Filmdienst 08 2016

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FILM DIENST Das Magazin für Kino und Filmkultur www.filmdienst.de

08 2016

WO BITTE GEHT’S ZUM KINO? Braucht Kino einen festen Ort? Und wenn ja, welchen? Start einer neuen Serie über Kinoräume jenseits der normalen Säle.

TRINE DYRHOLM Eine Hommage an die dänische „Leading Lady“, die derzeit in Thomas Vinterbergs neuem Kinofilm „Die Kommune“ glänzt.

DAS DSCHUNGELBUCH Rudyard Kiplings Buchklassiker wurde gerade wieder neu verfilmt. Eine Hommage an den Stoff und seine Kinoadaptionen.

14. April 2016 € 5,50 69. Jahrgang

EIN AMBITIONIERTES BIOPIC ÜBER DEN REGISSEUR VON „M - EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER“, „METROPOLIS“ UND „DR. MABUSE“

FRITZ LANG


inhalt DIE NEUEN KINOFILME

+ 47 36 37 49 45 43 50 44 43 43 49 42 46 51 49 40 51 41 49 49 48 49 39 43 38

ALLE STARTTERmINE 10 Cloverfield Lane 31.3. A War 14.4. Akt 14.4. Batman v Superman: Dawn of Justice 24.3. Beti und Amare 14.4. Chamissos Schatten: Kapitel 2 - Tschukotka und die Wrangelinsel Teil 1 14.4. Chevalier 21.4. Fritz Lang 14.4. Gods of Egypt 21.4. Hardcore 14.4. How to Be Single 7.4. Die Kommune 21.4. Much Loved 14.4. Nightsession 14.4. Nomaden des Himmels 14.4. Overgames 21.4. Rabbi Wolff 14.4. Der Schamane und die Schlange 21.4. Şeytan Tüyü 24.3. Song One 14.4. The Huntsman & The Ice Queen 7.4. The Jungle Book 14.4. The Lady in the Van 14.4. Visions 21.4. Wild 14.4.

Kinotipp

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der katholischen Filmkritik

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Tobias Lindholms Kriegs- und Justizdrama über menschliche und moralische „Kollateralschäden“ des Kriegs in Afghanistan.

fernseh-tipps 56 Zum 400. Todestag von Shakespeare huldigt arte dem genialen Dichter mit Spielfilmen, Dokus und Theateraufzeichnungen. Außerdem erinnern die Sender an die Tschernobyl-Katastrophe vor 30 Jahren und der SWR feiert 25 Jahre Filmakademie Baden-Württemberg mit einer TrickfilmFestivalnacht.

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Fotos: TITEL: W-Film. S. 4/5: Real Fiction, StudioCanal, Sony, Salzgeber, W-Film, NFP, Universal, Walt Disney, „Berlinale“ 2016, Reprodukt Verlag

neu im Kino


08 | 2016 DIE ARTIKEL Kino

aKteure

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das dschungelbuch

10 »Ungewöhnliche kino-orte» (1): aUtokino

Filmvorführungen waren nie exklusiv den Kinosälen vorbehalten. Auch heute noch existieren alternative Kinoorte für besondere Filmerlebnisse. Zum Auftakt der neuen FILmDIENST-Reihe: Ein Besuch in Europas ältestem Autokino. Von Nils Daniel Peiler

16 das dschUngelbUch

Die Disney-Adaption von Rudyard Kiplings Buch gehört zu den großen ZeichentrickKlassikern. Nun hält sich eine neue RealNeuverfilmung eng an das Vorbild aus dem Jahr 1967 - und wirkt doch ganz anders. Annäherung an die „Dschungelbücher“ im Wandel der Zeit. Von Holger Twele

inhalt

trine dyrholm

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Der dänische Regisseur fragt in „A War“ nach Verantwortung und Schuld beim Einsatz gegen die Taliban in Afghanistan. Ein Gespräch über moralische Dilemmata in Zeiten des Krieges. Von Margret Köhler

22 trine dyrholm

mit ihrem feinsinnigen Spiel hat sich die dänische Schauspielerin weit über ihre Heimat hinaus einen Namen gemacht. Für Thomas Vinterbergs „Die Kommune“ wurde sie auf der „Berlinale“ 2016 ausgezeichnet. Ein Porträt und eine Begegnung. Von Jens Hinrichsen

26 in memoriam

Nachrufe u.a. auf die verstorbenen DEFASchauspieler Doris Abeßer und Stefan Lisewski sowie den chilenischen Filmemacher Ricardo Larraín Pinedo. Von Ralf Schenk und Wolfgang Hamdorf

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film-comics

filmKunst 27 e-mail aUs hollywood

Der hitzige Präsidentschaftswahlkampf wirkt sich auch auf Hollywood aus. In den nächsten monaten laufen etliche Filme in den Kinos an, die von der Wut des Volks auf das Establishment zehren. Von Franz Everschor

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Gordian maugg erzählt in dem Biopic „Fritz Lang“ eine fiktionalisierte Entstehungsgeschichte von „m“. Ein Gespräch über die Annäherung an eine Legende und ein Blick auf „m“ im Kontext der Weimarer Republik. Von Silke Kettelhake

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Von Christian Meyer

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Der autor sven von reden hat 2015 das Siegfried-Kracauer-Stipendium gewonnen. Der FILMDIENST veröffentlicht Texte, die er im Rahmen dieses Stipendiums verfasst. In dieser Ausgabe: seine Kritik zu „Chevalier“ (S. 50). Eine Initiative zur Förderung der Filmkritik.

Zwei Comic-Neuerscheinungen huldigen in Inhalt und Form dem Kino.

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RuBRIKEN EDIToRIAL INHALT mAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAy TV-TIPPS P.S. VoRSCHAU / ImPRESSUm

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SERIE: KINO AN UNGEWöhNlIchEN ORTEN (I) KiNo

Am Anfang waren die fahrenden Schausteller mit ihren Jahrmarktsattraktionen. Neben die Wunderlaternen traten Automaten mit Gucklöchern, ihre kurzen Rollen gemischten Programms waren für wenige cents zu haben. In Varietés, cafés und Salons wurde für ein sitzendes Publikum eine Sensation dargeboten: laufende Bilder auf einer leinwand. Eine neue Serie: Gedanken zum ortsgebundenen Filmvergnügen. Früher galt das Kino als „rummelplatz“ Die Frühzeit der Filmgeschichte wird gerne mit „Kino als Rummelplatz“ umschrieben. Die fahrenden Schausteller erinnern daran, dass Kino schon vor tragbarem Fernseher, Laptop und Smartphone eine mobile Angelegenheit sein konnte – und auch daran, dass Kino nicht immer und von Geburt an im Lichtspielhaus mit festem Programm, festen Spielzeiten, festen Sitzplätzen und eben auch festem Bauwerk gegeben wurde. Dabei steuern (und beeinflusst) unsere Physis sowie der uns umgebende Raum in einer bestimmten Anordnung sehr wohl unsere Rezeption eines Films. Das hatte Jean-Louis Baudry und Jean-Louis Comolli schon in den 1960er-Jahren dazu veranlasst, die Basisapparatur näher unter die Lupe zu nehmen. Für die Grundanordnung des Kinodispositivs heißt das etwa: Immobile Zuschauer sitzen in einem dunklen Saal vor einer großen Leinwand, auf die ein Apparat, den die Zuschauer nicht sehen, Bilder wirft. In der Folge hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir erfahrende Körper sind, deren Wahrnehmung sehr wohl davon abhängen kann, ob wir ein Werk fest im Kinosessel sitzend, auf der Wohnzimmercouch vor dem Fernseher liegend oder im Vorbeigehen auf einer Videoaußenwerbewand sehen. Spannend ist dabei, wie sich unser Verhalten und unser Bezug verändern, welchen Platz etwa das klassische Kinodispositiv im Smartphone-Zeitalter noch einnimmt. Unserem Verhältnis zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Gebundenheit an einen bestimmten Aufführungsort oder loser Dislokalität des Films ist die italienische Forschergruppe The Light Brigade um den Filmwissenschaftler Francesco Casetti nachgegangen und hat dazu ein eigenes

Schaubild zu unserer filmischen Erfahrung entwickelt („The Filmic Experience: A Map“, Cinéma & Cie. 11, Herbst 2008).

heute trägt jeder sein hosentaschenkino mit sich herum Noch nie schienen die Möglichkeiten, Film wahrzunehmen, derart diversifiziert wie heute: Verschiedenste Abspielplattformen und Aufführungszusammenhänge buhlen um unsere mediale Aufmerksamkeit. Neben althergebrachten, etablierten Formen stehen neue Modelle, Filme im Raum zu konsumieren. Im Kinosaal scheint eine Steigerung der Sinneserfahrung zur perfekten Simulation durch eine Kombination von hoher Auflösung, Vielfachkanalton, bewegten Sitzen, künstlichen Naturelementen und 3D der letzte Schrei zu sein. In der Straßenbahn zappeln dagegen stumme Bewegtbilder von der Wagendecke. Jeder kann sein eigenes Hosentaschenkino mit sich herumtragen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Filmgeschichte nicht nur in ausgewählten Kunsttempeln stattfindet, sondern per Knopfdruck auf Nachfrage „on demand“ zu haben ist. Auf der einen Seite scheinen Filmbilder also losgelöst von einem örtlichen Zwang allzeit verfügbar, auf der anderen Seite zeigt sich eine neuerliche Faszination für besondere Aufführungszusammenhänge an einem bestimmten Ort. In der Nische gibt es immer noch marginale historische Formen wie Autokino, Bahnhofskino oder Kino in der Universität trotz Fernsehen, DVD und Online-Videoplattformen – doch längst haben sie Gesellschaft bekommen: Kino im Reisebus, auf der Kreuzfahrt, im Flugzeug, Kino in der Kirche, im Schwimmbad oder im Botanischen Garten.

Unter dem Titel „Crazy Cinématographe“ tourte 2007 ein Gemeinschaftsprojekt der Cinémathèque Luxemburg, der Stadt und Universität Trier und KINtop, dem Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, mit einem gemischten Stummfilmprogramm mit Live-Musik und Live-Erzählern im eigens gebauten Wanderzelt durch die Großregion um Luxemburg. Mittlerweile haben sich Stummfilm-Livekonzerte vielerorts (wieder) als Gastspiele und feste Reihen etabliert, dies nicht nur in Filmmuseen und kommunalen Kinos, sondern auch in Theatern und Konzerthallen. Hier schließt sich der Kreis: Kino an ungewöhnlichen Orten ist ein Event, ein besonderes Erleben und Erlebnis. Dem gilt es nachzuspüren.

„Kino an ungewöhnlichen orten“ Diesen Kinoerlebnissen jenseits des Alltäglichen widmet sich die neue Serie „Kino an ungewöhnlichen Orten“. Dieser Titel ist einer Freilichtkinoreihe entliehen, die das Deutsche Filmmuseum zwischen 1995 und 2014 an wechselnden Orten im Frankfurter Stadtraum präsentierte. Die Serie wird die ungewöhnlichen Orte des Kinos aufsuchen und Fragen stellen: Welche Zuschauer strömen hierher? Wie unterscheidet sich das Kinoprogramm von gewöhnlichen Abspielstätten? Was macht das Filmerlebnis an diesen Orten aus, das womöglich durch keine andere Form ersetzt werden kann? In jeder Folge stellen wir ein Kino an einem ungewöhnlichen Ort vor. Den Auftakt macht das älteste Autokino Europas in Gravenbruch. •

Die Serie „Kino an ungewöhnlichen Orten“ wird fortgesetzt in FD 14/2016 mit „Kino in der Uni“.

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Cin nema aComi omiC

Fotos: Reprodukt Verlag

Comic und Film verbindet eine enge Verwandtschaft, das liegt auf der Hand. Beide Medien haben sich etwa zur gleichen Zeit entwickelt und schöpfen aus ähnlichen Gestaltungsmitteln: Neben der Dramaturgie sind Einstellung, Schnitt und Montage essenziell für Film wie für Comic. Es ist kein Zufall, dass ein Storyboard wie ein Comic aussieht. Auch inhaltlich gibt es wechselseitige Befruchtungen – Comic-Verfilmungen auf der einen, den Comic zum Film auf der anderen Seite. Zwei ComicNeuerscheinungen beschäftigen sich auf inhaltlicher Ebene mit dem Film und liefern eine gezeichnete Hommage. Von Christian Meyer

Fotos: Reprodukt Verlag Berlin

filmkunst ComiC & Film

Charles Berberian präsentiert mit „Cinerama“ eine „Auswahl der besten schlechtesten Filme der Welt“. Das klingt erst einmal blöd, weil schlecht ja nicht gut ist und umgekehrt. Der Spruch „So schlecht, dass es schon wieder gut ist“ hatte schon immer ein Problem mit der Logik. Interessant wird „Cinerama“ aber bei der Filmauswahl.

streifzüge durch die C-Ware des kinos Berberian wurde 1959 in Bagdad geboren und verbrachte dort seine Kindheit, bevor er über Beirut nach Frankreich ging, wo er an der Kunsthochschule studierte und

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seinen langjährigen Partner Philippe Dupuy kennenlernte. Mit Dupuy erschuf er die Figur „Monsieur Jean“ und entfaltete seit den 1980er-Jahren in zahlreichen Alben Geschichten um die Alltagssorgen und Liebesnöte dieses unperfekten Helden, die – um im Bild zu bleiben – an das klassische französische Erzählkino erinnern und in Frankreich große Erfolge feiern. Dass er sich mit „Cinerama“ ganz anderen Filmen widmet, hängt mit seiner Kindheit in Bagdad zusammen, wo in den 1960erJahren in Kindervorstellungen italienische B-Movies liefen: Krimis, Sandalen-Epen und Spaghetti-Western, die alles andere als jugendfrei waren, während den Erwachsenen

Louis de Funès vorgesetzt wurde. Berberian irritiert das heute ebenso wie den Leser. Er lässt ihn mit knappen Nacherzählungen, aber anschaulich an seinen Erinnerungen an überraschende Gesangseinlagen des „Crooners aus Kairo“ Farid el Atrache oder Edwige Fenechs unmotivierte Nacktheit in SoftsexKomödien wie im Giallo teilhaben. Der kleine Charles musste bei seiner frühen Filmbildung nicht nur mit Sängern, Nackten und Toten fertig werden, sondern hatte auch allerlei dramaturgisch Grobschlächtiges zu verdauen. Berberians kolportagehaftes Belächeln billiger Genrefilme mag mitunter langweilen – doch dann überrascht „Cinerama“ mit interessanten Querschlägern, wenn beispielsweise


ComiC & Film filmkunst „E.T.“ mit Ronald Reagan oder „Titanic“ mit der Wirtschaftskrise kurzgeschlossen wird. Jenseits davon ist der Band ein unterhaltsamer Streifzug durch die C-Ware des Kinos.

Der film „illustrativ und geschwätzig“ Im Gegensatz zu Berberians buntem, geschwungenem Zeichenstil („…in Technicolor“) wählt sein Landsmann Blutch für „Ein letztes Wort zum Kino“ einen kantigen Schwarz-weiß-Strich. Seine Annäherung an das Kino ist etwas sperriger, geht aber auch tiefer. Blutch heißt eigentlich Christian Hincker und zählte in den 1990er-Jahren in Frankreich zum Kreis der Comic-Erneuerer um den Verlag L’Association. Das Kino geht er autobiografisch an. Noch mehr als Berberian erzählt Blutch von sich, wenn er den Leser an seiner Liebe zum Kino teilhaben lässt. Paul Newman und Burt Lancaster, seine Helden der Jugend, sind „Rolemodels“, denen er damals nacheiferte, während er später das öffentliche Altern ihrer Körper befremdlich fand. Blutchs Gegenüber im Dialog über das Kino sind vor allem (seine?) Frauen. Ganz ernst nehmen sie seine Schwärmereien

nicht; sie lassen seine erotischen Fantasien von Leinwandheldinnen über sich ergehen und honorieren seine Analyse von der Auswirkung von Hollywoods Frauenbild auf die Gesellschaft. Die Frauen sind es aber auch, die seine Thesen zum Kino immer wieder zerlegen. Film sei doch nur Theater in der Dose, eingedostes Theater! Film sei Täuschung auf höchstem Niveau: der verkappte Vormarsch der industriellen Bourgeoisie! Schon springt ihnen Orson Welles mit einem Vergleich zur Literatur zur Seite: „Die Schwierigkeit rührt daher, dass die Poesie vom Abwesenden spricht, mehr heraufbeschwört als das Ersichtliche … und die Gefahr beim Film ist, dass sie dank der Kamera alles sehen, alles ist da. Es gilt, das zu beschwören und hervorzukehren, was eigentlich nicht sichtbar ist.“ Deswegen also Welles’ Zauberei in „F for Fake“ am Ende seiner Karriere. Der Comic liegt wohl genau zwischen diesen Polen des Abwesenden und des Ersichtlichen. Ist Blutch des-

wegen beim grafischen Erzählen gelandet, als einem Vermitteln zwischen Literatur und Film? Film kann Gesichter, schwärmt Blutch weiter, und ist wieder bei den vielen prägenden Figuren, Männer wie Frauen, die ihn nicht loslassen. Am Ende nennt eine junge Schöne den Film „illustrativ und geschwätzig“. Sie sitzt mit dem Autor – inzwischen wegen seiner vielen vorlauten Kommentare zum Kino gefesselt und geknebelt – und einem steinalten Michel Piccoli in einem Zugabteil. Blutch widerspricht nicht. Wie auch, mit Knebel im Mund. Aber nach dieser 80-seitigen Liebeserklärung an das Kino mit all seinen Stärken und Schwächen liebt er es sicher auch für seine illustrative Geschwätzigkeit. • Charles Berberian: „Cinerama“. Reprodukt Verlag, Berlin 2016, 56 S., broschiert. 14,00 euR. Blutch: „ein letztes Wort zum kino“. Reprodukt Verlag, Berlin 2016, 88 S., gebundene Ausgabe. 24,00 euR.

links: „Die vielen Gesichter des Burt lancaster (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)“, gezeichnet von Blutch. unten: „Türk Sinemasi“ (Ausschnitt) von Berberian.

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kritiken neue Filme

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A war Drama über „Kollateralschäden“ des Afghanistankrieges

achtet den zunehmend in sich gekehrten Befehlshaber aus Schießscharten heraus, bereit zum Abschuss. Mit Claus Michael Pedersen, dessen Namen erst fällt, als er und seine Soldaten zu dem Vorfall befragt werden, besitzt die Schuld ein Gesicht. Zu Hause in Dänemark wartet eine vierköpfige Familie auf ihn, zu der die Handlung lange vorher immer wieder springt, ehe Pedersen endgültig heimkehrt. Zwei Lebenswelten werden hier ineinander gespiegelt, konterkariert durch die Erfahrungen der Kinder. Pedersens ältester Sohn beißt und schlägt sich in der Schule seine Frustration über den abwesenden Vaters von der Seele, dem Jüngsten wird nach ein paar Paracetamol-Tabletten der Magen ausgepumpt. In Afghanistan hingegen lauern beim Spielen die Minen, und ein kleines Mädchen droht an den Verbrennungen ihres Arms zu sterben. Auch in „Hijacking“ wurde die Bedrohung in der Fremde dem

Wohlstand in der Heimat entgegengesetzt, für den alle Gefahren auf sich genommen werden. Nur dass es dort der Firmenchef war, der zwischen dem Flehen der entführten Mitarbeiter und den Verhandlungen um das Lösegeld zerrissen wurde. Wie viel wiegt ein Menschenleben? Auch in „A War“ werden Menschenleben abgewogen, nicht gegen Geld, sondern gegen das Leben „der anderen“. Das Besondere an den Filmen von Lindholm ist, dass sie sich als fast schon dokumentarische Beobachter auf keine Seite schlagen, sondern mehrere Seiten derselben Medaille präsentieren, mit der der Westen seine Sicherheit zu erkaufen und sein Gewissen zu beruhigen versucht. Vom staubigen Beige des afghanischen Hügellandes geht es in den sterilen Gerichtssaal in Dänemark, wo sich die Standpunkte verkeilen: der eines Befehlsgebers, der seine Soldaten beschützen will, die der afghanischen Zivilisten, die den selbsternannten Friedensstiftern zum Opfer fallen, der des Rechtsstaates, der jedes Vergehen verfolgen muss, und der eines Mannes, der zuhause bei seine Familie gebraucht wird, nicht im Gefängnis. Richtige Antworten gibt es in dieser Welt nicht, sondern nur Bewältigungsstrategien: „T wie tot“, witzeln die Soldaten

über der Leiche eines soeben erschossenen Taliban-Kämpfers beim Gedanken, wie sie ihren Kindern das Alphabet beibringen könnten. Später erinnert sich Pedersen angesichts der von der Bettdecke unbedeckten Füße seines Sohnes unwillkürlich an die der toten Kinder in Afghanistan. Geschickt wandelt sich „A War“ vom äußeren Krieg zum inneren Kampf eines Menschen, der eine hilfesuchende afghanische Familie regelkonform aus dem Lager verwies, die dann getötet wurde, und der später den Tod vieler Unschuldiger verursachte: Er würde gerne dafür büßen, wenn seine Liebsten ihn denn ließen. Kathrin Häger

Bewertung Der FiLmkommission

Während eines Afghanistan-einsatzes will ein dänischer iSAF-Kommandant in einer Kampfsituation seine Soldaten schützen und ordnet das Bombardement eines Gebäudes an, in dem dann elf Frauen und Kinder umkommen. Dafür wird er in Dänemark vor Gericht gestellt. Vielschichtiges Kriegs- und Gerichtsdrama über die „Kollateralschäden“ des Krieges, das zwischen Kampfeinsatz und der in der Heimat zurückgelassenen Familie des Kommandanten wechselt und dabei Fragen nach Schuld, Recht und Gerechtigkeit aufwirft. Die inszenierung stellt sorgsam entwickelte Standpunkte einander gegenüber, ohne selbst Partei zu nehmen, was die Dilemmata der Figuren sowie der Situation nachhaltig veranschaulicht. – Sehenswert ab 14.

KRiGen. Dänemark 2015 regie: Tobias lindholm Darsteller: Pilou Asbæk (Claus michael Pedersen), Tuva novotny (maria Pedersen), Søren malling (martin R. Olsen), Charlotte munck, Dar Salim Länge: 115 min. | kinostart: 14.4.2016 Verleih: StudioCanal | FD-kritik: 43 816

Fotos S. 36-51: Jeweilige Filmverleihe

Wie aufgespießt hängt der rote Papierdrache im Baum, als sich der kleine dänische Trupp der afghanischen Siedlung nähert. Ohne Not hätten die Jungs den Drachen nicht zurückgelassen, den sie ein paar Tage zuvor mit den schwerbewaffneten Soldaten steigen ließen. Im Lehmhaus stoßen die Männer auf den Grund für das verwaiste Spielzeug: Alle Bewohner, Vater, Mutter, Kinder, sind tot, ermordet von den Taliban. Die dänischen Militärs sollen in Afghanistan Brunnen reparieren und Minen entschärfen. Ab und an erschießen sie auch einen Taliban. Jetzt aber geraten sie im Hof der ermordeten Familie selbst unter heftigen Artillerie-Beschuss. Einer ihrer Männer droht zu verbluten. Der Kommandant fordert einen Luftschlag auf ein benachbartes Gebäude an, in dem sich die Angreifer befinden sollen. Tatsächlich aber harren dort elf Frauen und Kinder aus. „A War“, im Original: „Krigen“, ein Krieg, lautet der Titel von Tobias Lindholms packendem Drama, als bräuchte es für die vielgestaltigen Schrecken dieses Zustands keine genauere Beschreibung. Mit dem Hauptdarsteller Pilou Asbaek inszenierte Lindholm bereits das Gefängnisdrama „R“ sowie „Hijacking“, einen Thriller über die Kaperung eines dänischen Frachters durch somalische Piraten. Die Filmtitel sind dabei so pointiert wie Lindholms Umgang mit den Themen, der von einer großen, auch formalen Unmittelbarkeit bestimmt ist. Kamera, Ton und Schnitt tragen den Terror der Detonationen, das Pfeifen der Kugeln und die Hektik der Männer in den Kinosaal, wenn zu Beginn einer der Soldaten von einer Mine zerfetzt wird. Orientierungslos reißt die Kamera den Blick von einem Soldaten zum anderen, tastet die Landschaft ab, beob-


neue Filme kritiken Schlicht „Akt“ hat Mario Schneider seinen Dokumentarfilm überschrieben und ihm den Untertitel „4 Leben ein Akt“ verpasst. Doch was bedeutet dieser „Akt“? Ist damit Sex gemeint, ein Liebesakt? Oder eine Episode, ein Aufzug in einem Drama, welches das Leben schrieb? Oder steht dahinter, streng etymologisch begründet, der Akt als ein vom lateinischen Verb „Agere“ hergeleiteter Handlungsbegriff? Schnell zeigt sich, dass nochmal etwas anderes gemeint ist: der aus der bildenden Kunst stammende Begriff für die Darstellung eines nackten menschlichen Körpers; ein in stiller Pose verharrender Mensch, von einem Künstler im fliegenden Strich auf Leinwand oder Papier gebannt. „Auf dass man tausend Jahr, nachdem wir starben, sehe, wie schön ihr wart…“, stellt Schneider ein Zitat von Michelangelo voran und beginnt mit Szenen, die jedem Kunststudenten wohlvertraut sind: eine junge Frau, die in einem Museumslager eine Statue skizziert, ein Atelierraum, in dem fleißige Menschen sich hochkonzentriert über ihre Staffeleien und Zeichnungsblöcke beugen, während in der Raummitte eine Person den Blick in eine unbestimmte Ferne richtet und ewige Minuten lang in unnatürlicher Starrheit verharrt. Dieser Moment habe, sagt einer, der so dasitzt, etwas Meditatives an sich: Die Gedanken gerieten dabei unweigerlich ins Schweifen, wenn man so stehe, hocke, sitze, liege. Der Film fängt diese flirrenden Momente mit fließend-kreisenden Aufnahmen ein. Körper, Härchen, Poren, Runzeln, Falten, Muttermale, Narben, Tattoos, übergroß, sieht man auf der Leinwand. Die Tonspur, sonst meist „naturbelassen“, blendet die Atmosphäre aus und verwendet

Akt Liebeserklärung an den menschlichen Körper

sehr passend Musik: Jazzige Eigenkompositionen, Alessandro Grandis „O quam tu pulchra es“, eine Sinfonie von Mahler oder ein Valse von Maurice Ravel; auch Bach, Vivaldi sowie Lieder von Uta Pilling („Was ist schon Zeit?“) finden sich im Soundtrack. ta Pilling ist eine von vieren, die in „Akt“ Modell sitzen. Die heute 66-Jährige, in deren Gesichtszügen etwas männlich Herbes liegt, wurde im Mutterleib bereits für tot erklärt, bevor sie, dann doch atmend geboren, nach Monaten apathischer Reaktionslosigkeit zum Leben fand. Pilling hat fünf Kinder von vier Männern. Verheiratet war sie allerdings nur mit einem, der allen seinen Namen, aber nicht die Hautfarbe vererbte. Früher

tingelte sie mit ihren Kindern singend durch den Süden, heute trifft man sie mit ihrer Handorgel alleine in den Fußgängerpassagen von Leipzig. Das Leben von Uta Pilling böte problemlos Stoff für einen ganzen Film. Schneider aber erzählt in Splittern. Er verweilt, wie die Aktmalerei, oft in der Schwebe, zeigt Ausschnitte, losgelöste Momente aus dem ewigen Fluss des Seins. Auch die zweite und dritte Person, die man darin als Modell antrifft, sind vom Schicksal gezeichnet. Sie sei in ihrem Leben einmal falsch abgebogen, sagt die 50-jährige Tina. Und Max, der mit einer doppelten Gaumen-KieferSpalte geboren wurde, sagt, er hätte nie gedacht, dass sein Körper als Vorlage für Kunst interessant sein könnte. Doch die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, und sie tut dies in „Akt“ in doppelter, wenn nicht gar dreifacher Weise. Da sind die Blicke der Kunststudenten und Schüler der Leipziger Kunst- und Designschulen und Aktzeichnungsklassen, da sind

die Blicke des Filmteams und nicht zuletzt derjenige der Zuschauer. Unter den Kunststudenten findet sich Schneiders vierte Protagonistin: Annette, 26-jährig, im zweiten Semester Studentin der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Sie setzt sich in ihren eigenen großformatigen Werken mit menschlicher Nähe, dem „Halten und Festgehalten werden“ auseinander, steht selbst Modell und schlägt in „Akt“ den Bogen. Annette erzählt nicht aus ihrem Leben, sondern von ihrer künstlerischen Arbeit und unterhält sich mit einem Lehrer darüber. So wird „Akt“ zum fein durchdachten und behutsam inszenierten Film. Eine Augenweide, zu schauen. Aber auch ein Werk, das in faszinierender Fusion von Kunstdiskurs und Wirklichkeitswiedergabe zum Denken anregt. Irene Genhart

Bewertung Der FiLmkommission

essayistischer Dokumentarfilm über vier menschen, die in der Kunst- und Designschule in leipzig als Aktmodelle vor Kunstschaffenden ihre Kleider ablegen. Drei von ihnen sind vom Schicksal gezeichnet, haben sich aber aus widrigen umständen herausgearbeitet; eine wechselt als Kunststudentin ebenfalls die Perspektive. Der behutsame, fein strukturierte Film folgt ihnen ausschnitthaft zu Sitzungen und in ihr leben, wobei er visuell wie emotional flirrende momente mit fließend-schwebenden Bewegungen umkreist. eine liebeserklärung ans leben und an den menschlichen Körper, der seine narben mit Würde trägt. – Sehenswert ab 16.

Deutschland 2015 regie: mario Schneider Länge: 104 min. | kinostart: 14.4.2016 Verleih: Real Fiction | FD-kritik: 43 817

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The Affair Season eins US-Dramaserie kontrastiert unterschiedliche Perspektiven à la „Rashomon“

Banksy Does New York Doku über eine Aktion des Graffiti-Künstlers

Nur wenn Noah Solloway frühmorgens im es den zehn Episoden der ersten Staffel, die Schwimmbad seine Bahnen zieht, wirkt er Entwicklung des Liebesverhältnisses stets einmal am Tag nicht angespannt und neroffen und unerwartet zu halten. Effektiv ist vös. Grund dafür hat er ansonsten genug: vor allem die Präsentation der Ereignisse Seine Ambitionen einer Schriftstellerkarrinach dem „Rashomon“-Muster: Jede Folge ere hat er jahrelang hinter einem Lehrerjob zeigt einen Abschnitt einmal aus Noahs, in einer New Yorker High School verborgen, einmal aus Alisons Sicht, wobei Orte, Zeitsein kürzlich erschienener erster Roman punkte und Handlungen mitunter erheblich wurde gleichgültig aufgenommen. Die Bedivergieren, sodass sich potenziell beide ziehung zu seiner Frau Helen hat nach fast als unzuverlässige Erzähler erweisen. Hinzu zwanzig Jahren an Leidenschaft abgebaut, kommt das frühe Wissen des Zuschauers sodass sie im Wesentlichen nur noch wegen um ein sich anbahnendes Verbrechen, das ihrer vier Kinder hält. Selbst der Sommerur- irgendwie mit der Affäre zusammenhängen laub lockt Noah nicht besonders: Die Ferien muss. sind ihm von vornherein vergällt, fahren „The Affair“ treibt die Geschichte trotz der sie doch einmal mehr zu seinen Perspektivwechsel und verschiesnobistischen Schwiegereltern in denen Zeitebenen ohne allzu deren Villa auf Long Island. viele Nebenstränge voran. Zwar Glücklich sei er damals gewesen, werden auch Fragen wie die erklärt Noah aus dem Off, doch nach den Klassengegensätzen in die Bilder der US-Serie „The den USA und dem Konflikt zwiAffair“ erzählen eine andere schen Tradition und Moderne auf Geschichte. Bei seinen Streifder vom Tourismus abhängigen zügen über die Insel trifft der Insel angespielt, beeindruckend unzufriedene Mittvierziger auf ist die Serie aber vor allem durch eine ähnlich vereinsamte Seele, ihre komplexen Hauptfiguren: THE AFFAIR die rund zehn Jahre jüngere Dominic West zeichnet Noah als Alison Lockhart. Alison, Kellnerin USA 2014 ratlos Suchenden, der es allen Showrunner: Sarah in einem Strandrestaurant und recht machen will, während Ruth ebenfalls verheiratet, leidet noch Treem, Hagai Levi Wilson ihrer Alison Verletzlichimmer am Unfalltod ihres kleinen Darsteller: Dominic West, keit, aber auch eine sphinxhafte Sohns vier Jahre zuvor, und auch Ruth Wilson, Maura Unberechenbarkeit verleiht. Die Tierney, Joshua Jackson, das Verhältnis zu ihrem Mann Aussicht, diesen beiden noch Julia Goldani Telles ist gestört. Es ist keine Überlänger (in Amerika ist bereits die Länge: 537 Min. raschung, dass sich zwischen 3. Staffel beschlossen) durch HöFSK: ab 16 Noah und ihr nach weiteren hen und Tiefen ihrer Beziehung Anbieter: Paramount Begegnungen die titelgebende zu folgen, ist äußerst reizvoll. – FD-Kritik: 43 840 Affäre entwickelt, doch gelingt Ab 16. Marius Nobach

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Ein Dokumentarfilm lebt auch vom Objekt seiner Betrachtung, und „Banksy Does New York“ hat in dieser Hinsicht Faszinierendes zu bieten: Graffiti-Künstler Banksy mischt seit Jahren die Kunstwelt auf und hinterlässt auch in der Regenbogenpresse bleibende Spuren. Das liegt daran, dass er heimlich auf das Beton der Städte sprayt und einfach nicht zu fassen ist. Die Aktionen von Banksy sind atemberaubend, politisch aufgeladen, originell und immens telegen. Kein Wunder, dass es sich der USVorzeigesender HBO nicht nehmen ließ, mit „Banksy Does New York“ eines seiner unnachahmlichen Happenings aufzuarbeiten. Er covert die einmonatige New York-Belagerung des Aktionisten im Oktober 2013, in der Banksy jeden Tag mit einem (Kunst-) Werk irgendwo in der Stadt aufwartete. Herausgekommen ist eine tolle Schnitzeljagd, in der sich Kunst- und Künstlerjäger sowie Graffiti-Zerstörer eine wahnwitzige Hatz liefern. Das ansonsten brillante Dokument macht zwar den Fehler, sich so schnell und hip zu geben, dass man als Betrachter des multimedialen Overkills ein Stück weit auf der Strecke bleibt; dennoch ist es ein großes Happening. Regisseur Chris Moukarbel versteht es, den Wahnsinn um Banksy in ein fesselndes Konvolut aus Nachrichtenclips, BANKSY DOES Interviews, HandyNEW YORK Videos, trendiger Regie: Chris Moukarbel Musik und SocialLänge: 89 Min. Media-Gimmicks Anbieter: Polyband zu pressen. – Ab FD-Kritik: 43 841 14. Jörg Gerle


KRITIKEN fernseh-tipps

SA

SAMSTAG 16. APrIL

07.30-09.00 mdr Erik im Land der Insekten R: Gidi van Liempd Erfrischender Kinderfilm NL/Dt. 2004 Sehenswert ab 6

22.00-00.05 SUPER RTL Brave Story R: Kôichi Chigira Visuell bezauberndes Anime Japan 2006 Ab 12

14.25-16.00 WDR Fernsehen Ein Mann und sein Hund R: Francis Huster Alter Mann rutscht zum Clochard ab Frankreich 2008 Ab 14

22.30-00.40 SAT.1 Mörderischer Vorsprung R: Roger Spottiswoode Verfolgungsjagd vor imposanter Naturkulisse USA 1988 Ab 16

20.15-22.30 SAT.1 Jack and the Giants R: Bryan Singer Bissiges, actionreiches FantasyMärchen USA 2013 Ab 14 20.15-22.40 Servus TV Mud – Kein Ausweg R: Jeff Nichols Jungen freunden sich mit Ausgestoßenem an USA 2012 Sehenswert ab 14 20.15-22.00 zdf_neo Bank Job R: Roger Donaldson Erneuerung des Einbrecher-Films Großbritannien 2008 Ab 16 21.45-23.20 3sat Callas assoluta R: Philippe Kholy Biografischer Dokumentarfilm Schweiz 2007 Ab 16

Ab 16. April

22.40-00.40 Servus TV The Square – Ein tödlicher Plan R: Nash Edgerton Dicht inszenierter Film noir Australien 2008 Ab 16 23.30-01.20 BR FERNSEHEN Töte Amigo R: Damiano Damiani Herausragender Italo-Western Italien 1966 01.00-02.55 ZDF Gefährliche Brandung R: Kathryn Bigelow Keanu Reeves jagt Surf-Räuber USA 1991 Ab 16 01.25-03.28 Das Erste Cotton Club R: Francis Ford Coppola Gangster-Konkurrenzkämpfe im Jazzclub USA 1984 Sehenswert ab 16

3sat

Xaver Schwarzenberger Anfang der 1980er-Jahre brauchte rainer Werner Fassbinder mal wieder einen jungen, talentierten Kameramann und sicherte sich für seine letzten Arbeiten wie „Berlin – Alexanderplatz“ und „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ die Mithilfe des Wieners Xaver Schwarzenberger. Bald darauf begann dieser auch mit Regiearbeiten, bei denen er in der Regel auch die Kamera verantwortete, und brachte es im Laufe der Jahre auf über 50 Filme. Vier seiner Fernseharbeiten zeigt 3sat aus Anlass von Schwarzenbergers 70. Geburtstag am 21.4., darunter drei temporeiche Komödien („Feine Dame“, 16.4., 16.30-18.00; „Zuckeroma“, 23.4., 16.30-18.00; „Lamorte“, 30.4., 16.30-18.00) aus der Feder seiner früheren Frau Ulli. Abgeschlossen wird die kleine Reihe am 7.5. mit der Exotik-Schmonzette „Eine Liebe in Afrika“ (15.55-19.00).

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Filmdienst 08 | 2016

16. April, 20.15-22.40

Servus TV

Mud – Kein Ausweg Zwei 14-jährige Jungen entdecken auf einer unbewohnten Insel im Mississippi einen heruntergekommenen Mann, der sich dort nach der Verwicklung in einen Kriminalfall vor der Polizei und Kopfgeldjägern versteckt. Die beiden freunden sich mit dem Ausgestoßenen an und versorgen ihn mit Lebensmitteln, um sein Geheimnis zu wahren. Im Gegenzug wird er vor allem für den einen der Jungen zur Ersatz-Vaterfigur. Ein von großer Liebe zu den Charakteren und dem Handlungsort der verarmten Mississippi-Region getragener Film, der dank eines brillanten Drehbuchs und hervorragender Darsteller wie Matthew McConaughey zu einem erzählerischen Meisterwerk wird. Regisseur Jeff Nichols befindet sich derzeit in einer höchst kreativen Schaffensperiode: Gerade feierte sein Science-Fiction- und Vater-Sohn-Drama „Midnight Special“ auf der „Berlinale“ Premiere, sein nächster Film „Loving“ könnte seine Premiere in Cannes feiern (vgl. S. 6).

16. April, 22.30-00.40

SAT.1

Mörderischer Vorsprung Ein FBI-Agent (Sidney Poitier) aus San Francisco verfolgt einen rücksichtslosen Mörder und Kidnapper in die Bergwelt des amerikanischkanadischen Grenzgebietes. Der Killer versucht dort, mit Hilfe einer Bergführerin, die er in seine Gewalt gebracht hat, über die Grenze zu entkommen, doch der Großstadtbulle lässt sich auch in der wilden Natur nicht abschütteln. Zur Seite steht ihm dabei der Freund der Bergführerin. Regisseur Roger Spottiswoode serviert eine Mischung aus Kriminal- und Abenteuerfilm in grandioser Naturlandschaft, die unterschiedliche Handlungselemente dank routinierter Inszenierung und hervorragender Fotografie zu äußerst spannender Unterhaltung verbindet.

16. April, 22.00-00.05

SUPEr rTL

Brave Story Für den jungen Wataru bricht eine Welt zusammen, als sein Vater eines Tages ihn und seine Mutter für eine andere Frau verlässt. Kurz darauf findet Wataru die Mutter ohnmächtig in der Küche; sie muss ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wataru kann den Schmerz um dieses gleich doppelte Leid kaum ertragen. Doch er weiß einen Ausweg: In einem baufälligen Haus hat er ein Tor in die fantastische Welt Vision entdeckt. Die Adaption eines erfolgreichen Fantasy-Romans von Miyuki Miyabe glänzt als schiere Augenweide ebenso wie als hintersinniges Abenteuer, das schmerzhafte, existenzielle Themen nicht ausblendet.


fernseh-tipps KRITIKEN

SO

SoNNTAG 17. APrIL

17. April, 01.05-02.55

Nachtblende

08.15-09.45 BR FERNSEHEN Blöde Mütze! R: Johannes Schmid Lebensnaher Kinderfilm um Freundschaft und erste Liebe Deutschland 2007 Sehenswert ab 12 12.00-13.25 KiKA Das kalte Herz R: Marc-Andreas Bochert Düster-atmosphärische Märchenverfilmung Deutschland 2014 Sehenswert ab 10

23.15-01.10 Servus TV Begegnungen am Ende der Welt R: Werner Herzog Doku über antarktische Forschungsstation USA 2007 Ab 14

14.10-15.30 rbb Fernsehen Der lange ritt zur Schule R: Rolf Losansky Fantasievolles modernes Märchen DDR 1982 Ab 8

23.35-01.13 Das Erste Ein Sommer in New York R: Tom McCarthy Einsamer Witwer freundet sich mit Immigranten an USA 2007 Sehenswert ab 14 23.50-01.05 mdr Night will fall R: Andre Singer Über Hitchcocks KZ-Dokumentarfilm GB/USA/Israel 2014 Sehenswert ab 16

20.15-22.35 arte Das Geisterhaus R: Bille August Aufwendige Bestseller-Verfilmung Deutschland/Dänemark 1993 Ab 14 20.15-22.45 ProSieben Das Schicksal ist ein mieser Verräter R: Josh Boone Zwei schwerkranke Teenager verlieben sich USA 2014 Ab 6

Fotos S. 56-65: Jeweilige Sender

20.15-21.55 Abgebrannt R: Verena S. Freytag Tätowiererin wehrt sich gegen Bevormundung Deutschland 2010

zdf.kultur

3sat

01.05-02.55 Nachtblende R: Andrzej Zulawski Barockes Psychodrama mit Romy Schneider Frankreich/Italien 1974

3sat

Ab 16

Ab 16

01.15-02.45 Das Erste Unter der Sonne Australiens R: Richard Roxburgh Ruhig erzähltes Coming-of-Age-Drama Australien 2007 Ab 14

22.45-01.10 ProSieben Snowpiercer R: Bong Joon-ho Dystopischer Zug-Thriller Südkorea/USA/Frankreich/Tschechien 2013 Ab 16

02.35-04.15 arte Wiederkehr, My reincarnation R: Jennifer Fox Langzeitdoku einer Vater-Sohn-Beziehung USA/Niederlande 2011 Ab 14

Ab 17. April

3sat

Sex & Love Erlaubt ist, was gefällt? In Bezug auf Sex hat sich in den westlichen Gesellschaften seit den 1960ern eine weitgehende Liberalisierung durchgesetzt, trotzdem gibt es nach wie vor genug „Aufreger“-Themen, an denen sich moralische Debatten aufhängen. Dazu gehört z.B. die Haltung zur Prostitution. Sie ist denn auch eines der Themen, die eine Reihe auf 3sat rund um „Sex & Love“ aufgreift: In Michael Glawoggers Dokumentarfilm „Whores’ Glory“ werden Prostituierte aus verschiedenen Weltteilen und ihre mitunter desaströsen Arbeitsbedingungen porträtiert; als Kontrast dazu schaut Malgoska Szumowskas Drama „Das bessere Leben“ auf junge Frauen in Wohlstandsländern, die sich nicht unbedingt um der Existenzsicherung willen, sondern zur Finanzierung diverser Luxusartikel prostituieren. Darüber hinaus streift die Reihe zahlreiche andere Facetten, vom Sex im Alter bis zur Sexsucht. 17.4., 21.45-23.30 Lars und die Frauen 17.4., 23.30-01.05 Zack and Miri make a Porno 17.4., 01.05-02.55 Nachtblende 18.4., 23.25-01.20 Whores’ Glory 19.4., 20.15-21.40 Altersglühen – Speed Dating für Senioren 19.4., 22.25-23.20 Die Lust der Männer 19.4., 23.20-00.20 Die Lust der Frauen 19.4., 01.10-02.35 Biete.Suche 20.4., 22.25-23.55 Freier Fall 21.4., 22.25-23.55 Das bessere Leben 22.4., 22.35-00.05 Shame 22.4., 00.05-01.25 Die sexuellen Geheimnisse einer Familie

Die Leidenschaften des am 17.2. verstorbenen Andrzej Zulawski waren melodramatische Übersteigerungen und symbolhafte Bildsprache, beides Attribute, die im sozialistischen Polen auf Befremdung stoßen mussten. So ging Zulawski Mitte der 1970er-Jahre nach Frankreich und gleich seine erste französische Arbeit „Nachtblende“ ließ die cineastische Welt aufmerken: Ein übersteigertes Psychogramm in barocker, rastloser Inszenierung und mit einer fulminanten Romy Schneider als gescheiterter Schauspielerin, die sich in unglücklicher Liebe zum Fotografen Servais verzehrt, aber nicht von ihrem manisch-depressiven Mann loskommt.

Free-TV-Premiere: 17. April, 22.45-01.10

ProSieben

Snowpiercer In nicht allzu ferner Zukunft ist die Erde von einem Eispanzer überzogen. Die wenigen Überlebenden rasen in einem Zug unentwegt durch die Eiswüste. Innerhalb des futuristischen Gefährts herrscht eine strikte Klassengesellschaft: Die Masse lebt unter erbärmlichen Bedingungen im hinteren Teil, die reiche Minderheit im vorderen. Bis sich unter den Arbeitssklaven eine explosive Stimmung breitmacht. In der Gegenüberstellung von Ausbeutern und Ausgebeuteten fährt der dystopische Film des Südkoreaners Bong Joon-ho zwar recht platte Vereinfachungen auf, doch sind die Figuren ohnehin nur von sekundärer Bedeutung. Im Vordergrund stehen der visuelle Reichtum des retrofuturistischen Designs und die rasante Action innerhalb der engen Waggons.

Filmdienst 08 | 2016

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