Filmdienst 26 2016

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fIlM DIenST

DI E B RÜDER DAR D E N N E Ihr Film „Das unbekannte Mädchen“ beweist: Sie zählen zu den wichtigsten Vertretern des europäischen Autorenkinos. XAVI ER DOLAN Seine Filme sind schrill, melodramatisch, narzisstisch oder einfach nur nervig. Und all das macht sie so wundervoll. DAS F I L M E R B E Seit 120 Jahren sehen Menschen Bilder auf der Kinoleinwand. Wieviel bleibt von dieser Bilderflut? Was geht verloren?

Das Magazin für Kino und Filmkultur

26 2016

www.filmdienst.de

22. Dezember 2016 € 5,50 69. Jahrgang

Seit seinem Erstlingsfilm „Metropolitan“ (1990) geisterte Jane Austen durch die sprachgenauen Komödien von Whit Stillman. Mit „Love & Friendship“ kommt er ihr nun faszinierend nah.


INhaLT Die neUen KinOfiLMe NEu IM KINo

39 49 41 44 36 37 40 48 41 43 42

ALLE STARTTERMINE Allied - Vertraute Fremde 22.12. Baden Baden 29.12. Befikre - Sorglos verliebt 8.12. Çakallarla Dans 4 8.12. Dag 2 1.12. Dear Zindagi - Liebesbrief an das Leben 1.12. Einfach das Ende der Welt 29.12. Gemeinsam wohnt man besser 22.12. Görümce 1.12. Love & Friendship 29.12. Nocturnal Animals 22.12. Office Christmas Party 8.12. Rogue One: A Star Wars Story 15.12. Eine schöne Bescherung 22.12. Sen Benim Herseyimsin 8.12. Die Überglücklichen 29.12. Vaiana 22.12.

KINoTIPP

42 VAIANA

der katholischen Filmkritik

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DIE ÜBERGLÜCKLICHEN

39 EINFACH DAS ENDE DER WELT Xavier Dolans hitziges Drama über die schwierige Rückkehr eines Mannes zu seiner entfremdeten Familie.

FErNsEh-TIPPs 40 36 56 RTL strahlt eine dreiteilige „Winnetou“Neuverfilmung aus, die durchaus neben den Kultfilmen aus den 1960er-Jahren bestehen kann. Über die Feiertage setzen viele Programme auf Disney-Filme und Märchen, das Erste steuert vier attraktive Neuverfilmungen bei. Arte beginnt das neue Jahr mit einer Reihe von Filmen des Franzosen Claude Lelouch.

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ROGUE ONE: A STAR WARS STORY NOCTURNAL ANIMALS

Fotos: TITEL: Criterion Collection. S. 4/5: Weltkino, RTL, Walt Disney, Neue Visionen, xxx, UPI, Universum, Kinowelt, Amazon Studios, Filmarchiv Austria

+ 45 47 41 41 46 38


26 | 2016 Die ArTiKeL INhaLT

RUBRIKEN EDITORIAL 3 INHALT 4 MAGAZIN 6 DVD-KLASSIK 34 DVD/BLU-RAY 50 TV-TIPPS 56 P.S. 66 VORSCHAU / IMPRESSUM 67

Wehrt sich mit Zähnen und Klauen gegen das Vergessen: filmerbe »nosferatu«

KINo

aKTEurE

FILMKuNsT

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DIE BRÜDER DARDENNE

22 WHIT STILLMAN

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10 DAS KINO DER DARDENNES

20 BENJAMIN LILLIE

FILMERBE

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Die belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne bereichern seit mehr als 20 Jahren das europäische Autorenkino mit sozialrealistischen, humanistischen Filmen. Eine Würdigung des kreativen Duos.

Der 31-Jährige ist einer von Deutschlands vielversprechenden Nachwuchsdarstellern. Demnächst feiert er sein Kinodebüt im neuen Film von Florian Henckel von Donnersmarck. Ein „Spielwütig“-Porträt.

„Billy Lynn’s Long Halftime Walk“, der neue Film von Ang Lee, experimentiert mit einer erhöhten Bildgeschwindigkeit. Das Ergebnis ist allerdings mangels technischer Ausrüstung in kaum einem Kino mitzuerleben.

Von Kirsten Taylor

Von Alexandra Wach

Von Franz Everschor

16 XAVIER DOLAN

Nach sechs Filmen ist der 27-jährige kanadische Regisseur im Arthouse-Kino fest etabliert. Seine Werke werden oft kritisch beäugt und als zu schrill, zu melodramatisch oder zu anstrengend abgetan. Ein Fehlschluss, denn gerade darin liegt ihre Qualität. Eine Hommage. Von Lucas Barwenczik

26 EUROPÄISCHER FILMPREIS

Bei der diesjährigen Gala im polnischen Breslau ging es nur an den Rändern um Europas aktuell schwierigen Stand, während die Preisverleihung von einem verdienten Sieger dominiert wurde.

22 WHIT STILLMAN

Die Filme des US-Regisseurs sind scharfzüngig-kluge Porträts des urbanen Großbürgertums und seiner Verhaltenscodes. Sein neuer Film „Love & Friendship“ greift eine Vorlage von Jane Austen auf. Das Porträt eines Solitärs im Independent-Kino. Von Esther Buss

28 FILMERBE

„Filmerbe in Gefahr!“ Immer wieder schlagen Institutionen wie auch Privatpersonen Alarm. Dabei herrscht in Filmarchiven oft akuter Notstand, um die Digitalisierung voranzutreiben. Eine bedrohliche Situation. Von Olaf Brill

32 VERANSTALTUNGEN

In München fanden im November das Filmschoolfest und die Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises statt, im Lenbachhaus zeigt eine Ausstellung Verbindungen zwischen F.W. Murnau und der Malerei. Von Thomas Brandlmeier und Margret Köhler

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Xavier dolan kino XXX

Der Dramatiker Louis-Jean wartet auf den Start seines Flugzeugs. Er reist in die lange gemiedene Heimat, um seine Familie wiederzusehen, von der er sich über die Jahre hinweg entfremdet hat. Plötzlich, wie aus dem Nichts, greift ein Kind über die Lehne seines Sitzes hinweg und verdeckt mit den kleinen Händen seine Augen. Es ist ein Bild wie eine Warnung: Ein Wiedersehen mag es geben, aber ein gegenseitiges Erkennen wird wahrscheinlich eine ferne Hoffnung bleiben. So beginnt „Einfach das Ende der Welt“, der neue Film des frankokanadischen Regisseurs Xavier Dolan, das mittlerweile sechste Werk des erst 27-Jährigen. Man

Der frankokanadische Regisseur, geboren 1989 in Montréal, dreht Filme über die Liebe zum oft unerträglichen Anderen. oft wird er reduziert: auf sein Alter, seine Festival-Erfolge, seine bunte Camp-Ästhetik. Lange wurde er als „Wunderkind“ hofiert, inzwischen werden seine Filme zunehmend kritisch beäugt. Wie Dolan selbst gelten sie vielen als zu schrill, melodramatisch, einfältig, narzisstisch oder einfach nur nervig. Das alles mag zutreffen – und doch ist dies genau der Grund dafür, warum sie so wundervoll sind. Von Lucas Barwenczik

»Herzensbrecher«

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kann die spielerisch tastenden Kinderhände, Verhaltensauffällige und Rebellen. Sie de als Symbolbild für sein Kino lesen: Es agieren launisch, aggressiv und streben zu ist eines des Verbergens und Umformens. Extremen. Die existierenden IdentitätsschaUnentwegt werden die Puzzlestüblonen reichen nicht aus. Unentcke seiner Welten neu arranwegt stoßen ihre Persönlichkeigiert, Elemente hinzugefügt ten an die von der Gesellschaft und weggenommen. Das gesetzten Grenzen und Dolans HelDen passiert aus einem unbändiverbrennen sich an der ReisinD launiscH, gen Spieltrieb heraus, aber bungshitze. Oft reicht dazu aggressiv auch, um den Zuschauer zu schon ihre Queerness aus, unD extrem provozieren. die immer wieder den Zorn Xavier Dolans Filme können der Heteronormativität auf sich nicht nur nerven, sie sollen zieht. Das Familiendrama „Ich es sogar. Sie sind laut, schrill und habe meine Mutter getötet“ (2009), maßlos, bewegen sich oft am Rand des der Thriller „Sag nicht, wer du bist!“ (2013) Erträglichen. Ihre Helden sind Störenfrieoder das explizite, mit Passionsmotiven

DER StöREnFRiED ÜbER XAviER DoLAn unD SEinE WunDERvoLL „nERviGEn“ FiLME


»Mommy«

arbeitende Musikvideo, das Dolan für den Song „College Boy“ (2013) der französischen Rock-Gruppe Indochine drehte – sie alle ringen unmittelbar mit den Gewalterfahrungen der LGBT-Gemeinde. Doch genau wie viele andere der Schubladen, in die Dolan schon gesteckt wurde – Wunderkind, Hipster, Festival-Liebling –, bleibt auch die des Queer Cinema zu eng. Es geht um viele Facetten der Andersartigkeit: zerrüttete, neuartige Familien, Narzissten, Entwicklungsgehemmte, psychisch Erkrankte. Menschen, die zu sehr von Ebbe und Flut ihres Innenlebens geleitet werden, um einen geraden Weg gehen zu können. Sie tragen autobiografische Züge. Dolan wächst in einem filmaffinen Umfeld auf, sein Vater ist Schauspieler, seine Tante Aufnahmeleiterin beim Fernsehen. Mit vier Jahren steht er zum ersten Mal für einen Werbespot vor der Kamera, mit acht spielt er erstmals in einem Kinofilm mit. Nach familiären Problemen schickt seine Mutter ihn auf ein Internat, was eine Schauspielkarriere erschwert. 16-jährig beginnt Dolan,

sein erstes Drehbuch zu schreiben, um sich Filmwerk eröffnen, Jean Cocteau, Alfred selbst Rollen zu schaffen. Wie viele seiner de Musset. Zwischen diesen Polen eröffnet späteren Filme ist auch sein Debüt „Ich sich die Breite eines Lebens, das von Céline habe meine Mutter getötet“ von den ErfahDion bis zu Erik Satie und Johannes Brahms rungen als schwuler Jugendlicher geprägt, reicht. Dolan ist Teil einer Generation, für von komplizierten Mutter-Sohn-Bedie solche Kategorien nicht überflüssig ziehungen und einem Gefühl des sind, sondern gleichermaßen eine Verstoßen-Werdens. Daseinsberechtigung besitzen. Filme über Jugenderfahrung Es gibt für alles die richtige Dolans Filme sinD Zeit. sind oft von Distanz geprägt, unmittelbarer von der Herablassung des Wie in „Ich habe meiausDruck seiner wissend Zurückblickenne Mutter getötet“, dem den. Xavier Dolan gelingt Dreiecksbeziehungsdrama PersönlicHkeit ein unmittelbarer Blick. Mit „Herzensbrecher“ (2010) und Polaroid-Vergangenheit, Selfie„Sag nicht, wer du bist!“ spielt Gegenwart und FotocollagenDolan selbst die Hauptrolle. Der Existenz ist er ganz unverkennbar ein Filmemacher bemüht sich – ganz AuRegisseur der Millennial-Generation, mit all teur –, seine Projekte möglichst umfassend ihren Vorlieben, Befindlichkeiten und speselbst zu gestalten. Er übernimmt Rollen zifischen kulturellen Referenzpunkten. Das als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, kann die Popkultur sein – Dolan war SynCutter, Kostümdesigner und sogar die chronsprecher für die „Harry Potter“-und Übersetzung der Untertitel für englische „Twilight“-Filme, 2015 drehte er ein Video Sprachversionen – stets so viele wie menfür die Sängerin Adele. Oder die Hochkulschenmöglich, um zu gewährleisten, dass tur, Guy de Maupassant, dessen Worte sein die Filme einen unmittelbaren Ausdruck

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kino Xavier dolan

seiner Persönlichkeit darstellen. schlagen die Brücke zwischen Wirklichkeit Der junge Frankokanadier erzählt von und Modekatalog. Eine Ästhetik dicht am Menschen, die ein Leben in Widersprüchen Camp, wie von Susan Sontag in ihren „Notes führen: „Es gilt, in diesem Leben nichts zu on Camp“ beschrieben, also am Künstlichen töten als den inneren Feind, das zweite Ich und der Übertreibung orientiert. im harten Kern. Ihn zu beherrschen ist Hinter diesen Fassaden verbirgt sich eine eine Kunst. Inwieweit sind wir Parallelwelt der Gefühle, Träume und Künstler?“, dichtet Hubert, Fantasien. Unter der Schönheit Hauptfigur in „Ich habe pocht ein stetiger Schmerz. unter meine Mutter getötet“. Einsamkeit, Nostalgie und Der scHönHeit „Laurence Anyways“ (2012) Zorn. Es bedarf nur kleinster macht aus der Suche PocHt ein stetiger Stiche, schon bricht unter den der Transfrau Laurence soziologisch beobachtenden scHmerz Alia nach einer Identität Familiengeschichten ein Lava(zwischen der angeborenen, strom hervor. Ein wenig so, wie verlangten und der erträumten) in japanischen Actionfilmen gleich eine wahre Odyssee. Auch die Filme ganze Kaskaden von Blut austreten, selbst sind von dieser inneren Zerrissenheit nur, dass es hier Herzblutfontänen sind. geprägt. Man spürt die ehrliche Liebe zu Wutanfälle lassen die Körper der ProtagoOberflächen und zum Außen: Immer wieder nisten beben und zittern, Tränen rollen wie geht es um die Texturen des AlltagsleLawinen über ihre Gesichter. Fast schon bens, um Einrichtungsgegenstände und manisches Lachen steckt jeden in der näheKleidungsstücke, die von Leben erzählen, ren Umgebung an. „Ohne Emotionen gibt Fetischobjekte und Totems. Bilder in flächies keine Handlung“, erklärte Dolan in einem gen Komplementärfarben und Pastell-Tönen Interview. Er hebt die Trennung zwischen

»Sag nicht, wer du bist«

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Figur und Film auf, ihre Gefühle werden so stark erlebt, dass sie die bestehende Welt einreißen und um die Empfindung herum neu erbauen, sei es nur für einen Moment. Auch die Form der Filme bricht in solchen Szenen auf und gibt den Impulsen der Charaktere statt. Es entstehen überlebensgroße Kinobilder. Sie machen sichtbar, was bisher nur empfunden wurde. Glücksgefühle regnen in „Laurence Anyways“ in Form bunter Kleidungsstücke vom Himmel, Verzweiflung manifestiert sich als gewaltiger Regenschauer im Wohnzimmer. Oft sind es auch Barrieren: „Mommy“ (2014) erzählt von der alleinerziehenden Diane (gespielt von Dolans „ewiger Mutter“ Anne Dorval), die mit ihrem schwer erziehbaren Sohn Steve zusammenlebt. 95 Prozent der Laufzeit wird im engen 1:1-Bildformat dargestellt, das alle Figuren zu einer Einsamkeit in Porträtfotos verdammt. Nur in zwei Szenen ziehen die kindlichen Hände den bedrängenden Schattenvorhang zum Breitbild auf: einmal als der Pfad für Steve in eine bessere Zukunft offen zu


Fotos: Kool, Weltkino

»Einfach das Ende der Welt«

stehen scheint; zu den Klängen von Oasis’ „Wonderwall“ gleitet er triumphal auf seinem Longboard durch die Straßen seiner Stadt. „Because maybe / You’re gonna be the one that saves me” – so trivial kann die große Hoffnung klingen. Später gibt es eine ähnliche Szene – als alles verloren ist und nur noch die Flucht in die Fantasie hilft. In „Sag nicht, wer du bist“ zieht sich das Bild in einer besonders angespannten Situation zum engen Letterbox-Format zusammen. Auch „Einfach das Ende der Welt“ erzählt von der großen Enge einer Familie: Der Film verharrt in Nahaufnahmen, die keinen Raum für Gemeinsamkeiten lassen. Nur in einigen proustschen „Madeleine-Episoden“ lösen sich die Schraubzwingen der Gegenwart. Etwa wenn Louis-Jeans Jugendzimmer eine Art Portal zur Zeit seiner ersten Liebe öffnet. Dolan macht glücklich, indem er zurückgibt, was er zuvor genommen hat. Zwischen diesen Lichtblicken liegt das pure Erdulden. Das Kino ist ein dunkler Ort, an dem wir dem Fremden ausgeliefert sind. Viele Regisseure wollen, dass wir uns mit

ihren Helden identifizieren. Selbst fehlerDie Reaktionen auf „Einfach das Ende der hafte, bösartige Antihelden können mit Welt“ beim diesjährigen Filmfestival in Gesten der Demut und Einsicht mit uns Cannes waren zornig, Dolan sprach gar von einswerden. Bei Dolan bilden Film, Figuren einer „Kultur des Hasses“. Es hieß, der Film und manchmal sogar Regisseur eine Einsei nervig, ärgerlich, ein chaotisches Durchheit, in der kaum ein Platz für den Zuschaueinander von Geschrei, Zorn und Tränen, er zu bleiben scheint. Filme, die Empathie das sich in immer neue Höhen steigert. Es fordern, machen es sich oft leicht, indem hieß, dass alles sei schwer zu ertragen. sie Andersartigen alles Bedrohliche Was absolut richtig ist. Und: Genau nehmen, bis auf ihr Anderssein. das macht Xavier Dolans Filme Einen grandiosen Schurken so einzigartig einnehmend, so seine Figuren können wir oft schneller ins wirkmächtig und rührend. Herz schließen als einen Er greift über die Lehne scHreien – fehlerhaften Menschen, unseres Kinositzes hinweg in Der HoFFnung, dessen Makel so menschund verdeckt unsere Augen, enDlicH erHört lich sind, dass wir sie an uns wie ein spielendes Kind. Er zu werDen selbst erkennen. Aus ihrem verschleiert unsere Sicht, Solipsismus heraus drängen geht uns auf die Nerven, spielt sie in die Komfortzonen von Mituns viel zu laut seine stellenweise menschen, ungeachtet des emotionascheußlichen Lieblingslieder vor, baut len Sicherheitsabstands. Für Xavier Dolan seine Filme auf und stößt sie wieder um, ist es schon ein Erfolg, wenn wir nicht vor wie Bauklötze. Seine Figuren schreien ihnen davonlaufen. Sie sind Störenfriede, und schreien: Aneinander vorbei, zum und stören den Frieden der Anderen vor Zuschauer hin, in der Hoffnung, endlich allem deshalb, weil er für sie keiner ist. erhört zu werden. •

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Foto: Bona Film Group

e-MAiL AUs hOLLYWOOD FILMKuNsT

E I N G E P L aT Z T E s E X P E r I M E N T Kurz vor Thanksgiving, einem der umsatzstärksten amerikanischen Kinowochenenden, kam dieses Jahr in den USA ein Film heraus, der bei Kritikern und Theaterbesitzern sofort im Gespräch war – aber aus lauter falschen Gründen. Es war nicht etwa, weil „Billy Lynn’s Long Halftime Walk“ ein Film von Ang Lee ist, dem allseits verehrten Regisseur von „Brokeback Mountain“ und „Life of Pi“, auch nicht, weil der Film es wagt, eine scheinbar weit hergeholte Synthese aus Irak-Krieg und Football-Geschäft herzustellen, und erst recht nicht, weil er in einem revolutionären neuen Format produziert wurde, mit dem das Kinoerlebnis der virtuellen Realität näher kommen könnte. Alles das – und noch mehr – bietet „Billy Lynn“ dem Publikum. Aber nur in zwei Kinos. Die übrigen 1.173 Kinos, in denen Ang Lees Film am Wochenende vor Thanksgiving gestartet wurde, mussten ihn in ganz normalem Standard zeigen, weil sie für die neue Technik gar nicht ausgerüstet sind. Diese distributorische Meisterleistung war es dann, über die Kritiker und Theaterbesitzer zwischen New York und Los Angeles wie im Chor geredet haben. Als der Thanksgiving-Tag, an dem amerikanische Familien außer dem traditionellen Truthahn-Essen vor allem einen gemeinsamen Kinobesuch

Franz Everschor berichtet für FILMDIENST seit 1990 aus Hollywood.

auf dem Kalender haben, dann heraufdämmerte, hatten die Kinos „Billy Lynn“ schon ins kleinste ihrer Multiplex-Theater verbannt. Und beim Publikum hatte sich herumgesprochen, dass „Billy Lynn“ zwar für das Jahr 2016 etwas ähnlich Umwälzendes sein könnte wie „Avatar“ 2009 für das 3D-Format – nur müsste man dafür zuerst in ein Flugzeug nach New York steigen. Solange es Kino gibt, haben Filmemacher mit anderen Bildgeschwindigkeiten als die üblichen 24 Bilder pro Sekunde experimentiert. Die Breitwandverfahren Cinerama und Todd-AO kamen nahe daran, höhere Bildgeschwindigkeiten hoffähig zu machen; MaxiVision 48 wurde Ende der 1990erJahre von dem Konkurrenten 3D aus dem Feld geschlagen, obwohl es nach Meinung vieler Fachleute das bessere und effektivere System war. Nun hat sich Ang Lee an einer Bildgeschwindigkeit von 120 Bildern pro Sekunde bei gleichzeitigem 3D-Verfahren und einer Auflösung von 4K versucht – wenn man so will, ein mutiger, aber logischer Schritt nach dem Experiment mit 3D für seinen Film „Life of Pi“. Doch die Frage, die sich jedem Betrachter der originalen Fassung von „Billy Lynn“ stellt, ist: Bewirken die hochauflösenden, kristallklaren, Tiefe simulierenden Bilder einen Zuwachs an Information oder nur stärkere Illusionskraft?

Im Zeitalter der allgemeinen Faszination mit Virtual Reality führt für das Kino der Zukunft wohl kein Weg daran vorbei, sich mit neuen Bild- und Projektionsverfahren auseinanderzusetzen. Doch „Billy Lynn“ demonstriert, dass die Beantwortung der Frage zu einem großen Teil von dem gewählten Sujet abhängt. Die Geschichte eines blassen, kaum der Pubertät entwachsenen Soldaten, der mit seiner Einheit aus der Realität des Irak-Kriegs in die Illusionswelt der Halbzeit eines professionellen amerikanischen FootballSpiels zwangsversetzt wird, um dort am Thanksgiving-Tag als kommerzielles Futter für patriotische Gefühle ausgebeutet zu werden, erweist sich jedenfalls nicht als das passende Sujet. Die Satire gewinnt durch das tiefenscharfe Bildverfahren nicht an Biss, und der Rückzug des Verleihers auf eine herkömmliche Projektion des Films hat für das unwissende Publikum nur den Anschein einer raschen Kapitulation vor der eigenen Courage. Rundum also ein Fehlschlag, der den Film das Geschäft gekostet hat. Mal abwarten, wie „Billy Lynn’s Long Halftime Walk“ aussieht, wenn er unter dem Titel „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ Anfang Februar 2017 in die deutschen Kinos kommt. • Franz Everschor

„Ang Lee hat sich an einer Bildgeschwindigkeit von 120 Bildern pro Sekunde bei gleichzeitigem 3D-Verfahren und einer Auflösung von 4K versucht – ein mutiger, aber logischer Schritt.“

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kRiTikEn neue FilMe

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Nocturnal Animals Raffiniertes Rätselspiel auf drei Ebenen von Tom Ford Überholmanöver von der Straße abgedrängt wird. Seine Versuche der Deeskalation misslingen; die unverhohlene Angst seiner Frau und Tochter vor dem White-Trash-Trio aus dem anderen Auto heizt dessen Wut nur noch weiter an. Schließlich brausen zwei der Männer mit den Frauen davon, Tony findet sich allein in der Wüste wieder. Als er endlich die Polizei alarmieren kann, bestätigt diese, was sich schon ahnen ließ: Beide Frauen sind vergewaltigt und ermordet worden. Von den Tätern fehlt (vorerst) jede Spur, Tonys Albtraum ist noch nicht vorbei. Tom Ford unterbricht diese Brave-Bürger-Horrorvision immer wieder, indem er Susans schockierte Reaktion zeigt, die sie aber nicht dauerhaft von der Neugier auf den Fortgang der Geschichte abbringt. Der Regisseur setzt dabei vor allem Schnitt-Techniken ein, um seiner Adaption von Austin Wrights Roman „Tony and Susan“ filmische Eigenständigkeit zu

verleihen: Parallelmontagen von Susan und Tony verweisen auf die Identifikation der Leserin mit der Romanfigur, die zunimmt, je weiter die Lektüre voranschreitet. Nicht nur Susan versteht das Manuskript dabei rasch als Rachefantasie ihres Exmanns: Für den Zuschauer ist ihre Ähnlichkeit mit den beiden rothaarigen weiblichen Opfern unübersehbar, während eine dritte Erzählebene aus Rückblenden enthüllt, dass der unglückselige Tony und Edward – beide gespielt von Jake Gyllenhaal – offenbar Variationen derselben Persönlichkeit sind. Gerade diese Deutung stellt Ford jedoch im selben Moment wieder in Frage. Gyllenhaal und Amy Adams als Susan ziehen alle Register, um mit vielschichtigem Spiel die Deutung ihrer Figuren zu erschweren. Die Vitalität des Paars am Anfang ihrer Beziehung lässt sich nicht ohne Weiteres mit der Gefühlseingefrorenheit der älteren Susan zusammenbringen, und

Edwards negative Gefühle gegenüber seiner Ex-Frau erscheinen auch nicht eins zu eins auf das Roman-Szenario übertragbar. Ford sät damit bewusst Zweifel an der zuerst eindeutig erscheinenden Bebilderung von Edwards Roman. Wieviel davon auf das tatsächlich Geschriebene und wieviel auf Susans Interpretation zurückgeht, bleibt offen und damit auch die Frage, wie sehr die darin enthaltene moralische Anklage intendiert ist, die Susan auf ihren oberflächlichen Lebensstil bezieht. Den Bildern ist nicht zu trauen, und Ford unterlässt es bewusst, dem durch Voice-Over entgegenzusteuern. Überhaupt beweist der RegieAutodidakt wie schon in seinem ersten Film „A Single Man“ (2009) ein erstaunliches filmisches Gespür: Dominierten dort Grautöne, unterstützt bei „Nocturnal Animals“ der Kontrast der braunhaltigen Texas-Szenen mit den knalligen Farben aus der Kunstwelt von L.A. trefflich

Fotos S. 36–49: Jeweilige Filmverleihe

Susan Morrow scheut das Licht, und nicht erst, seit sie nachts nicht mehr schlafen kann. Ihr erster Ehemann Edward habe sie ein nachtaktives Wesen genannt, erinnert sich Susan einmal, schon viele Jahre, bevor sie sich als erfolgreiche Galeriebesitzerin einem Leben der Abendempfänge, Partys und Vernissagen verschrieb. Es ist eine Existenz, die der Modeschöpfer Tom Ford in seiner zweiten Regiearbeit „Nocturnal Animals“ mit einem hintersinnig-boshaften Blick zeichnet, wie er aus langjähriger eigener Erfahrung entsteht. In seiner Parade kunstsinniger Reicher aus der High Society von Los Angeles ist Extravaganz Programm, und auch die Protagonistin ist nicht frei davon. Das kupferrote Haar so fallenlassend, dass es ihr halbes Gesicht verdeckt, die Lippen übermäßig geschminkt, die Fingernägel schwarz lackiert, gleitet Susan durch eine Welt des hohlen Scheins, die nur einen Vorzug hat: Es gibt hier keinen Schmerz. Wie alle übrigen Gefühle ist er vollständig aus dieser Sphäre verbannt worden. In Susans Leben bricht er dafür umso geballter ein, als sie ein Manuskript ihres Exmanns erhält, der sich schon während ihrer Ehe als Möchtegern-Autor abplagte – und den sie auch deswegen verließ. Dieses Buch sei anders als das, was er früher geschrieben habe, lässt Edward wissen und drängt Susan zur Lektüre. In einer weiteren schlaflosen Stunde schlägt sie daher die Seiten auf und wird mit einer drastischen Geschichte konfrontiert, die Ford als Film-im-Film inszeniert: Einem ehrbaren Familienvater namens Tony Hastings entgleitet während einer nächtlichen Autofahrt im hintersten Texas sein gesichertes Dasein, als er nach einem


neue FilMe kRiTikEn die Stimmung. Die Schauspieler sind bis in die Nebenrollen glänzend, Kameraarbeit und Ausstattung sind exquisit, aber nie selbstzweckhaft, wenn man ihre Doppelcodierung einmal verstanden hat. Fords Film kündet von einem außerordentlichen Vertrauen in die Zuschauer und deren Wunsch, aufmerksam hinzusehen, statt sich Auflösungen vorsetzen zu lassen. Eindeutig ist sein rätselhafter, hypnotischer Thriller dafür in der Anteilnahme für die Figuren: Daran, wie ernst es Ford mit der Warnung vor dem Verlust von Empfindungen ist, kann kein Zweifel bestehen.

office Christmas Party Überspitzte Chaos-Komödie

Marius Nobach

BeweRtuNg DeR FiLmKommiSSioN

Eine Galeriebesitzerin, die sich in der aseptischen High Society von Los Angeles etabliert hat, erhält ein Romanmanuskript ihres ExManns, das von einem Menschen erzählt, der in die Fänge eines mörderischen Trios gerät und Frau und Tochter verliert. Die Leserin versteht das Szenario voller Gewalt bald als Rachefantasie, kann sich deren Sog aber nicht entziehen. Der kunstvoll inszenierte, exzellent gespielte Thriller wechselt zwischen filmischer Wirklichkeit und der Erzählung des Romans und hält durch eingestreute Rückblicke die Interpretation reizvoll in der Schwebe. Eindrücklich warnt der Film dabei vor dem Verlust von Empfindungen. – Sehenswert ab 16.

NOCTURNAL ANIMALS. Scope. USA 2016 Regie: Tom Ford Darsteller: Amy Adams (Susan Morrow), Jake Gyllenhaal (Tony Hastings/Edward Sheffield), Michael Shannon (Bobby Andes), Aaron Taylor-Johnson (Ray Marcus), Isla Fisher (Laura) Länge: 117 Min. | Kinostart: 22.12.2016 Verleih: UPI | FSK: ab 16; f FD-Kritik: 44 371

Es sollte nur eine jener Weihnachtsfeiern werden, wie sie in den Räumen der Zenotek-Dependance in Chicago alljährlich abgehalten werden. Doch diesmal liegt zwölf Stunden später der halbe Bürokomplex in Trümmern. Ein wenig ist das wie bei der Erfolgskomödie „Hangover“: Man ist mit den Folgen einer verhängnisvollen Entgleisung konfrontiert und will unbedingt wissen, wie es dazu kommen konnte. Zumindest folgt der Trailer diesem Konzept. Die Komödie zum Trailer hingegen, die Will Speck und Josh Gordon inszeniert haben, entpuppt sich deutlich konventioneller und beginnt mit einem drohenden Unwetter. Ein Unwetter in Gestalt von Carol Vanstone. Ihr Vater hatte einst Zenotek groß und ansonsten nur einen Fehler gemacht, nämlich kurz vor seinem Tod die Leitung der „IT“-Filiale in Chicago seinem Sohn Clay zu überlassen. Dort hat man seither viel Spaß, erwirtschaftet aber keinen Gewinn. Was für CEO Carol bedeutet: Entlassungen auf breiter Front, die Abwerbung von Clays besten Freund Josh Parker, ein Zurechtstutzen des Bruders, und vor allem: keine Weihnachtsfeier!

Doch Clay wäre nicht Clay, wenn er sich nicht auf seine legendäre Party-Kreativität sowie auf Josh und dessen „Plan B“ für die Gewinnmaximierung verlassen könnte. Während die einen die Weihnachtsfeier des Jahrzehnts organisieren, finalisieren die anderen den Deal mit einem Investor, um Carol zu befriedigen und den Standort zu retten. Die relativ lineare Erzählweise ist umso ernüchternder, als der Trailer ohnehin schon alles gezeigt hat, was im Film für überraschende Schauwerte sorgen soll. Das ist kein kluges Konzept für eine Komödie, die sich allein auf diese Gags einer aus dem Ruder laufenden Sauf-, Drogen und Anarcho-Orgie verlässt. Die handlungstreibenden Elemente sind dabei derart abstrus, dass man eher über als mit dem Film lacht. Zumal auch den allesamt reichlich behaupteten Charaktere keine Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden. So ist die muffige Personalchefin eigentlich ziemlich spießig, um dann plötzlich doch cool zu sein. Carol gibt den übertrieben ätzenden Oberdrachen, wandelt sich dann aber aus heiterem Himmel zu einer sympathischen Erscheinung.

Einzig Krawallmacher Clay sowie der Wogenglätter Josh bleiben ihrem Rollenprofil treu, was ausgerechnet die tragenden Stützen des Films eindimensional und langweilig macht. Drumherum wird ganz viel Porzellan und Büromobiliar zertrümmert; was nicht weiter wundert, da es ja die vermeintlich letzte Party eines zum Tode verurteilten Betriebs ist. Dass über erstaunlich drastische Ruppigkeiten eine Komödie gemacht wird, mag befremden, ist aber auch konsequent. Denn „Office Christmas Party“ sucht sein Heil in der extremen Überspitzung. Da scheint es egal zu sein, dass daraus primär Abstumpfung und Ermüdung resultiert. Jörg Gerle BeweRtuNg DeR FiLmKommiSSioN

Die Filiale eines IT-Unternehmens in Chicago soll kurz vor Weihnachten geschlossen werden, weil ihr Leiter, der Sohn des Firmengründers, eher Spaß als Gewinnmaximierung im Sinn hat. Seine geschäftsführende Schwester will dem verschwenderischen Treiben ein Ende setzen, erreicht damit aber das genaue Gegenteil; nach einer orgiastischen Weihnachtsfeier gleicht der Bürokomplex einer Ruine. Auf extreme Überspitzung angelegte Chaos-Komödie, in der sich absurde Charaktere in Albernheiten gefallen, ohne dass je ein Funke Subversion überspringen würde. – Ab 16.

OFFICE CHRISTMAS PARTY. USA 2016 Regie: Josh Gordon, Will Speck Darsteller: Jason Bateman (Josh), Jennifer Aniston (Carol Vanstone), T.J. Miller (Clay), Kate McKinnon (Mary), Olivia Munn (Tracey), Courtney B. Vance Länge: 106 Min. | Kinostart: 8.12.2016 Verleih: Constantin | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 44 372

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KRitiKen Auf dVd/BLu-RAy

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Polizeichef zu geben, sowie die junge Psychologin Rosa, die sich mit wachsender Faszination mit dem widerborstigen Ermittler herumschlägt. „London noir“ mit faszinierendem Stellan Skarsgård Der Inszenierung geht es um die Aufklärung des Verbrechens, aber auch um das Störung ganz gut umgehen diesen stachelig-abweisenden, Psychogramm eines Sonderund seinen Beruf erfolgreich aber gleichzeitig ungeheuer be- lings, der gerade seine einzige ausüben – aber bis vor Kurzem rührenden Charakter umzusetBezugsperson verloren hat hatte er ja auch die lebendige zen. Das Drehbuch umgibt ihn und dringend neue menschliStevie als Verbündete an der mit einem Reigen che und berufliche Seite. Nun aber, da Stevie tot eindrucksvoller Koalitionen braucht. ist, gerät Rivers Welt aus dem Figuren, wobei sich Gleichzeitig entwirft Gleichgewicht. Es fällt ihm starke Frauen als die Serie ein intereszunehmend schwerer, sich Fixsterne in Rivers santes, aktuelles Bild unauffällig zu verhalten. Dabei verdunkelter Welt Londons und seiner braucht er gerade jetzt sein erweisen: die charissozialen Probleme: ganzes Können, denn der Mord matische Stevie, die In kühlen Tönen gean Stevie darf nicht ungesühnt als Halluzination eine halten und als Stadt bleiben. Während er andere Fäl- ständige Begleiterin der spiegelnden le abarbeitet und sich an seinen bleibt und von der Glas-Stahl-Fassaden RIVER neuen Partner (Adeel Akhtar) immer wieder neue und der tristen BeGroßbritannien 2015 gewöhnt, fahndet er unermüdSeiten ans Licht tonburgen entworlich nach dem Täter – und gerät gebracht werden, je Showrunner: Abi Morgan fen, erscheint die dabei in einen Fall, der sich länger die Ermittlun- Darsteller: Stellan Skars- britische Metropole gård, Nicola Walker, Adeel immer wieder in unerwartete gen andauern; die als Ort, an dem alle Akhtar, Lesley Manville, Richtungen entwickelt. angespannte irgendwie Fremde Eddie Marsan Eine äußerst faszinierende Chrissie, die versind – eindrucksvolLänge: 349 Min. Ermittlerfigur hat sich Showrun- sucht, River in der ler „London noir“. FSK: ab 16 ner Abi Morgan da ausgedacht, Spur zu halten und – Sehenswert ab 16. Felicitas Kleiner und Stellan Skarsgård erweist ihm Rückendeckung Anbieter: Polyband FD-Kritik: 44 388 sich als Idealbesetzung, um gegenüber dem

River

Fotos: Jeweilige Anbieter.

Stevie (Nicola Walker) ist immer noch da – sie singt lautstark mit dem Autoradio mit, lacht ihr ansteckendes Lachen, stellt insistierende Fragen, fixiert ihren Freund und Kollegen River (Stellan Skarsgård) mit großen, klaren Augen. Als man in Episode 1 der außergewöhnlichen Krimi-Miniserie zum ersten Mal das riesige Loch sieht, dass in Stevies Hinterkopf klafft, ist das ein ziemlicher Schock. Stevie ist tot; jemand hat ihr auf offener Straße eine Kugel durch den Schädel gejagt. Doch für River ist sie wie andere Tote, mit denen er als Inspektor der Londoner Polizei zu tun hat, sehr präsent: Der grummelige Einzelgänger ist schon seit seiner Kindheit nicht ganz „normal“; er sieht Menschen, die nicht mehr am Leben sind. Mit Geistern und dem Jenseits habe das nichts zu tun, erklärt er der Polizeipsychologin, die zu konsultieren ihn seine Vorgesetzte Chrissie verdonnert hat. River weiß, dass es sein eigener Geist ist, aus dem heraus sich seine Besucher manifestieren. Bisher konnte er mit dieser


KrITIKEN fernseh-Tipps SAMSTAG 24. Dezember

12.35-14.10 RTL Mulan R: Barry Cook, Tony Bancroft Abenteuerlicher Zeichentrickfilm USA 1998 Sehenswert ab 10

17.50-20.00 Servus TV Spuren R: John Curran Abenteuerin durchquert Australien Australien 2013 Ab 14

22.55-00.35 rbb Fernsehen Das kalte Herz R: Paul Verhoeven Anspruchsvolle Märchen-Adaption DDR 1950 Ab 10

14.10-15.30 One Serengeti darf nicht sterben R: Bernhard Grzimek Klassiker des Tierschutzfilms BRD 1959 Sehenswert ab 10

19.00-20.15 Disney Channel Bernard und Bianca im Känguruland R: Hendel Butoy, Mike Gabriel Mäusepolizei Teil II USA 1991 Sehenswert ab 6

23.00-00.40 zdf_neo Während du schliefst R: Jon Turteltaub Amüsante Verwechslungskomödie USA 1995 Ab 14

15.50-17.30 arte Die Geschichte vom kleinen Muck R: Wolfgang Staudte Fantasievolles humanistisches Märchen DDR 1953 Sehenswert ab 6

20.15-23.50 ProSieben Der Herr der Ringe – Die zwei Türme R: Peter Jackson Mittelteil des Tolkien-Epos USA 2002 Sehenswert ab 14

23.30-01.15 Manche mögen‘s heiß R: Billy Wilder „Roaring Twenties“-Komödie USA 1959

16.55-18.30 Das Erste Die Feuerzangenbowle R: Helmut Weiss Liebenswürdige Schulkomödie Deutschland 1944 Ab 12

20.15-22.25 Servus TV Die fabelhafte Welt der Amélie R: Jean-Pierre Jeunet Fantasievolles Großstadt-Märchen Frankreich 2001 Sehenswert ab 14

00.25-02.00 Servus TV Verdacht R: Alfred Hitchcock Leise komponierter Thriller USA 1941 Sehenswert ab 16

17.05-19.00 3sat Die Glenn Miller Story R: Anthony Mann Biopic über den Big-Band-Leader USA 1954 Ab 12

20.15-22.45 zdf_neo Jenseits von Afrika R: Sydney Pollack Lebensgeschichte von Karen Blixen USA 1985 Sehenswert ab 14

00.25-02.25 VOX Out of Sight R: Steven Soderbergh Stilvoller Kriminalfilm mit Romanze USA 1998 Ab 16

17.40-19.00 Disney Channel Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei R: Wolfgang Reitherman Fantasievolles Zeichentrickabenteuer USA 1977 Ab 6

21.45-23.10 WDR Fernsehen Loriots Ödipussi R: Loriot Einfallsreiche MuttersöhnchenKomödie Deutschland 1987 Sehenswert ab 12

00.35-02.15 Das Erste Immer Ärger mit Harry R: Alfred Hitchcock Kabinettstück des schwarzen Humors USA 1955 Sehenswert ab 16

24. Dezember, 17.05-19.00

56

Filmdienst 26 | 2016

ZDF

Ab 14

3sat

24. Dezember

Servus TV/Das Erste

Heiligabend mit Hitchcock Wer in der Nacht vor Weihnachten nach einer geballten Dosis Besinnlichkeit Schwierigkeiten beim Einschlafen hat, findet im Ersten und auf Servus TV ein cineastisches Kontrastmittel: Die beiden Sender haben sich quasi als Beelzebub Spannungsregisseur Hitchcock ins Programm geholt und konkurrieren mit Filmen des Meisters gegeneinander. Die Krimi-Komödie „Immer Ärger mit Harry“ (00.35-02.15, Das Erste) ist ein schwarzhumoriges Kabinettstück um eine renitente Leiche, deren Fund unter den Bewohnern eines Dorfes für Aufregung sorgt und die braven Bürger zu kruden Vertuschungen motiviert. Weniger heiter, sondern richtig sinister geht es in „Verdacht“ (00.25-02.00; Servus TV) zu: Cary Grant spielt darin einmal nicht den Sympathieträger, sondern einen jungen Ehemann, gegen den seine verängstige Frau einen schrecklichen Verdacht hegt.

24. Dezember, 23.00-00.40 zdf_neo

Die Glenn Miller Story

Während du schliefst

Inmitten einer Serie realistischer Western, mit denen Anthony Mann dem Genre eine neue Ernsthaftigkeit verlieh, unternahm der US-Regisseur 1954 einen Abstecher ins Fach der Showbusiness-Biopics. Sein Film über den Aufstieg des Musikers Glenn Miller (1905-1944) zum Big-Band-Leader - durch die Entwicklung eines bis heute unverwechselbaren Sounds entspricht in seiner Erzählweise den Konventionen der Zeit, ist aber vorzüglich und sehr unterhaltsam inszeniert. Dafür sorgen neben einem souveränen James Stewart in der Hauptrolle vor allem die wunderbar interpretierten Musikszenen mit Gaststars wie Louis Armstrong oder Gene Krupa.

Jon Turteltaubs amüsante Verwechslungs- und Liebeskomödie setzt passenderweise am Weihnachtstag ein: Die Chicagoer Bahnangestellte Lucy rettet am Weihnachtstag das Leben des Mannes, in den sie heimlich verliebt ist. Als sie für seine Verlobte gehalten wird, klärt sie die Verwechslung nicht auf, sondern lässt sich in dessen Familie integrieren. Bezaubernd vor allem das Spiel von Sandra Bullock.

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

SA


SO

SONNTAG 25. Dezember

08.20-10.00 mdr Das doppelte Lottchen R: Josef von Baky Sympathische Kästner-Adaption Deutschland 1950 Ab 8

09.55-11.15 Disney Channel Cinderella R: Wilfred Jackson u.a. Charmantes Zeichentrick-Märchen USA 1950 Sehenswert ab 6 14.45-16.05 3sat Gegen alle Flaggen R: George Sherman Seeoffizier kämpft gegen Piraten USA 1952 Ab 14 16.05-19.00 3sat El Cid R: Anthony Mann Schauprächtiges spanisches Nationalepos USA/Italien 1961 Ab 12 17.30-18.50 mdr Die schöne Warwara R: Alexander Rou Einfallsreicher Märchenfilm UdSSR 1969 Sehenswert ab 8

25.-29. Dezember

20.15-22.30 ProSieben Die Tribute von Panem: Mockingjay Teil 1 R: Francis Lawrence Hintergründiges dystopisches Spektakel USA 2014 Ab 16 20.15-22.35 Servus TV Match Point R: Woody Allen Pointiertes High-Society-Drama USA 2005 Sehenswert ab 16 22.10-00.15 3sat Stolz und Vorurteil R: Joe Wright Amüsante Jane-Austen-Adaption Großbritannien 2005 Ab 14

17.55-20.15 ProSieben Captain America: The First Avenger R: Joe Johnston Spannende Superhelden-Neubelebung USA 2011 Ab 12

00.00-01.35 WDR Fernsehen Die Königin von Versailles R: Lauren Greenfield Bissige Analyse menschlicher Geltungssucht USA 2012 Sehenswert ab 14

18.45-20.00 Disney Channel Aristocats R: Wolfgang Reitherman Katzen vs. böser Butler USA 1970 Ab 6

00.15-01.35 Servus TV Der Glanz des Hauses Amberson R: Orson Welles Kraftvolles Familienepos USA 1941 Sehenswert ab 16

20.15-22.10 3sat Anna Karenina R: Joe Wright Tolstoi-Verfilmung mit Keira Knightley GB 2012 Sehenswert ab 14

00.35-02.35 SAT.1 Pans Labyrinth R: Guillermo del Toro Hintergründige Horror-Parabel Spanien/Mexiko 2006 Ab 16

20.15-22.55 arte Quo Vadis R: Mervyn LeRoy Monumentales aus dem alten Rom USA 1951 Ab 16

01.35-03.05 WDR Fernsehen Immer noch Liebe! R: Nicholas Fackler Bewegende Altersromanze USA 2008 Ab 14

RTL

Winnetou: Eine neue Welt Er reitet wieder, der edle Häuptling der Apachen - diesmal in der model-mäßig schönen Gestalt von Nik Xhelilaj. Nachdem sich „Der Schuh des Manitu“ an eine Parodie der „Winnetou“-Filme wagte, liefern Philipp Stölzl („Nordwand“, „Der Medicus“) und Drehbuchautor Jan Berger nun eine Hommage, die mit der GenreGeschichte spielt und selbstbewusst beweist, dass die gute alte Wildwest-Romantik immer noch funktionieren kann. Der Fokus liegt dabei auf Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring), der als Greenhorn von Winnetou und seiner zur Schamanin aufgewerteten Schwester Nscho-Tschi lernen muss, dass europäische Fortschrittsideale, praktisch angewendet auf den Eisenbahnbau in der Neuen Welt, unmenschliche Folgen für die amerikanischen Ureinwohner haben. Der Film mixt die anti-kolonialistische und anti-kapitalistische Botschaft, die einst das Konkurrenzunternehmen der DEFA-Indianerfilme verbreitete, mit mal humorvollen, mal schwelgerischen Referenzen an die alten „Winnetou“-Filme und macht die in Kroatien gedrehte Prärie zur Bühne für ein lustvolles Schaulaufen schöner Rolleninterpretationen.

Ab 25. Dezember

Das Erste

Weihnachtsmärchen Mit vier neuen Märchenfilmen setzt Das Erste seine schöne Weihnachtstradition fort. Erzählt werden einmal mehr stimmungsvolle Liebesgeschichten, in denen sich junge Liebende gegen den Widerstand der Alten, ebenso gegen die eigenen Unsicherheiten, vor allem aber gegen manch düsteren Zauber behaupten müssen. „Prinz Himmelblau und Fee Lupine“ entstand nach einem Feenmärchen aus der Sammlung „Dschinnistan“ von Christoph Martin Wieland, das Grimm-Märchen „Das singende, klingende Bäumchen“ ist zugleich eine respektvolle Neuverfilmung des DEFA-Filmklassikers aus dem Jahr 1957, „Das Märchen vom Schlaraffenland“ fabuliert farbenprächtig über Ludwig Bechstein und Hoffmann von Fallersleben. Etwas ganz Besonderes bietet „Hans im Glück“ mit heiter-hintergründiger Gelassenheit. 25.12., 13.45-14.45 25.12., 14.45-15.45 26.12., 13.35-14.35 26.12., 14.35-15.35

Prinz Himmelblau und Fee Lupine Das singende, klingende Bäumchen Das Märchen vom Schlaraffenland Hans im Glück

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