: richard marquand thriller mit glenn close & jeff bridges usa 1985 ab 16 23:45–01:30 geständnisse r: tetsuya nakashima furios inszenierter rache-psychothriller japan 2010

einsfestival

sehenswert

23:50–01:30 zdf_neo brick r: rian johnson eigenwilliger versuch eines film noirs unter schülern usa 2006 ab 16 01:00–03:05 zdf public enemies r: michael mann neo-noir-thriller um john dillinger und seine bande usa 2009 sehenswert ab 16

7. februar, 00:00–03:00

br fernsehen

»carry on«

30 filme entstanden zwischen 1958 und 1992 für die britische »carry on«­reihe, denen in deutschland meist ein »ist ja irre« vorausgestellt wurde. ihr enormer kassenerfolg erregte damals die kritiker, zumal außerhalb großbritanniens, wo die anarchische mischung aus anzüglichkeiten, dreisten parodien und völlig überzogenem klamauk auf befremden stieß und als tiefpunkt des komödiengenres missverstanden wurde. mit blick auf den heutigen standard von filmparodien treten jedoch auch die qualitäten der »carry on«-produktionen hervor. auch wenn diese im lauf der reihe erheblich schwankte, bieten die besten filme mit ihrem festen stamm an begabten komikern und der durchaus hintersinnigen lust an der persiflage ein erhebliches vergnügen. das gilt insbesondere für »der dreiste cowboy« (00:00–01:30), in dem ein klempner namens marshall in eine stadt des wilden westens geschickt wird, deren bewohner von banditen terrorisiert werden und eine ganz andere art von marshal und »säuberung« erwarten. im anschluss folgt mit »cäsar liebt kleopatra« (01:30–03:00) eine respektlose parodie auf sandalenfilme, gedreht in den kulissen und mit den kostümen der kurz zuvor entstandenen »cleopatra«-verfilmung mit elizabeth taylor.

01:15–02:53 das erste und täglich grüßt das murmeltier r: harold ramis bill murray in der zeitfalle usa 1992 ab 12 01:15–02:45 rbb fernsehen mammuth r: benoît delépine, gustave de kervern poetisch angehauchte sozialgroteske mit gérard depardieu frankreich 2010 ab 14

3sat

ganze acht rollen verkörpert der britische meisterschauspieler alec guinness, der letztes jahr hundert jahre alt geworden wäre, in robert hamers köstlicher krimikomödie: er spielt die diversen opfer, die ein kleiner verkäufer (dennis price), sohn eines italienischen tenors und einer britischen adeligen, ermordet: der killer will rache nehmen für die schlechte behandlung der mutter durch die acht verwandten – und sie gleichzeitig aus dem weg räumen, um in der erbfolge aufzusteigen und in den besitz des herzogtitels zu kommen. makabrer spaß, der auf intelligente weise mit dem entsetzen scherz treibt und mit satirischem witz und bissiger ironie englische lebensweisen karikiert.

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»cäsar liebt kleopatra«

7. februar, 01:00–03:05

zdf

public enemies

john herbert dillinger war die erste person, die das fbi als »public enemy« bezeichnete, nachdem der gangster und seine bande 1933/1934 reihenweise banken im mittleren westen überfallen und ausgeraubt hatten. dillingers figur ist allerdings so sehr teil der amerikanischen popkultur, dass michael mann in seiner äußerst stilisierten annäherung weder um die historie noch um die psychologie der figuren ein großes aufheben macht, sondern dem »crime wave« durch den einsatz digitaler high-definition-technik und einem offensiven pop-verständnis seine eigene ästhetik abringt. die kostüme, autos und waffen der 1930er-jahre werden durch die hochauflösende optik und eine nervöse kamera in eine art hypergegenwart befördert, in der es mehr um die innere mobilmachung der staatsorgane unter j. edgar hoover und die aufrüstung der exekutive als um eine hommage an den klassischen gangsterfilm geht. aus dem lockeren déjà-vu-gewebe voller pop-mythen, urbanem jazz, dem maskenhaften spiel des hochkarätigen darsteller-ensembles sowie einer bisweilen überdeterminierten ikonizität erwächst eine ebenso kühle wie spannende genre-bricolage, deren anscheinend leeres zentrum auf die unbestimmtheit digitaler zeichenwelten vorausweist.

fotos s. 56­65: Jeweilige sender.

07:40 – 09:05 mdr zoomer: kleine spione – große geheimnisse r: christian e. christiansen zwei jungen spionieren schulalltag aus dänemark 2009 ab 10

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fernseh-tipps kritiken erstausstrahlung: 8. februar, 23:15–00:45

servus tv

ich, bruce lee

auch mehr als 40 jahre nach seinem frühen tod ist der ruhm des martial­arts­ pioniers bruce lee ungebrochen. pete mccormacks fernsehdokumentation »ich, bruce lee« aus dem jahr 2012 präsentiert eine lohnende kompilation von originalaufnahmen mit bruce lee und würdigt dessen verdienste um die weiterentwicklung filmischer kampfkünste. lees philosophie spielt dabei eine ebenso wichtige rolle wie der rückhaltlose körpereinsatz in seinen filmen. verwandte und prominente bewunderer erinnern überdies an ihre persönlichen beziehungen zu bruce lee. 8. februar, 00:20–01:40

3sat

das cabinet des dr. caligari

»robert wienes ›das cabinet des dr. caligari‹ als schlüsselwerk der deutschen filmgeschichte zu bezeichnen, hieße eulen nach athen zu tragen«, schrieb ralf schenk jüngst im filmdienst (16/2014). schon unmittelbar nach der premiere im jahr 1920 verstanden die zeitgenossen diesen expressionistischen aufschrei als reflex ihrer zeit. in der surreal verschlüsselten fabel und den bis dato nie gesehenen bildern mit ihren schrägen häuserfronten und langen schatten verdichteten sich die traumata der epoche; und im irrenarzt und mörder caligari ahnten viele ein zerrbild autoritärer macht, wenn sie nicht wie siegfried kracauer retrospektiv gar eine vorwegnahme hitlers erkennen wollten. 3sat zeigt den restaurierten klassiker in der viragierten fassung der friedrich-wilhelmmurnau-stiftung mit der musik des new yorker komponisten john zorn, die am 12. februar 2014 auf der karl-schuke-orgel der berliner philharmonie aufgezeichnet wurde. zorn synthetisiert in seiner musik unterschiedlichste einflüsse und stilrichtungen, angefangen von der neuen musik über jazz, free-jazz, noise und punk; vor einigen jahren entdeckte er auch die orgel als instrument für sich und wies ihr in der teils notierten, teils frei improvisierten komposition für den wiene-film eine zentrale rolle zu. 8. februar, ab 20:15

7maxx/3sat

western: italowestern vs. us­klassiker

freunde des westerngenres kommen heute auf zwei sendern auf ihre kosten. 7maxx zeigt ab 20:15 die beiden ersten filme von sergio leones »dollar«-trilogie, jener reihe, die die initialzündung für die entwicklung des italowesterns lieferte und nebenbei die schauspiel-karriere von clint eastwood befeuerte: eastwood spielt in dem von kurosawas »yojimbo« inspirierten auftakt der reihe einen wortkargen revolverhelden, der als fremder in eine von zwei rivalisierenden gangsterbanden terrorisierte siedlung kommt und für ordnung sorgt, und begründete damit sein starimage. den italowestern auf 7maxx machen auf 3sat zwei us-klassiker konkurrenz. um 20.15 läuft howard hawks’ »der weite himmel«: eine gruppe pelzjäger stößt 1830 im norden amerikas mit indianern und den vertretern einer pelzkompanie zusammen. genre-meister hawks macht daraus einen spannenden clash zwischen wildnis und zivilisation und zwischen unterschiedlichen werten, überzeugend in der charakterzeichnung und mit grandiosen landschaftsaufnahmen des missouri-gebiets. im anschluss zeigt der sender robert aldrichs »el perdido«, eine meisterhafte mischung aus western und melodram um zwei männer, die wegen einer alten schuld feinde sind, im laufe einer gemeinsamen reise mit einem vieh-trek aber widerwillige bewunderung füreinander entwickeln. »der weite himmel«

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sonntag 8. februar

08:55– 10:30 br fernsehen das zauberflugzeug r: cédric kahn junge entdeckt zauberkräfte in seinem modellflugzeug f/d 2005 sehenswert ab 10

20:15–21:45 zdf.kultur über allen gipfeln r: hannes lang fulminanter film über den alpinen massentourismus a/italien 2011 sehenswert ab 14

10:45–13:00 3sat tod eines handlungsreisenden r: volker schlöndorff adaption der tragödie von arthur miller usa/deutschland 1985 ab 16

22:10–00:50 7maXX für ein paar dollar mehr r: sergio leone zweiter film der »dollar«-trilogie i/brd/sp 1965 ab 16

16:50–18:30 3sat sturmfahrt nach alaska r: raoul walsh seeabenteuerfilm mit gregory peck usa 1952 ab 12

22:20–00:40 tele 5 we need to talk about kevin r: lynne ramsay fesselndes psychodrama gb/usa 2011 sehenswert ab 16

20:15–22:35 3sat der weite himmel r: howard hawks mit pelztierjägern auf dem missouri usa 1952 sehenswert ab 14

22:35–00:20 3sat el perdido r: robert aldrich western-klassiker mit rock hudson & kirk douglas usa 1961 ab 16

20:15–22:10 7maXX für eine handvoll dollar r: sergio leone mythischer italowestern mit clint eastwood i/sp/brd 1964 ab 16

23:45–01:05 rbb fernsehen tomboy r: céline sciamma zehnjährige gibt sich als junge aus frankreich 2011 sehenswert ab 12

20:15–21:55 arte der große crash – margin call r: j.c. chandor fesselndes bankenkrisenkammerspiel usa 2011 sehenswert ab 14

00:20– 01:40 3sat das cabinet des dr. caligari r: robert wiene stummfilm-klassiker mit musik von john zorn deutschland 1921 ab 16

ab 16

00:40–02:55 tele 5 die klasse r: laurent cantet semidokumentarisches mittelstufenporträt frankreich 2008 sehenswert ab 16

20:15–22:20 tele 5 die Queen r: stephen frears porträt der britischen königin mit helen mirren großbritannien 2006 ab 14

01:45– 03:55 das erste babel r: alejandro gonzález iñárritu drama um misskommunikation rund um den globus usa/mexiko 2006 sehenswert ab 16

20:15–22:50 12 monkeys r: terry gilliam apokalyptischer fiebertraum usa 1995

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»el perdido«

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4 | 2015 vorschau

lachen erlaubt?

impressum filmdienst, dreipunktdrei mediengesellschaft mbh, heinrich-brüning-straße 9, 53113 bonn, (0228) 26 000-163 (redaktion), (0228) 26 000-257 (anzeigen), (0228) 26 000-251 (vertrieb) geschäftsführer: theo mönch-tegeder herausgeber: katholische filmkommission für deutschland chefredakteur: horst peter koll redaktion: felicitas kleiner, josef lederle datenbank & internet: stefan lux e­mail: redaktion@filmdienst.de, internet: www.filmdienst.de layout: qwer, michael gais, philipp rose, patricia vidal anzeigenverkaufsleitung: martin werker (werker@dreipunktdrei.de) verantwortlich für den inhalt der anzeigen: martin werker (werker@dreipunktdrei.de) vertriebs- und marketingleitung: urs erdle (erdle@dreipunktdrei.de) jahresabonnement: 26 ausgaben 109,90 euro, schüler, studenten etc. 89,90 euro, einzelheft 5,50 euro. alle preise inkl. porto (ausland: plus porto) kündigungsfrist: jeweils drei monate zum abo-ablauf bestellungen und anfragen: vertrieb@filmdienst.de konto deutschland: film-dienst, pax bank eg, köln, konto-nr. 27 955 010, (blz 370 601 93) iban de50 3706 0193 0027 9550 10 bic genoded1 pax nachdruck nur nach vereinbarung. der filmdienst erscheint 14-täglich. druck: saarländische druckerei und verlag, saarwellingen issn 0720-0781 die zusammenfassung der kritiken gibt die stellungnahme der katholischen filmkommission für deutschland wieder. anzeigen- und beilagenvermarktung durch die konpress medien eg; www.konpress.de

Der Caligari-Filmpreis feiert Jubiläum! Der Bundesverband Kommunale Filmarbeit vergibt gemeinsam mit dem Kinomagazin FILMDIENST diesen Preis an einen stilistische wie thematisch innovativen Film aus dem Programm des Berlinale Forums. Damit soll auch die besondere Bedeutung dieser Sektion der Internationalen Filmfestspiele Berlin für die kulturelle Kinoarbeit gewürdigt werden. Die von den Kommunalen Kinos und dem Kinomagazin FILMDIENST gestiftete Auszeichnung ist mit 4.000 Euro dotiert.

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was darf satire? nach den anschlägen auf die redaktion von »Charlie Hebdo« und dem »Kalten Krieg« um die us­nordkorea­ Komödie »the interview« ist das genre umstrittener denn je. anlass für eine betrachtung des subversiven lachens in der Kinogeschichte.

von analog zu digital

j. k. simmons

der beginn des neuen jahrtausends hat eine technische revolution in der aufführung des filmischen mediums eingeläutet. Welche Veränderungen, aber auch welche überraschenden Kontinuitäten brachte die umrüstung der filmtheater bislang?

als nebendarsteller ist der mann mit dem soldatisch-kantigen gesicht eine feste größe in Hollywood. sein furioser auftritt in »Whiplash«, in dem er als gnadenloser lehrer an einem musikkonser­ vatorium die schüler drillt, hat ihm 2015 eine »oscar«­nominierung eingebracht. ein Porträt.

Der Preisträger/die Preisträgerin erhält 2.000 Euro, die andere Hälfte des Betrages wird für besondere Werbemaßnahmen verwendet, um weitere Kinoaufführungen in Deutschland zu begleiten. Seit 2011 ist die Firma Trikoton Sponsor eines ungewöhnlichen Preises. Das junge Modelabel aus Berlin stiftet auch in diesem Jahr eine Wolldecke aus ihrer „Voice Knitting Collection“, in die Partiturauszüge der Original-Komposition Guiseppe Becces zu dem expressionistischen Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920 eingestrickt sind.

neue filme

american sniper 26.2. +++ whiplash 19.2. +++ kingsman: the secret service 26.2. +++ selma 19.2. +++ altman 19.2. +++ into the woods 19.2. +++ spongebob schwammkopf 3d 19.2. +++ heute bin ich samba 26.2. +++ ... und weitere kritiken

Der Bundesverband Kommunale Filmarbeit und der FILMDIENST laden Sie herzlich ein zur feierlichen Verleihung des 30. Caligari-Filmpreises am Freitag, den 13. Februar 2015. Um 19.00 Uhr bitten wir zum Empfang in der Deutschen Kinemathek im Filmhaus, 4. OG, Potsdamer Str. 2. Im Anschluss folgt um 22.30 Uhr in einer separaten Veranstaltung die Vorführung des prämierten Films im Kino Arsenal 1, Filmhaus Berlin (Eintritt nur mit Kinokarte).

www.kommunale-kinos.de Filmdienst 02 | 2015 67

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