Geschäftsführer Zürich 02/2020

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38 KOLUMNE

DIE ZEIT ARBEITET FÜR DIE FRAUEN von Jacqueline Fehr

D

ie gute Nachricht ist: Zwischen 2010 und 2020 hat sich der Anteil weiblicher Geschäftsleitungsmitglieder in den hundert grössten Schweizer Unternehmen mehr als verdoppelt. Die weniger gute Nachricht: Der Anteil stieg gerade einmal von vier auf zehn Prozent. Mit anderen Worten: Die Richtung stimmt, aber das Ziel ist noch fern. Die Chef-Welt ist nach wie vor sehr männlich. In den grösseren US-Unternehmen gibt es mehr CEOs mit Vorname David (4.5 Prozent) als weibliche CEOs (4.1 Prozent). Dabei ist David nicht einmal der verbreitetste amerikanische CEO-Vorname – noch häufiger sind die Johns (5.3 Prozent). Und was die Schweizer Verhältnisse betrifft: Drei Viertel aller Frauen mit Hochschulabschluss befürchten laut einer Studie des Bundesamts für Statistik, die Geburt eines Kindes wirke sich negativ auf ihre Karriere aus. Die Sorge ist begründet: Zu über 85 Prozent arbeiten Mütter Teilzeit oder gar nicht. Väter verbleiben hingegen zu über 80 Prozent full time im Job. Teilzeitarbeitende erhalten nachweislich weniger Verantwortung und Förderung, werden weniger gut bezahlt und haben schlechtere Karriereaussichten. Hinzu kommt die Doppellast, die arbeitstätige Mütter zu tragen haben. Zwar werden solche heute nicht mehr schief angeschaut. Auch Karrieren sind möglich. Gleichzeitig hat sich aber an der Vorstellung kaum etwas verändert, wie eine Mutter zu sein hat – nämlich perfekt. Kurz: An berufstätige Mütter wird ganz selbstverständlich die Erwartung gestellt, dass sie im Job performen und gleichzeitig Super-Mütter bleiben. Das sind schwierige Voraussetzungen für Frauen, die führen möchten. Und doch – oder umso mehr – möchte ich Frauen zum Führen-Wollen motivieren. Es gibt gute Gründe, sich darauf einzulassen. Erstens arbeitet die Zeit für die Frauen. Die Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Und je dringender der Arbeitsmarkt die Frauen braucht, umso mehr bestimmen diese die Bedingungen, unter denen sie zum Engagement

GESCHÄFTSFÜHRER SOMMER 2020

bereit sind. Siehe Skandinavien: Dort entstanden die familienfreundlichen Arbeitsbedingungen, weil man nicht in der Lage war, die Lücken im Arbeitsmarkt mit der Zuwanderung zu stopfen. Man war angewiesen auf die Frauen. Zweitens sind Frauen Führungstalente. Es gibt mehrere grosse Untersuchungen zur Frage, ob Männer oder Frauen besser führen. Die Ergebnisse sind verblüffend – weil sie alle zum selben Schluss kommen: eins zu null für die Frauen. Besonders stark schneiden weibliche Führungskräfte ab, die einen modernen, im Fachjargon «transformationalen» Führungsstil pflegen – das heisst: die als Vorbilder auftreten und ihre Mitarbeitenden inspirieren, unterstützen und intellektuell anregen wollen. Wer in der Lage ist, so zu führen – und Frauen sind das gemäss Studien ganz besonders –, erzielt exzellente Arbeitsresultate. Drittens brauchen Kinder keine perfekte Mutter. Der britische Kinderarzt Donald Winnicott hat bereits Mitte des letzten Jahrhunderts dafür geworben, dass es vollauf reiche, wenn Mütter «good enough» seien – wenn sie «hinreichend gut» seien. Tatsächlich ist es kein Problem, wenn das Kind, nachdem es vom Velo gefallen ist, nicht nach der Mutter schreit, sondern nach dem Vater oder nach sonst einer Bezugsperson. Im Gegenteil: Das verschafft den Müttern Luft – und die nötige Energie, um sowohl in der Familie präsent zu sein als auch beruflich vorwärtszukommen. ■

JAQUELINE FEHR

Regierungsrätin und Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich Neumühlequai 10 CH-8090 Zürich mail@jaqueline-fehr.ch WWW.JACQUELINE-FEHR.CH


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