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20. Juli 2017 | € 5,50 | 70. Jahrgang

F ilm schnitt-Kunst

FILM DIenst Das Magazin für Kino und Filmkultur

15 2017

www.filmdienst.de

Der schnitt, unsere schöne sorge. Der schöpferische Tätigkeit der Filmeditoren wurde noch nicht annähernd genug gewürdigt.

»lOGAn nOiR«

Zwei Blockbuster-Filme verzichten auf ihre Farbigkeit. Und erzielen in Schwarz-weiß-Fassungen eine verblüffende Wirkung.

JAcqu E s tO u R n E u R

Ein meister des klassischen spannungskinos: Tourneur spielte virtuos mit Licht und Schatten, Schwarz und Weiß, Düster und Hell.

the party Zwischen Experimental- und klassischem Erzählkino. Die britische Filmemacherin Sally Potter fasziniert und provoziert mit ungewöhnlichen Rollenspielen. In ihrem neuen Film »The Party« eskaliert das gesellige Beisammensein einiger Upper-Class-Freunde.


EDITORIAL

Schwarzer Gru, weißer Dru: In »Ich - Einfach unverbesserlich 3« spaltet sich der Held in zwei sich »harmonisch bekämpfende« Persönlichkeiten. Dies wird im Nachspann dann zur hübschen Schwarz-weiß-Spielerei, bei der sich die Ästhetik der »Rosaroten Panther«-Filme mit dem Thema des »MAD«-Comics »Spion & Spion« verbindet.

Fotos: Susanne Duddeck/Warner Bros.

Iiiihh…! Schwarz-weiß…! Dies ist, zumindest ein Stück weit, ein Heft zum schwarz-weißen Film. Würde man diese »Botschaft« jungen Kinogängern zukommen lassen, würden sie jetzt womöglich laut aufstöhnen. So mancher Filmpädagoge kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn er in seine schulische oder außerschulische Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen einen Stummfilm einbezieht, für dessen filmhistorische Bedeutung und überragende filmästhetische Kunstfertigkeit wirbt, um dann umgehend mit der ersten Frage konfrontiert zu werden: »Ist der Film schwarz-weiß?« Intuitiv empfindet eine junge Generation schwarz-weiße Filme wohl als »verstaubt« und »altmodisch« und reagiert damit auf eine Ästhetik, die mit ihren eigenen Sehkonventionen nicht kompatibel scheint. Wobei es oft dann so ist, dass sie die Filmsichtung selbst vom genauen Gegenteil überzeugt: Hineingezogen in eine gänzlich »andere« Bilderwelt, entwickeln schwarz-weiße Filme auch für sie ihren ganz besonderen Reiz, seien es die Licht-und-Schatten-Spiele eines Stummfilms oder die darauf aufbauenden dunklen »Zwischenwelten« eines Film noir, wie ihn etwa Jacques Tourneur meisterhaft schuf, der in diesem Jahr in Locarno mit einer Retrospektive geehrt wird. Immer wieder haben sich auch »moderne« Regisseur dafür entschieden, ohne Farben zu erzählen: Woody Allen, Jim Jarmusch, Steven Spielberg, Martin Scorsese, David Lynch oder Béla Tarr schufen in Schwarz-weiß manches Meisterwerk. James Mangold geht nun sogar einen Schritt zurück, indem er seinem Kinofilm »Logan – The Wolverine« nachträglich die Farben nimmt und »Logan Noir« präsentiert. Mit einer völlig neuen, faszinierenden Wirkung. Mangold glaubt, dass sich das Publikum heute positiv weiterentwickelt hat: »Es sucht nach neuen Wegen, die Dinge zu sehen. Und manchmal sind die alten Wege die neuen Wege!«

Horst Peter Koll, Chefredakteur

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FILMDIENST 15 | 2017 Die NeUeN KiNOFiLMe NEU IM KINO +

ALLE STARTTERMINE

40 Another Forever – Die Stille um Alice 27.7. 39 Baby Driver 27.7. 49 Die Berkel 7.7 51 Bunch of Kunst 12.7. 42 Casino Undercover 6.7. 46 Die Geschichte der Liebe 20.7. 43 Die guten Feinde 27.7. 38 Einmal bitte alles 20.7. 51 Fairy Tail Dragon Cry 27.7. 49 I am a Hero 25.7. 50 Ich – Einfach unverbesserlich 3 6.7. 36 Paradies 27.7. 41 Sie nannten ihn Spencer 27.7. 48 Spider-Man: Homecoming 13.7. 37 The Party 27.7. 45 Das unerwartete Glück der Familie Payan 20.7. 47 Valerian – Die Stadt der tausend Planeten 20.7. 44 Wish upon 27.7.

36 PARADIES

45 DAS UNERWARTETE DER FAMILIE PAYAN KINOTIPP

der katholischen Filmkritik

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DIE GUTEN FEINDE Persönlicher Dokumentarfilm über die NSWiderstandskämpfer der »Roten Kapelle«

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47 VALERIAN – DIE STADT DER TAUSEND PLANETEN

Fotos: TITEL: Weltkino. S. 4–5: Alpenrepublik, Der Filmverleih, Wild Bunch, Universum, Warner, Twentieth Century Fox

38 EINMAL BITTE ALLES


15 | 2017 DIE ARTIKEL INHALT KINO

AKTEURE

FILMKUNST

16 CHRISTOPHER NOLAN

22 SALLY POTTER

32 TREND SCHWARZ-WEISS

10 MONTAGE

22 SALLY POTTER

Obwohl der Schnitt ein Grundelement des filmischen Erzählens ist, steht die Kunst der Cutter meist im Schatten des Regie-Handwerks und soll oft »unsichtbar« bleiben. Ein Manko, das es zu überwinden gilt. Dazeu: ein Gespräch mit Editor Andrew Bird.

Die britische Regisseurin bewegt sich in ihrem ebenso stilbewussten wie politisch interessierten Werk zwischen Experimentalfilm und klassischem Erzählkino. Ihr neuer Film »The Party« ist ein schwarz-weißes Kammerspiel, u.a. mit Bruno Ganz.

Von Thomas Klein

Von Esther Buss

16 CHRISTOPHER NOLAN

25 REINHARD HAUFF

Statt sich nach der »Batman«-Trilogie ganz aufs Superhelden-Kino zu verlegen, arbeitet der britische Filmemacher weiter emsig daran, sich als Hollywood-»Auteur« in die Filmgeschichte einzuschreiben. Im Juli startet sein neuer Film »Dunkirk«.

Der 1939 geborene Regisseur hat den »Neuen Deutschen Film« maßgeblich mitprägt. Im Interview blickt er auf seine Karriere zurück. Von Margret Köhler

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Die »Oscars« öffen sich der Welt: Die Liste der zur Mitgliedschaft in der Academy of Motion Picture Arts & Sciences Eingeladenen zeugt vom Willen zu mehr Vielfalt. Von Franz Everschor

28 JACQUES TOURNEUR

Mit Klassikern wie »Cat People« und »I Walked With a Zombie« bewies der Regisseur sein Gespür für den visuellen Ausdruck. Das Festival Locarno widmet ihm nun eine Werkschau. Von Michael Ranze

32 TREND SCHWARZ-WEISS

Sommerzeit ist Filmfestzeit: Rückblicke auf die Festivals in München und Karlovy Vary.

Nachrufe auf die Schauspieler Glenne Headly, Mikael Nykvist, Ilse Pagé, José Greci und Aleksej Batalow.

Zu Zeiten des frühen Kinos wurde das schwarz-weiße Filmmaterial aufwändig viragiert. Heute beweisen schwarz-weiße Versionen von Filmen wie »Logan«, wie ausdrucksstark der Verzicht auf Farbe ist.

Von Marius Nobach & Michael Ranze

Von Rainer Dick & Felicitas Kleiner

Von Jörg Gerle

Von Tim Slagman

20 FESTIVALS

3 4 6 34 50 56 66 67

RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAY TV-TIPPS FILMKLISCHEES VORSCHAU / IMPRESSUM

26 IN MEMORIAM

FERNSEH-TIPPS 56 Huldigung an »Leading Ladies«: arte widmet am 23. Juli der Queen einen Themenabend; rbb und BR Fernsehen feiern ab 26. Juli den 75. Geburtstag von Hannelore Elsner. Und auf 3sat ist das Opus Magnum der Regisseurin Ulrike Ottinger zu entdecken: Am 31. Juli startet ihre Reise-Doku »Chamissos Schatten«.

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MAGAZIN

CineastenTimeline VOM 20.7. – 2.8. 2017

50 JAHRE »BELLE DE JOUR« & »DIE REIFEPRÜFUNG«

26.7.1942 Geburtstag der deutschen Darstellerin Hannelore Elsner (u.a. »Die Unberührbare«, »Kirschblüten – Hanami«, »Die Reise nach Wien«)

Zu schön, um nur im Heimkino zu glänzen: StudioCanal beschert Filmklassikern mit restaurierten 4K-Versionen zum runden Geburtstag ein Leinwand-Revival

27.7.1917 Geburtstag des französischen Schauspielers und Komikers Bourvil (u.a. »Die große Sause«, »Vier im roten Kreis«, »Scharfe Sachen für Monsieur«; †1970) 27.7. – 5.8.2017: An den Spielstätten Starnberg, Herrsching, Schloss Seefeld, Wessling und Wörthsee findet zum 11. Mal das Fünf Seen Filmfestival mit rund 150 sehenswerten Kurz- und Langfilmen statt 28.7.1937 Geburtstag des französischen Regisseurs, Drehbuch- und Bühnenautors Francis Veber (u.a. »Zwei irre Spaßvögel«, »Ein Käfig voller Narren«, »Die Filzlaus«) 29.7.1892 Geburtstag des US-amerikanischen Darstellers William Powell (u.a. »Der dünne Mann«, »Wie angelt man sich einen Millionär?«, »Der große Ziegfeld«; †1984) 29.7. 1957 Geburtstag des deutschen Schauspielers und Sängers Ulrich Tukur (u.a. »Das Leben der Anderen«, »Houston«, »Der Stellvertreter«) 30. 7. 1947 Geburtstag des österreichisch-amerikanischen Schauspielers, Bodybuilders und Politikers Arnold Schwarzenegger (u.a. »Terminator«, »True Lies«, »Twins - Zwillinge«) 2.8. – 12.8. 2017: Das Festival del Film Locarno feiert sein 70. Jubiläum mit einem ausgesuchten Programm in zwölf Sektionen

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Beide Filme erzählen von erotischen Irrwegen und feiern 2017 ihr 50-jähriges Leinwandjubiläum: Luis Buñuels »Belle de jour«, in dem Catherine Deneuve als großbürgerliche Ehefrau masochistischen Tagträumen nachhängt und sich heimlich als Prostituierte verdingt, und Mike Nichols’ New-Hollywood-Klassiker »Die Reifeprüfung«, in dem Dustin Hoffman als grünschnabeliger Student der erfahrenen Mrs. Robinson (Anne Bancroft) verfällt und sich in deren Tochter (Katharine Ross) verliebt. So unterschiedlich die Filme stilistisch wie inhaltlich auch sind, so künden sie beide doch vom rebellischen Geist der späten 1960er-Jahre und der Auflehnung gegen bürgerliche Lebensmodelle. Nicht zuletzt das Charisma ihrer Stars Deneuve und Hoffman, in deren Karrieren die Filme wichtige Stationen waren, sorgen dafür, dass die Filme heute immer noch zünden. Mit den 4K-Restaurierungen, die sie in neuem Glanz erstrahlen lassen, können die beiden Werke das nicht nur (ab Herbst) auf Blu-ray; das Label StudioCanal schickt sie zuvor zurück

auf die große Leinwand: »Belle de jour« startet am 20. Juli, »Die Reifeprüfung« am 3. August im Kino. Anlässlich des Leinwandjubiläums der beiden Filme verlosen wir zusammen mit StudioCanal viermal das neu designte Plakat zu »Belle de jour« sowie das ebenfalls neu gestaltete Plakat zu »Die Reifeprüfung« im Paket mit einer »Reifeprüfung«-Jute-Tasche. Interessenten, die an der Verlosung teilnehmen möchten, schicken uns bis zum 3. August 2017 eine E-Mail mit dem Stichwort »Belle de jour« oder »Reifeprüfung« an redaktion@filmdienst.de


filmkunst Jacques Tourneur g un gs oh ewe n r e ed ad : B ger omm n t te e n z u k ha ein Sc sch men nd e äu t u g st b t r h c Än al i l d n un s de au

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Vor allem mit düsteren noirund Horrorfilmen schrieb sich regisseur Jacques Tourneur (1904 – 1977) in die Filmgeschichte ein und fand zahlreiche nachahmer. als versierter »Professional« innerhalb Hollywoods studiosys-tem verlieh er jedem ihm anvertrauten stoff den perfekten »Look« und schuf atmosphären und Figuren, die bis heute fesseln. Das 70. Filmfest von Locarno (2.8. – 12.8.2017) widmet ihm eine vollständige retrospektive. Von Michael Ranze

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Es gibt gegen Ende eine Szene in »Träum was Schönes« (»Fai bei sogni«), dem neuen Film von Marco Bellocchio: Da springt Hauptdarstellerin Bérénice Bejo in einem Hallenbad vom Sprungturm und landet elegant im Wasser. Plötzlich geht das Licht aus, und Cineasten wissen Bescheid: Die Szene ist eine Hommage an Jacques Tourneurs Horror-Klassiker »CaT PEoPlE« (»Katzenmenschen«, 1942), in dem Simone Simon plötzlich allein im Dunkeln schwimmt und nur noch einen Schatten an der Wand verschwinden sieht. Mehr passiert eigentlich nicht. Und doch läuft es einem kalt den Rücken herunter. Marco Bellocchio ist nicht der einzige Bewunderer von »CaT PEoPlE«. So ließ bereits 1984 Hans-Christoph Blumenberg in seinem Regiedebüt »Tausend Augen« Barbara Rudnik allein im Dunkeln schwimmen – genau wie bei Tourneur ohne Erklärung oder Auflösung. An der Spannung dieser Szene ändert das nichts. Der Horror wird nicht gezeigt, sondern suggeriert. Dazu Tourneur: »Was real ist, ist nur im Kopf des Betrachters. In »CaT PEoPlE« habe

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ich alles das, was wirklich schrecklich ist, niemals gezeigt. Jedes Mal, wenn es an der Zeit gewesen wäre, den Panther zu zeigen, bin ich hingegangen und habe mit meinen Händen Schatten an die Wand geworfen, das war alles. Die Leute waren so erschrocken, weil sie nie gewusst haben, ob sie den Panther nun gesehen haben oder nicht.«

Gefühle, die unter die haut Gehen Mit den Händen Schatten an die Wand werfen? Was würde ein Regie-Berserker wie Michael Bay heute dazu sagen? In Zeiten, in denen mit digitalen Effekten alles möglich, jedes Bild zeigbar, jede noch so komplexe Fantasie visuell umsetzbar ist, kann man solche Schlichtheit gar nicht hoch genug bewerten: Der Zuschauer ist gefordert. Bellocchios und Blumenbergs Zitate, entstanden in unterschiedlichen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten, huldigen nicht nur einem Meister des Spannungskinos – sie verdeutlichen auch eine Sehnsucht nach


Jacques Tourneur filmkunst

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dem Einfachen und Klaren des Filmemachens. Man muss nicht immer alles sehen, um einen Film zu genießen. Jacques Tourneur wusste das. Das ist auch die Meinung von Carlo Chatrian, dem künstlerischen Leiter des Filmfests Locarno, das in diesem Jahr Jacques Tourneur eine vollständige Retrospektive widmet: »Tourneur gilt als der Meister des Fantasy und versuchte stets, über das Sichtbare hinaus jene tiefen Gefühle auszudrücken, die unter die Haut gehen, und die Oberfläche der Dinge zu durchbrechen. Deshalb haben seine Filme die Zeiten überdauert und so viele Regisseure inspiriert.« Die Zeiten überdauert: Ein schöneres Kompliment kam man Tourneur nicht machen. Seine Filme sind zeitlos, nachhaltig, visionär und noch immer modern.

VerschmelzunG zweier kulturen Jacques Tourneur kommt am 12.11.1904 in Paris als Sohn von Maurice Tourneur,

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einem Pionier des französischen Films, zur Welt. Maurice Tourneur wandert 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, mit der Familie in die USA aus. Dort wird er zu einer festen Größe des Filmgeschäfts und feiert Publikumserfolge. 1928 kehrt er nach Frankreich zurück, wo drei Jahre später sein Sohn Jacques seinen Debütfilm realisiert, »Tout ça ne vaut pas l’amour«. Nach weiteren drei Filmen in Frankreich beschließt Jacques Tourneur, in die USA zurückzukehren. Die Begegnung mit Produzent Val Lewton bei RKO führt zu einem der konstruktivsten Zweigespanne der Filmgeschichte: Gemeinsam arbeiten sie an einigen faszinierenden, aber auch unheimlichen Horrorfilmen, die noch heute zu den Meilensteinen der Kinogeschichte gehören: »CaT PEoPlE« (1942), »THE lEoPard Man« (1943) und »I WalKEd WITH a ZoMBIE« (1943). Tourneur erinnert sich: »Ich kam direkt vom Filmemachen in Frankreich und fand endlich eine verwandte Seele. Mit Val Filme zu machen, war großartig, und ich glaube, dass sich das in den Ergebnissen

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zeigte. Wir ergänzten uns in unserer Denkweise. Ich hatte meinen französischen Sinn für Realitäten, und Val hatte den weißrussischen, überentwickelten Hang zum Poetischen geerbt. Wir brauchten einander wirklich für ein anständiges Gleichgewicht.« Es ist auch die Verschmelzung der europäischen mit der amerikanischen Kultur, die Tourneurs kraftvolle Erzählkunst in eine meisterhafte visuelle Poesie hüllt. Besonders »I WalKEd WITH a ZoMBIE« überzeugt als »albtraumhaft schön abgestimmtes Gedicht« (Tom Milne), in dem Voodoo-Trommeln, finsteres Mondlicht und schlafwandelnde Frauen in fließendem Weiß für perfekten Grusel sorgen, während Tourneurs Regie, Roy Hunts Kamera und Ardel Wrays Dialoge eine unschlagbare Allianz eingehen. Dabei ist Carrefour, jener Zombie, der dem Film den Titel gibt, die wohl furchterregendste Figur im Werk Tourneurs. Ein Wächter der Weggabelungen, ein schweigendes Medium zwischen diesseitiger und anderer Welt, sowohl wissend als auch unwissend. Kurzum: ein Rätsel. Tourneur

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filmkunst Jacques Tourneur rMo t im mi ng be m emi g u Fl un ch ifl Mts nda e o w rt rz e rh Ve rob nd e di en. l.) u u m ra u e r ( . .. ng re ge ne G Ja

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hat, darauf hat Robin Wood verwiesen, eine Schwäche für solche Charaktere, die innerhalb des Films einen besonderen Status einnehmen. Eine Nebenfigur, mehr Beobachter denn Teilnehmer, sich niemandem zugehörig fühlend, klug wahrnehmend, um dann im richtigen Moment einzuschreiten. Man denke nur an den taubstummen Jungen, der in »ouT oF THE PaST« (»Goldenes Gift«, 1947) Robert Mitchum zur Seite steht, oder an den Mandoline spielenden Sänger, dargestellt von Hoagy Carmichael, im Western »Canyon PaSSaGE« (»Feuer am Horizont«, 1946).

frauen, schön, Verführerisch, eiskalt »ouT oF THE PaST« ist Tourneurs großes Meisterwerk, ein Film noir, der »zu einem ganz erstaunlichen Teil im Freien oder wenigstens außerhalb des Studios gedreht worden« ist, wie Wolf-Eckart Bühler 1977 in der »Filmkritik« anmerkte. Robert Mitchum

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ist einfach sensationell als klassischer Film-noir-Protagonist, dessen Schicksal von Beginn an besiegelt ist, weil er sich im Netz einer tödlichen Femme fatale verfängt. Jane Greer spielt sie – schön, verführerisch, eiskalt. Sie ist der Prototyp der starken Frau im Film noir und nimmt, wenn man so will, die modernen unabhängigen Frauen des Hollywood-Kinos von Sigourney Weaver über Kate Beckinsale bis Scarlett Johansson vorweg. Ausgeleuchtet und fotografiert von Nicholas Musuraca, der schon Tourneurs Kameramann bei »CaT PEoPlE« war, ist »ouT oF THE PaST« ein meisterliches Spiel von Licht und Schatten, von Schwarz und Weiß, von Düster und Hell. Bühler: »Dies ist ›Out of the Past‹ ganz und gar, um und um: die Verzweiflung beim Morgengrauen, die Ohnmacht angesichts der Dämmerung, das Dunkel, das nicht weicht, der Schlaf, aus dem es keine Wiederkehr gibt.« Jacques Tourneur bewegte sich in den unterschiedlichsten Genres, seine Filmografie weist eine erstaunliche Vielfalt auf: vom Film noir – zu dem auch noch

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»nIGHTFall« gehört – bis zum Horrorfilm, vom Krimi (»nICK CarTEr, MaSTEr dETECTIVE«) bis zum Western (»Canyon PaSSaGE«, »GrEaT day In THE MornInG«), vom Piratenfilm (»annE oF THE IndIES«) bis zum Melodrama (»EXPErIMEnT PErIlouS« und »EaSy lIVInG«), vom Abenteuerfilm (»dayS oF Glory«) bis zum Kostümfilm (»THE FlaME and THE arroW«). Tourneur nahm uneitel jedes Drehbuch an und verstand sich als Profi, der eine ihm zugewiesene Arbeit bestmöglich erledigte. Sein Lieblingsfilm war »STarS In My CroWn« (1950), bezeichnenderweise ein Western, jenes uramerikanische Genre, mit dem Tourneur von außen auf seine Wahlheimat blickt. Joel McCrea begegnet hier kurz nach dem Bürgerkrieg als Pastor in einer Südstaatengemeinde dem Ku-KluxKlan und dem Aberglauben mit Vernunft und einem Revolver. Zu den starken Frauen in Tourneurs Werk gehört auch Jean Peters in »annE oF THE IndIES« (»Die Piratenkönigin«, 1951). Sie ist die einzige Frau unter


Jacques Tourneur filmkunst d un ht c a m en .. hn olg s . o F ieg , ng als Kr u n e fl ei um ale zw Trä ph r Ve rte stro u m r s tö k a t a ze e s n ei

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den Piratenkapitänen, darf es aber nicht zeigen, weil sie sonst verloren wäre. Sie ist als Piratin noch wilder und verwegener als die Männer, sowohl beim Fechten als auch bei den Trinkgelagen. Die Umkehrung der Geschlechterrollen sorgt für unterschwellige Erotik. Dabei ist Jean Peters eine Seelenverwandte von Jane Greer. Beide Frauen haben sich in ihren jeweiligen Genres emanzipiert. Und müssen dafür büßen.

Fotos: Archiv FD/Kinowelt Home

»die präsenz des lichts muss konkret sein« Jacques Tourneur war ein höchst ökonomischer Regisseur: »Am besten arbeite ich, wenn alles sehr schnell geht. Die Filme, die ich in zwölf oder 18 Tagen gemacht habe, sind besser als die, die ich in 80 Tagen gemacht habe.« Er drehte nur wenige Takes, schnitt quasi in der Kamera und zwang die Produzenten dadurch, den Film so zu akzeptieren, wie er ihn gemacht hatte. Seine Kameraleute soll er

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zur Verzweiflung getrieben haben, weil er auf natürlichen Lichtquellen bestand, die immer auch zu sehen sein sollten, Lampen, Fenster, offene Türen: »Die Präsenz des Lichts muss immer konkret sein, man sollte sie fühlen können.« Die größte Konstante in Tourneurs heterogenem Werk war sein Kamerastil, der sich durch Bewegung und Distanz auszeichnet. In fließenden, langen Takes hält die Kamera die Charaktere in der Halbtotale fest, gefangen in dunkler Umgebung, umgeben mit Gegenständen, die in den Bildvordergrund drängen und so Raumtiefe und düster-packende Atmosphäre etablieren. Fast scheint es, als wolle Tourneur durch diese Distanz zu seinen Figuren so etwas wie Objektivität herstellen. Die Vorwärtsbewegung ist glatt und reibungslos, die fließende Kamerabewegung wird durch Überblendungen von Sequenz zu Sequenz unterstützt, es entsteht der Eindruck eines logischen Ablaufs der Ereignisse, eines geht aus dem anderen hervor. Ursache und Wirkung gehören unverbrüchlich

zusammen. »Doch der Betrachter, der arglos der Oberfläche vertraut, schreitet über dünnes Eis: Er muss damit rechnen, jeden Augenblick einzubrechen«, schrieb Vinzenz B. Burg. In den Jahren 1975 und 1988 hat es bereits Tourneur-Retrospektiven in Edinburgh und in San Sebastián gegeben. Doch es gibt immer noch etwas zu entdecken, Tourneurs frühe französische Filme zum Beispiel, seine Arbeiten fürs Fernsehen, einen Western wie »STarS In My CroWn«, der nie in Deutschland zu sehen war, oder einen Science-Fiction-Film wie »CITy undEr THE SEa« (»Die Stadt unter dem Meer«, 1965), Tourneurs letztes Werk, das hierzulande nur im Fernsehen lief. Schließlich bedeutet so eine Retrospektive wie die aktuelle in Locarno immer auch ein Wiedersehen mit Klassikern und Lieblingsfilmen. Für Frédéric Maire, Direktor der mitverantwortlichen Cinémathèque suisse, ist der Fall jedenfalls klar: »Diese Retrospektive ist ein Glücksfall, denn nun wird Tourneur endlich ins Licht gerückt.« o

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Die roTe SchilDkröTe animation trifft Meditation: Eine poetisch-vielschichtige Robinsonade und märchenhafte Liebesgeschichte

XXX KINO

neu IM KIno

Stil ist Trumpf: Edgar Wright gelingt eine mitreißende Melange aus Bankräuber-Thriller und Rock’n’Roll-Fantasie

neu IM HeIMKIno

BaBy Driver

chaMiSSonS SchaTTen Ulrike ottinger schuf mit ihrem monumentalen reisefilm eines der Dokumentarfilm-Highlights 2016; 3sat zeigt den ersten Teil des zwölfstündigen Werks

FIlMe IM TV

herausragend, ein Meisterwerk sehr gut, ambitioniert, lohnenswert solide und interessant wenig aufregend, Mittelmaß verschenkt, enttäuschend ärgerlich, anstößig, eine Zumutung


KRItIKen NEuE FIlME

einmal bitte alles

Erfrischende Komödie über die Nöte einer »späten« Generation

So hat sich die Münchnerin Isi den Übergang in den Ernst der Thirtysomethings nicht vorgestellt. Während die 27-jährige Illustratorin demütigend sinnlose Praktika aneinanderreiht, keine Sex- und Alkohol-Eskapaden auslässt und schlicht ihre Jugend genießt, bricht um sie herum die Torschuss-Panik aus. Ihre arbeitslose Mitbewohnerin und beste Freundin Lotte heilt die Angst vor dem 30. Geburtstag, indem sie den erst besten Mann verführt, der ihr verstopftes Klo repariert. Der Italiener erweist sich nach ausgiebigen Testphasen im Bett als echter Heiratskandidat, weshalb Isi unversehens ins Abseits gerät. Da ihre ahnungslosen Eltern ihr Kinderzimmer anderweitig nutzen wollen, zieht Isi in die Männer-WG eines Kumpels. Hier herrscht zwischen PhysikumPrüfungen und spontanen Hauskonzerten das blühende Studentenchaos. Die 600 Euro Zimmer-Miete verdient sich Isi mit Fahrradreparaturen und Verpfändungen, denn ihre Graphic Novel, eine Neuinterpretation von Fitzgeralds Klassiker »Die Schönen und Verdammten«, findet keinen

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Absatz. Zu allem Überfluss dämmert ihr angesichts der Konfrontation mit erheblich jüngeren WG-Neuzugängen, dass sie deren Humor nicht mehr versteht und allmählich alt wird. Das Gefühl des Abgehängtseins steigert sich in eine handfeste Krise, zumal Isi immer wieder auf Gleichaltrige trifft, die längst einen Job bei einem Verlag oder einer Werbeagentur haben, während ihr eigener ökonomischer Status immer prekärer wird und das Selbstwertgefühl bedrohlich schrumpft. Da helfen nur noch in sich versunkene Sitzungen auf dem Hausdach voller Trauer über verlorene Glückstage, als sich Lotte noch zu keiner schwangeren Vegan-Faschistin mit einer Vorliebe für YogaMedikamentation und adrette Tischdeckchen entwickelt hatte. Die aus einem kommentierenden Hörbuch etwas unmotiviert eingestreute Stimme von Jessica Schwarz stört da auch nicht weiter. Auch wenn die Risiken der vor allem geisteswissenschaftlichmusischen »Generation Praktikum« älter sind als der Begriff, schafft es die 1985 geborene

Helene Hufnagel in ihrem Spielfilmdebüt dank einer überaus einfühlsamen Regie, atmosphärischer Atempausen und amüsanter Beobachtungen gesellschaftlicher Phänomene für ihre zwischen kindlichem Trotz und Welt-Ekel schwankende Hauptfigur mühelos einzunehmen. Das leistungsbetonte »Erwachsenwerden« erscheint in Hufnagels auch musikalisch glänzender Visitenkarte eher als notwendige Pflicht denn als erstrebenswertes Ziel. Es droht der Verlust der bisherigen Identität. Hufnagel gelingt ein aufs Schönste selbstironischer Einblick in die Nöte ihrer Altersgenossen, aber zugleich auch eine universelle Erinnerung an die Weggabelung, die jede Generation aufs Neue für sich nehmen muss. Nicht zuletzt schaut man der entwaffnend lebensnah agierenden Luise Heyer beim Abarbeiten ihrer inneren Konfliktzonen gerne zu. Ihr Gesicht drückt mehr aus als jeder mehr oder weniger gelungene Drehbuch-Gag. Eine leicht und zugleich intelligent unterhaltende Komödie, die der begabten Regisseurin einen

vielversprechenden Start in ein nicht vergeudetes Berufsleben sichern sollte. Alexandra Wach BeweRtung DeR FILmKommISSIon

Eine 27-jährige Illustratorin hat sich damit arrangiert, dass sie den Sprung ins Erwachsenendasein noch nicht so recht geschafft hat, wird aber von ihrer umwelt so lange mit Sorgen und Ängsten vor dem dritten lebensjahrzehnt drangsaliert, bis sie selbst in eine seelische Krise gerät. Dem erfrischenden Spielfilmdebüt gelingen höchst selbstironische Einblicke in die Freuden und Nöte einer »späten« Generation. Die Inszenierung nimmt dabei ebenso für sich ein wie die glänzende Hauptdarstellerin, die ihrer zwischen kindlichem Trotz und Weltekel schwankenden Figur viele Facetten abgewinnt. – Ab 14.

Deutschland 2017 Regie: Helena Hufnagel Darsteller: luise Heyer (Isi), Jytte-Merle Böhrnsen (lotte), Patrick Güldenberg (Daniel), Maximilian Schafroth (Klausi), Stefano Bernardin Länge: 85 Min. | Kinostart: 20.7.2017 Verleih: Der Filmverleih FD-Kritik: 44 819


NEuE FIlME KRItIKen Der Film erzählt einerseits also eine Gangstergeschichte. Extrem auf Outlaw stilisierte Männer können ihre Finger nicht von den Schusswaffen lassen und benehmen sich auch sonst daneben; immer wieder pöbeln sie Baby an, weil er nicht den Konventionen entspricht. Das klingt komödiantisch, wird irgendwann aber ziemlich ernst. Andererseits handelt »Baby Driver« davon, was Musik alles kann. Sie treibt die Überfälle an wie einst in »Reservoir Dogs«. Sie führt Baby zu dem Mädchen Deborah, mit dem zusammen er die perfekte Rock’n‘Roll-Fantasie ergibt. Und auch das Ende der Geschichte kommt wie das Liebeslied einer Girlgroup daher. Doris Kuhn

Baby Driver

Glänzende Melange aus Thriller und Rock‘n‘Roll Es passiert nicht oft, dass man sich den Anfang eines Films lauter wünscht. Bei »Baby Driver« aber ist dies der Fall. Erst rollt von links ein Auto ins Bild und hält, so nahe, dass man nur den Kotflügel sieht, so rot, dass man daran lecken möchte. Im Auto sitzt der titelgebende Fahrer, Sonnenbrille im adoleszenten Gesicht; drei weitere Sonnenbrillenträger steigen aus. Das sind härtere, dunklere Gestalten. Sie überqueren die Straße und verschwinden in einer Bank, während der Fahrer seinen iPod nach einem Lied durchsucht. Es ist »Bellbottoms« von der Jon Spencer Blues Explosion, und der Driver explodiert entsprechend mit: Er wippt und schnippt und trommelt auf allem, was das Auto hergibt. Da wäre große Lautstärke schön. Die Musik setzt sich fort, das Zentrum der Action bleibt fern. Man sieht nur durch die Fenster der Bank, was drinnen vor sich geht: ein schneller, professioneller Überfall. Die Außenperspektive wird beibehalten, bis die drei zurück zum Auto rennen. Dann fährt der Driver sie mit einem spektakulären Start davon, noch immer befeuert von »Bell-

bottoms«. Auf diese Weise klärt der Film schon vor den Anfangstiteln drei Dinge: Es handelt sich um einen Bankräuber-Thriller mit einem jugendlichen Nerd in einer tragenden Rolle. Der Film wird nur aus dessen Perspektive erzählt. Und die Inszenierung misst der Musik einen ähnlichen Wert bei wie dem Bild. Bei einem Regisseur wie Edgar Wright würde man eigentlich auch nichts anderes erwarten. Immerhin stammt von ihm der bisher beste Nerd-Film des Jahrhunderts – und damit ist nicht seine ZombieGroteske »Shaun of the Dead« gemeint, sondern »Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt«. Hier heißt die Hauptfigur »Baby« und wird von Babyface Ansel Elgort gespielt. Der schon als Kind verwaiste Baby hält sich meistens wortlos und recht autistisch aus der Welt heraus. Die Inszenierung kontrastiert diesen Autismus mit einer fast surreal üppigen Umgebung. Um Baby herum glühen alle Farben, jeder Hintergrund ist sorgfältig choreografiert, die Bilder bieten einen steten Wechsel von kleinen Entdeckungen und großer Einordnung. Das macht den Film zu einem Thriller, der einer cinema-

tografischen Form wieder näherkommt als einer bloßen Adrenalin-Erfahrung, worauf es die meisten aktuellen Action-Knaller anlegen. Trotzdem gibt es bestechend raffinierte Verfolgungsjagden. Baby fährt smart trotz allem Geschwindigkeitsrausch, und Wright achtet darauf, dass man von der Schönheit einer Gangschaltung genauso viel sieht wie vom Highway-Irrsinn der Stadt Atlanta. Durch diese Stadt tanzt der Driver nach der Flucht; dank der Musik in seinen Kopfhörern ist er auch zu Fuß ein Herr der Straßen. Egal ob mit oder ohne Auto: der Driver funktioniert nur mit Musik. Sein Boss »Doc« hat zwar für wenig Verständnis, aber dafür schon. Kevin Spacey gibt diesen Gangsterboss als einen, dem sich niemand widersetzt. Baby hatte einst den Fehler begangen, ihm einen Mercedes zu klauen. Der Doc hat ihn gefunden und sein Fahrtalent erkannt; seitdem muss Baby für Docs Leute der Fluchtfahrer sein, bis der Mercedes abbezahlt ist. Dieser Moment steht jetzt bevor. Ein Job noch, dann wird Baby in die Legalität zurückkehren. Das glaubt der gute Junge jedenfalls.

BeweRtung DeR FILmKommISSIon

um seine Schulden bei einem Gangsterboss abzuarbeiten, lenkt ein junger, leicht autistischer Mann in Atlanta das Fluchtfahrzeug bei Banküberfällen, wobei er Alltag und Job nur zusammenhalten kann, wenn er Musik hört. Als er ein Mädchen kennenlernt, das ihm in seiner liebe zur Musik ähnelt, will er das Gangstermilieu verlassen. Temporeiche Melange aus Thriller und Rock’n’Roll-Fantasie, die stilsicher mit ausgeklügelten Bildchoreografien und bestechend raffinierten Verfolgungsjagden das analoge Zeitalter feiert. Etwas weniger Kitsch hätte dem Film gut gestanden, dafür entschädigt er durch die inszenatorisch meisterhafte Kunst der Verzögerung. – Sehenswert ab 16.

BABY DRIVeR Scope. Großbritannien/uSA 2017 Regie: Edgar Wright Darsteller: Ansel Elgort (Baby), lily James (Deborah), Kevin Spacey (Doc), Jon Bernthal (Griff), Eiza González (Darling), John Hamm, Jamie Foxx, Flea Länge: 113 Min. | Kinostart: 27.7.2017 Verleih: Sony | FSK: ab 16; f FD-Kritik: 44 820

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Das unerwartete glück der Familie Payan

Temporeiche Familienkomödie mit Karin Viard Mit der Zeit scheinen die Payans auf Kriegsfuß zu stehen. So sehr die Familie auch hetzt: Das Leben scheint an ihr vorbei zu brausen. Das ist zumindest der Eindruck von Nicole Payan, als sie wieder einmal vergeblich Herrin über das Vier-GenerationenChaos zu werden versucht: Ihr Sohn Vincent, der als einziger eigene Wege geht, startet als Mitglied einer U-Boot-Besatzung seinen ersten Tauchgang. Die Familie will ihn am Kai verabschieden, doch die Enkelin Zoé trödelt herum und will ihr SpiderMan-Kostüm nicht ausziehen; Nicoles alte Mutter gebärdet sich aufmüpfig und täuscht Geistesabwesenheit vor, Ehemann JeanPierre kommt verspätet und obendrein im Trainingsanzug; beim Anlassen des Wagens stößt er auch noch Tochter Arielle vom Motorroller. Als sie den Hafen endlich erreichen, ist Vincent bereits untergetaucht – und Nicole bleibt nur die resignierende Erkenntnis, im Leben ihres Sohns ein weiteres wichtiges Kapitel verpasst zu haben. Mit diesem turbulenten Einstieg etabliert die französische Regis-

seurin Nadège Loiseau Typenarsenal und Tonfall ihres ersten Spielfilms. Die rundum chaotische, aber durchweg liebenswerte Familie ist offenkundig an den spleenigen Clans aus klassischen Screwball-Komödien wie »Mein Mann Godfrey« (1936) oder »Die Nacht vor der Hochzeit« (1940) geschult, aber auch an jüngeren Beispielen wie »Little Miss Sunshine« (2006). Im Umgang miteinander wird eine Exzentrik gepflegt, mit der die Payans auch vor sich selbst kaschieren, dass sie einige ernste Probleme umtreiben: Jean-Pierre ist bereits seit zwei Jahren arbeitslos und hängt noch immer dem Traum seiner lange beendeten Sportlerkarriere nach, Arielle gibt mit Mitte 20 weiterhin den ungezwungenen Teenager und überlässt ihre Tochter Zoé ganz Nicole, die zudem noch ihre zusehends gebrechliche Mutter versorgen muss. Und dann kommt zu all dem noch der im französischen Originaltitel benannte »kleine Mieter« hinzu, den die deutsche Fassung eher unpräzise zum »unerwarteten Glück« umdeutet: Mit 49

Jahren wird Nicole noch einmal schwanger, was gemischte Gefühle auslöst. Wie soll sie in ihrer Situation auch noch ein Kind aufziehen? Nadège Loiseau beantwortet diese Frage recht vorhersehbar, aber mit vielen amüsanten Sequenzen: Jean-Pierre packt gutmütig, aber ungeschickt mit im Haushalt an, Arielle versucht, ihren Bruder unter Wasser anzufunken, was diesen in Teufels Küche bringt, weil er sich auf den schwesterlichen Code keinen Reim machen kann, die Oma bietet noch einmal ihre Energie zur Unterstützung ihrer Tochter auf. Massenhaft guter Wille also, der aber nicht verhindern kann, dass es Rückschläge gibt, die Nicoles Stresspegel in die Höhe treiben und einen piependen Blutdruckmesser zum besten Running Gag des Films machen. Mit schnell geschnittenen Szenen und einem beherzt aufspielenden Ensemble rund um die verlässlich großartige Karin Viard gelingt eine streckenweise sehr unterhaltsame Komödie, die sich allerdings nie tiefer auf die angestoßenen Aspekte einlässt. Die spe-

ziellen Belastungen einer Spätschwangerschaft bis hin zur Frage nach einem Abbruch, aber auch die generelle Überforderung einer berufstätigen AllroundMutti wie Nicole, Langzeitarbeitslosigkeit, Peter-Pan-Syndrom und sich selbst überlassene Kinder sind hier nur oberflächlich abgehandelte Beigaben, die ohne übermäßigen Aufwand weggebügelt werden. Zusammen mit einigen rasch versandenden Nebensträngen deuten sie an, dass Nadège Loiseau sich nicht leichtgetan hat, ihren Kurzfilm »Le locataire« (2013) auf Spielfilmlänge auszuweiten. Ihr beachtliches komödiantisches Talent ist dennoch unübersehbar. Der Verzicht auf Klamauk zugunsten von rasanten Dialogen kündet sogar von einer erfrischenden neuen Stimme im französischen Komödien-Kino. Marius Nobach BeweRtung DeR FILmKommISSIon

Eine 49-jährige, in ihrem Beruf sowie mit ihrer vier Generationen umspannenden Familie mehr als ausgelastete Französin wird noch einmal schwanger. Dies löst gemischte Gefühle bei ihr aus, zumal ihre chaotischen Angehörigen mit ungeschickten Hilfsversuchen den Stresspegel noch weiter in die Höhe treiben. Temporeiche Komödie mit engagierten Darstellern und rasanten Dialogwechseln, die das Thema amüsant entfaltet. Die ernsteren Aspekte werden freilich eher oberflächlich behandelt und verlieren sich in unergiebigen Seitensträngen. – Ab 14.

Le PetIt LoCAtAIRe. Frankreich 2016 Regie: Nagège louiseau Darsteller: Karin Viard (Nicole Payan), Philippe Rebbot (Jean-Pierre Payan), Hélène Vincent (Mamilette), Manon Kneusé, Stella Fenouillet Länge: 104 Min. | Kinostart: 20.7.2017 Verleih: Wild Bunch | FD-Kritik: 44 826

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