Filmdienst 22 2016

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fIlM DIenST

Literatur & Kino Neue Filmbücher: Persönliches, fundierte Analysen, Bücher an den Schnittstellen von Facts und Fiction Marcus Vetter Ein Werkstattgespräch mit dem Dokumentaristen zu seinem neuen Film „Das Versprechen“ Maria Dragus Die faszinierende junge Schauspielerin fesselt durch ihre Vielfältigkeit. Eine Hommage der Reihe „Spielwütig“

Das Magazin für Kino und Filmkultur

22 2016

www.filmdienst.de 27. oktober 2016 € 5,50 69. Jahrgang

Loïe Fuller war die berühmteste Tänzerin der Belle Époque, die durch ihren revolutionären Serpentinentanz betörte. Stéphanie Di Giusto widmet ihr ihren ersten Spielfilm.


iNhalt DIE NEUEN KINOFILME Neu im KiNo ALLE STArTTErMInE

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31 - A Rob Zombie Film 27.10. A Good American 3.11. Allein gegen die Zeit -Der Film 27.10. Box 3.11. Dieses Sommergefühl 3.11. Dr. Strange 27.10. Eine Geschichte von Liebe und Finsternis 3.11. Die Geschwister 3.11. Die Geträumten 27.10. Girl on the Train 27.10. Haymatloz 27.10. Hieronymus Bosch Garten der Lüste 13.10. Kubo - Der tapfere Samurai 27.10. Lotte 27.10. Mapplethorpe: Look at the Pictures 3.11. Morris aus Amerika 3.11. Nirgendwo 27.10. Die Ökonomie der Liebe 3.11. Ostfriesisch für Anfänger 27.10. Ouija: Ursprung des Bösen 20.10. Pettersson und Findus: Das schönste Weihnachten überhaupt 3.11. Störche - Abenteuer im Anflug 27.10. Die Tänzerin 3.11. The Accountant 20.10. The Wounded Angel 3.11. Those People 3.11. Tini: Violettas Zukunft 3.11. Transit Havanna 3.11. Unsere Zeit ist jetzt 6.10. Verrückt nach Fixi 13.10. Das Versprechen Erste Liebe lebenslänglich 27.10. Die Wildente 27.10. Die Zeit der Frauen 27.10.

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KiNotipp

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der katholischen Filmkritik

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die zeit der frauen

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haymatloz

Kluger und anrührender Dokumentarfilm über deutsche Wissenschaftler, die in den 1930er-Jahren in der Türkei ein Exil fanden

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Fotos: TITEL: Prokino. S. 4/5: mindjazz, Constantin, MFA+, Prokino, Walt Disney, Warner Bros., Sony, alpha medienkontor, Kairos

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22 | 2016 DIE ARTIKEL iNhalt

RUBRIKEN EDITOrIAL 3 InHALT 4 MAGAZIn 6 DVD-KLASSIK 34 DVD/BLU-rAY 52 TV-TIPPS 56 P.S. 66 VOrSCHAU / IMPrESSUM 67

Clint eastwood hat mit „Sully“ einen überraschenden Kinohit gelandet. In Zeiten niveauloser Wahlkämpfe verrät der Erfolg des Films ein gesteigertes Interesse an Vorbildfiguren (vgl. S. 27).

KiNo

aKteuRe

FilmKuNSt

16 remaKes

20 maria dragus

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10 KINO & LITERATUR

Während sich Schriftsteller mittlerweile gern vom Film inspirieren lassen, verraten viele Fachbücher übers Kino ebenfalls Leidenschaft für ihre Themen. Eine Umschau unter lesenswerten neuerscheinungen. Von Thomas Brandlmeier, Felicitas Kleiner, Hans Helmut Prinzler, Wilfried Reichart und Alexandra Wach

16 REMAKES

20 MARIA DRAGUS

Während sich der US-Wahlkampf seinem Ende nähert, lockt Clint Eastwoods Film „Sully“ die Zuschauer ins Kino. Die Geschichte eines verantwortungsvollen Piloten, der zum Helden wird, zeigt auch, was den Präsidentschaftskandidaten fehlt.

Von Alexandra Wach

Von Franz Everschor

22 MARCUS VETTER

28 KUBA UND DAS KINO

Der deutsche Dokumentarfilmer bezieht in seinen Werken engagiert Stellung - aktuell mit „Das Versprechen - Erste Liebe lebenslänglich“. Ein Gespräch über prägnante Protagonisten und die Zukunft des Dokumentarfilms.

Von Michael Ranze

Von Manfred Hattendorf

26 STÉPHANIE DI GIUSTO

56 Das Erste und die Dritten Programme fragen in einer Themenwoche nach der „Zukunft der Arbeit“. Spiel- und Dokumentarfilme behandeln vor der US-Präsidentschaftswahl das amerikanische Politsystem.

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Die elfenhafte Deutsch-rumänin wurde schon als Jugendliche durch die Arbeit mit hochkarätigen regisseuren bekannt. Mit anspruchsvollen rollen startet sie nun als junge Erwachsene auch international durch. Ein „Spielwütig“-Porträt.

neuverfilmungen stehen immer etwas unter dem Verdacht der Einfallslosigkeit. Doch remakes sind nicht unbedingt schlechter als die Originale und können zudem neue Perspektiven erlauben. Apologie einer unterschätzten Spielart des Kinos.

FeRNSeh-tippS

KuBa

Die Französin setzt der AusdruckstanzPionierin Loïe Fuller in ihrem regiedebüt „Die Tänzerin“ ein filmisches Denkmal. Ein Gespräch über Tanz als Kunstform und Kreativität in freisinnigen Gesellschaften. Von Margret Köhler

Das gesellschaftliche Klima hat sich in Kuba seit Aufhebung der US-Sanktionen gelockert. Die Kinofilme des Karibikstaats erzählen allerdings überwiegend von ungewissen Verhältnissen. Ein Überblick. Von Wolfgang Hamdorf

31 FESTIVALS

Eindrücke vom Cartoon Forum in Toulouse und den Festivals in Köln und Oldenburg. Von Jörg Gerle, Rolf Giesen und Michael Ranze

32 FOKUS TÜRKEI (VI)

Das Filmfestival in Adana war geprägt von der getrübten Stimmung nach dem Putschversuch und den repressalien gegen unliebsame Künstler. Von Emine Yildirim Filmdienst 22 | 2016

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Der 16-jährige Konstantin Boggosch leidet an der Schuld, die ihm sein Vater als mörderischer Nazi-Scherge aufgebürdet hat. Anfang der 1960er-Jahre entflieht der junge Mann seiner ostdeutschen Heimat, findet in Marseille ein neues Leben, neue Freundschaften – und den Zugang zur Filmkunst. Schon immer hatte er sich fürs Kino interessiert, nun drängt ihn der passionierte Cineast Raphaël – der noch jünger als er selbst ist –, all „diesen modernen Mist“ zu vergessen: Die wirklichen Filme, so Raphaël, „die Meilensteine der Filmkunst, die könne man nur in Filmkunsttheatern sehen und gelegentlich in den Kulturhäusern. Er sagte, wenn ich den Film als Kunstform erleben wolle, dann solle ich ihm vertrauen, er würde mir die richtigen Filme zeigen“. Konstantin ist die Hauptfigur in Christoph Heins Roman „Glückskind mit Vater“, die auf der Suche nach einem eigenen Platz im Leben auch auf die Filmkunst stößt. „Es waren Filme aus Frankreich, aus Deutschland, aus Russland und Amerika, und er machte mich mit den großen Namen der Filmkunst bekannt, mit Eisenstein und Abel Gance und René Clair und Murnau und Marcel Carné und Chaplin natürlich…“ Später zeigt sich Konstantin fasziniert von Godards „Der kleine Soldat“, der in Frankreich zunächst verboten und erst 1963, nach Ende des Algerienkriegs, zu sehen ist. Er ahnt die politische Brisanz, auch den bevorstehenden filmkünstlerischen Aufbruch in Frankreich – und doch zieht es ihn fort: Die Sehnsucht nach der Mutter führt ihn unmittelbar vor dem Mauerbau in den deutschen Osten zurück und lässt ihn seine Freiheit verlieren. Zwar kämpft er weiter, ergattert einen der heißbegehrten Plätze an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg, wird jedoch umgehend wieder gefeuert: Der kriegsverbrecherische tote Vater lässt sich nicht abschütteln. „Die Entscheidung kommt von oben, von ganz oben.“ Christoph Heins großartiger Roman zeigt: Kino ist endgültig auch in der Erzählliteratur angekommen, als selbst erlebte und erfahrene Geschichte von Autoren, für die es existenziell ist, weil es ihr Leben prägte, in künstlerischer wie in humanistischer Hinsicht. Peter Kurzeck war ebenso mit ihm verwurzelt wie es Andreas Mayer ist, selbst wenn mitunter der Ort für erste scheue Begegnungen wichtiger war als das, was über die Leinwand flimmerte. Und selbst wenn Film nicht ausdrücklich zum Thema gemacht wird: Mitunter kann er sogar die literarische Sprache beeinflussen, die „filmisch klingt“, rhythmisch verdichtet in szenischer Montage. So ist Thomas Hettches „Pfaueninsel“ ein quasi filmisch erzählter Roman, auch Romane wie „Unterleuten“ von Juli Zeh oder „Kruso“ von Lutz Seiler atmen in ihrer Prosa subkutan immer wieder auch

Kino. Da wundert es nicht, wenn Lutz Seiler begeistert (im Filmmuseum Potsdam) seinen Lieblingsfilm vorstellt: „Wolken ziehen vorüber“ von Aki Kaurismäki. Manche Schriftsteller machen das Kino zum zentralen Sujet ihrer literarischen Fantasie, wobei sie Facts in Fiction überführen. Charles Lewinsky lässt in „Kastelau“ seine eigene Traumfabrik im Kopf des Lesers entstehen, wenn im Winter 1944 ein Filmteam in die bayerischen Alpen entflieht, um den vermeintlich kriegswichtigen Film „Lied der Freiheit“ zu drehen – freilich ohne jedes Filmmaterial. Michael Köhlmeier, der immer wieder in seinen Romanen souverän realistisch ausformulierte Fantasie und fantastische Verdichtung von Realität miteinander verzahnt, spekuliert in „Zwei Herren am Strand“ über eine Begegnung von Charlie Chaplin und Winston Churchill; beide blinzeln in Köhlmeiers faszinierender Konstruktion ins Licht und sinnieren über ihren Hang zur tiefen, lebensmüden Depression. Christian Kracht wiederum spielt in „Die Toten“ souverän auf der Klaviatur authentischer Kinogeschichte der 1930er-Jahre, lässt Lotte Eisner, Siegfried Kracauer, Heinz Rühmann und – erneut – Chaplin auftreten, um über Gewalt und Politik, Realismus und Fantasie zu reflektieren. Gerade in solch „träumerischen“ Momenten kann Literatur süchtig machen. Wie das Kino. Vor allem wenn sie ihren sprachlichen Sog so staunenswert mit geschichtsdiagnostischer Klarheit verknüpft, wie es Kracht oder Hein gelingt. Dabei ist Literatur stets mehr als „nur“ ein Fundus für betont populäre Literaturverfilmungen, von denen ohnehin viele misslingen – weil sie weder die „Seele“ eines Romans erfassen noch eine eigenständige filmische Umwandlung leisten. Leicht sagt sich: Elena Ferrantes „Die geniale Schwester“ ist ein großartiger Kinostoff, und in der Tat assoziiert dieser lebenspralle introspektive Roman ja fortwährend Kinobilder – seine bereits anstehende Verfilmung als Fernsehmehrteiler mag man sich aber doch nur zögerlich ausmalen. Fachliteratur über Kino macht dagegen eher selten süchtig. Meistens sind es Anthologien, Biografien, historische Aufbereitungen und wissenschaftliche Analysen, die quasi ein „Leben aus zweiter Hand“ führen. Dass solche Bücher gleichwohl ebenso kompetent wie leidenschaftlich sein können, belegen die Neuerscheinungen, die wir nachfolgend vorstellen: auch sie Zeugnisse für ein Leben mit dem Kino, für ein kreatives (Nach-)Denken über die Vielfalt des Films. Horst Peter Koll

Kino und Literatur Die Frankfurter Buchmesse präsentierte wieder zahllose Neuerscheinungen. Bücher über Film waren dabei eine verschwindend kleine Menge, und doch: sie sind noch da. Wir stellen einige bemerkenswerte Neuerscheinungen des Jahres vor: persönliche Filmbücher, Analysen, Bücher an der Schnittstelle von Facts und Fiction.

Glückskinder mit Kino


Kino Kino & Literatur

Midnight in Berlin Christian Krachts Blick auf die beste Zeit des deutschen Kinos

Es geht sehr viel Unvollendete Erinnerungen von Helmut Dietl Helmut Dietl hat seine Erinnerungen nicht vollenden können, der Autor und Regisseur starb am 30. März 2015. aber die Seiten, die er über seine Kindheit und Jugend, über seine Familie, seine Freundinnen und Freunde, über das Leben in München in den 1950er- und 1960er-Jahren geschrieben hat, sind lesenswert, weil sie in den Details oft bizarr und in vielen augenblicken originell sind. auch wenn er sich über seine Filme gar nicht äußert, sind sie im Hintergrund präsent. ein Vorwort stammt von seiner Witwe tamara Dietl, ein nachwort von Patrick Süskind. in der Struktur ist dies eine klassische autobiografie, beginnend mit der Kindheit, die bei Dietl (geb. 22.6.1944 in Bad Wiessee) geprägt war von der Distanz zu seinem alkoholkranken Vater und der intensiven Liebe zu seiner Mutter. eine große Bedeutung hatten für ihn die beiden Großmütter: „Bettyoma“, eine gläubige Katholikin und strenge Moralistin, und „Greiner-oma“, die wunderbar kochen konnte und sich als Filmkomparsin verdingte. Sie verschaffte Dietl 1950 eine rolle in „Verträumte tage“ mit o.W. Fischer, auch wenn er fürs Casting eigentlich gar nicht die richtigen Voraussetzungen mitbrachte. Dann aber machte er sich als Hüter der vier Katzen von o.W. Fischer verdient, die an langen Leinen spazieren zu führen waren. eine erste reise führte den 16-Jährigen per anhalter nach Paris. Wichtig für ihn war vor allem ein Besuch des Grabes von Heinrich Heine. Lyrik spielte in Dietls Leben offenbar eine große rolle. und dann kommen immer wieder Freundinnen ins Spiel. Sie hießen in der pubertären Phase Bärbel Blatt, ruth abendschön oder einfach Biggi, ilse oder elke. Die Beziehungsgeschichten führen schließlich zu ersten arbeitsmöglichkeiten im Fernsehen, eng arbeitet Dietl mit Walter Sedlmayr zusammen, verbringt viele abende im „Café europa“ in Schwabing, auch während des Sechs-tage-Kriegs in israel. Damit enden die vollendeten aufzeichnungen. angefügt ist das Kapitel „Fragmente“, es ruft das Jahr 1983 in erinnerung. Dietl fliegt nach Los angeles, um an „Kir royal“ zu arbeiten, trifft sich mit seinem agenten ray Sarlot und der Schauspielerin Cleo Kretschmer, verliebt sich in ihre Freundin Denise Cheyresy (sie wird seine dritte ehefrau) und lässt Patrick Süskind nach amerika kommen, um die Zusammenarbeit an dem Projekt zu intensivieren. nach der Besetzung der rolle des Baby Schimmerlos in letzter Minute mit Franz Xaver Kroetz beginnen die Dreharbeiten. Damit enden die „Fragmente“. Selbst Dietl-Fans erfahren viel neues aus dem Buch, bei der Lektüre – das lässt sich gar nicht verhindern – sieht man im Hintergrund immer wieder Bilder aus Dietls Filmen oder hört Dialoge, die von ihm stammen. Hans Helmut Prinzler Helmut Dietl: A bissel was geht immer. Unvollendete Erinnerungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 348 S., 22,99 eur.

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Cineasten schwärmen gerne von der goldenen Kino-Ära der 1920er-Jahre, und bisweilen trägt diese Sehnsucht sonderbare Blüten. edmund elias Merhige ließ in seiner herrlich selbstironischen Hommage „Shadow of the Vampire“ John Malkovich in die Haut von Friedrich Wilhelm Murnau schlüpfen, einen Maniac, der einen leibhaftigen Vampir auf seine Filmcrew losließ, um das Grauen möglichst authentisch einzufangen. Für „Fritz Lang“ durfte unlängst Heino Ferch den „Metropolis“-regisseur als arroganten Herrenmenschen mimen, der sich für seinen ersten tonfilm „M“ in einem netz aus Schuld, trauma und schwarz-weißem Set-Design verfängt. Woody allen machte gleich nichts weniger als das Springen zwischen den fruchtbarsten epochen der Kulturgeschichte zum thema seines Films „Midnight in Paris“. und wieder waren es die „Wilden Zwanziger“, die am besten wegkamen. allens in Paris gestrandeter Hollywood-Drehbuchautor wurde geradezu süchtig danach, nachts in einen verwunschenen oldtimer einzusteigen, um den abend in der Gesellschaft seiner eigentlich längst verstorbenen Landsleute vom Schlage eines ernest Hemingway, Gertrude Stein oder F. Scott Fitzgerald zu verbringen. Was das Kino kann, konnte die Literatur natürlich schon immer. Dank Christian Krachts neuestem roman „Die toten“ erwacht jetzt der Berliner ufa-Glamour zu neuem Leben, freilich erst kurz vor der Machtergreifung der nazis, die „roaring twenties“ befinden sich da schon im traurigen ausklang. und nur auf dem Papier. es sei denn, es wagt jemand eine Verfilmung, aber bitte dann nicht mit Heino Ferch: Krachts Figur des Japaners Masahiko amakasu, der von einer „zelluloiden achse“ zwischen tokio und der deutschen Kapitale träumt, ist schon rein physiognomisch nicht sein Fach. und welche Begegnungen hält Krachts Zeitmaschine parat? ob Heinz rühmann, Medienunternehmer alfred Hugenberg oder die chinesisch-amerikanische Diva anna May Wong – der epochentrip lässt keine Wünsche offen. Mal geistert Charlie Chaplin beinahe durch einen empfang beim japanischen Premierminister und entgeht dank seiner abwesenheit einem anschlag; mal teilen sich Siegfried Kracauer und Lotte eisner eine nächtliche taxifahrt, die nicht etwa auf wundersame Weise doch noch in die frühen Zwanziger entführt, sondern entlang von „clownesk geschminkten, am Straßenrand aufreizend posierenden Dirnen, Schuhputzern, rattenfängern, Versehrten“ hin zur Kollision mit einer Liftfasssäule, dem endpunkt eines Handgemenges mit dem Fahrer, der sich mit seinen antisemitischen auslassungen von dem neben ihm sitzenden Kracauer eine wehrhafte antwort eingefangen hatte. Was für eine Szene: Geschichte trifft action trifft die beste Zeit des deutschen Kinos. und wo bleibt die Kamera? Alexandra Wach Christian Kracht: Die Toten. roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 224 S., 20,00 eur.


Kino & Literatur Kino

Bonds Kulissenwelt Verführerische Entzauberung eines vertrauten Sujets Was ist Kino? Dem Zauber verfallen: Werner Dütschs Kinoerinnerungen Werner Dütsch war noch keine sechs Jahre alt, als er auf dem Dachboden der elterlichen Wohnung in Düsseldorf-Pempelfort eine 8-mm-Projektion erlebte. er hatte aufmerksam hingeschaut: „Da waren der sehr schmale Bildstreifen mit kleinen Löchern für winzige Zahnräder, eine Spule zum ab-, eine zum aufwickeln.“ und diese kleine Maschine, „die aus unscheinbaren Bildern so viel nie gesehene Welt lebendig auf ein großes tuch brachte“, setzte in dem kleinen Jungen etwas in Gang, was sein ganzes späteres Leben bestimmte; das perfekte Medium für die Botschaften des Kinos. Wie er in den Bann der roten Hexe geriet, das erzählt der heute 77-Jährige lust- und gefühlvoll, amüsant und, ja, auch berührend. Das Kino als Schule des Lebens. Wie man sich kleidet (das weiße t-Shirt von James Dean, die Jeans von audie Murphy), die Verweigerung (Montgomery Clift), die aufsässigkeit (in ingmar Bergmans „Zeit mit Monika“), den Weg zu Büchern finden über Literatur-Verfilmungen (Stendhal, Kipling, Hemingway, Melville, Shakespeare), die Kunst entdecken (in Jean renoirs „Landpartie“ und Bert Haanstras „rembrandt“), sogar schwimmen lernen: „Sah ich tarzan und esther Williams so gerne schwimmen, weil ich das selbst sehr mochte oder lösten die beiden den Wunsche danach aus?“ Film als Kunst? Die älteren Herrschaften des Marler Filmclubs hatten ihre eigene Vorstellung von Filmkunst, und dazu gehörten Werner Dütschs Lieblingsgenres „Wildwestfilme“, „Kostümefilme“ und „Fechtfilme“ nicht. Vergebliches Werben für otto Preminger und Western von John Ford und anthony Mann. „Zweifellos wurde ich für jemand gehalten, der ein abseitiges interesse für ein kulturloses Kino pflegte.“ Was ist Film? Fragte der analytiker andré Bazin. Was ist Kino? Beschäftigt den Kinoliebhaber Werner Dütsch, der sich in hohem alter noch einmal erinnern wollte an die frühen Zeiten, als er das Kino sogar fühlen konnte: „Öffnete sich der Vorhang im Viktoria (in Marl-Hüls), kam den Zuschauern der ersten reihen ein zarter Windhauch entgegen... der eine Bildbewegung begleiten, ja verstärken konnte, die mich noch immer beglückt, und die es nur im Kino gibt.“ aus diesem Filmenthusiasten ist (auf umwegen) ein Filmvorführer, Filmredakteur (WDr), Filmproduzent (u.a. von Harun Farocki, Hartmut Bitomsky, Werner Schroeter, Straub/Huillet, Johan van der Keuken), Filmprofessor (Kunsthochschule für Medien Köln/KHM) geworden, der längst gelernt hat, die Manipulationen filmischer inszenierung zu durchschauen und der trotzdem seinem Zauber verfallen blieb. Wilfried Reichart

Menschen kommen in diesem Kunstprojekt nur am Rand ihrer gigantomanischen Hinterlassenschaften vor. Genauer sind es die Sets aus „Spectre“, dem teuersten James-Bond-Film aller Zeiten, die darin ein eigenleben entwickeln. „Zu meinen lebhaftesten erinnerungen an die beiden Bond-Filme, die ich gedreht habe, gehören die Momente, bevor jemand das Set betrat“, verrät regisseur Sam Mendes in seinem Vorwort zum Bildband. Zu sehen ist er auf keiner der Fotografien des Künstlerduos anderson & Low. auch die Dreharbeiten in den Londoner Pine Wood Studios spielen in der gespenstisch ausgestorbenen, aber umso wirkungsvoller ausgeleuchteten Dokumentation keine rolle. Dafür drängen sich von der Decke herunter gewaltige Filmlampen ins innerste eines römischen Palazzos. oberhausers Überwachungszentrale gibt ihre Kuppel preis, die sich als verschiebbares Dachgewölbe entpuppt. in Qs Werkhalle posieren die Wunderautomobile vor der Kamera um die Wette, aseptisch polierte Spielzeuge, die man zum Greifen nahe wähnt. Für das apokalyptisch bis aufs Gerüst zerbombte M16-Gebäude hat man sich einiges bei den Foto-ikonen des 11. September abgeschaut, und der spektakulär auf der Westminster Bridge abgestürzte Helikopter oszilliert zwischen gelungener illusion und surreal entgleitender Wirklichkeitsnachahmung. Mitunter erinnern die stummen aufnahmen in ihrer panoramischen ausdehnung an die Bibliotheken, Museen und theaterräume von Candida Höfer, nur dass anderson & Low im Gegensatz zur Kölner Fotografin immer wieder auf die entzauberung ihrer Sujets durch bewusst im Bildausschnitt platzierte Fremdkörper setzen, von absperrgittern über Hebebühnen bis zu Kulissengerüsten. Dazu gehört beinahe auch das Ganzkörperbild von Bond-Darsteller Daniel Craig, das auf einem Schießstand gleich mehrfach zum abschuss freigegeben wird. ein im eleganten Schwarz gehaltenes Hochglanz-Schmuckstück, reich an professionellen täuschungsmanövern, die das Filmschaffen dekonstruieren und dabei gleichzeitig die Macht der narrativen Konstruktion feiern. Alexandra Wach Anderson & Low: on the Set of James Bond’s Spectre. Verlag Hatje Cantz, Berlin 2016, 64 S., 37 abb., 38,00 eur.

Werner Dütsch: im Banne der roten Hexe. Verlag Könighausen & neumann, Würzburg 2016. 159 S., 19,80 eur.

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Fokus Türkei (VI):

„danke…“ Beobachtungen beim adana film festival Die Produzentin und Filmjournalistin Emine Yildirim schreibt im FILMDIENST über die aktuellen Entwicklungen in der türkischen Filmszene. Diesmal berichtet sie über die Stimmung beim Adana Film Festival, bei dem das harte Vorgehen der Behörden gegen politisch unliebsame Künstler nach dem gescheiterten Putsch bis in die Filmauswahl und die Preisverleihung Spuren hinterließ.

Die letzten zwei Monate waren hart für die Türkei, in politischer, aber auch in kultureller Hinsicht. Vor allem den Filmbereich hat es schwer getroffen. Den ganzen Sommer über wurden mehrere Dreharbeiten in Istanbul aus Sicherheitsbedenken gestrichen oder verschoben, ähnlich wie Konzerte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Dabei fühlten sich manche Städte wohlgemerkt auch aus eigenem Antrieb heraus beflissen, die Konzerte von Künstlern abzusagen, die öffentlich gegen die Hexenjagden nach dem versuchten Umsturz protestiert hatten. In so einem instabilen und unsicheren Umfeld zweifelten viele Filmemacher und Cineasten, ob das 23. International Adana Film Festival überhaupt stattfinden würde. Doch Adana nimmt im Herzen türkischer Filmemacher einen besonderen Platz ein. Die Stadt ist Heimat des legendären Autorenfilmers Yılmaz Güney, das Festival eines der angesehensten nationalen Ereignisse des Jahres. Hinzu kommt das sehr hohe Preisgeld der Festivalauszeichnungen; so wird der beste Film mit rund 100.000 Euro geehrt. Welcher Filmemacher würde daher nicht gern sein Glück im nationalen Wettbewerb von Adana versuchen? Erst Ende Au-

gust stand fest, dass das Festival wirklich durchgezogen werden könne, und viele fragten, welche Skandale es in diesem Jahr wohl geben würde. Skandale deshalb, weil die Verwaltung von Adana für ihre politisch konservativen und nationalistischen Ansichten bekannt ist, wohingegen türkische Arthouse-Regisseure in Dankesreden gerne das System kritisieren und/oder heftig ihre linksgerichtete politische Überzeugung vertreten. Dieses Jahr aber sagte während der Preisverleihung niemand irgendetwas von Interesse. Ein Filmemacher verblüffte sogar mit seiner Gleichgültigkeit: Der RegiepreisGewinner Mehmet Can Mertoğlu antwortete auf die Frage des Moderators, ob er etwas sagen wollte, einfach nur: „Etwas.“

aus dem leBen dePressiVer mÄnner… Erstaunt und überrascht waren viele Kritiker bereits über die Auswahl der Filme. So war „Rüzgarda Salınan Nilüfer“ („The Swaying Waterlily“), der zweite Film von Seren Yüce (2010 für sein Debüt „Çogunluk“ in Venedig geehrt), nicht berücksichtigt worden. Gerüchten zufolge könnte die eine Sekunde dauernde Aufnahme von einem künstlichen Penis den Zorn einflussreicher Autoritäten geweckt haben – offiziell bestätigt wurde dies natürlich nicht. Doch wenn denn schon von Penissen die Rede ist, dann muss

Fotos: International Adana Film Festiva

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Von Emine Yildirim

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Fokus Türkei filmkunst

auch von den unaufhörlichen phallischen Untertönen, patriarchalen Problemstellungen und männlich-zentrierten Krisenfilmen des türkischen Kinos gesprochen werden. Allein vier Filme der Auswahl (die bis auf einen bei den Preisen leer ausgingen) folgten dem Leben depressiver Männer, die in ihrem Kummerzustand ganz oder teilweise glorifiziert werden. Der beste von ihnen war noch Cemil Ağacıkoğlus „Tarla“ („The Field“), ein wunderschön gefilmter und geschriebener Film, der in die Welt der Pflichten eintaucht, die Söhnen zentralanatolischer Familien auferlegt werden. Doch einmal mehr ist das Ausklammern des weiblichen Geschlechts ernüchternd. Wirklich hervor stachen lediglich drei Filme im nationalen Wettbewerb – und teilten sich, wenig überraschend, alle wichtigen Preise. Kıvanç Sezers „Babamin Kanatlari“ („My Father’s Wings“) hatte seine Premiere bereits im Wettbewerb von Karlovy Vary, sodass die Erwartungen von vornherein hoch waren. Respekt lässt sich vor allem dem Talent des Regiedebütanten zollen, sachlich, dabei aber einfühlsam die Geschichte von Bauarbeitern zu entfalten, die sich in den riesigen Wolkenkratzern des neuen Istanbuls abrackern – ohne soziale Absicherung und

im Bemühen, mit Hungerlöhnen über die Runden zu kommen. Der Film räumte zahlreiche Preise ab, darunter für den zweitbesten Film, den besten Schnitt, den besten Darsteller, den besten Nebendarsteller und die beste Nebendarstellerin.

Herausragende meisterwerke Zweifellos ist Mehmet Can Mertoğlus „Albüm“ eines der hervorstechendsten Werke im türkischsten Kino des letzten Jahrzehnts. Im Stil an die neue rumänische Welle erinnernd, beeindruckt die unverblümt schwarzhumorige Art und Weise, mit der der Film die Heuchelei und Konsumvernarrtheit der gegenwärtigen türkischen Mittelschicht abbildet. Mertoğlus Perspektive ist die eines nüchternen Beobachters, doch seine eindrucksvollen Einstellungen und meisterhaften Bilder lassen den Zuschauer voller Bewunderung für das filmische Talent dieses jungen Regisseurs zurück. Der Film wurde für die beste Regie und das beste Drehbuch ausgezeichnet. Star des Festivals war indes „Koca Dünya“ („Big Big World“) von Reha Erdem, der gerade erst mit mehreren Preisen im Gepäck

vom Filmfestival in Venedig zurückgekehrt war. Erdem gewann die Preise für den besten Film und die beste Kamera für eine glanzvolle und sinnliche Arbeit über zwei junge Waisen, die vor bösen Buben aus Istanbul flüchten müssen und in den surrealen Wäldern Thrakiens erblühen. Diese wunderschöne Tragödie mag eine der ältesten Geschichten überhaupt erzählen und verzaubert doch mühelos. Nachdem seine letzten Filme nur mäßig bei Publikum und Kritikern ankamen, zeigte sich Erdem damit endlich wieder in alter Stärke. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass seine Rede bei der Verleihung aus einem sehr kurzen und wenig begeisterten „Danke“ bestand. In der heutigen Zeit muss man wohl dankbar sein, wenn ein Filmfestival in der Türkei überhaupt noch stattfindet. Dennoch ist der allgemeine Mangel an echter Begeisterung unter Zuschauern wie Branchengästen nur schwer zu schlucken. Man kann nur hoffen, dass 2017 ein besseres Jahr für den türkischen Film wird. •

Hinweis: Die englischsprachigen originalfassungen der Texte von emine Yildirim sind im internet unter www.filmdienst.de nachzulesen.

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KRiTiKEn Neue filme Unterm Strich bleibt nur tiefe Abneigung: Nach 15 Jahren Beziehung ist die Liebe von Marie und Boris am Ende. Lange Zeit war es unmöglich, ohne einander zu leben, heute ist es Marie unbegreiflich, dass sie Boris je geliebt hat. Wie er spricht, wie er sich bewegt, wer er ist – alles an ihm nervt sie. Und doch schaffen es die beiden nicht, sich zu trennen. Zwischen ihnen und der Scheidung stehen nicht die zehnjährigen Zwillingstöchter, für deren Betreuung es bereits eine Vereinbarung gibt – es ist die gemeinsame Wohnung. Einst mit Bedacht ausgewählt, liebevoll renoviert und eingerichtet, erweist sie sich nun als ein unnachgiebiger Kitt. Marie muss Boris mit viel Geld abfinden, um die Wohnung zu behalten. Er fordert mehr, als sie zu geben bereit ist. Keiner gibt nach, keiner kann gehen. Das getrennte Paar bewohnt die Wohnung weiterhin gemeinsam. Erneut wendet sich der belgische Regisseur Joachim Lafosse der Familie zu, dem zentralen Thema der meisten seiner Filme. Mit ähnlich quasi-dokumentarischem Blick wie zuvor etwa in „Unsere Kinder“ (2012), in dem kulturelle Differenzen und finanzielle Abhängigkeit schleichend zur unfassbaren Tragödie führen, beobachtet Lafosse nun, wie eine Beziehung an unterschiedlichen Wahrnehmungen zerbricht. Auf der einen Seite steht Marie, Tochter wohlhabender Eltern,

Die Ökonomie der Liebe Das Drama einer Trennung, festgemacht am Streit um eine Wohnung die durch Erbe und einen gut bezahlten Job stets fürs Einkommen der Familie zuständig war, auf der anderen Boris, der sich als Architekt mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt, aber in die Gestaltung der Wohnung sein ganzes Können hat einfließen lassen. Sie sei deshalb nun deutlich mehr wert, lautet sein Argument im Streit um die Vermögensteilung. Beide rechnen sich mehrmals ihre Aufstellungen vor, dies aus der Perspektive des verletzten Partners, dessen Verdienst vom anderen nicht anerkannt wird. Um Geld geht es nur vordergründig. Hinter den Zahlen, der „Ökonomie der Liebe“, schimmern andere, emotionale Gründe für das Scheitern durch. So vergehen die Tage in der schönen, lichtdurchfluteten Wohnung, die Streitobjekt und zugleich „Hauptdarstellerin“ des Films ist. Während sich Bérénice Bejo und Cédric Kahn als angespanntes Scheidungspaar schauspielerisch gegenseitig die Show stehlen, erinnern die warmen Stoffe, das gemütliche Sofa, das Ehebett oder der einladende Esstisch daran, dass dem Streit gemeinsames Glück vorausging. Um zu verdeutlichen, dass sich die Reste dieses

Glücks nicht einfach in zwei gleiche Teile auseinandernehmen lassen, genügt es Lafosse, dem Alltagsgeschehen zu folgen: Wie in einem Käfig drehen sich Marie und Boris im Kreis, belauern, reizen, zerfleischen sich. Sie kümmert sich um die Töchter, kocht und wäscht. Er taucht auf, will sich ebenfalls um die Töchter kümmern. Doch gemeinsam geht nichts. In diesem kammerspielartigen Szenario gibt es außer der tagtäglichen Routine nur wenige Anstöße oder Einflüsse, die die Handlungskurve ausschlagen lassen könnten. Lediglich die Töchter, Maries Mutter und einige Freunde betreten die Kampfzone und können doch nichts an der Situation ändern. Eine Parteinahme erweist sich als unmöglich. Die Mädchen brauchen und wollen Papa und Mama. Beide Eltern sind für ihre Kinder da. Die Übrigen schaffen es ebenfalls nicht, sich klar zu positionieren, selbst als Boris ein Abendessen unter Freunden sprengt. Sowohl Marie als auch Boris haben auf ihre Weise irgendwo Recht. Das Besondere des Films liegt in der Einfachheit des Plots und der Inszenierung. Mittels geduldiger, fast wissenschaft-

lich genauer Beobachtung zeigt sich das Drama in banalen Details. Unterfütterung durch Skandale, tragische Wendungen oder Klischees sind nicht nötig für diesen pointierten Realismus. Die Ökonomie der Mise-en-scène destilliert ganz ohne Zusätze ein bitteres Konzentrat aus dem Gesellschaftsphänomen „Scheidung“. Einfach zu schlucken ist der Film daher nicht: Zu sehr spiegeln die Redundanz der Ereignisse und Argumente gewöhnliche Trennungsprozesse aus dem echten Leben. Die Wohnung indes ist fast zu schön, um wahr zu sein. Als einziger Zauber, den der Film zulässt, ist sie Denkmal und Mahnung zugleich: Liebe ist möglich, aber ihr „Output“ nicht kalkulierbar. Marguerite Seidel BeweRtung DeR FiLmKommiSSion

nach 15-jähriger Beziehung hat sich ein Paar auseinandergelebt, ist die liebe erloschen. Doch um getrennte Wege gehen zu können, müssen sich beide einigen, wieviel jedem von der liebgewonnenen gemeinsamen Wohnung zusteht, was sich als höchst komplizierte Rechnung erweist. ein kammerspielartiges, betont einfach inszeniertes, geduldig und genau beobachtendes Drama, das ebenso ernüchternd wie eindrücklich die Dilemmata einer Trennung durchspielt. Hinter den Diskussionen um Zahlen und Betreuungszeiten scheint dabei stets das hintergründige emotionale Gefüge durch, das die vorzüglich gespielten Hauptfiguren bewegt. – Sehenswert ab 16.

Regie: Joachim lafosse Darsteller: Bérénice Bejo (marie), Cédric Kahn (Boris), marthe Keller (Christine), Jade Soentjens (Jade), margaux Soentjens (margaux) Länge: 101 min. | Kinostart: 3.11.2016 Verleih: Camino | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 44 232

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Fotos S. 36–51: Jeweilige Filmverleihe

l’ÉCOnOmie Du COuPle. Scope. Belgien/ Frankreich 2016


Neue filme KRiTiKEn

eine geschichte von Liebe und Finsternis Natalie Portman hat Amos Oz’ gleichnamigen Roman verfilmt „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ von Amoz Oz, 2002 auf Hebräisch, zwei Jahre später auf Deutsch erschienen, ist einer der bedeutendsten Romane der israelischen Literaturgeschichte. So etwas wie eine Autobiografie, auch wenn Oz auf dem Begriff „Roman“ besteht. Oz, 1939 geboren, beschreibt die Erinnerung an seine Kindheit im Jerusalem der 1940er-Jahre, die Geschichte seiner Familie, ihre Flucht vor dem Holocaust, ihre Einwanderung nach Israel, die Gründung des Staates. Es geht auch um die Schuldgefühle der Überlebenden, um Jerusalem als Stadt, um das Verhältnis von Juden und Arabern, um die Schicksale Einzelner vor dem Hintergrund einer noch jungen Gesellschaft. Ein ausuferndes Epos, reich an Themen, Motiven und Stoffen. Man ahnt, was die Schauspielerin Natalie Portman an diesem Roman gereizt haben mag. Sie wurde selbst in Jerusalem als Tochter eines jüdischen Vaters geboren und wanderte noch als Kind nach Amerika aus. Mit der Adaption von Oz’ Roman hat sie auch ihre eigenen Wurzeln erforscht. Jerusalem 1945, der Zweite Weltkrieg geht soeben zu Ende, Palästina ist noch britisches Mandat, die aus Europa vertrie-

benen Juden hoffen auf einen Neuanfang in einem neuen Staat: Israel. Amos ist sechs Jahre alt. Sein Vater Arieh ist Schriftsteller, verdient aber seinen Lebensunterhalt als Bibliothekar, weil sein Buch über hebräische Literatur, das er stolz präsentiert, niemand kaufen will. Ganz andere Geschichten erzählt Amos’ Mutter Fania (gespielt von der Regisseurin). Sie nimmt den Jungen mit in die Vergangenheit und erzählt von ihrer Familie, von ihrem Zuhause in Polen, von ihrer Heimat. Manchmal erfindet sie auch Geschichten, und so ist für Amos nicht immer klar, was Realität ist und was Fantasie, was sie ihm sagen will. Und doch entdeckt er mit ihren Geschichten die Welt. Aber Fania ist eine traurige Frau, sie hat alles verloren. Die meisten ihrer Verwandten sind tot, nur zwei Schwestern leben noch in Tel Aviv. Die vermeintliche Schuld, dem Holocaust entkommen zu sein, legt sich wie Blei auf ihre Seele, und auch die Geburt des Staates Israel, die gleich mit einem Unabhängigkeitskrieg beginnt, lässt sie unberührt. Amos weiß nicht, wie er seiner Mutter helfen kann, und auch Arieh, dieser lebensuntüchtige Intellektuelle, ist ratlos.

Die Katastrophe, die sich nun ereignet, können beide nicht abwenden. Und plötzlich ist der Film auch schon vorbei, ein ebenso abrupter wie enttäuschender Schluss. Natalie Portman, die auch das Drehbuch schrieb, gelingt es nicht, den epischen Atem des Romans auf die Leinwand zu übertragen. Sie packt den Zuschauer nicht, sie rührt ihn nicht, sie lässt ihn mit vielem allein. Sie verzichtet auf viele Motive und Begebenheiten, muss es natürlich auch. Einige wenige Fakten zum Nahost-Konflikt, ein emblematisches Bild von abziehenden britischen Soldaten, eilige Zuordnungen – viele Zusammenhänge bleiben oberflächlich und unverständlich, die Komplexität des Romans bricht Portman auf einfache Statements herunter. Als Beispiel für eine thematische Verkürzung mag jene Szene dienen, in der der kleine Amos beim Spielen auf einer Schaukel ein Mädchen verletzt und im Glauben bleibt, es für immer schwer geschädigt zu haben. Ein Trauma, dem im Roman große Bedeutung zukommt, das im Film aber untergeht. Natalie Portman hat den Fokus vom Erwachsenwerden des Jungen auf die Leiden der Mutter

gelenkt, die in düster-grauen Bildern eines beengten Jerusalem ihre visuelle Entsprechung finden. Amos ist zwar Beobachter und Erzähler der Geschichte, aber nicht mehr ihr Held, und so muss der Zuschauer ständig um die Identifikation mit ihm ringen. Auch die für Oz so wichtige Parallele zwischen dem Heranwachsen eines Jungen und der Geburt des Staates Israel kann in der Kürze der Zeit nur gestreift werden. Im gelegentlichen Off-Kommentar ist immerhin Oz’ sprachliche Poesie erhalten (vor allem in der hebräischen Originalfassung mit Untertiteln), und das ist dann doch eine kleine Versöhnung mit dieser zu hastig geratenen Literaturverfilmung. Michael Ranze

BeweRtung DeR FiLmKommiSSion

ein kleiner Junge wächst nach dem ende des Zweiten Weltkriegs in Jerusalem als Sohn von HolocaustÜberlebenden auf. Vor allem dank der fantasievollen Geschichten seiner mutter entdeckt er die Welt, während die traurige Frau immer unglücklicher und lebensmüder wird. Die Verfilmung des autobiografisch gefärbten Romans von Amos Oz verkürzt den Themenund motivreichtum der Vorlage, sodass viele Zusammenhänge oberflächlich oder sogar unverständlich bleiben. indem sie den Fokus auf das leiden der mutter legt, erschwert sie zudem die identifikation mit der jungen Hauptfigur. – Ab 14.

A TAle OF lOVe AnD DARKneSS. Scope. israel/uSA 2015 Regie: natalie Portman Darsteller: natalie Portman (Fania), Gilad Kahana (Arieh), Amir Tessler (Amos), makram Khoury (Halawani), Shira Haas (junge Fania) Länge: 98 min. | Kinostart: 3.11.2016 Verleih: Koch | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 44 233

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„Er hatte seinen Zauber verloren.“ So beginnt Philip Roths Roman „Die Demütigung“ (2009), und genau in dieses Dilemma kommt zügig auch Barry Levinsons Verfilmung um einen 65-jährigen TheaterStar, dem der Glaube an sein Talent und sein Charisma abhandengekommen ist, sodass er sich von der Bühne zurückzieht. Gleich zu Beginn sieht man diesen Simon Axler, dargestellt von Al Pacino, in der Garderobe, wie er auf seinen Auftritt wartet und an den berühmten Versen aus Shakespeares „Wie es euch gefällt“ laboriert: „Die ganze Welt ist Bühne/ Und alle Fraun und Männer bloße Spieler./ Sie treten auf und gehen wieder ab,/ Sein Leben lang spielt einer manche Rollen/ Durch sieben Akte hin.“ Wo bleibt bei diesem Rollenspielen die Wahrhaftigkeit? Axler fühlt, dass er sie in seiner Kunst verloren hat und sein Publikum nicht mehr emotional erreicht. So stürzt er sich als letzte große Geste effektvoll von

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Der letzte Akt Philip-Roth-Verfilmung mit Al Pacino und Greta Gerwig

der Bühne, landet erst im Krankenhaus und dann in einer psychiatrischen Klinik, um sich schließlich depressiv und einsam in seinem Anwesen auf dem Land zu verkriechen. Bis, wie in vielen anderen Roth-Stoffen, eine schöne, wesentlich jüngere Frau auftaucht und auf den alternden Mann wie ein Lebenselixier wirkt, sich aber auch als äußerst strapaziös für seine Nerven, seinen Körper und seinen Geldbeutel erweist.

Al Pacino mag mit seinen zierlichen 1,70 Metern nicht gerade der Hüne sein, als den Philip Roth seinen Romanhelden beschreibt – aber er ist, und nur darauf kommt es an, ein Schauspiel-Titan, und Levinson richtet seine Adaption von Roths Roman ganz darauf aus, ihm eine adäquate Bühne zu geben. Die Rolle des Simon Axler ist denn auch eine der stärksten Auftritte, die man von Pacino in den letzten Jahren gesehen hat. Die Drehbuchautoren Buck Henry und Michal Zebede und der Regisseur nutzen den Roman dabei lediglich als Steilvorlage: Sie greifen zwar durchaus viele Figuren und Handlungselemente auf, nehmen sich aber auch Freiheiten und schlagen letztendlich einen anderen Ton an als Roth, indem sie die Tragödie des alternden Mannes komödiantisch-ironisch und bisweilen surreal unterwandern. Als Glücksgriff erweist sich dabei auch die Besetzung der jüngeren Geliebten durch Greta Gerwig. Sie verwandelt Pegeen, die eigentlich lesbisch ist, für ihr Kindheitsidol Simon aber eine heterosexuelle Phase einlegt und sich von ihm mittels Frisur und Klamotten vom Tomboy zur „fraulichen“ Schönheit stylen lässt, von der Femme fatale in eine grundsolide, liebenswürdige Frauenfigur, die bei aller Kapriziösität eine entwaffnende Bodenständigkeit ausstrahlt. Den Sex, den Roth in gewohnter Drastik ausmalt, spart der Film weitgehend aus, was allerdings nicht prüde wirkt, sondern unterstreicht, dass Axlers Faszination für Pegeen nicht nur eine körperliche Anziehung ist, sondern der ganzen vitalen, selbstbewussten Person gilt. Womit es in dem Film trotz aller Unterschiede um das geht, um was auch der Roman kreist: um die Sehnsucht danach, die undurchdringliche THE HuMBlING Grenze zwischen dem Ich und den uSa/Italien 2014 anderen zuminregie: Barry levinson dest zeitweise zu Darsteller: al Pacino, Greüberwinden, eine ta Gerwig, Nina arianda Verbindung herzuLänge: 112 Min. stellen – sei es durch die Liebe oder durch FSk: ab 12 Anbieter: KSM die Kunst. – Ab 16. Felicitas Kleiner

FD-kritik: 44 265

Fotos S. 52-55: Jeweilige Anbieter

kritiken auf dvd/Blu-ray


KRITIKEN FERNSEH-TIPPS

20.15-21.40 3sat Solness R: Michael Klette Theaterfilm nach Henrik Ibsen Deutschland 2015 Ab 16

20.15-22.45 ProSieben Wir kaufen einen Zoo R: Cameron Crowe Ein Witwer wagt den Neuanfang USA 2011 Ab 10 22.00-23.30 BR FERNSEHEN Storno – Todsicher versichert R: Jan Fehse Provinzkomödie um Versicherungsbetrug Deutschland 2015 Ab 14 22.00-00.00 Servus TV The Sixth Sense R: M. Night Shyamalan Unaufdringlicher Mysteryfilm USA 1999 Ab 16 22.00-23.50 zdf_neo Der einzige Zeuge R: Peter Weir Harrison Ford ermittelt unter Amish USA 1985 Sehenswert ab 16 23.30-00.50 BR FERNSEHEN Sibylle R: Michael Krummenacher Frau entgleitet ihr Leben Deutschland 2015 Ab 16 23.50-01.20 rbb Fernsehen Befrei uns von dem Bösen R: Ole Bornedal Allegorisches Fremdenhass-Drama Schweden/Dänemark 2009 Ab 16 23.50-01.15 zdf_neo Verschwunden im eigenen Haus R: Patxi Amezcua Vater sucht verschwundene Kinder Argentinien/Spanien 2013 Ab 16 00.45-02.23 Das Erste Atemlos R: Jim McBride Atmosphärisch dichtes Remake USA 1982

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SO

SAMSTAG 29. Oktober

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29. Oktober-5. November

Das Erste/Dritte Programme

ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ Über die ganze Woche hinweg beleuchten Das Erste und alle Dritten Programme unterschiedlichste Facetten der Arbeitswelt in Gegenwart und Zukunft. Der schwindende Stellenwert des Handwerks, Fragen des Strukturwandels, der Lohngerechtigkeit oder des zunehmenden Einsatzes von Robotern spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Globalisierung oder bereits jetzt zu startende Lehrpläne, mit denen die heutigen Kinder auf die künftigen Herausforderungen vorbereitet werden. Zahllose Spiel- und Dokumentarfilme, die im Rahmen dieser Woche im Fernsehen laufen, belegen das hohe Interesse von Kino und Fernsehen an dem Thema. In der Erstausstrahlung „Dead Man Working“ (2.11., 20.15-21.45, Das Erste) wird der mysteriöse Tod eines Bankers für seinen Assistenten zur Frage, ob ihr Arbeitgeber ihn in den Tod getrieben hat; Regisseur Marc Bauder taucht damit nach seinem Dokumentarfilm „Der Banker – Master of the Universe“ (3.11., 23.45-01.15, hr fernsehen) einmal mehr ins Frankfurter Finanzmilieu ein. „Die Ausbildung“ (1.11., 23.10-00.35, WDR Fernsehen) ist ein lakonisch-kafkaesker Blick auf die neue Arbeitswelt, während eine Kurzfilmnacht auf BR FERNSEHEN nach dem „Wert der Arbeit“ in heutigen Zeiten fragt (2.11., 23.45-01.20). Den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus werfen u.a. „Zwei Tage, eine Nacht“ (31.10., 23.15-00.50, NDR fernsehen) von den Belgiern JeanPierre und Luc Dardenne und „Der Schnee am Kilimandscharo“ (5.11., 23.45-01.25, BR FERNSEHEN) vom Franzosen Robert Guédiguian. Informationen zu der Themenwoche finden sich auch unter: http://www.ard.de/ home/themenwoche/ARD_Themenwoche_2016_Zukunft_der_Arbeit/3234726/ index.html

29. Oktober, 23.50-01.15

zdf_neo

Verschwunden im eigenen Haus Der 1957 in Buenos Aires geborene Schauspieler Ricardo Darín ist derzeit einer der populärsten „Leading Men“ des argentinischen Kinos, dank Filmen wie „In ihren Augen“, „Wild Tales“ und „Freunde fürs Leben“ aber auch hierzulande kein Unbekannter. Von seinen Qualitäten kann man sich auch im Thriller „Verschwunden im eigenen Haus“ überzeugen, der nicht zuletzt durch Daríns intensive Interpretation der Hauptrolle für Anteilnahme sorgt. Darín spielt einen erfolgreichen Rechtsanwalt, dessen Kinder eines Morgens auf dem Weg von der Wohnung im 7. Stock ins Erdgeschoss auf rätselhafte Weise spurlos verschwunden. Das Ereignis ist zunächst ihm und der Polizei rätselhaft, doch dann geht ein Erpresseranruf ein. Der Anwalt tritt einen Wettlauf gegen

die Zeit an, um seine Kinder zu retten. Wobei einen Darín dazu bringt, in jeder Sekunde mitzubangen.

SONNTAG 30. Oktober

10.15-12.05 mdr Die korsischen Brüder R: Anton Giulio Majano Handfester Mantel-und-Degen-Film Italien/Frankreich 1961 Ab 14

11.30-13.00 3sat Das Weiterleben der Ruth Klüger R: Renata Schmidtkunz Dokumentation über die jüdische Literaturwissenschaftlerin Österreich 2011 Ab 16 16.30-18.00 3sat Margarete Steiff R: Xaver Schwarzenberger Bio-Pic über die Erfinderin der Steiff-Plüschtiere Deutschland 2005 Sehenswert ab 15 17.05-19.05 Servus TV Bunny and the Bull R: Paul King Fantasievolles Filmmärchen Großbritannien 2009 Ab 16 18.00-18.30 50. Hofer Filmtage kinokino extra

3sat

21.45-23.05 3sat Die Frau in Rot R: Gene Wilder Gelungenes Liebenskomödien-Remake USA 1984 Ab 16 00.20-01.55 3sat Der Kandidat R: Kasper Barfoed Spannender Verschwörungsthriller Dänemark 2008 01.30-03.00 hr fernsehen Im Schatten des Gulag R: Loretta Walz Als Deutsche unter Stalin geboren Dt. 2011 Sehenswert ab 16 02.00-04.25 Das Erste Gefahr und Begierde R: Ang Lee Elegisches Kriegs- und Liebesdrama USA/Hongkong 2007 Sehenswert ab 16

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

SA


FERNSEH-TIPPS KRITIKEN

30. Oktober, 21.45-23.05

3sat

Die Frau in Rot Die Trauer war groß, als US-Komiker Gene Wilder diesen August verstarb. Der blonde Mime mit den großen, immer irgendwie kindlich-verwundert in die Welt blickenden Augen bleibt nicht nur dank seiner Rollen in Mel-Brooks-Filmen wie „Frankenstein Junior“ in Erinnerung, sondern auch mit seiner eigenen Regiearbeit „Die Frau in Rot“. Darin inszeniert er sich selbst als kleinen Büroangestellten, der sich in eine Affäre mit einer schönen Frau stürzt, aber beim Versuch, den Seitensprung vor seiner Familie geheimzuhalten, zunehmend ins Chaos stützt – eine vergnügliche Satire darauf, wie anstrengend es werden kann, wenn Fantasien vom Ausbruch aus dem Alltag Wirklichkeit werden. Die Komödie unterhält nicht nur durch Wilders zunehmend absurden Kampf mit den Tücken des Zufalls, sondern auch durch den Soundtrack von Stevie Wonder, der für den Filmsong „I Just Called to Say I Love You“ einen „Oscar“ abräumte.

ERSTAUSSTRAHLUNG: 30. Oktober, 11.30-13.00

3sat

Das Weiterleben der Ruth Klüger Anlässlich des 85. Geburtstags der am 30.10.1931 in Wien geborenen jüdischen Germanistin Ruth Klüger zeigt 3sat Renata Schmidtkunz’ Dokumentarfilm aus dem Jahr 2011. Klüger machte sich auch als Schriftstellerin einen Namen und wurde mit ihren nüchtern-schroffen Holocaust-Erinnerungen „weiter leben. Eine Jugend“ (1992) einem größeren Publikum bekannt. Der Film begleitet sie auf Reisen und Begegnungen, wobei er Klügers Credo, dass Wahrheit nur konkret, nie exemplarisch zu haben sei, umsetzt und die feministische Wissenschaftlerin nicht porträtiert, sondern zeigt, wie sie lebt: heimat- und ruhelos und zumeist auch im Konjunktiv.

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