Filmdienst 19 2016

FIlM DIenSt Das Magazin für Kino und Filmkultur

19 2016

www.filmdienst.de

Virtuelle realitäten

In naher Zukunft tauchen wir in eine komplett virtuelle Hör- und Sehwelt ein.

Welche Stärken kann das Kino dagegen in Zukunft noch ausspielen?

50 Jahre dffb

Die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin wurde in der studentenbewegten 68er-Zeit gegründet und blickt auf ein bewegtes halbes Jahrhundert zurück.

Jazz & Kino

Jazz-Musik ändert sich permanent.

Auch im Kino. Notizen zu Film & Jazz: Albert Mangelsdorff, Krzysztof Komeda, Johannes Beringer, Robert Glasper.

tschick 15. September 2016 € 5,50 69. Jahrgang

fatih akin verfilmte zum ersten Mal eine romanvorlage: Wolfgang Herrndorfs ungemein erfolgreichen Jugendroman.

Im Gespräch erzählt der Regisseur von seiner Annäherung an diesen fulminanten Stoff einer äußeren und inneren Reise.

FILMDIENST 19 | 2016 DIE NEUEN KINOFILME NEU IM KINO ALLE STARTTERMINE

36 43 49 46 50 51 44 39 43

24 Wochen 22.9.

Alice und das Meer 22.9.

Auf Augenhöhe 15.9.

Bad Moms 22.9.

Entertainment 15.9.

Das Geständnis 15.9.

Die glorreichen Sieben 22.9.

Hedis Hochzeit 22.9.

Hieronymus Bosch – Schöpfer der Teufel 15.9.

Lenalove 22.9.

Männertag 8.9.

Mohenjo Daro 25.8.

Mother’s Day – Liebe ist kein Kinderspiel 25.8.

Multiple Schicksale 15.9.

My First Lady 15.9.

Rudolf Thome – Überall Blumen 15.9.

SMS für dich 15.9.

Snowden 22.9.

Thank You For Calling 15.9.

The Beatles: Eight Days a Week 15.9.

The Comedy 15.9.

The Light between Oceans 8.9.

The Music of Strangers 15.9.

The Purge: Election Year 15.9.

The Visit – Eine außerirdische Begegnung 22.9.

Tschick 15.9.

Viva 15.9.

Der Vollposten 22.9.

49 47 49 49 51 41 40 45 37 51 43 51 48 42 49 51 38 49 46

KINOTIPP

40 RUDOLF THOME – ÜBERALL BLUMEN

der katholischen Filmkritik

49 AUF AUGENHÖHE Sensibler Jugendfilm, in dem ein Junge und sein kleinwüchsiger Vater sich näher kommen.

FERNSEH-TIPPS 56 Das Erste zeigt zwei herausragende Fernsehfilme: »Bergfried« behandelt die Verdrängung der NS-Vergangenheit, »Das weiße Kaninchen« die dunklen Zonen des Internets.

4

36 24 WOCHEN

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43 THE BEATLES: EIGHT DAYS A WEEK – THE TOURING YEARS 48 THE LIGHT BETWEEN OCEANS

Fotos: TITEL: StudioCanal. S. 4/5: Tobis, Neue Visionen, Peripher, StudioCanal, Constantin, The VR Cinema, Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

+

19 | 2016 DIE ARTIKEL INHALT KINO

AKTEURE

FILMKUNST

10 VIRTUELLE REALITÄTEN

24 FATIH AKIN

32 »OPFERGANG« & »IMMENSEE«

10 VIRTUELLE REALITÄTEN

Was die Unterhaltungsbranche unter dem Namen »Virtual Reality« als Innovation verkauft, ist in seiner Wirkung noch sehr begrenzt. Zudem erinnert es in der Suche nach spektakulären Bildern an die Anfänge des Kinos. Ein Essay im Rahmen des Siegfried-Kracauer-Stipendiums.

22 ANNE ZOHRA BERRACHED

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

In ihrem zweiten Kinofilm »24 Wochen« greift die deutsche Regisseurin das TabuThema Spätabtreibung auf. Ein Gespräch über ihre filmische Gratwanderung zwischen konträren Positionen sowie über die Mischung von Laien und Profi-Darstellern.

Der Blick auf das Sommergeschäft der Studios fällt zweischneidig aus. Für die positive Gesamtbilanz ist eine kleine Zahl überaus erfolgreicher Filme verantwortlich.

Dem stehen zahlreiche Flops gegenüber – zuletzt das teure »Ben-Hur«-Remake.

Von Wolfgang Hamdorf

Von Franz Everschor

24 FATIH AKIN

28 50 JAHRE DFFB

Von Sven von Reden

18 JAZZ & FILM

Das Kino greift für Filmmusiken seit jeher gern auf den Jazz zurück. Aktuell künden Filme über Jazzmusiker, Wiederentdeckungen, neue Filmbücher und CDs von einer kleinen Renaissance dieser fruchtbaren Beziehung. Notizen zu Film & Musik.

Von Ulrich Kriest

Der Regisseur setzt mit »Tschick« erstmals eine literarische Vorlage um. Ein Gespräch über Werktreue und künstlerische Freiheiten bei der Adaption von Wolfgang Herrndorfs höchst erfolgreichem Jugendroman.

Von Michael Töteberg

Am 17. September 1966 wurde die Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin eröffnet. Seit damals steht die dffb für hochpolitisierte Phasen, aber auch für ein engagiertes, praxisorientiertes Filmstudium.

Eine Rückschau auf 50 Jahre und ein Ausblick auf die Zukunft.

Von Frederik Lang

32 »OPFERGANG«/»IMMENSEE«

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs inszenierte Veit Harlan die Melodramen »Opfergang« und »Immensee«. Filmisch geprägt von der Todessehnsucht des untergehenden NS-Reichs, erscheinen die aufwändig restaurierten Filme nun auf DVD. Von Rüdiger Suchsland

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RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAY TV-TIPPS P.S. KOLUMNE VORSCHAU / IMPRESSUM

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»TSCHICK«

REGISSEUR FATIH AKIN ÜBER SEINE VERFILMUNG VON

WASTED LAND

aKteure INTERVIEW FATIH AKIN

WOLFGANG HERRNDORFS 24

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INTERVIEW FATIH AKIN aKteure

Der Jugendroman »Tschick« von Wolfgang Herrndorf (1965– 2013) avancierte nach seinem Erscheinen im Jahr 2010 zum Kultbuch. Die stilistisch ausgefeilte, ebenso unaufdringlich wie amüsant entwickelte Geschichte zweier ungleicher Jugendlicher, ihrer Freundschaft und ihres sommerlichen Ausbruchversuchs kommt nun ins Kino, inszeniert von Fatih Akin.

Das Gespräch führte Michael Töteberg.

Als Autorenfilmer verfilmen Sie fast ausnahmslos eigene Stoffe. »Tschick« ist Ihre erste Literaturverfilmung.

Akin: Es gibt zwei, drei Schlüsselsequenzen im Roman, danach wusste ich: Das will ich verfilmen. Tatjana, die dem Helden das Herz bricht, das kenne ich sehr gut aus meiner eigenen Jugend: Ich war als 14-Jähriger unheimlich verliebt in eine Mitschülerin, die nichts von mir wissen wollte. Das Erlebnis der abgewiesenen Liebe als Teenager ist bestimmt einer der Gründe, warum ich Filmemacher geworden bin, so wie in dem Song der »Ärzte«: »Eines Tages werde ich mich rächen.« Ein anderer Moment: wie Tschick und Maik in den Himmel schauen und darüber philosophieren, ob es noch jemanden da draußen gibt. Oder der Dialog Maik und Isa am Steg. Als ich das gelesen habe, da war mir Herrndorf sehr nahe, und ich habe gedacht: Das will ich inszenieren.

Ich liebe Coming-of-Age-Filme, »Stand

By Me«, »Crazy« oder »The Breakfast Club«. »Nordsee ist Mordsee« von Hark Bohm gehört zu meinen Lieblingsfilmen. »Huckleberry Finn« habe ich mit 14 gelesen, übrigens weit besser als »Tom Sawyer«.

In meiner Jugend waren Bücher und Filme meine Freunde – niemand verstand mich, aber diese Bücher, diese Filme, da fand ich mich wieder. Und dann kam im Sommer dieser Anruf: In sieben Wochen wird gedreht. Ich habe das Angebot, »Tschick« zu verfilmen, an einem Mittwoch bekommen, und am Sonntag musste ich

mich entschieden haben, denn am Montag darauf sollte mein erster Arbeitstag sein.

Das hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen. Normalerweise hätte ich mich nie darauf eingelassen – aber es ging um »Tschick«.

Der Roman ist filmisch geschrieben, ein literarisches Road Movie. Wolfgang Herrndorf war ein Cineast, und er orientierte sich bei »Tschick« an der Struktur der so genannten Heldenreise, wie sie in Drehbuchmanuals steht.

Akin: »Als Erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee.« So beginnt der Roman, einen besseren Anfang kann man sich gar nicht denken. Aber so filmisch das Buch auch ist, wir haben erst den Roman noch einmal zerlegt und uns gefragt: Was wollen wir im Film sehen, was nicht? Wir haben ganz klassisch blaue, gelbe und rote Karteikarten an die Wand gesteckt.

Neues Material wollten wir nicht hereinbringen, sondern aus dem vorhandenen die Essenz herausarbeiten. Das funktionierte sehr lange gut, doch das letzte Drittel des Romans, ab der Begegnung mit Fricke, fand ich problematisch für den Film. Die Dramaturgie löst sich auf, Szenen werden additiv aneinandergereiht, es wirkt anekdotisch und doppelt sich. Maik und Tschick bauen einen Unfall, die nette Sprachtherapeutin bringt sie ins Krankenhaus, dort gibt es nachts um vier dieses legendäre Telefonat mit »Tante Mona«, sie flüchten aus dem Krankenhaus, der total verbeulte, trotzdem noch fahrtüchtige Lada steht auf dem Krankenhaus-Parkplatz, am nächsten Morgen sind sie wieder auf der Autobahn und bauen noch einen Unfall. Im Film musste das anders laufen und alles auf den einen Unfall mit dem Schweinetransporter zusteuern.

Hier weicht der Film auf der äußeren Handlungsebene stark vom Roman ab, doch die Stationen der inneren Reise des Helden sind Sie in einem veränderten Setting genauso abgefahren.

Akin: Die Brücke wird im Roman beschrieben als das Ende der Welt. Waste Land. So etwas haben wir gesucht, u.a. in einem Tagebau, irgendwo im Osten, wo es riesige abgebaute Flächen gibt. Aber keine Brücken. Im Harz gab es eine Brücke, 200 Meter Höhe, Wahnsinn, aber man konnte dort nicht ohne Absicherung drehen, alles

musste angebunden werden, auch das Auto – kurz, es war unmöglich. Die Sümpfe kommen schon im Roman vor, und dann hatte Rainer Klausmann, mein Kameramann, die Idee, anstelle der Brücke einen Holzsteg zu bauen, ein bisschen wie bei »Lohn der Angst«. (Ich bin mir sicher, dass Herrndorf »Lohn der Angst« gesehen und auch zitiert hat, wenn nicht in »Tschick«, dann mit Sicherheit in »Sand«.) Diese Sümpfe, wenn sie am Ende stecken bleiben, Bäume, nichts als Bäume, und Wasser, das ist das Ende der Welt, der Zivilisation. Eine Szenerie wie in »Das Herz der Finsternis« von Joseph Conrad.

Dieser Strang ist neu, aber geknüpft wie der Handlungsknoten im Roman. Im Buch eilt die Sprachtherapeutin zum Unfallort, ihr Feuerlöscher fällt Tschick auf den Fuß, sodass er nicht mehr fahren kann. Im Film verletzt sich Tschick böse, als die beiden die Lücken im Steg flicken wollen und er auf einen Nagel tritt. Die Konsequenz ist dieselbe: »Ich kann so nicht Auto fahren.« Maik: »Aus. Hier endet die Geschichte.« Im Roman heißt es: »Die Reise war zu Ende.« Akin: Ein Tiefpunkt – Ende vom zweiten Akt, das ist klassische Dramaturgie. Es sind eigentlich vier ineinandergeschobene Szenen: die gefährliche Fahrt über die Brücke, Tschick verletzt sich und wird verarztet, Tschick outet sich, Maik überwindet sich und übernimmt das Steuer.

Es gibt noch eine wichtige Änderung: der Schluss. Der Film endet nicht wie der Roman mit der Szene, wie die Mutter zusammen mit Maik das Mobiliar in den Swimmingpool wirft.

Akin: Wir haben gefühlt, nein, wir wussten: Der Film kann nicht so enden.

Die Geschichte zwischen Maik und seiner Mutter ist nicht die Hauptachse des Films, das ist Maik und Tschick. Es muss mit ihnen aufhören, mit ihnen und Isa meinetwegen.

Es ist ein offener, zugleich hoffnungsfroher Schluss.

Akin: Wenn Filme am Ende alle Probleme erledigen und der Zuschauer satt und zufrieden nach Hause geht, finde ich es schade. Tschick kommt aus dem Nichts, und er geht ins Nichts. Aber wir wissen, dass es ihm gut geht: Um einen wie Tschick braucht man sich keine Sorgen machen.

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aKteure INTERVIEW FATIH AKIN

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Was ist mit der kratzbürstigen Isa? Akin: Isa muss etwas Burschikoses haben, zugleich etwas Sinnliches. Die Figur hat im Roman eine gewisse Künstlichkeit.

Wer ist das, wo kommt sie her, das wird in dem anderen Buch geschildert. Ich habe Mercedes Müller gesagt: Lies »Bilder deiner großen Liebe«. Du bist aus der Klappse abgehauen, du hast definitiv das BorderlineSyndrom. Dass Isa in der Kiste eine Kanone hat, steht in Herrndorfs letztem Buch, das er nicht mehr zu Ende schreiben konnte.

Ich versuche, mich in jede Figur hineinzuversetzen, auch in die Mutter. Wie kleidet sie sich, was hört sie für Musik? Wohin geht sie, um sich zu betrinken? Die Szene, in der Maik seine Mutter abholt, gibt es ja im Roman nicht. Geht sie in eine Bar, so wie Faye Dunaway in »Barfly«? Oder geht sie in eine Kneipe irgendwo in Hellersdorf, in »Ullis Bierstube«, wo nur Nazis rumsitzen? Beides passt nicht wirklich zu ihr. Ein Eiscafé ist keine Kneipe, aber dort gibt es Amaretto …

Das kann funktionieren.

Das Beispiel zeigt: Sie streben Glaubwürdigkeit an. Andererseits gibt es im Roman skurrile Szenarien und bizarre Figuren, ich denke nur an Adel auf dem Radel oder die Risipisi-Familie.

Akin: Man hätte daraus eine Tim-BurtonNummer machen können, dann kriegen alle Fake-Gebisse usw. Ich habe mich gegen eine überhöhte Künstlichkeit entschieden – ohne Sinn, wie Tschick sagen würde. Ich wollte dem Roman gerecht werden, seinen Millionen Lesern, aber auch meinem Werk.

Der Roman ist eine Ich-Erzählung: Maik berichtet und kommentiert. Auch der Film hat diese Erzählerperspektive: Maik ist in fast jeder Szene präsent, auch sehen wir in kurzen Szenen seine Tagträume.

Akin: Im Drehbuch gab es ursprünglich kein Voice-over. Mein Ehrgeiz war, die Gedanken des Helden allein auf der szenischen Ebene zu transportieren.

Die meisten Literaturverfilmungen zitieren den Roman im Off. Damit ist, dank einiger Perlen seiner Formulierungskunst, die Stimme des Autors im Film präsent.

Akin: Wie gesagt: Im Drehbuch standen gar keine Voice-over-Texte, schließlich sollte die Geschichte visuell funktionieren und nicht einen geschriebenen Text bebildern.

Wir haben uns nicht auf den literarischen Text verlassen, sondern wollten frei sein und haben den Film auch so fertiggestellt.

Es war richtig und wichtig, diesen Weg zu gehen, aber es gab, als wir den Rohschnitt anschauten, Probleme, speziell am Anfang und am Ende. Im Schneideraum haben wir – der Drehbuchautor Lars Hubrich, ein Freund und Vertrauter Herrndorfs, der Produzent Marco Mehlitz, Hark Bohm, unser künstlerischer Berater, und ich – lange diskutiert und dann ganz gezielt an bestimmten Stellen Voice-over eingesetzt.

Danach war ich überzeugt: Jetzt ist der Film fertig, jetzt hat er Seele. x

Fatih Akin (geb. 1973) drehte u.a. »Im Juli« (2000), »Gegen die Wand« (2004). »Auf der anderen Seite« (2007), »Soul Kitchen« (2009), und »The Cut« (2014).

»tSChiCK«: eine erfolgSgeSChiChte Wolfgang Herrndorfs Roman erschien 2010, wurde zum Bestseller mit mehr als einer Million verkaufter Exemplare und seitdem in 24 Sprachen übersetzt. Die Hörbuch-Ausgabe (Argon, 4 CD) wird von Hanno Koffler gelesen, eine Hörspielfassung (Regie: Iris Drögekamp, Argon, 2 CD) erschien ebenso 2011 wie eine Bühnenfassung am Staatsschauspiel Dresden (Regie: Jan Gehler). Das Theaterstück war in der Saison 2012/13 mit 764 Aufführungen das meistgespielte Stück an deutschen Bühnen.

Für die Verfilmung war zunächst David Wnendt (»Kriegerin«, »Feuchtgebiete«, »Er ist wieder da«) als Regisseur vorgesehen, bevor Fatih Akin die Inszenierung übernahm.

Für Frühjahr 2017 ist eine Operninszenierung am Theater Hagen (Regie: Roman Hovenbitzer) angekündigt.

Fotos: StudioCanal

Sie haben das Projekt zwei Monate vor Drehbeginn übernommen. Da gab es nicht nur Drehbuchprobleme zu lösen.

Akin: Mein Vorgänger hatte Maik mit einem 18-Jährigen besetzt, der zwar aussah wie 16, aber doch nicht so, dass ihn jeder Tankwart fragen würde: Ey Junge, wie alt bist zu eigentlich? Die Kids dürfen nicht mit dem Auto erwischt werden, das ist die große Gefahr, die sie auf ihrem Trip ständig begleitet. Sie sind einfach zu jung, das muss man ihnen ansehen. Am allerersten Arbeitstag kam Jacqueline Rietz, die das Kindercasting gemacht hat, zu mir: Tschick sei schwierig zu besetzen, aber einer sei dabei, der habe sich selbst zu Hause gefilmt. Er hatte die Szene gespielt, wo Tschick Maik sagt, dass er schwul ist. Ich habe das gesehen und wusste: Das ist er. Als die ersten Fotos mit Anand Batbileg Chuluunbaatar als Tschick kursierten, haben einige Leser bei Facebook gepostet: Ey, ich denke, der soll Russe sein. Die haben den Roman nicht richtig gelesen. Herrndorf schreibt: »Außerdem hatte er statt Augen Schlitze.« Und: »Sah aus wie ein Mongole.« Dann haben wir ewig keinen Maik gefunden. Bis eine Woche vor Drehbeginn. Jacqueline hatte für eine Nebenrolle in der Klasse Tristan Göbel vorgeschlagen. Ich kannte ihn aus dem Kino: Mit meinem Sohn hatte ich den Kinderfilm »Winnetous Sohn« gesehen. Tristan ist mir gleich aufgefallen.

Der Junge hat ein ganz besonderes, klassisches Gesicht. Hübsch, aber kein Teenie-Schwarm aus der »Bravo«. Gutaussehend, aber kein Beau. Melancholie, aber trotzdem Witz. Aber Tristan war so klein, eben noch ein Kind. Ich dachte mir: Er hat die Unsicherheit, die Maik haben muss, andererseits eine solche Kraft, die ihn in Extremsituationen – ein aufwändiger Dreh mit einer großen Crew und 40 Drehtagen ist eine Extremsituation – wachsen lässt.

Es ist genauso gekommen, wie ich es prophezeit hatte. In der ersten Woche drehten wir die Szene, wie Maik mit Isa am See knutscht, und am nächsten Tag ruft Andrew Bird, mein Cutter, mich aus dem Schneideraum an: Was habt ihr mit dem Jungen gemacht? Der ist älter geworden, schau’ dir mal seinen Bart an. Da sind seine Hormone explodiert, der ist dann auch in der Länge gewachsen. Da hast du Coming of Age, buchstäblich vor der Kamera.

filmkunst veit harlan

Schöner Sterben Ästhetik des Unmenschlichen: das melodram »OpfErgang« vo n veit harlan wUrde aUf wÄ n d i g r e staUriert er gilt als einer der besten deutschen spielfilme des 20. Jahrhunderts. auf der liste der 100 besten filme aller Zeiten setzte ihn der »spiegel« vor 20 Jahren auf Platz sechs: »opfergang«, 1943 inszeniert von veit harlan. Beim diesjährigen filmfestival in venedig wurde der film in restaurierter fassung wiederaufgeführt, danach wird er auch im kino zu sehen sein und auf dvd erscheinen – gemeinsam mit harlans zeitgleich gedrehtem film »immensee«. Von Rüdiger Suchsland Lauter Untote. Man könnte sagen: Dies ist das Melodram eines Mannes, der zwischen zwei Frauen steht. Die eine ist wie eine Vampirin, die ein wenig blutleere, bleiche Angehörige eines lichtscheuen Geschlechts. Die andere ist ein lebender Leichnam: Schon völlig in Besitz genommen von einer tödlichen Krankheit, und darum geradezu glühend in einem ultimativen Aufflammen ihrer Lebenskraft.

Es sind lauter letzte Male, die sie erlebt. Zwei Monster, die auf unterschiedliche Art an dem an sich gesunden Mann zehren, ihn seiner Energie berauben, ihn schwächen, auffressen. So könnte man diesen Film erzählen.

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Auch so geht es: »Die Farben handeln selbst. Sie machen einen Aspekt von Wirklichkeit sichtbar, der ohne sie unkenntlich bliebe.

Die Atmosphäre.« Dies schrieb Frieda Grafe in ihrem Text zur Farbfilm-Retrospektive auf der »Berlinale« 1988. Für sie war »Opfergang«, Veit Harlans vorletzter Film im Dritten Reich, »der fiebernde Höhepunkt des Nazi-Kinos«. Und weiter: »Die Todeserotik ist unverhüllt. Das gesunde Aussehen nur Schein, krankhafte Rötung, von erhöhter Temperatur und Erregung hervorgerufen. (...) An der Intensität der Rottöne lassen die dramatischen Höhepunkte sich ablesen.« Diese durch das Agfacolor-Material gespeiste Dramatik hat etwas Fantastisches, Exzessives, eine Leidenschaft und Willkür, die dem deutschen Kino selten eigen ist. Zugleich liegt genau darin aber auch ein angestrengt-hysterischer Zug. Dieser letzte Gipfel des Verzauberungswillens des NS-Kinos, ist nicht nur großartiges Spektakel, sondern erkennbar in vielem auch das Filmwerk einer Endzeit. Ein Film wie auf LSD, der selbst als Droge funktioniert, die nicht gerade niedrig dosiert ist – auch dies ein Stück deutscher Mentalitätsgeschichte.

Ei n fasc histischEr film Muss man hinzufügen, dass ein solches Melodram, das mehr von seiner Form lebt als von seiner reichlich obskuren Geschichte, dann natürlich Bildermacher wie Douglas Sirk – der, was gern unter den Teppich gekehrt wird, im NS-Deutschland auch eine ganze Weile durchaus geschmeidig Karriere gemacht hatte – besonders interessiert hat, und Hysteriker des deutschen Kinos, wie Fassbinder oder Schlingensief? Letzterer drehte mit »Mutter Maske« sogar ein pfiffiges »Remake« des Films gedreht.

Dieser Film ist eine Legende. Zuallererst, weil er in den letzten Jahren nicht zu sehen war. Es gab kaum erhaltene Filmkopien, und auch in Zeiten, in denen jedes mittelmäßige TV-Event sofort auf DVD erscheint, keine offizielle Disc, sondern nur Schwarzkopien einer über 20 Jahre alten VHS-Edition. Obwohl »Opfergang« noch nicht einmal zu jenen Werken gehört, die unter dem – inzwischen auch aus vielen Gründen fragwürdig gewordenen – Aufführungsvorbehalt für NS-Filme steht.

Zur Legende trägt der Regisseur bei: Veit Harlan ist trotz fast 30 Spielfilmen in die deutsche Filmgeschichte vor allem als Macher des infamen antisemitischen »Jud Süß« eingegangen – einem Film gewordenen Mordaufruf. Harlan war »des Teufels Regisseur«,

veit harlan filmkunst zitiert und ein Ehebruch gezeigt wird, auch anderes, das den braunen Machthabern nicht genehm war, ist da nur ein Aperçu.

Aus heutiger Sicht können manche Szenen nicht nur wie eine Vorahnung des deutschen Untergangs wirken, sondern wie die Absetzbewegung eines Täters.

f r agw ürdigE »ObjEktivität« dEr rEstau r at i O n

der Lieblingskünstler von NS-Propagandaminister Goebbels. Harlan war ohne Frage ein »auteur«, in dessen Filmen eine individuelle kinematografische Handschrift zu erkennen ist. Aber er war auch ein Nationalsozialist – ob aus Opportunismus oder aus innerer Überzeugung, tut dabei nichts zur Sache. Denn das nationalsozialistische Engagement ist von seinem Werk nicht zu trennen. Es ist auch nicht auf einen Teil dieses Werks zu beschränken.

Insofern ist »Opfergang« bei allen Bezügen zu Älterem, etwa den Nachtstücken der Schwarzen Romantik und dem wagnerianischen Untergangspathos, eine nur scheinbar »unpolitische« Geschichte und ein essenziell faschistischer Film. Nur ist mit dieser Feststellung weniger gesagt, als man glaubt: Man muss nicht Riefenstahl, Celine oder d’Annunzio bemühen, um festzustellen, dass Kunst moralisch verwerfliche und politisch verachtenswert sein kann, und trotzdem große Kunst, allemal seriöse Auseinandersetzung verdienend. Gerade wenn Filme beides sind, werden sie gefährlich.

Fotos: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

dEr siEg dE r bü rg E r l i c h kE i t Bei »Opfergang« kommt hinzu, dass der Film noch ambivalenter als der Durchschnitt des NS-Kinos ist, der immer mindestens zwei Seiten hat und scheinbar Unvereinbares verknüpft. Gerade das war einer der Tricks von Goebbels’ Propaganda-Maschine.

Man könnte soweit gehen und in »Opfergang« Harlans sehr persönliche Form von Widerstand sehen, eine Absetzbewegung: Todessehnsucht wünschten die Nazis weniger als Todesbereitschaft. Und will man in Metaphern denken, dann ist Albrecht, der Mann im Zentrum, ein deutscher Odysseus, der nicht heimkehren und zwischen Scylla und Charybdis vor allem von keiner lassen, beider Gesänge genießen will. Eine Metapher für ein Deutschland, das zwischen zwei Möglichkeiten zerrissen ist: westlich-ziviler Bildungsbürgerlichkeit und den Ekstasen wonnevoller, naturnaher Barbarei. Die Pointe liegt darin, dass bei Harlan – und hier hat er die Novelle von Rudolf G, Binding, die dem Film als Vorlage diente, bezeichnend verändert – hinter der vermeintlichen Gesundheit, das Kranke lauert, und dass die in dunklen, schweren Farben gemalte Dekadenz der bürgerlichen Oberklassen-Welt, das im NS-Jargon »Alte« und »Welke« über die »junge neue Zeit« siegt. Dass darüber hinaus Nietzsche

Dass es keinen Grund gibt, Veit Harlan reinzuwaschen, zugleich aber viele Gründe, sein Werk sehr aufmerksam anzuschauen, das belegt auch sein Film »Immensee«, eine auf »Blut und Boden«-Werte und NS-Verzichtspathos getrimmte TheodorStorm-Verfilmung. Wie die B-Seite von »Opfergang«. Harlan drehte beide Film »back-to-back«, also gleichzeitig, mit demselben Team, weitgehend denselben Darstellern – wobei seine Ehefrau Kristina Söderbaum sowieso immer dabei war. Hier überlebt die »Reichswasserleiche« sogar das Filmende. Denn hier steht nun eine Frau zwischen zwei Männern, ergo zwei Prinzipien: Stadt und Land, kosmopolitische Kunstambition und bescheidenes, aber echtes Leben. Ähnlich wie bei anderen verfehmten Werken zeigt auch die Geschichte dieser Filme: Man kann dem »Fascinating Fashism« (Susan Sontag) nicht durch Bilderverbote Herr werden. Das Verdrängte kehrt immer zurück.

Ein Wort noch zur Restauration: Dass digital nur scheinbar praktischer ist, nicht besser, hat sich herumgesprochen. Fatal aber ist es, dass Restaurateure neuerdings, wie in diesem Fall, mit dem Argument scheinbarer »Objektivität« und mit technischen Datensätzen fuchteln und ins Bildgedächtnis eingreifen.

Der restaurierte Film »Opfergang« wird oft sehr pastellig und mit einem Grauschleier überzogen, und gerade das intensive Türkisblau des Agfacolor, der Gelbton, sein Rot sind getilgt. Das mag dann so »gedacht« und sogar theoretisch und »objektiv« korrekt sein. Aber der restaurierte Film ist nur noch zu 80 Prozent jener Film, den Frieda Grafe auf der Leinwand sah. Das Fieber ist abgekühlt. Hoffentlich gibt es irgendwo noch ein paar analoge 35mm-Kopien. x

hinwEis die von der friedrich-wilhelm-murnau-stiftung durchgeführten restaurierungsarbeiten zu veit harlans parallel gedrehten melodramen »immensee« und »opfergang« fanden in Zusammenarbeit mit der filmwissenschaftlerin Barbara flückiger (schweizer forschungsprojekt diastor) statt; die technischen arbeiten wurden von arri media vorgenommen. die außergewöhnliche Ästhetik, die beide filme zu wichtigen filmhistorischen Zeitdokumenten macht, ist stark mit dem agfacolor-verfahren verbunden. mehr infos dazu unter: http://murnau-filmtheater.de/projekt-immenseeopfergang »immensee« und »Opfergang« erscheinen gemeinsam auf dvd und blu-ray am 22. september. anbieter: concorde. fsk: ab 6.

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KritiKen neue Filme

Intensives Gewissensdrama um das Tabuthema Spätabtreibung Astrid Lorenz ist eine Marke. Wo immer die erfolgreiche Komikerin die Bühne betritt, weiß das Publikum, was es zu erwarten hat: Unverblümtes über Frauen, Männer und die Welt, präsentiert mit echter Berliner Schnauze und Selbstironie. Und wenn sich die Umstände in Astrids Leben ändern, wird das einfach ins Bühnenprogramm integriert. So lässt sich ihre zweite Schwangerschaft für Scherze über den wachsenden Bauch, überforderte Väter und sogar ein wenig kritische Gegenwartsanalyse nutzen. »Schwanger? Das versteht heute doch gar keiner mehr«, heißt es dann, oder auch: »Die Leute gucken mich an, als ob ich sagen würde, dass ich nach Nordkorea ziehe oder zum IS gehe!« Leicht hingeworfen klingt es, wenn Lorenz das sagt, doch schon in diesen frühen Momenten in »24 Wochen« ist eine tiefe Verunsicherung zu spüren: Ihr PromiStatus bringt es mit sich, dass ihr Körper nicht ihr allein gehört – die Öffentlichkeit fordert ihren Anteil, auch und gerade an der Schwangerschaft.

Anne Zohra Berrached braucht nur kurze Zeit, um die Hauptfigur mitsamt ihrer Umgebung zu umreißen: der treusorgende Ehemann und Manager Markus, beider neunjährige Tochter Nele, Astrids etwas chaotische, aber

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hilfsbereite Mutter. Alle sind voller Vorfreude auf das Baby, sodass der Schock enorm ist, als eine Routineuntersuchung im sechsten Monaten ergibt, dass das Kind mit Down-Syndrom geboren werden wird. Unsicherheit macht sich bei den Eltern breit, doch sie können sich noch einmal fangen. Ratschläge und Hilfsangebote für den Umgang mit einem behinderten Kind finden sie zuhauf, und was sie an ablehnenden Kommentaren hören, kommt ihnen reichlich menschenverachtend vor. Schwerer tun sich Astrid und Markus damit, dass ihr Baby voraussichtlich auch mit einem Herzfehler zur Welt kommen wird. Eine Heilung schließen die Ärzte aus, dem Kind stehen etliche Operationen bevor, deren Erfolg ungewiss ist.

In dieser Situation driften die werdenden Eltern erstmals in ihren Ansichten auseinander: Für Astrid ist die ins Spiel gebrachte Idee einer Spätabtreibung durchaus eine Option, während Markus sich entschieden dagegen ausspricht. Sein moralisches Empfinden rebelliert gegen die Vorstellung, auf diese Weise über das Überleben eines anderen Menschen zu entscheiden.

Beispielhaft rollte der Film dieses Dilemma mit seinen ethischen und gesundheitlichen Implikationen auf, erkennbar darauf

bedacht, sie nicht gegeneinander auszuspielen. Die 1982 geborene Regisseurin setzt auf die Stilmittel, die sie schon in ihrem Debüt »Zwei Mütter« (2013) nutzte: sorgfältige Recherchen, die Auftritte echter Ärzte, Psychologen und Hebammen im Film, ein von professionellen Schauspielern gespieltes Paar, das diskussionsfreudig Argumente und Möglichkeiten miteinander verhandelt.

Insbesondere die der Spätabtreibung auch nach der 24. Schwangerschaftswoche, bei der das ungeborene Kind durch eine Spritze getötet wird: für die Mutter risikoarm, (in Deutschland) juristisch abgesichert, in moralischer Hinsicht aber auch unter Medizinern höchst umstritten.

Eine Auflösung dieser Gewissensfrage darf man von »24 Wochen« nicht erwarten. Berracheds erklärte Absicht ist eine offene Debatte über die Praxis der Spätabtreibung, kein Bekenntnis zu einer Position. Leicht macht sie es sich also nicht, und wie konsequent sie es ihren Figuren verweigert, eine für sie konforme Lösung zu finden – neben allem anderen ist auch noch Astrids Prominenz ein bedeutsamer Faktor –, ist durchaus beachtlich.

Gleichwohl lässt sich über die schematische Ausrichtung des Drehbuchs nicht hinwegsehen, in dem sich jede Szene und Dialog-

BeWertung Der FiLmKommiSSion

eine auf der Bühne erfolgreiche Komikerin erfährt im sechsten monat ihrer Schwangerschaft, dass ihr Kind mit dem Down-Syndrom auf die Welt kommen wird. nach anfänglicher unsicherheit arrangieren sie und ihr mann sich mit der Situation, als bei dem embryo ein Herzfehler entdeckt wird. Während die Frau eine Spätabtreibung ins Auge fasst, argumentiert ihr mann entschieden dagegen. Das gründlich recherchierte Drama entwickelt die diametralen Positionen in intensiven Dialogszenen sowie einer ausgewogenen Darstellung des Gewissenskonflikts. Weil der Film selbst dabei keine Stellung bezieht, bleibt er in seiner Aussage letztlich vage, zumal die Akribie des Drehbuchs durch die konventionelle inszenierung eher konterkariert wird. – Ab 16.

Deutschland 2016 regie: Anne Zohra Berrached Darsteller: Julia Jentsch (Astrid lorenz), Bjarne mädel (markus Häger), emilia Pieske (nele), Johanna Gastdorf (Beate lorenz), maria Dragus (Kati) Länge: 102 min. | Kinostart: 22.9.2016 Verleih: neue Visionen | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 44 136

Fotos S. 36–51: Jeweilige Filmverleihe

24 Wochen

zeile dem Thema des Films unterordnen. Das macht »24 Wochen« recht vorhersehbar, sobald man die Konstruktion einmal durchschaut hat, und den Disput damit ziemlich spannungsarm. Zumal die Akribie des Drehbuchs keine Entsprechung in der Inszenierung findet: Die Ästhetik bleibt auf Fernsehniveau, und selbst so patente Darsteller wie Julia Jentsch und Bjarne Mädel können ihre Figuren nicht immer von ihren papierenen Ursprüngen befreien. So anerkennenswert die intime Nähe und gründliche Recherche des Films sind: Etwas mehr formaler Wagemut hätte ihm definitiv nicht geschadet. Marius Nobach

neue Filme KritiKen

Snowden

Oliver Stones konventionelle Filmbiografie des Whistleblowers Edward Snowden

Die Helden des digitalen Zeitalters kriegen nicht viel Sonne ab.

Ob er in Wirklichkeit auch so blass sei, chattet seine Freundin in spe mit dem Whistleblower in spe Edward Snowden, als der, von den körperlichen Strapazen des Militärdiensts gebrochen, in einem Krankenhausbett liegt.

Zum Ende hin, als die Schlacht um den Code und die Dateien geschlagen und ein Etappensieg errungen ist, lässt Oliver Stone seinen Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt aus dem Serverbunker ins gleißende Licht stolzieren, ein Moment des sagenhaft übertriebenen Kitsches.

Ein Held muss er schließlich sein, dieser Edward Snowden, sonst würde es sich ja nicht lohnen, seine Geschichte noch einmal oder überhaupt zu erzählen. »I’m not the story here«, sagte der blasse Snowden damals in seinem Hongkonger Hotelzimmer zur Dokumentarfilmerin Laura Poitras und dem Journalisten Glenn Greenwald. Auch wenn dieser Satz aus »Citizenfour« bei Oliver Stone nicht fällt, so zitiert der streitbare Regisseur Poitras’ Film doch immer wieder und wählt dessen Setting als Rahmung seiner eigenen Erzählung.

Die Vorgeschichte von Snowdens Enthüllungen ist die der Gewissensbildung eines Mannes, der als glühender Patriot nach dem Aus-

scheiden aus dem Militär bei der CIA anheuert, nach einer skrupellosen Episode in Genf aber ausscheidet, um als freier Berater von IT-Firmen schlussendlich doch wieder bei den Geheimdiensten zu landen. Seine Bedenken wachsen. Beim zweiten Einstellungstest am Lügendetektor zittert die Nadel gewaltig, als er bejahen muss, dass die USA das großartigste Land der Welt seien. Seine Beziehung mit Lindsay Mills, der Dame aus dem Chat und einer überzeugten Linksliberalen, bröckelt und fügt sich doch wieder zusammen. Der Weg zum Helden ist bei Stone kein geradliniger.

Der Regisseur und sein Co-Autor Kieran Fitzgerald haben während der Vorbereitung mit Snowden gesprochen. Außerdem stützen sie sich auf Luke Hardings Buch »Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre«, das der Autor ohne direkten Kontakt zum Whistleblower verfasste – und auf »Time of the Octopus«, einen von den realen Begebenheiten inspirierten Roman von Snowdens russischem Anwalt Anatoli Kutscherena. Das Ergebnis ist ein glatt gebügeltes Patchwork aus authentischen, halbfiktionalen und fiktionalen Quellen, vermengt mit popkulturellen Anspielungen.

Der Drill in Snowdens Militärdienst erinnert bis in einzelne Einstellungen an Stanley Kubricks

»Full Metal Jacket«, Snowdens erster CIA-Mentor O’Brien soll seinen Namen dem Parteifunktionär aus Orwells »1984« verdanken. All dies strukturiert sich allerdings streng in der chronologischen Abfolge von Snowdens Aufträgen und seinen Entdeckungen, die nach den Regeln des emotionalisierenden Biopics mit privatunheroischen Facetten als liebender, leidender, durch seine Tätigkeit aber auch extrem anstrengender Beziehungspartner kontrastiert werden.

Gordon-Levitt spielt Snowden mit einer mysteriösen Mischung aus Kontrolle und Schüchternheit, aus leiser, aber tiefer Stimme und leicht verhuschtem, dann wieder konzentriertem Blick, die das öffentliche Image seines Vorbildes kennzeichnet. In der Werkgeschichte von Oliver Stone wurde aus Snowdens Geschichte ein braver, auffallend konventioneller Film. Die rasante Montage, das hysterische Nebeneinander von Eindrücken, Auflösungen und Einstellungen findet sich nur in den wenigen Momenten, in denen die dokumentarische Kamera im Hotelzimmer simuliert werden soll – oder wenn die bekannten KinoMetonymien des Hackertums, die über die Leinwand laufenden Programmzeilen, die galaxienartigen abstrakten Netzwerke zwischen den ausgespähten Usern ins

grobpixelige, riesige SmartphoneSelfieüberwachungsbild des einzelnen Users münden. Den haben wir. Dich auch.

Die nachhaltigsten Momente erzielt der Film, der auch unangenehm didaktische Augenblicke besitzt, genau dort, wo er dem Laien die Alltagsmacht offenlegt, die sich hinter Ausdrücken wie XKeyscore oder Prism versteckt.

Zwei junge Kerle aktivieren am anderen Ende der Welt einmal die Webcam einer Frau, der sie beim Ausziehen zuschauen. Später findet das digitale Heroentum auch seinen cineastischen Ausdruck: In Zeitlupe senkt sich ein Fuß auf eine Speicherkarte, damit der Vorgesetzte sie nicht entdeckt.

Mehr Physis braucht es heute nicht mehr, um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Tim Slagman BeWertung Der FiLmKommiSSion

Die rückblickend erzählte lebensgeschichte des uS-amerikanischen Whistleblowers und ehemaligen CiA-mitarbeiters edward Snowden, deren Rahmen Snowdens Gespräche mit dem Journalisten Glenn Greenwald in Hongkong bilden, in das Stationen seiner allmählichen Politisierung eingeflochten sind. Während das allzu glatte Patchwork aus popkulturellen Anspielungen sowie authentischen, halbfiktionalen und fiktionalen Quellen mitunter unangenehm didaktisch gerät, verdichtet sich der Film immer dann bedrückend und eindringlich, wenn die macht der allumfassenden Überwachung an konkreten einzelbeispielen dargelegt wird. – Ab 14.

SnoWDen. Scope. uSA 2016 regie: Oliver Stone Darsteller: Joseph Gordon-levitt (edward Snowden), Shailene Woodley (lindsay), melissa leo (laura Poitras), nicolas Cage, Zachary Quinto, Tom Wilkinson Länge: 134 min. | Kinostart: 22.9.2016 Verleih: universum | FD-Kritik: 44 137

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Sinistrer Psychothriller mit einem Home-Invasion-Sujet und einem überragenden Hauptdarsteller

Was genau Vincent (Matthias Schoenaerts) bei seinem Kampfeinsatz in Afghanistan erlebt hat, erfährt man nicht. Es gibt keine Rückblenden im zweiten Langfilm von Alice Winocour, nur eine Gegenwart, in der der junge Soldat wieder in Frankreich ist, aber irgendwie trotzdem noch im Krieg.

Der klingelt ihm sozusagen noch in den Ohren. Bei einem Arztbesuch erfährt man, dass Vincent psychisch und physisch angegriffen ist; die Beeinträchtigung seines Hörvermögens lässt den Arzt einen nochmaligen Einsatz bezweifeln.

Die Tonspur des Films vergegenwärtigt immer wieder Vincents akustische Wahrnehmungswelt, in der Geräusche auftauchen, die es womöglich nur in seinem Kopf gibt, und andere Geräusche nur gedämpft ankommen, die bei der Orientierung in der realen Welt helfen und vor Gefahren warnen könnten, was ein konstantes Gefühl der Unsicherheit zur Folge hat. Dass Vincent angesichts dieser Verfassung Probleme mit dem Job als Bodygard bekommt, für den ihn ein Kumpel anheuert, liegt auf der Hand.

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Dennoch schließt er sich einem Team an, das bei einer Party eines reichen Libanesen für die Sicherheit der Gäste verantwortlich ist.

Der Abend ist für den Soldaten voller Irritationen. Trotzdem lässt er sich für einen weiteren Job anwerben: Er soll die deutsche Ehefrau des Libanesen (Diane Kruger) und deren kleinen Sohn beschützen, während ihr Mann überstürzt zu einer dubiosen Reise aufbricht. Vincent sagt vielleicht auch deshalb zu, weil ihm die blonde Frau während der Party ins Auge gestochen ist. Allerdings merkt er bald, dass der Job keineswegs aus bloßem High-Society-Babysitting besteht.

Er spürt die Gefahr, doch aus welcher Richtung die diffuse Bedrohung kommt, vermag er nicht sagen, und außer ihm scheint niemand die Anzeichen ernst zu nehmen.

Im Kern entpuppt sich der Thriller als schlichter Home-Invasion-Stoff, der geschickt ein Urangst-Szenario ausspielt: Auf Vincents starken, durch seine Kriegserfahrungen jedoch psychisch

Felicitas Kleiner

diSorder/marYland. frankreich 2015 regie: alice Winocour darsteller: Matthias Schoenaerts, diane Kruger, Percy Kemp, Paul Hamy länge: 99 Min. anbieter: Koch fd-Kritik: 44 162

Fotos: Jeweilige Anbieter

der Bodyguard – Sein letzter auftrag

geschwächten Schultern liegt die ganze Verantwortung für eine fragile Frau und ihr kleines Kind. Während sich draußen Unheil zusammenbraut, erweist sich die prächtige Villa trotz Videoüberwachung als unzureichender und überdies schwer zu verteidigender Schutzraum. Allerdings setzt Alice Winocour nicht auf eine konventionelle Suspense-Dramaturgie, vielmehr inszeniert sie einen sinistren Psychothriller, bei dem man lange nicht weiß, was eigentlich das Schlimmste ist: das, was Vincent draußen vermutet, oder Vincents Furcht, die ihn in ständige Alarmbereitschaft zu versetzen scheint. Das Paranoia-Szenario, das die Regisseurin eindrucksvoll umsetzt, trifft ins Herz des von Terror-Ängsten überschatteten Zeitgeists. Dazu kommen Spannungen zwischen Vincent und seinen Schützlingen.

Der Soldat aus der Banlieue laviert ungeschickt zwischen seiner Position als Angestellter und der Rolle als »Mann im Haus«, was für Reibungen zwischen ihm und der Frau sorgt, weshalb sich nur sehr langsam ein Vertrauensverhältnis herausbilden kann.

Während in vergleichbaren Thrillern die Gewalt oft zur Katharsis überhöht wird, bei der sich die Spannungen entladen und beschädigte Helden die Chance erhalten, sich durch den Kampf und das Ausfüllen der klassischen Beschützerrolle als Mann neu zu definieren, hält sich Alice Winocour in dieser Hinsicht bemerkenswert zurück.

Ausbrüche physischer Gewalt sind nur sehr sparsam (dann aber drastisch) eingesetzt, und dem Leibwächter wird etwas sehr Unerwartetes als Reaktion darauf abverlangt: Scham und Verstörung.

Matthias Schoenaerts füllt das ähnlich intensiv aus wie im Drama »Bullhead« (2011) von Michaël R. Roskam, wo er ebenfalls zwischen Grobschlächtigkeit und Sensibilität changiert. – Sehenswert ab 16.

KRITIKEN FERNSEH-TIPPS

SA 10.00 – 11.30 One Song from the Forest R: Michael Obert Ethnologe zeigt afrikanischem Sohn die USA Deutschland 2013 Sehenswert ab 14 14.50 – 16.25 One Astronaut Farmer R: Michael Polish Farmer bastelt sich Rakete USA 2007 Sehenswert ab 12 20.15 – 22.50 Mission: Impossible – Phantom Protokoll R: Brad Bird Agenten-Action mit komödiantischen Spitzen USA 2011 + 22.50 – 01.15: Mission: Impossible 3 R: J.J. Abrams

SO

SAMSTAG 17. SEPTEMBER

SAT.1

Ab 14

20.15 – 23.05 Servus TV Der talentierte Mr. Ripley R: Anthony Minghella Raffinierte Highsmith-Adaption USA 1999 Ab 16

23.05 – 01.00 Servus TV The Cooler – Alles auf Liebe R: Wayne Kramer Ansteckender Pechvogel verliebt sich USA 2003 Ab 16 00.55 – 02.20 Strahlende Wüste R: Fred Garson Packender Politthriller Frankreich 2011

arte

Ab 16

01.15 – 03.48 Das Erste Insider R: Michael Mann Zwei Mann gegen die Tabakindustrie USA 1999 Sehenswert ab 16 03.00 – 04.40 ZDF Sturmfahrt nach Alaska R: Raoul Walsh Die Abenteuer eines Robbenjägers USA 1952 Ab 12

SONNTAG 18. SEPTEMBER

10.15 – 11.50 mdr Love Birds – Ente gut, alles gut!

R: Paul Murphy Liebenswerte romantische Komödie Neuseeland 2011 Ab 12 ERSTAUSSTRAHLUNG: 17. September, 20.15 – 21.45

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Konfuzius

Die Lehren von Kong-tse (551 -479 v. Chr.) oder Konfuzius, wie er im Westen genannt wird, bestimmen das chinesische Denken bis in die Gegenwart. In der aufwändigen Dokumentation von Hugo MacGregor werden die Ideen des Philosophen mit wichtigen Stationen seines Lebens und der Geschichte des Konfuzianismus verknüpft. Darin geht es im Kern um die menschliche Ordnung, um Themen wie Familie, Freundschaft, Bildung oder Staatsführung, was zu einem Gleichgewicht zwischen egoistischem Verlangen und sozialer Verantwortung führen soll.

Die chinesischen Kaiser machten diese Ideen zur Grundlage der gesamten Kultur. Heute wird Konfuzius nicht nur in China, sondern auch in Vietnam, Südkorea und Japan mit prunkvollen Zeremonien verehrt; der Konfuzianismus ist in Asien lebendiger denn je.

18. September, 06.35 – 23.50

13.05 – 14.50 One Dialog mit meinem Gärtner R: Jean Becker Stimmungsvolles Freundschaftsporträt Frankreich 2007 Sehenswert ab 14 14.50 – 16.30 ZDF Kalender Girls R: Nigel Cole Ungewöhnliche Hausfrauen-Komödie Großbritannien 2003 Ab 14 22.35 – 00.50 Ich bin Kuba R: Michail Kalatasow Die kubanische Revolution in vier Episoden Kuba/UdSSR 1964

arte

23.55 – 01.45 ProSieben Centurion – Fight or Die R: Neil Marshall Michael Fassbender als Römer gegen wilde Briten Großbritannien 2010 00.20 – 02.05 TELE 5 Sleep Tight R: Jaume Balagueró Suggestiver Home-Invasion-Thriller Spanien 2011 Ab 16 3sat

17. September, 23.05 – 01.00

The Cooler – Alles auf Liebe

Servus TV

Man hätte die Rolle des »Pechvogels« Bernie Lootz nicht besser besetzen können: William H. Macy leiht ihm seine von Sorgen umwölkte Knittergestalt, der als »Cooler« in Las Vegas immer dann am Spieltisch auftaucht, wenn das Glück einem Gast besonders wohlgesonnen ist. Lootz klebt das Unglück förmlich am Anzug, was binnen Kurzem auch auf seine Umgebung ausstrahlt, weshalb ihn der Casino-Besitzer (Alec Baldwin) nicht mehr ziehen lassen will.

Eine Kellnerin (Maria Bello) soll deshalb mit dem Unglücksraben anbandeln und ihn so für länger binden. Doch als sich die Frau wirklich in Lootz verliebt, wandelt sich das Blatt. Plötzlich beginnen sogar seine Zimmerpflanzen wieder zu grünen, und selbst seine entlaufene Katze kehrt zu ihm zurück. Der unverhoffte Glückspilz wird so aber zum Risikofaktor fürs Geschäft. Diese ungewöhnliche Geschichte inszenierte Wayne Kramer als kurzweiliges Märchen mit lustvollen Anspielungen auf die Filmgeschichte, was die melancholischen Abgesänge auf das alte Las Vegas um eine schöne Nuance bereichert.

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3sat schwört seit Jahren immer mehr auf Thementage und hat sich dabei oft auch durch unerwartete Zusammenstellungen mit selten gezeigten Spielfilmen und Dokus hervorgetan. Bei den jährlich wiederkehrenden Western-Specials macht es sich der Kultursender allerdings eher einfach: Ein Spielfilm nach dem anderen, überwiegend »Dauerbrenner« des Fernsehens, Vertiefung Fehlanzeige. Immerhin überzeugt das Programm diesmal mit einigen hochklassigen Werken und logischen Klammern.

Neben allen drei »Old Surehand«-Filmen der deutschen Winnetou-Welle sind so auch vier Western mit John Wayne zu sehen, darunter zwei seiner Arbeiten mit John Ford.

06.35 – 07.40 Laurel & Hardy – Im Wilden Westen 07.40 – 10.35 Winnetous Rückkehr (2 Teile) 10.35 – 12.00 Unter Geiern 12.00 – 13.25 Old Surehand 13.25 – 14.55 Der Ölprinz 14.55 – 16.35 Mit Dynamit und frommen Sprüchen 16.35 – 18.35 Der Mann, der Liberty Valance erschoss 18.35 – 20.15 Der Teufelshauptmann 20.15 – 22.10 Die vier Söhne der Katie Elder 22.10 – 23.50 Keine Gnade für Ulzana

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

Thementag: Wilde Western

FERNSEH-TIPPS KRITIKEN

MO

MONTAG 19. SEPTEMBER

20.15 – 21.50 Die Gewaltigen R: Burt Kennedy Aufwändiger Star-Western USA 1966 19. September, 20.15 – 22.05

TELE 5

Raumpatrouille Orion – Rücksturz ins Kino

18. September, ab 12.40

Thementag: Viva Cuba!

arte

Kuba befindet sich im Umbruch, was der kürzliche Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obamas vielleicht am deutlichsten unterstrichen hat. arte widmet der tiefgreifenden Umgestaltung auf der karibischen Insel einen eigenen Thementag. Unter dem Motto »Viva Cuba!« präsentiert der Sender eine Fülle von Beiträgen, die auch unter cineastischer Perspektive zur Entdeckungsreise einladen. So geht es in »Abgedreht!« (12.40 – 13.15) um die Dreharbeiten zu »Buena Vista Social Club« und einen frühen Kurzfilm von Agnès Varda (»Salut les Cubains«); »Kuba – Auf zu neuen Ufern« (14.35 – 16.50) spürt als fünfteilige Doku-Reihe den gesellschaftlichen Aufbrüchen nach; zur Primetime rekapituliert Sydney Pollack in »Havanna« (20.15 – 22.35) die Zeit, als das Bastista-Reich noch ein Eldorado für Pokerspieler wie Jack Weil (Robert Redford) war, der sich in dem Polit-Thriller in die Frau einer Revolutionärs verliebt. Im Anschluss ist mit »Soy Cuba« (»Ich bin Kuba«, 22.35 – 00.50) ein echter Meilenstein der sowjetischen Filmkunst von Michail Kalatosow zu sehen, in dem der Luxus und die Verschwendungssucht der herrschende Klasse in langsamen, betont subjektiven Einstellungen angeprangert wird.

Zum 50. Jahrestag der ersten bundesdeutschen Science-Fiction-Serie »Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion« zeigt TELE 5 die Kinokompilation von Theo Mezger und Michael Braun, mit der 2003 die sieben Folgen für ein Revival auf der großen Leinwand zusammengefügt wurden. Dietmar Schönherr wird darin als Kommandeur der Orion zusammen mit seiner Crew zum Patrouillendienst verdonnert, kann sich aber mit dem weiblichen Sicherheitsoffizier (Eva Pflug) anfreunden, angriffslustige »Frogs« (Feindliche Raumverbände ohne galaktische Seriennummer) bekämpfen und die Erde retten. Die geschickt montierte Kurzfassung atmet den Geist der Zeit vor der Studentenrevolte und des mit ihr einhergehenden kulturellen Aufbruchs. Das Erfolgsgeheimnis der Serie, ihr naiver, unschuldiger Blick, war auch zur Entstehungszeit allzu offenkundig.

Mit schlichtesten Tricks und sehr fantasievollen, oft aber auch schlicht albernen Einfällen wird eine märchenhafte Zukunft herbeigezaubert, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. So hieß es zu Beginn jeder Folge: »Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen.«

Ab 19. September

ZDF/zdf.kultur

dffb wird 50

Die rbb-Reihe zum 50. Geburtstag der Berliner Filmhochschule mit Arbeiten berühmter Studenten (vgl. FD 18/2016) wird nun vom ZDF erweitert. Unter dem Motto »Rock ’n’ Roll Filmschool – dffb wird 50« zeigt der Sender zwei Abschlussfilme: In »liebeskind« (2005) von Jeanette Wagner trifft eine Jugendliche ihren Vater wieder, der einst seine Familie verließ, um Entwicklungshilfe zu leisten (00.10 – 01.30); anschließend folgt der stimmungsvolle GroßstadtKriminalfilm »Dunckel« (01.30 – 03.00), mit dem sich der damals 25-jährige Lars Kraume 1998 bereits als beachtliches Talent hervortat. zdf.kultur vervollständigt die Reihe am 23.9. mit Christian Petzolds »Pilotinnen« (23.05 – 00.10) und am 25.9. mit Hannes Stöhrs »Berlin is in Germany« (20.15 – 21.45). »liebeskind«

arte

Ab 16

20.15 – 21.50 One Sarahs Schlüssel R: Gilles Paquet-Brenner Schmerzvolle Entdeckung vergangener Schuld Frankreich 2010 Sehenswert ab 16 20.15 – 22.05 TELE 5 Raumpatrouille Orion – Rücksturz ins Kino R: Michael Braun, Theo Mezger Kinozusammenschnitt der Kultserie Deutschland 1966/2003 Ab 12 22.25 – 23.40 3sat Yalom's Cure R: Sabine Gisiger Irvin D. Yaloms Anleitung zum Glücklichsein Schweiz 2014 Ab 14 22.45 – 00.15 Das Erste Titos Brille R: Regina Schilling Schauspielerin sucht auf Balkan ihre Wurzeln Deutschland 2014 Ab 14 23.15 – 00.45 NDR fernsehen Fraktus R: Lars Jessen Porträt einer fiktiven Techno-Band Deutschland 2012 Ab 16 23.55 – 01.30 mdr The Company Men – Gewinn ist nicht alles R: John Wells Manager ringen mit Arbeitslosigkeit USA/Großbritannien 2010 Ab 14 00.55 – 02.25 arte Kaddisch für einen Freund R: Leo Khasin Kammerspielartiges Drama einer Annäherung Deutschland 2011 Ab 14

»Dunckel«

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