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+++ J.C. CHANDOR +++ PETER O’TOOLE +++ ATTILA ZOLLER +++ EDGAR G. ULMER +++

FILM DIENST Das Magazin für Kino und Filmkultur € 4,50 | www.fi www.filmdienst.de lmdienst.de 67. Jahrgang | 2. Januar 2014

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NACHLESE

WIR BLICKEN ZURÜCK

WARUM DAS JAHR 2013 KINOGÄNGER GLÜCKLICH MACHTE

SPIELW

ÜTIG

J A KOHBL DIE

CITYGUIDE

NEW YORK

STREIFZÜGE ZWISCHEN REALITÄT UND KINOTRAUM

WER IST

Ben Stiller tritt in die Fußstapfen von Danny Kaye. Beide Komödianten setzen nicht auf ein festes Rollenbild: Vielmehr lieben sie die Verwandlung.

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Kino

Akteure

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FILMKOMIKER ALS VERWANDLUNGSKÜNSTLER Die meisten Komiker haben ein festes Rollenbild. Andere hingegen bevorzugen die Metamorphose. Eine Hommage an jene Komödianten, die den Zuschauer immer wieder überraschen. Von Marius Nobach

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FACK JU GÖHTE Die Proll-Variante der alten Pennälerkomödie ist der Kinohit des Jahres 2013. Ein Erfolg, der nicht ganz von ungefähr kommt. Von Stefan Volk

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FD-CITYGUIDE NEW YORK WHAT A WONDERFUL TOWN

alle filme im tv vom 4.1. bis 17.1. das extraheft 48 Seiten Extra-Heft: Alle Filme 80.000 Film-Kriti k e n u n t e r w w w. f i lmdienst.d

DER PATE 4.1. zdf_neo

Ständige Beilage

IM TV 4.1.–17.1.2014

ATTILA ZOLLER Der Jazzgitarrist prägte in den 1960erJahren den Sound des Jungen deutschen Films. Seine Filmmusik ist soeben erstmals auf CD erschienen. Von Ulrich Kriest

im TV

e

X-MEN – ERSTE ENTSCHEIDUNG 6. 1. ProSieben

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SHINE A LIGHT 8. 1. zdf.kultur

PETER O’TOOLE

ZURÜCK NACH DALARNA! 15. 1. mdr

Als „Lawrence von Arabien“ ritt er durch die Wüste, später spielte er am liebsten Exzentriker. Ein Nachruf auf Peter O’Toole.

IM WELTRAUM GIBT ES KEINE GEFÜHLE 17. 1. einsfestival

In the Mood for Love Liebesfilm von Wong Kar-wai Taking Woodstock Drama rund ums legendäre Rockfestival Der blaue Engel Charakterstudi e von Josef von Sternberg

JAKOB DIEHL Der jüngere Bruder von August Diehl glänzt in Filmen als rebellischer Außenseiter. Dabei kam er eigentlich nur durch Zufall zur Schauspielerei. Von Alexandra Wach

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FILM

TUYAS HOCHZEIT 16. 1. mdr

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[7.1. ZDF.KULTUR] [10.1. EINSFESTIVAL] [12.1. BR FERNSEHEN]

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Der Pate 4.1. zdf_neo Shine a Light 15.1. zdf.kultur Tuyas Hochzeit 16.1. mdr

Hollywood-Korrespondent Franz everschor über das Traditionsstudio MGM, das sich nach einer Schlankheitskur mit neuen Filmen zurückmeldet (S. 27).

die auferstehung des mgm-löwen

Neue Filme auf DVD/Blu-ray 4

Fotos: TITEL: Twentieth Century Fox. S. 4/5: Paramount, Jörg Gerle, Constantin, Squareone, Arsenal Institut, Peripher, Real Fiction.

Danny Kaye, hier als „Der Hofnarr“, war der Meister der Verwandlungskunst.

Unzählige wunderbare Filme gibt es über die Metropole am Hudson, und immer noch regt sie zum Träumen an. Ein Spaziergang durch eine Stadt, die selbst ein Filmstar geworden ist. Von Jörg Gerle + Filminstitutionen und -infos + New Yorks schönste Kinos

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Film-Kunst 28

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Im vergangenen Jahr 2013 konnte man interessanterweise unter amerikanischen Komödien ebenso viel Anregendes finden wie bei experimentellen Low-Budget-Filmen. Von Rainer Knepperges

Neue Bücher über hybride Räume im Hollywood-Kino der letzten zwei Jahrzehnte und über Filmmusik im DEFA-Kino.

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MAGISCHE MOMENTE

RÜCKBLICK AUF 2013

DVD-PERLEN Der deutsche Emigrant Edgar G. Ulmer drehte in Hollywood meisterhafte BFilme wie „Detour“ und den Western „Santiago - der Verdammte“. Von Ralf Schenk

LESETIPPS

seine verwandten kann man sich nicht aussuchen. im aktuellen kino erweist sich das einmal mehr als globale gewissheit: sei es in der deutschen tragikomödie „das merkwürdige kätzchen“, dem amerikanischen independent-film „i used to be darker“ oder dem israelischen drama „bethlehem“.

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Vier Männer und zwei Lkws voller Nitroglyzerin: Henri-Georges Clouzots Thriller „Lohn der Angst“. Von Rainer Gansera

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s. I USED TO BE DARKER

Neue Filme + ALLE STARTTERMINE

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s. DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN

KinotiPP der katholischen Filmkritik

s. 38 ALL IS LOST [9.1.] Drama von J. C. Chandor

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MATT PORTERFIELD Als eigenwilliger „Realist“ erkundet der Independent-Regisseur amerikanische Lebenswelten. Ein Porträt anlässlich des Starts von „I Used to Be Darker“. Von Esther Buss

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Kritiken und Anregungen?

Bethlehem [9.1.] Dancing in Jaffa [9.1.] DIana [9.1.] Das erstaunliche Leben des Walter Mitty [1.1.] Das Geheimnis der Bäume [2.1.] I Used to Be Darker [9.1.] Imagine [2.1.] Matterhorn [9.1.] Das merkwürdige Kätzchen [2.1.] One Zero One [2.1.] Die Pute von Panem - The Starving Games [9.1.] StreetDance Kids [2.1.] Tamam Miyiz? [12.12.] The Happy Sad [9.1.]

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s. BETHLEHEM

RUBRIKEN editorial inhalt Magazin e-Mail aus hollywood im Kino mit ... Vorschau impressum

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Kontaktieren sie uns über info@film-dienst.de oder besuchen sie uns auf Facebook (www.facebook.com/filmdienst).

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durch

die

kinostadt

t o w n …

spaziergänge

Von Jörg Gerle

new

york

wo n d e r f u l

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FD-Cityguide

kino

schon mal woody allen begegnet? im carlyle hotel in new York spielt er gelegentlich klarinette. robert downey jr. joggt im central park, diane keaton kauft kuchen bei dean & deluca. die stardichte ist enorm am hudson bay, doch noch mehr beflügeln all die wunderbaren new-York-filme die fantasie, wenn man am empire state building vorbei flaniert oder in ein schaufenster von tiffany schaut. new York & das kino: ein liebesgeschichte, die nie zu ende geht. Das leichte Treiben des fallenden Schnees taucht den Central Park in ein unwirkliches, rosafarbenes Licht, und Vic Damone singt mit samtener Stimme aus dem Off „Our Love Affair is a wondrous thing…“. Wenn sich die Kamera zu einer sanften Fahrt über die Skyline von New York erhebt und Damone mit den Worten „…A Love Affair to remember“ endet, dann ist klar, dass hier nicht irgendeine x-beliebige Liebesgeschichte gemeint ist, die der Regisseur Leo McCarey im Winter 1957 erzählt. In seinem Film „Die große Liebe meines Lebens“ wird der Stadt New York, insbesondere einem ihrer Gebäude, ein Denkmal gesetzt. Das Empire State Building war zwar schon 24 Jahre zuvor zur Filmikone avanciert, als King Kong vor den Kampfflugzeugen auf seine Spitze flüchtete; doch ist es nicht viel einprägsamer, wenn Cary Grant einen ganzen Tag auf der Aussichtsplattform auf Deborah Kerr wartet, die kurz zuvor am Fuße des Gebäudes verunglückte? Es ist eine jener Sequenzen, die das Genre der Romantic Comedy nachhaltig prägte und in modernen Klassikern von „Schlaflos in Seattle“ bis „How I Met Your Mother“ wiederbelebt wurde. Wieviel Liebespaare sich dadurch wohl schon bewegen ließen, sich genau an jenem Ort Arm in Arm zu vergegenwärtigen, dass sie in der großartigsten Stadt der Welt verliebt sind? Aber natürlich ist es nie wie im Film, weil man an normalen Tagen, wenn keine Regenwolken die 102. Etage des 443 Meter hohen Wolkenkratzers einnebeln, mitunter Stunden braucht, bis man sich zur Aussichtsplattform gedrängelt hat. Dennoch muss natürlich jeder dort oben gewesen sein, der sich aufmacht, der schönsten Filmstadt der Welt einen Besuch abzustatten. In den Studios an der Westküste mögen die Kino-Träume ja produziert werden, doch an der Ostküste scheinen sie auf der Straße zum Greifen nah. Es gibt gute Gründe, warum einem nicht Los Angeles als Erstes einfällt, wenn man über US-Stadtlandschaften und das amerikanische Kino nachdenkt. Die Metropole am Hudson River ist als „Filmstar“ einfach noch markanter und prominenter; ein voluminöses Buch von Hendrik Sachs handelt ausschließlich von dieser Symbiose. Außerdem gibt es in New York im Gegensatz zu Los Angeles so etwas wie Bürgersteige, die es einem erlauben, diese gigantische Filmkulisse tatsächlich hautnah zu erleben. Und z.B. die Fifth Avenue von der 33. zur 57. Straße

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. ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| film­ institutionen und ­infos ||||||||||||||||||

hinaufzuschlendern, um nach dem Besuch des Empire State Building gleich noch in eines der nicht nur in der Vorweihnachtszeit wunderschön drapierten Fenster von Tiffany zu schauen und einem Gefühl unwirklicher Märchenhaftigkeit nachzuspüren, wie es Holly Golightly alias Audrey Hepburn bei ihrem weltberühmten Frühstück überkommt. Wenn nur die Straßen nicht derart überfüllt wären, dass jeder träumende Tourist einem Sicherheitsrisiko gleichkommt. Um dem Overkill an Passanten zu entfliehen, kann man sich z.B. zur 63. Ecke Lexington Avenue durchschlagen und in die „B“-Subway Richtung Brooklyn steigen. Wenn man nicht gerade zur Rush Hour unterwegs ist, genießt man das Ruckeln und den Lärm der alten Waggons, wie sie durch den schmutzigen und – je nach Jahreszeit – warmen oder schwülheißen Untergrund Richtung Süden quietschen, um nach einer halben Stunde jenseits des East River wieder aus dem Boden zu kommen. Dort, in Brooklyn, Bensonhurst, über der Stillwell und der New Utrecht Avenue schwebt man dann über der Stadt. Unten auf der Straße glaubt man, noch immer Detective Jimmy „Popeye“ Doyle in seinem Pontiac LeMans zu erkennen, wie er in „French Connection“ in der berühmteste Verfolgungsjagd aller Zeiten den Killer Pierre Nicoli jagt und auf den Stufen der Hochbahn schließlich stellt. Etwas erschöpft kann man dann in eines der mehr oder minder überteuerten, mehr oder noch mehr angeranzten Hotelbetten in Manhattan fallen und hoffen, dass Guillermo Del Toro Unrecht hatte, als er in „Mimic“ die Kakerlaken von New York aus die Weltherrschaft ergreifen ließ. Zwischen der Bronx im Norden und South Ferry im Süden, zwischen dem Holland

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Das museum of the moving image ist 2011 in futuristische Räume eingezogen und ein El Dorado für Filmfans, die aktiv erfahren wollen, wie Film funktioniert. Es beherbergt eine eindrucksvolle Sammlung an Filmartefakten, ein großartiges Kino mit filmhistorisch kuratierten Programm-Reihen und liegt direkt an den „Kaufman Astoria Studios“, in denen heute noch TV-Shows produziert werden (Queens 35th Ave, zwischen 36th und 37th St.; Mo. und Di. geschlossen!). Das moma beherbergt nicht nur Bildende Kunst , sondern wartet auch mit einem guten Kino und großartigen Film-Reihen auf (11 West 53. St., zwischen Fifth & Sixth Av.; http://www.moma.org/visit/films). Unter kundiger Führung erwandern kann man sich die Stadt mit Hilfe der “made in ny” walking tours, organisiert von The Mayor’s Office of Film, Theater and Broadcasting. Auf ihrer Webseite kann man sich Podcasts holen, um filminformiert durch die Straßen New Yorks zu schlendern oder grundsätzlich zu erfahren, was gerade in NYC produziert wird (siehe http://www.nyc. gov/html/film/html/for_fans/miny_walkingtour. shtml und http://www.nyc.gov/html/film/html/ for_fans/current_productions.shtml). Nicht versäumen sollten Filmfans einen Besuch bei kim’s Video & music, einem der wenigen Läden in New York, wo sich der Filmfreund wie im Himmel fühlt: Etliche rare und abseitge, neue und gebrauchte DVDs und Blu-rays gibt’s in den schäbigen Regalen zu bewundern und – mitunter teuer! – zu ersteigern. (124 First Ave. New York NY 10009; http://www.mondokims.com/)

||||||||||| festivals ||||||||||||||||||||||||||||

http://www.nyc.gov/html/film/html/for_fans/film_ festivals.shtml oder http://www.festivalfocus.org Gefühlt jeden Tag zwei Filmfestivals gibt es zu entdecken. Einen groben Überblick gibt’s auf der nyc. gov-Seite; ins unüberschaubare Detail kann man auf festivalfocus gehen, wenn man nach New York sucht.

|||||||||||||||||||||||||| und sonst |||||||||||

Bücher, die sich eindrücklich mit der verfilmten Stadt beschäftigen: Scenes from the City: Filmmaking in New York, von James Sanders, Hardcover, 288 Seiten, um $30, Ab März 2014 in neuer, erweiterter Auflage ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| New York im Film: Ein spezieller Reiseführer für alle Filmfans und New-York-Freunde mit informationen zu Drehorten, Spielfilmen und lokalen Kulissen, Von Hendrik Sachs, Broschiert, 372 Seitem, 19,90 Euro ||||

Tunnel im Westen und der Manhattan Bridge im Osten sieht New York an vielen Stellen noch so aus wie in Filmklassikern - zumindest, wenn man nicht so genau hinschaut und die Spuren der Gentrifizierung ausblendet, die auch an New York nicht vorbei gegangen sind. Was sollte man also noch tun, außer als Einstimmung auf die Reise mindestens einmal „West Side Story“ zu sehen, um jene MultikultiSpannungen vorwegzunehmen, die einem spätestens dann begegnen, wenn man Manhattan in nördlicher Richtung über die Höhe des Central Park verlässt? Nun, man sollte tunlichst nicht in der Subway zu singen anfangen, auch wenn es einem permanent im Bauch kribbelt. Man sollte sich vielmehr in den Central Park aufmachen und an „Marathon Man“ denken oder mit dem Soundtrack von „Heut’ gehn wir bummeln“ und „New York, New York“ im Ohr einfach nur glücklich sein. Ansonsten empfiehlt es sich, seine Glamour-Erwartungen jenseits der atemberaubenden Topografie und ihrer filmischen Bezüge bewusst zu zügeln. Es ist zwar immer möglich, Robert Downey Jr. beim Joggen im Central Park, Diane Keaton beim Kuchenkaufen bei Dean & Deluca oder Woody Allen Klarinette spielend im Carlyle Hotel zu treffen. Die Stardichte in New York ist atemberaubend und die Celebrities weniger abgeschottet als in Beverly Hills. Doch darauf zu bauen wäre töricht. Sicher ist nur der Star-Glamour bei den Filmpremieren in den New Yorker Kinos. Doch die Chance, für solche Events Karten fürs „Ziegfeld“ oder das „Paris Theatre“ zu ergattern, sind gering; am Roten Teppich davor kann man sein Glück indes durchaus probieren. Deutlich größer ist die Chance dort, wo man sich weniger glamourös denn seriös mit Film beschäftigt. Das geschieht zumeist um die Houston Street zwischen der Varick und der First Avenue. Hier sind die Arthouse-Kinos der Stadt versammelt, die sich um ein engagiertes und buntes Filmprogramm bemühen, das Publikumspremieren inkl. Q&A mit den Machern vorsieht. So waren kürzlich Christian Bale, Woody Harrelson, Casey Affleck und Regisseur Scott Cooper im „Landmark Sunshine Cinema“ in der 143 East

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Ziegfeld theatre |||||||||||||||||||||

Fotos: Jörg Gerle, fd Archiv, Ziegfeld Theatre, Nitehawk Cinema, Village East Cinema

landmark sunshine cinema ||||||||

An der 143 East Houston Street zwischen Forsyth und Eldridge St.; Lower East Side (212-330-8182, landmarktheatres.com). ||||||||||||||||||||||||||||||||||| das eindrücklichste arthaus multiplex von new york. Von außen ein wenig schäbig, innen aber top, mit bequemen sitzen, guter sicht, noch besserem popcorn und netter Betreuung, die sich namentlich vorstellt und darauf achtet, dass projektion und ton immer passen! ||||||||

nitehawk cinema ||||||||||||||||||||

An der 136 Metropolitan, zwischen Berry Street und Wythe Ave; Williamsburg, Brooklyn (718-384-3980, nitehawkcinema.com). |||||||||||||||||||||||||||||||| originelles arthauskino, in der man nicht nur tolle pre­ mieren und extreme mitternachtsvorstellungen erleben, sondern auch gut und teuer beköstigt werden kann! |||

film forum |||||||||||||||||||||||||||

An der 209 West Houston Street zwischen Sixth Ave und Bedford Street; Greenwich Village (212-727-8110, filmforum.org). ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| die programmkino­institution. inzwischen bild­ und tontechnisch aufgerüstet, aber immer noch problema­ tisch, wenn der Vordermann zu lang geraten ist. hier trifft man auch den ein­ oder anderen „alternativen“ filmstar im kinosaal, beim Besuch eines filmklassikers

kino

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.. |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| new yorks schönste kinos |||||||||||||||||||||||||||||||

FD-Cityguide

Houston St., um ihren Film „Out of the Furnace“ vorzustellen. Die Karten dafür kosteten lediglich 14 Dollar. Allerdings sind heute weder die Kinos noch ihr Programm allein eine Reise nach New York wert. Die Filmauswahl in Berlin ist ähnlich groß und die Kinos sind hierzulande schöner, besser und billiger. Allerdings gibt es Ausnahmen wie das atemberaubende IMAX im „AMC Loews“ am Lincoln Square, in dem man Filme wie „The Dark Knight Rises“ oder „Die Tribute von Panem – Catching Fire“ auf einer 30x24Meter-Leinwand im richtigen Format sehen kann – ab 18 Dollar. Auch in Sachen Film-Memorabilia hat sich New York im Laufe der letzten Jahre zu seinem Nachteil verändert. Institutionen wie der Souterrain-Laden „Footlight Records“ in der East 12th Street, in dem man früher Broadway-Einspielungen und unüberschaubar viele Soundtracks auf Vinyl und CD bekam, mussten aufgrund der horrend steigenden Mieten dicht machen (seit 2009 gibt es den Laden zumindest im Netz unter http:// www.footlight.com). Seit ein paar Wochen ist auch klar, dass „Jerry Ohlinger’s Movie Material Store“ im Garment District (253 West 35th St.) seine Tore für immer schließt; die Zeit der Filmjäger und -sammler scheint in New York endgültig vorbei zu sein. Der Krokelladen, der an einen Eisenwarenladen aus dem 19. Jahrhundert erinnerte, beherbergte eine der größten Sammlungen an Filmfotos. Das Kramen in den Kartons oder das Bestellen an der staubigen Theke kann kein Internetauftritt (http://moviematerials.com) ersetzen. Es ist wie mit den Buchläden in „E-m@il für Dich“ – nur schlimmer! Aber immerhin: Man kann sich immer noch eine Bank in Brooklyn am East River suchen, nach Westen schauen und so tun, als sei man in Woody Allens „Manhattan“. Und sieh da: Es funktioniert!

An der 141 West 54th Street; Midtown (212- 7657600 clearviewcinemas.com) ||||||||||||||||||||||||| eines der wenigen wow­kinos der stadt. ein saal, 1000 plätze und film­glamour zum einatmen. ||||||||||||||||

Village east cinema |||||||||||||||||

An der 181-189 Second Avenue, Höhe der 12th Street; East Village (212-529-6799, villageeastcinema.com.) hier sollte man nur den großen saal besuchen, denn in diesem alten multiplex verbirgt sich ein Juwel, das 1926 als „yiddish art theatre“ eröffnet wurde. man meint, hier sei gerade noch die premiere von „cleopatra“ gewesen – die Version von 1934! |||||||||||||||||||||||||

paris theatre ||||||||||||||||||||||||

An der 4 West 58th Street (theparistheatre.com) Zweites wow­kino. direkt am central park gelegten.

amc loews lincoln sQuare 13 ||||||

Am 1998 Broadway zwischen 67th und 68th St.; Upper West Side ((212) 336-5020, amctheatres.com/LincolnSquare). |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| riesen multiplex mit riesigem imaX­kino im obersten stockwerk. an heißen programmwechseltagen und den berüchtigten feiertagen muss man lange vorbestellen und darf auf den noch längeren rolltreppen nicht unter platzangst leiden. ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

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neue Filme

im Kino aLL is Lost [9.1.]

der alte mann und das meer

Pures, atemberaubendes Kino: robert redford kämpft um sein leben Falls sich Robert Redford in seiner Laufbahn jemals mit einer seiner Leinwand-Figuren identifiziert hat, dann war es wohl Jeremiah Johnson in dem gleichnamigen Film von Sydney Pollack. Der Trapper Johnson, der Anfang des 19. Jahrhunderts aus Abneigung gegen die Auswüchse der Zivilisation in die Wildnis der Rocky Mountains flüchtete und dort ein auf sich gestelltes Leben führte, kommt einem angesichts von „All Is Lost“ unweigerlich in Erinnerung. 40 Jahre nach „Jeremiah Johnson“ (1973) spielt Redford wieder einen Mann, der auf sich selbst angewiesen ist, in einer selbst gewählten majestätisch-feindseligen Umgebung. Diesmal ist es das Meer, dessen Weite und Gefahren sich der Protagonist ausgeliefert hat. Wie einst bei Jeremiah Johnson weiß man nichts von seiner Vergangenheit außer den Schlüssen, die man aus seiner teuren Segelyacht und deren Ausstattung ziehen kann. Der Skipper ist ein alter, aber immer noch kraftvoller Mann. Warum er ausgerechnet im Indischen Ozean

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mutterseelenallein herumschippert, erfährt man nicht, ebenso wenig, wohin die Reise gehen soll. Was seine Motive sind und was er denkt, bleibt verschlossen, denn der Mann, der nicht einmal einen Namen hat, redet nicht. Zu Beginn des Films verliest er aus dem Off einen Abschiedsbrief, danach hört man ihn einmal fluchen und vergeblich einen SOS-Ruf absetzen – aber das ist dann schon alles, was man explizit aus seinem Mund über ihn erfährt. Je länger der Film dauert, umso mehr ist es der Zuschauer, der da an Bord ist und sich – von Szene zu Szene hoffnungsloser – um sein Überleben kämpfen sieht. J.C. Chandor, dessen Debütfilm „Margin Call“ vornehmlich vom Dialog lebte, hat sich als Autor und Regisseur jede Möglichkeit verweigert, Hintergründe und individuelle Charakteristika als Futter für das Publikum zu benutzen, und ihm Ausreden zu gestatten, nicht selbst dieser Mann im Boot zu sein. Wo Hemingway und Melville starke, unverwechselbare Figuren entwar-

fen, beharrt Chandor darauf, dass der Zuschauer das Vakuum ausfüllt. Identifikation, die für das Funktionieren dramatischer Geschichten so ungeheuer wichtig ist, wird in „All Is Lost“ gleichsam auf die Spitze getrieben. Der in den Schlusstiteln nur als „Unser Mann“ bezeichnete Held lässt keine Möglichkeit zu, an seinem Schicksal nicht Anteil zu nehmen. Nie hätte ein in seinen künstlerischen Mitteln so minimalistischer Film so viel Aufmerksamkeit und Spannung bei der Beobachtung alltäglicher Verrichtungen und zunehmend überlebenswichtiger Verhaltensweisen wecken können, wenn man sich als Zuschauer nicht in der Haut und in der Zwangslage dieses Mannes fühlen würde, dessen Segeltörn immer katastrophalere Ausmaße annimmt. Ein herrenlos im Ozean treibender Container schlägt ein Leck in die Schiffswand; ein Sturm zerstört alles, was die Yacht manövrierbar macht; das Schlauchboot als letzte Zuflucht und die an den Sternen orientierte Navigationskunst des am Ende seiner Kräfte angelangten Mannes verblassen und verschwinden angesichts der endlosen Weite des Ozeans. Wir werden Zeuge, wie es unaufhaltsam dem Ende zugeht. Die letzte Hoffnung, dass eines der riesigen Containerschiffe, die auf der Straße von Sumatra unbeirrt ihren Kurs verfolgen, das winzige Rettungsboot sehen könnte, erstirbt mit dem verlöschenden Licht der letzten Rakete. Wir sind allein gelassen mit dem Mann, dessen Überlebenswille und dessen Durchhaltekraft zu Ende gehen. Da sind nur noch der hilflose, entkräftete Mensch und die endlose Wasserfläche. In den Katastrophen-

filmen der 1970er-Jahre würde nun der „deus ex machina“ die Regie übernehmen, in den Event-Filmen der Jetztzeit der Held seine übernatürlichen Kräfte unter Beweis stellen. Auch „All Is Lost“ ist auf seine leise, eindringliche Weise eine Art Parabel auf den individuellen Heroismus, aber der Raum für große Taten wird immer enger, die Selbstbestimmbarkeit des Lebens immer fragwürdiger angesichts einer unbarmherzigen Natur. Die Einsamkeit überwältigt alle angeborenen und angelernten Fähigkeiten. Filmemacher wie Stanley Kubrick, Michelangelo Antonioni und Darren Aronofsky haben versucht, für diese Einsamkeit filmische Entsprechungen zu finden. Der Schluss von „All Is Lost“ weist in seiner allegorischen Mehrdeutigkeit in dieselbe Richtung. Franz Everschor

bewertung der filmkommission ein alter Mann segelt mit seiner Yacht im indischen Ozean. Wer er ist und wohin er will, erfährt man nicht. stattdessen setzt der in seinen sparsamen Mitteln ganz auf Mann und Boot konzentrierte Film auf die wachsende identifikation des Publikums mit dem von naturgewalten heimgesuchten segler. ein minimalistischer Film, dessen Freude am dramatischen detail mehr und mehr existenzieller Kontemplation weicht und allegorische Bezüge durchaus zulässt. – sehenswert ab 14.. scope. usa 2013 regie, buch: J.c. chandor kamera: Frank g. deMarco, Peter zuccarini musik: alex ebert schnitt: Pete Beaudreau darsteller: robert redford (unser Mann) länge: 106 Min. | fsk: ab 6; f verleih: squareOne | kinostart: 9. 1. 2014 fd-kritik: 42 127 HANDWERK INHALT DARSTELLER

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