Kinder und jugendfilmkorrespondenz 02 2015

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KInDer JUGenD

FIlM Korrespondenz

02 2015 SUPERHELDEN

Action, Spannung, Grusel: Auch Kindern bietet das Genrekino faszinierende Spielformen. Wie bei „Antboy 2“

PFERDETRÄUME

Mädchen im Sattel: ein erfolgeiches Kinogenre erzählt von selbstbewussten Mädchen. Wie Katja von Garnier in „Ostwind 2“

GRENZENLOS Modell „Co-Produktion“: Über europäische ländergrenzen hinweg finanzierte Kinderfilme bieten große Chancen

infos

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KUrATOrIUM JUnGer DeUTSCHer FIlM FÖrDerVereIn DeUTSCHer KInDerFIlM AKADeMIe FÜr KInDerMeDIen STIFTUnG leSen

Regelmäßige Beilage

FIlM des FILMDIENST DIenST www.filmdienst.de www.fi lmdienst.de

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editorial

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frische impulse im genrefilm

Abenteuerliches

Foto: Susanne Duddeck

Foto: WDR

Reiter jagen durch den dunklen Wald. Ein Uhrpendel „saugt“ in einen Raum der Erinnerung. Ein magisches Reich ist bedroht, weil das eigene junge Leben gefährdet ist. Was die neue Fernsehserie „Armans Geheimnis“ an Spannung und Abenteuerlichkeit auffährt, ist außergewöhnlich. Vor allem passiert hier eines: Das einfallsreiche Spiel mit Genres wird ernst genommen. Keine ironische Brechung, keine Flucht ins unverbindliche Kokettieren mit Formen und Mustern, nein, hier geht es um Existenzielles. Denn hinter den Rätseln und Gefahren, den Magiern und Zeitreisenden schimmern stets handfeste Befindlichkeiten der jungen Heldinnen und Helden auf, ihr Wunsch nach Anerkennung und Trost, nach Freundschaft und Vertrauen. Dies ist einer der roten Fäden dieser zweiten „neuen“ KJK-Ausgabe: dass sich spannungsreiche Erzählmuster des Genrekinos durchaus einfühlsam und verantwortungsvoll auf Filme für Kinder und Jugendliche übertragen lassen. Was nicht nur fürs Kino allein, sondern auch fürs Fernsehen (und hier besonders für die neue Serientechnik des „horizontalen Erzählens“) gilt und in jedem Fall grundlegend etwas damit zu tun hat, dass „ein Film seine Vollendung erst im Kopf des Zuschauers findet“. So formuliert es Klaus-Dieter Felsmann in seinem Debatten-Beitrag, der dieses Heft einleitet und das in besonderem Maße signalisiert: Filmische Traum- und Alltagswelt müssen keine „Feinde“ sein, sie können sich vielmehr befruchten und ergänzen. Die Abenteuer liegen um jede Ecke.

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A B 8. M A I A LS V OD UND AB 22. MA I AUF D VD U N D B LU -R AY

Horst Peter Koll, Chefredakteur

Gegründet 1985 von Christel und Hans Strobel. Die vorliegende Ausgabe ist Nr. 142-2/2015 im 36. Jahrgang.

EAN DVD: 4250128413848 EAN Blu-ray: 4250128413855 im Vertrieb von www.lighthouse-film.com

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Inhalt

DEBATTE 6 Kinderfilme sind keine Puppenstuben Von Klaus-Dieter Felsmann IN KÜRZE 8 Aktuelle Infos & meldungen EIN FILM, AUF DEN WIR UNS FREUEN 24 „Song of the Sea“ von Tomm moore

38 KURZFILME FÜR KURZE

IM FOKUS 26 Genrefilme (1): Wie die Großen. nur kleiner Von Stefan Stiletto 28 Genrefilme (2): mädchen im Sattel Von Natália Wiedmann 30 Gemeinsam sind wir stärker. Co-Produktionen Von Reinhard Kleber 26 Reihe: Den kenn‘ ich doch! (2) Von Christian Exner 36 Festival-Entdeckungen Von Katrin Hoffmann, Uta Beth, Reinhard Kleber, Heidi Strobel und Holger Twele

38 Kurzfilme für die kleinsten Zuschauer Von Marguerite Seidel 26 Fordern, um zu fördern. Kurzfilme für Jugendliche Von Kathrin Häger 42 Festivals/Veranstaltungen: Berlin, Saarbrücken, Lyon Von Holger Twele, Manfred Hobsch, Reinhard Kleber und Rolf Giesen

24 „SONG OF THE SEA“

AKTEURE 34 musik darf nicht unterfordern: marian Lux Von Horst Peter Koll 35 Die Gefühlswelt der Kinder: Brian Perkins Von Holger Twele 41 Reihe: Der persönliche Klassiker (2) „Sabine Kleist, 7 Jahre“ Von Hans Strobel BREVIER 46 Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. 48 Akademie für Kindermedien 50 STIFTUNG LESEN

48 AKADEMIE: „HÖGBONDEN“

KURATORIUM JUNGER DEUTSCHER FILM INFORMATIONEN NO. 70 52 Förderpolitischer Systemwechsel? Von Andreas Schardt 54 „Der mann ist groß“ Von Anna Bergmann 55 „5 Filme von...“ Von Michael Kezele 56 Kinderfilm-Casting Von Norbert Lechner 58 Aloha Palästina Von Philip Gnadt und Michael Dupke 61 Jubiläum: 50 Jahre Kuratorium 62 news & meldungen 63 DVD-Tipps

30 CO-PRODUKTION „NENA“

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Inhalt

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KRITIKEN (KINO & DVD) 6+ 10 Tinkerbell und die Legende vom nimmerbiest Von Thomas Lassonczyk 11 Gespensterjäger Von Barbara Felsmann 12 Käpt‘n Säbelzahn und der Schatz von Lama Rama Von Gudrun Lukasz-Aden 13 Die Abenteuer des Pinocchio Von Rolf Giesen 14 mara und der Feuerbringer Von Katrin Hoffmann 14 In Kürze 6+

45 LYON: „FRITZI WAR DABEI“

10+ 15 16 17 18 18

Antboy - Die Rache der Red Fury Von Kirsten Taylor Ostwind 2 - Rückkehr nach Kaltenbach Von Thomas Lassonczyk Goldenes Königreich Von Stefan Stiletto Das Geheimnis der murmel-Gang Von Sabine Kögel-Popp In Kürze 10+

14+ 20 21 22 22

Die Bestimmung - Insurgent Von Natália Wiedmann The Spectacular now Von Kirsten Taylor Jongens Von Natália Wiedmann In Kürze 14+

35 „GOLDENES KÖNIGREICH“

Die nächste KJK (3-2015) erscheint am 23. Juli 2015. IMPRESSUM Kinder- und jugendfilm Korrespondenz (KjK)

dreipunktdrei mediengesellschaft mbH, Heinrich-Brüning-Straße 9, 53113 Bonn (0228) 26 000-163 (Redaktion), (0228) 26 000-257 (Anzeigen), (0228) 26 000-251 (Vertrieb) Die KJK erscheint viermal im Jahr als ständige Beilage des FILMDIENST Geschäftsführer: Theo Mönch-Tegeder Chefredakteur: Horst Peter Koll Redaktion: Stefan Stiletto Layout: Wolfgang Diemer, Köln Datenbank & Internet: Stefan Lux Anzeigenverkaufsleitung/Verantwortlich für den Inhalt der Anzeigen: Martin Werker (werker@dreipunktdrei.de) Vertriebs- und Marketingleitung: Urs Erdle (erdle@dreipunktdrei.de) Bestellungen und Anfragen: vertrieb@filmdienst.de E-Mail: redaktion@filmdienst.de, Internet: www.filmdienst.de

28 „OSTWIND“

Gefördert durch:

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„was ist film?“ hat der französische Filmkritiker André Bazin sein berühmtes Buch genannt, um sich dem Wesen dieser Kunstform anzunähern. Genauso offen soll unsere KJK-Rubrik eine öffentliche Debatte über das anstoßen, was Kinderfilm ist, was er nicht ist, was er sein kann und sein sollte. Für diesen interdisziplinären Diskurs lädt die KJK Journalisten, Filmproduzenten, FestivalKuratoren, Filmverleiher, Filmwissenschaftler, Medienpädagogen und Soziologen ein.

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Kritiken 6+

Tinkerbell und die legende vom nimmerbiest Eine märchenhafte Geschichte, die zu Herzen geht, aber auch eine wohl dosierte Portion an Spannung und Action: Das verspricht das neue SpinOff aus dem schier unerschöpflichen Fundus des „Peter Pan“-Universums schon in den Anfangsminuten, wenn eine Erzählerin aus dem Off ein Gedicht über die Legende vom Nimmerbiest vorträgt und kurz darauf zum ersten Song bei einer rasanten Flugshow recht ordentliche 3D-Effekte zum Tragen kommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ahnt man, dass Regisseur Steve Loter, der sein Animationshandwerk bei der populären Fernsehserie „Kim Possible“ erlernt hat, am Erfolgsrezept dieser DisneyReihe wenig ändern wird. War es bei „Tinkerbell und die Piratenbraut“ (2014) noch die kleine Zarina, die im Zentrum der Geschichte stand, ist es nun die furchtlose und überaus neugierige Emily. Was diese Fee auszeichnet, ist ihre große Tierliebe. Sogar einen verletzten jungen Habicht pflegt Emily einmal gesund, ohne dabei zu bedenken, dass dieser zu den natürlichen Feinden der Fabelwesen zählt. Richtig spannend wird es – vor allem für Kinder im Vorschulalter – wenn Emily eines Tages dem grässlichen Gegröle aus einer Höhle auf den Grund geht. Dabei kommt es zur ersten ab 6

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Begegnung mit dem Nimmerbiest, das zwar von seiner Physiognomie her mit dem freundlichen Flugdrachen Fuchur aus der „Unendlichen Geschichte“ verwandt sein könnte, wegen seiner funkelnden Augen und den gefletschten Zähnen aber durchaus Eindruck schindet. Schon kurz darauf wird dieser wieder entschärft, weil Emily sich schnell mit dem vermeintlichen Monstrum anfreundet, ihm einen schmerzenden Stachel aus der Pfote zieht und ihn liebevoll-verharmlosend Grummel tauft. Beliebt macht sich die kleine Fee deshalb noch lange nicht; schließlich haben Tinkerbell und die anderen Feen nach wie vor einen großen Respekt vor dem unheimlichen Wesen. Und als dann auch noch bekannt wird, dass das Nimmerbiest der Sage nach das wunderschöne Feenland zerstören wird, ist es mit der Herrlichkeit endgültig vorbei. Während Emily ihre Freundinnen davon überzeugen muss, dass ihr Grummel kein Ungeheuer ist, hält der Film, der sich in erster Linie an Mädchen der unteren Grundschulklassen richtet, sein Publikum mit diversen Einschüben bei Laune. Dies sind zum einen wohl dosiert eingesetzte dreidimensionale Effekte, etwa bei einer Verfolgungsjagd durch den Wald, zum anderen – ganz im Zeichen von Disneys Musical-Tradition – diverse muntermachende Song-Einlagen. Hier hat

die junge Zielgruppe immer wieder Gelegenheit, sich zu entspannen und die aufregenden Szenen mit dem Nimmerbiest zu verarbeiten. Spaß machen darüber hinaus witzige Dialoge, die den sanften Zickenkrieg unter den geflügelten Mädchen amüsant flankieren, sowie einige originelle Details. Als Waffe verwenden die Feenkriegerinnen etwa Stacheln von Stachelschweinen, und das riesige Biest wird von unzähligen winzigen Heldinnen in bester „Gulliver“-Manier mit einem Netz eingefangen. Wenig überzeugend sind hingegen die visuellen Tricks gegen Ende, wenn einige Blitzeffekte unter giftig grüner Wolkendecke für Weltuntergangsstimmung herhalten müssen. Die jungen Zuschauer aber dürfte das nicht allzu sehr stören in diesem bonbonbunten Feenabenteuer, das – mit Ausnahme des üblichen Plädoyers für Freundschaft und Vertrauen – ganz ohne Moral oder Botschaft auskommt und nur möglichst angenehm unterhalten Thomas Lassonczyk will.

Im KIn0. tinKerbell and the legend of the neverbeast 3D. USA 2014. Produktion: DisneyToon Studios. Regie: Steve Loter. Buch: Tom Rogers, Robert Schooley, Mark McCorkle, Kate Kondell. Musik: Joel McNeely. Schnitt: Margaret Hou. Länge: 76 Min. FSK: ab 0. Start: 30.4.2015. Verleih: Walt Disney. Empfohlen ab 6.

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Kritiken 6+

Käpt’n Säbelzahn und der Schatz von lama rama

„Das Lachen ist der größte Schatz der Welt“, verkündet König Rufus fröhlich. Doch mit dieser Überzeugung steht der infantile Herrscher von Lama Rama ziemlich allein da. Denn seine sagenhaften Reichtümer, insbesondere die Königsperle, sind Objekte der Begierde. Nicht nur sein intriganter Bruder trachtet nach dem Vermögen, sondern auch der legendäre Käpt’n Säbelzahn, der König der Sieben Weltmeere. Schon rüstet dieser sein Schiff, die stolze Dark Lady, zur nächsten Kaperfahrt. In Abrahafen herrscht daher großes Durcheinander. Zudem sucht Käpt’n Säbelzahn noch einen neuen Schiffsjungen – ein Traumjob für alle Jungs des kleinen Hafenstädtchens. Auch das Waisenkind Pinky, dessen Vater im Meer verschollen ist, wünscht sich nichts sehnlicher als zur See zu fahren. Doch seine Chancen sind gleich null, kann er doch nicht einmal schwimmen. Traurig sieht er dem geschäftigen Treiben zu. Aber was haben der Barsche Björn und seine finstere Piratencrew im Hafen zu suchen? Pinky heftet sich an deren Fersen und muss erleben, wie die Dark Lady – mitsamt ihm – gekapert wird. Und so beginnt das große ab 8

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Abenteuer für Pinky, der in Gefahr und höchster Not Mut und Kreativität beweist und schließlich über sich hinauswächst. In der malerischen Bucht von Lama Rama kommt es zum entscheidenden Duell zwischen den konkurrierenden Piraten, bei dem Pinky eine entscheidende Rolle spielt. Doch bis Säbelzahn das Talent des Jungen erkennt, vergehen für Pinky noch bange Stunden. Was für die Großen Käpt’n Jack Sparrow aus der „Fluch der Karibik“-Reihe ist, ist für die Kleinen Käpt’n Säbelzahn. Der Seeräuber, der 1994 von dem Lehrer und Folk-Musiker Terje Formoe erdacht wurde, ist seitdem zu einer der populärsten norwegischen Kinderfiguren herangereift. Er ist Star in einem Piraten-Freizeitpark, in Büchern und Theaterstücken, in Fernsehserien, Liedern und nun auch in einem Realfilm, der Kurs auf Deutschland nimmt. Die Regisseure John Andreas Andersen und Lisa Marie Gamlem, die mit Käpt’n Säbelzahn groß geworden sind, haben einen humorvollen Piraten-Film gedreht, der all das hat, was Kindern gefällt: eine spannende, fantasievolle Geschichte, inszeniert mit leichter Hand und Augenzwinkern, mit Kinderdarstel-

lern, die zur Identifikation einladen, typisch skandinavisch im guten Sinn. Die Figur des kindischen Königs, ein putziges Bordäffchen, Piraten- und Piratinnen-Gefechte, bei denen die Säbel klirren, aber kein Blut fließt, und eine unverbrüchliche Kinderfreundschaft tragen darüber hinaus zum Gelingen des Seemannsgarn-Abenteuers bei, dessen Schlussszene bereits eine Fortsetzung impliziert: Pinky, der nicht an den Tod seines Vaters glaubt, schwört: „Ich werde ihn finden. Und wenn ich bis ans Ende der Welt segle.“ Fraglich ist dabei nur, warum auch in diesem Film – wie kürzlich in „Doktor Proktors Pupspulver“ – Pupse als Lachnummern für Kinder herhalten müssen. Gudrun Lukasz-Aden

Im KInO. Kaptein sabeltann og sKatten i lama rama Scope. Norwegen 2014. Produktion: Storm Films. Regie: John Andreas Andersen, Lisa Marie Gamlem. Buch: Lars Gudmestad, nach der Figur von Terje Formoe. Kamera: John Andreas Andersen. Musik: Patrik Andren, Johan Söderqvist. Schnitt: Jens Christian Fodstad. Darsteller: Kyrre Haugen Sydness (Käpt’n Säbelzahn), Vinja Pettersen (Pinky), Sofie Ramirez Bjerke (Ravn), Anders Baasmo Christiansen (König Rufus), Fridtjof Saheim (Barscher Björn). Länge: 96 Min. FSK: ab 0. Start: 7.5.2015. Verleih: Polyband. Empfohlen ab 8.

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Kritiken 6+

In Kürze 6+ reuber Als Robbie seine jüngere Schwester für einen moment aus den Augen lässt, wird sie entführt. Aus Angst, seinen Fehler einzugestehen, flieht der Junge in den Wald, wo er auf zwei seltsame Erwachsene trifft: einen Zauberer, der ihm seine Kindheit stehlen will, und einen wilden Räuber, der ihn ins Räuberhandwerk einführt, damit er seine Schwester zurückstehlen kann. Der ohne Drehbuch entstandene Kinderfilm von Axel Ranisch lebt von seinem anarchischen Humor, der Spielfreude und Spontaneität seiner Darsteller. Versatzstücke aus Märchen werden zur originell aus Kindersicht erzählten Geschichte verknüpft, wenngleich die Improvisation auch zu Lasten der Dramaturgie geht. (Start: 7.5., missingFilms, Kritik in KJK 136 & FILMDIENST 10/2015) ab 6

Die geheime Mission Karl zieht mit seiner mutter nach Kopenhagen, doch in der neuen Klasse fühlt er sich wie ein Fremder. nun muss er integriert werden, nicht seine Mitschüler, die oft aus Einwandererfamilien stammen. Eine Verbündete findet er in Sawsan, deren Großeltern aus der Türkei kamen und die gegen den Willen ihres Vaters an einem Musikwettbewerb teilnehmen will. Karl setzt alles daran, ihr diesen Wunsch zu ermöglichen. Der bewe-gende, spannende und musikalisch mitreißende Coming-of-Age-Film erzählt eine Geschichte über den Zusammenprall zweier Kulturen und Religionen aus einer ungewöhnlichen Perspektive. (Veröffentlichung: 1.6., DVD mit VÖ-Rechten, BJF, Kritik in KJK 139) ab 8

Cinderella Grandiose Adaption des „Aschenputtel“-märchens. Der offensive Umgang mit der märchenimmanenten Gefühlsseligkeit, überwältigend schöne Schauwerte und gute Schauspieler verbinden sich mit dem Erzähltalent von Regisseur Kenneth Branagh zu einer mitreißend „altmodischen“ Märchenverfilmung. (Start: 12.3., Disney, Kritik in FILMDIENST 05/2015) ab 8

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Mara und der Feuerbringer nordisch-germanische Sagen kamen als Thema im Familienkino bisher nicht vor. Unberechtigte Vorbehalte solchen alten mythen gegenüber versucht maras Geschichte abzubauen. Die 14-jährige Mara Lorbeer hat immer wieder unerklärliche Visionen aus einer lang vergessenen Zeit, bis ihr ein kleiner sprechender Zweig erklärt, dass sie die Seherin ist, auf die die Sagenwelt gewartet hat. Nur Mara kann den Weltuntergang verhindern, denn Halbgott Loki wird so gequält, dass er sich entweder mit einer Götterdämmerung befreien und damit die Erde zerstören wird – oder Mara bringt ihm seine entführte Frau zurück, die ihn bisher vor den unerträglichen Schmerzen bewahren konnte. Mit der „Mara und der Feuerbringer“Reihe hat Tommy Krappweis zunächst eine spannende Jugendroman-Trilogie geschrieben und den ersten Teil nun auch selbst als schlüssige Coming-ofAge-Geschichte inszeniert. Indem sich die unauffällige Schülerin Mara auf den Weg macht, die Welt zu retten, findet sie zu eigener Stärke und Selbstvertrauen, ihre Figurenzeichnung folgt der klassischen Außenseiter-Charakterisierung vom gemobbten Mauerblümchen zur Heldin in einer Parallelwelt. Die Fakten um die alten Sagen sind gut recherchiert, und Krappweis wagt es, die Helden mit ab 8

Absicht ein wenig durcheinander zu bringen. So „leiht“ Mara sich auf ihren Zeitreisen mal eben Siegfried und den Drachen, gegen den dieser gerade kämpft, aus, um beide für ihre Rettungsaktion einzuspannen, was zunächst ziemlich misslingt. Damit die Zuschauer diesem Chaos folgen können, muss Mara ein wenig zu viel aus dem Off erläutern. Mit viel Herz und zugleich mit Ironie wird ihre wachsende Freundschaft zu Professor Weissinger gezeichnet, der sie auf ihren Zeitreisen begleitet. Der Wissenschaftler und Bücherwurm, der nur seiner Forschung Glauben schenkt, muss dabei erkennen, dass es auch unerklärliche Phänomene gibt – bis er selbst schließlich ganz erpicht darauf ist, mit Mara in die Sagenwelt zu reisen, um dadurch seine Recherchen vertiefen zu können. Und so harren auch die Fortsetzungen ihrer VerKatrin Hoffmann filmung.

.Im KInO. mara und der feuerbringer Deutschland 2015. Produktion: Rat Pack. Regie: Tommy Krappweis. Buch: Sebastian B. Voss, Tommy Krappweis, nach dem gleichnamigen Roman von Tommy Krappweis. Kamera: Stephan Schuh. Musik: Andreas Lenz von UngernSternberg, Dominik Schuster. Schnitt: Jochen Donauer. Darsteller: Lilian Prent (Mara Lorbeer), Jan Josef Liefers (Professor Weissinger), Esther Schweins (Christa Lorbeer), Christoph Maria Herbst (Loki), Eva Habermann (Sigyn). Länge: 93 Min. FSK: ab 6. Start: 2.4.2015. Verleih: Constantin. Empfohlen ab 8.

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Kritiken 10+

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Antboy – Die rache der red Fury Es ist nicht leicht, ein Superheld zu sein. Spider-Man & Co können ein Lied davon singen. Stets der guten Sache verpflichtet, rücken eigene Bedürfnisse schnell an die letzte Stelle. Geplagt werden sie zudem von Identitätskrisen, Selbstzweifeln und Blessuren. Da geht es Antboy nicht anders: „Ich tue so viel für Middellund. Und was habe ich davon? Blaue Flecken!“, klagt er. Das alles nur, weil er als Zwölfjähriger von einer mutierten Ameise gebissen wurde. Seitdem ist er stark wie ein Riese, kann Wände hochklettern, mit seinem Urin Eisenschlösser durchätzen und es mit jedem Übeltäter in seinem Heimatstädtchen aufnehmen. Als wenn man zu Beginn der Pubertät nicht schon genug mit sich selbst zu tun hätte, zumal wenn man ein schüchterner Junge wie Pelle Nøhrmann ist. Der dänische Kinderfilm „Antboy“ (2014) erzählte die Geschichte eines Außenseiters, der lernt, zu sich selbst zu stehen. Immer auf Augenhöhe mit ab 10

den jungen Zuschauern musste sich Pelle gegen zwei fiese Schulkameraden und den Bösewicht Floh behaupten. Der Erstling wurde in 35 Länder verkauft, und so wundert es wenig, dass die Fortsetzung gleich nachgeschoben wird. Nun ist Pelle ein Jahr älter, noch mehr Teenager und hin- und hergerissen zwischen seinem Verantwortungsgefühl als junger Supermann und seinem Wunsch, einfach nur Pelle Nøhrmann zu sein. Für die meisten ist er ein Held – sogar Fanartikel gibt es. Aber wer weiß schon, wer er wirklich ist? Nur seine Verbündeten Wilhelm und Ida. Sie verstehen auch, dass er wegen einer Verbrecherjagd manchmal zu spät zum Kino kommt und dann erschöpft einschläft. Zudem ist Pelle in seine beste Freundin verliebt. Ziemlich unglücklich sogar, denn seine Verpflichtungen als Antboy hindern ihn immer wieder daran, sich der „wunderbar duftenden“ Ida zu offenbaren. Und die scheint sich sowieso dem neuen Mitschüler zuzuwenden. Selbst Super-

kräfte helfen da nichts. Liebeskummer und Eifersucht schwächen jeden, und verletzte Gefühle können ungeahnte Folgen haben. Hinter der Titel gebenden „Red Fury“ verbirgt sich nämlich ein Mädchen, dem Pelle unwissentlich Unrecht getan hat und das nun rot sieht. Mit Hilfe einer Erfindung ihres spleenigen Vaters wird Maria zur skrupellosen Rächerin in eigener Sache: Antboy soll am eigenen Leib spüren, wie es ist, allein zu sein. Sie ahnt nicht, dass dies niemand besser weiß als Pelle. Regisseur Ask Hasselbalch und sein Drehbuchautor konzentrieren sich im zweiten Teil stärker auf die widersprüchliche Gefühlswelt der Teenager und visieren damit ein ebenfalls älter gewordenes Publikum an. Entsprechend hat sich die Inszenierung verändert: Die Welt ist kälter und düsterer geworden, die Konfrontationen sind härter, die Bösen gemeiner. Pelle muss an fast schon zu vielen Fronten kämpfen: privat gegen seinen Nebenbuhler, als Antboy gegen Red Fury und alte Rivalen. Die Geschichte zerfasert dabei und schießt zuweilen übers Ziel hinaus, etwa wenn die fiesen Zwillinge, die Pelle schon im ersten Teil das Leben schwer machten, nun zu wahren Terrortypen mutieren. Auch wenn Pelle und seine Freunde voller Sympathie gezeichnet sind und Situationen oft mit Humor aufgelöst werden, verliert die Fortsetzung etwas an Charme und Leichtigkeit. Zugleich aber stellt sie die wichtige Frage, was einen wahren Helden ausmacht. Das versöhnt mit Unstimmigkeiten, zumal Antboy nicht auf die Zerstörung seiner Gegnerin setzt, sondern zeigt, dass es bessere Wege als Gewalt gibt. Kirsten Taylor

.Im KInO. antboy – den rØde furies hÆvn Dänemark/Deutschland 2014. Produktion: Nimbus Film. Regie: Ask Hasselbalch. Buch: Anders Ølholm, nach dem Roman von Kenneth Bøgh Andersen. Kamera: Niels Reedtz Johansen. Musik: Peter Peter. Schnitt: Peter Brandt. Darsteller: Oscar Dietz (Pelle/Antboy), Amalie Kruse Jensen (Ida), Samuel Ting Graf (Wilhelm), Astrid JuncherBenzon (Red Fury), Nicolas Bro (Dr. Gæmelkrå/Der Floh). Länge: 87 Min. FSK: ab 6. Start: 25.6.2015. Verleih: MFA+. Empfohlen ab 10.

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ein Film, auf den wir uns freuen

ein film, auf den Wir uns freuen: „song of the sea“

Irische Unterwasserpoesie Schon mit seinem zauberhaften Zeichentrickfilm „Das Geheimnis von Kells“ über einen jungen mönch, der Buchmaler werden will, hatte es der Ire Tomm Moore 2010 in die Endauswahl zum Animations-„Oscar“ geschafft. Gewonnen hat er ihn nicht, aber „Das Geheimnis von Kells“ war ein Film, der den stärksten Eindruck hinterließ; denn Moore erzählt keine formelhafte Block-

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buster-Geschichte, taucht vielmehr ein in die mythischen Welten seines Heimatlands und erweckt diese mit prächtigen Bildern und wundervollen Animationen zum Leben. Mit „Song of the Sea“ hat Moore nun eine irische Sage um ein „selkie“ adaptiert, um ein Seehund-Mädchen, das nach seiner Identität sucht. Und erneut versprechen die Bilder jene Mischung aus Verspieltheit, Melancholie

und Poesie, aus Geradlinigkeit und Komplexität, die schon „Das Geheimnis von Kells“ so besonders machte. Moores Filme sind einfach ungemein schön anzusehen, ein Fest für die Augen, das auf die große Leinwand gehört. Demnächst ist „Song of the Sea“ beim Internationalen Trickfilmfestival Stuttgart sowie im Rahmen des Kinderfilmfests beim Filmfest München zu sehen. •

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Fotos: Magellan Films

ein Film, auf den wir uns freuen

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Im Fokus: Co-Produktionen

deutsche Kinder- und Jugendfilm-co-produktionen feiern auf festivals erfolge. bedeuten sie auch eine chance fürs Kino?

Gemeinsam sind wir stärker Durch Bezeichnungen wie „europudding“ haftet europäischen Co-Produktionen bisweilen ein negatives Image an. Für Kinder- und Jugendfilme aber können sie eine Chance sein. einblicke in filmwirtschaftliche rahmenbedingungen, mehrsprachige Geschichten und die Beliebtheit von Deutschland als Co-Produktionspartner. Von Reinhard Kleber

Im Wettbewerbsprogramm von „Generation“, der Kinder- und Jugendfilmsektion der „Berlinale“, lief in diesem Jahr zwar keine rein deutsche Langfilmproduktion, dafür waren aber vier Filme mit deutschen Co-Produzenten zu sehen: „Antboy: Den Røde Furies Hævn“ („Antboy – Revenge of the Red Fury“/„Antboy:

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Die Rache Red Fury“) ist eine Gemeinschaftsroduktion von Dänemark und Deutschland, bei „Min lilla syster“ („My skinny sister“/„Stella“) arbeitete Deutschland mit Schweden zusammen, bei „Nena“ („Nena – Viel mehr geht nicht“) mit den Niederlanden und bei „Coming of Age“ mit Südafrika. Im Jahr 2014 zeigte „Generation“ drei

derartige Co-Produktionen: Bei „Supernova“ taten sich die Niederlande, Belgien und Deutschland zusammen, bei „Mavi Dalga“ („The Blue Wave“) die Türkei, Deutschland, Niederlande und Griechenland, bei „Were Dengê Min“ („Come to My Voice“/„Folge meiner Stimme“) die Türkei, Deutschland und Frankreich.

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Im Fokus: Co-Produktionen

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„Stella“ von Sanna Lenken

Auffällig sind vier Faktoren: Die Stoffe stammen in der Regel aus dem Ausland und spielen auch dort. Es finden sich vorwiegend europäische Partner zusammen, was nicht verwundert, weil europäische Co-Produktionen von der Europäischen Union befürwortet und gefördert werden. Zum dritten kommen deutsche Co-Produktionen offenbar leichter mit kleinen Ländern zustande als mit großen. Und: Es gibt bewährte Konstellationen wie Deutschland & skandinavische Länder, die häufiger auftauchen als andere. Dies führt zu der Frage: Warum erfreut sich Deutschland bei Co-Produzenten von Kinder- und Jugendfilmen einer solchen Beliebtheit?

Die Refinanzierung der Kosten für Kinder- und Jugendfilme ist schwierig. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass Kinder- und Jugendfilme kleinere Zielgruppen anpeilen als Filme, die sich an Erwachsene richten. Sie laufen im Kino oft nur am Nachmittag mit niedrigeren Eintrittspreisen, sodass die Refinanzierung der Kosten schwerer fällt. Da liegt es für einen Regisseur oder Produzenten nahe, in anderen Ländern Partner zu suchen. Generell scheint sich der Druck zugunsten von Kooperationen zu verstärken, wie Eva Hubert, Geschäftsführerin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, bemerkt: „Gerade was den Kinderfilm in Europa betrifft, ist es so, dass man ohne Partner kaum mehr etwas finanzieren kann.“ Deshalb sei auch ein Forum wie die „Berlinale“ zum Knüpfen von Kontakten so wichtig. Die Big Five im westlichen Europa, also Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Italien und Deutschland, sind wirtschaftlich stark genug, um zumindest ihre kommerziell orientierten Kinder- und Jugendfilme allein zu realisieren. Die übrigen Länder verfügen dagegen meist nicht über die Rahmenbedingungen auf Seiten der Förderinstitutionen und Fernsehsender, um ausreichende Budgets allein zu stemmen. Dies gilt insbesondere bei Arthouse-Stoffen. Davon kann auch „Nena“-Produzentin Hanneke

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Niens ein Lied singen: „In den Niederlanden ist es sehr schwer, mit einem Arthouse-Film jüngere Zuschauer anzusprechen, weil die nicht mal wissen, wo Arthouse-Kinos stehen. Die kennen nur die Multiplexe.“ Das Interesse am Co-Produzieren ist bei kleinen Ländern ausgeprägter als bei großen, wie Martina Bleis, Projektleiterin beim Co-Production Market der „Berlinale“, bestätigt: „Sicher sind kleinere Länder mit kleineren Heimmärkten und häufig weniger Finanzierungsmöglichkeiten schon bei niedrigeren Budgets auf Co-Produktionen angewiesen, weil sich höhere Budgets auf dem nationalen Markt einfach nicht amortisieren können.“ Dass deutsche Firmen gern und oft mit Partnern in Skandinavien zusammengehen, hängt damit zusammen, dass es seit langem eine nachhaltige und sehr erfolgreiche Kinderfilmförderung und -branche gibt. Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Zusammenhang Hamburg, wo man die traditionsreiche Kooperation mit den nordischen Ländern besonders pflegt. Es ist daher kein Zufall, dass am neuen „Antboy“-Fantasyfilm die Hamburger Firma Junafilm und der NDR beteiligt sind und an Sanna Lenkens Schwesterndrama „Min lilla syster“ die Fortune Cookie Film aus Hamburg mit ZDF und ARTE. Doch warum ist andererseits Deutschland als Co-Produktionspartner anscheinend so beliebt? Bleis nennt mehrere Gründe: „Deutschland ist

einer der häufigsten Co-Produktionspartner bei europäischen ArthouseFilmen generell, und auch von Deutschland gehen viele Co-Produktionen aus. Klar, es gibt vielfältige Förderungen und insgesamt ein großes Markt- und auch Fördervolumen. Dazu kommen Co-Produktionsfreundliche Förderungen, erfahrene Fachkräfte, viele Co-Produktionserfahrene Produzenten und spezialisierte technische Facilities – das alles prädestiniert Deutschland als Co-Produktionspartner.“ Dass hierzulande auch minoritäre Co-Produktionen, die in anderen Ländern manchmal vernachlässigt werden, im Fokus stünden, trage zu dieser Beliebtheit bei.

Andere Filmländer profitieren davon, dass bei Co-Produktionen mit einem deutschen Partner nicht auf Deutsch gedreht werden muss. Der Berliner Produzent Jakob Weydemann, der zuletzt mit Schweden das Jugenddrama „Young Sophie Bell“ von Amanda Adolfsson und mit Ungarn die Jugenddoku „Drifter“ von Gábor Hörcher co-produzierte, ergänzt: „Bei diesen Projekten und auf europäischen CoProduktionsmärkten habe ich festgestellt, dass Deutschland ein gern gesehener Partner ist, weil man hier verhältnismäßig flexibel ist, auch was die Drehsprache angeht. Im Unterschied zu Frankreich muss eine Co-Produktion mit deutschem Partner nicht auf

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Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz_02/2015

Im Fokus: Co-Produktionen „Nena“ von Saskia Diesing

Deutsch gedreht werden.“ Von diesem Umstand profitieren nicht zuletzt randständige Filmländer wie Südafrika bei der einstündigen Doku „Coming of Age“ über zwei junge Schafhirten und zwei Schülerinnen im Hochland von Lesotho, die die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin co-produzierte.

Co-Produktionen wie „Nena“, den die Firma KeyFilm aus Amsterdam mit der Coin Film aus Köln herstellte, tun sich erfahrungsgemäß leichter, wenn günstige Faktoren zusammentreffen. Die autobiografisch motivierte Kombination aus Coming-of-Age-Film und Sterbehilfedrama ist eine „natürliche“ Co-Produktion: Im Mittelpunkt steht ein niederländisches Mädchen mit einem deutschen Vater, die Story spielt im Grenzgebiet beider Länder. „Da lag es nahe, mit deutschen und niederländischen Schauspielern jeweils einige Tage in Deutschland und in den Niederlanden zu drehen“, sagt die Produzentin Hanneke Niens. „Außerdem legte die Autorin und Regisseurin Saskia Diesing Wert darauf, dass in den Dialogen beide Sprachen vorkommen.“ Hanneke Niens gibt zu bedenken, dass „es immer ein bisschen schwieriger ist, mit fremdsprachigen Kollegen zu arbeiten“. Zudem seien die Arbeitsweisen der technischen Stäbe nie völlig deckungsgleich. Einen größeren Nachteil von Co-Produktionen sieht Niens allerdings darin, dass diese kostspieliger sind: „Man macht Buchführung, Rechnungslegung und Verträge quasi doppelt. Und wir mussten eine deutsch synchronisierte Fassung erstellen.“ Einen Co-Produktionsvertrag unterschreibt die Produzentin nur dann, wenn die Wellenlänge stimmt. „Es beginnt immer mit der Story: Mögen wir sie? Haben wir den gleichen Geschmack und das gleiche Ziel? Können wir unsere Kreativität einbringen? Ich arbeite nur mit Co-Produzenten, die mit dem Drehbuch etwas

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Fotos: MFA+/Camino

„Funktioniert der Film in dieser Form auch im anderen Land? Das ist die große Hürde bei Co-Produktionen.“ (Herbert Schwering)

anfangen können und mit mir am gleichen Strang ziehen. Nur einen Förderantrag stellen und sich dann einen netten Tag machen, das funktioniert nicht.“ Der Kölner Produzent Herbert Schwering hebt mit Blick auf „Nena“ einen anderen Aspekt hervor: „Entscheidend ist, Stoffe zu entwickeln, die in unterschiedlichen Kulturkreisen funktionieren. Selbst zwischen den Niederlanden und Deutschland gibt es da schon Unterschiede. Was bei uns ankommt, muss das dort keineswegs tun. Funktioniert der Film in dieser Form auch im anderen Land? Das ist die große Hürde bei Co-Produktionen.“ Wichtig ist aus Sicht von Schwering auch eine solide Vertrauensbasis zum majoritären Produzenten, denn als minoritärer Partner habe man „nur bedingt Einfluss auf künstlerische Entscheidungen und die Endfassung des Schnitts“.

Filmabkommen zwischen Deutschland und den niederlanden sollen es einfacher machen, gemeinsame Projekte zu realisieren. Ein weiteres Hindernis bestand bei „Nena“ darin, dass es sich um einen Debütfilm handelt: Nach Schwerings Erfahrungen „schließen sich Debüt und Co-Produktion fast aus“. Gerade bei einer minoritären Co-Produktion schauen die Geldgeber genau hin, um das Risiko eines Fehlschlags zu minimieren: „Gab es schon einen erfolg-

reichen Film? Verspricht der Regisseur ein Talent zu sein?“ Wegen der starken Bezüge zu Deutschland gaben die deutschen Geldgeber für „Nena“ am Ende grünes Licht. Neue Impulse für die Zusammenarbeit mit dem führenden europäischen Kinderfilmland Niederlande erhoffen sich co-produktionsfreudige Produzenten von zwei Abkommen, die im Umfeld der „Berlinale“ unterschrieben wurden. So haben die Mitteldeutsche Medienförderung (MDM) und der Netherlands Film Fund (NFF) einen Fonds für die Entwicklung von Kinderfilmstoffen vereinbart, der mit einem Budget von jährlich 100.000 Euro an den Start geht. Antragsberechtigt sind Produzenten aus Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen sowie aus den Niederlanden. Fast zeitgleich schlossen Deutschland und die Niederlande ein Filmabkommen, das es einfacher machen soll, gemeinsame Projekte zu realisieren. Festgelegt ist nun, dass Kino-Co-Produktionen mit Beteiligung beider Länder wie nationale Filme behandelt werden und Zugang zu den jeweiligen nationalen Fördertöpfen bekommen. Dass die Kooperation schon jetzt klappt, zeigt die Zahl von 39 Co-Produktionen in den letzten sieben Jahren. Bleibt zu hoffen, dass sich dem Abkommen zwischen MDM und NFF weitere Länderförderungen anschließen, damit der Kinder- und Jugendfilm noch stärker wird. „Antboy – Die Rache der Red Fury“ startet am 25.6. (Verleih: bei MFA+). „Stella“ kommt im Herbst 2015 ins Kino (Verleih: Camino).

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