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WO IST DIE LÜCKE IM KREISLAUF?

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VORSCHAU/IMPRESSUM

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Lösungsorientierte Diskussion. Beim Thema Kreislaufwirtschaft geht noch viel mehr, vor allem wenn der Verbrauch von Materialien, Rohstoffen und Energie gesenkt wird. Dazu hatten die Diskutanten unterschiedliche Ansätze, aber ein gemeinsames Ziel.

Autor: Lisa Grüner

Seit der Klimakonferenz COP26 werden in Anbetracht der fortschreitenden Erderwärmung Lösungen zur Erreichung des „Unter-2-Grad-Ziels“ diskutiert. Ein neuer Forschungsbericht von Circle Economy identifiziert dabei Kreislaufwirtschaft als einen möglichen Ausweg aus der Klimakatastrophe: Der Circularity Gap Report 2022 zeigt auf, dass ein verstärkter Ausbau der globalen Kreislaufwirtschaft die Emissionslücke bis 2032 schließen kann. Durch geringen Materialienverbrauch ist Kreislaufwirtschaft in der Lage, die globalen Treibhausgasemissionen um 39 Prozent und den Verbrauch von Rohstoffen um 28 Prozent zu senken.

Beim Event „Mind the Gap – wo ist die Lücke im Kreislauf?“, der am Montag, dem 28. Februar 2022 im Naturhistorischen Museum in Wien stattfand, wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion des EU-Umweltbüros im Umweltdachverband diskutiert, wie die Lücke zu schließen wäre. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit vom Umweltdachverband, dem Club of Rome, RepaNet und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie statt.

Podiumsdiskussion

Am Podium diskutierten Marcel Krejc, Geschäftsführer von Matwash-CleanTec, Karl Kienzl, Umweltreferent beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie,

Mobilität, Innovation und Technologie, Karin Huber-Heim, Executive Director beim Circular Economy Forum Austria, Willi Haas, Lehrender am Institut für Soziale Ökologie an der BOKU, und Rainer Schultheis, Geschäftsführer bei Saphenus Medical Technology. Moderiert wurde die Diskussion von Harald Friedl, Kreislaufwirtschaftsbeauftragter des Bundesministeriums für Klimaschutz.

„Die Lage ist derzeit weder einfach noch erfreulich. Dennoch bin ich ein Optimist und glaube daran, dass wir den Turnaround beim Klimawandel schaffen“, so Haas. „Doch eine der wesentlichen Fragen wird sein, wie es zu einer breitenwirksamen Bewegung kommt, die in die richtige Richtung geht.“ Seine Sorge ist, dass sich der Ressourcenverbrauch massiv erhöht hat. „Wir recyceln zwar auch mehr, aber dennoch läuft uns der Verbrauch davon“, so Haas. Schuld daran sei unter anderem das politische System, dass nach dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich auf eine Konsumpolitik gesetzt hat, um Wohlstand und Frieden zu schaffen. „Aber jetzt

„Wir sind das Konsum- und Wachstumsdenken gewohnt, und das muss sich ändern.“

Karin Huber-Heim, Circular Economy Forum Austria

brauchen wir eine andere Governance-Struktur. Das Thema ist nicht mehr Wachstum, sondern wie man alle Bereiche miteinander verbindet, um mit dem Vorhandenen auszukommen.“ Dabei spricht er an, dass es derzeit viele Krisen zu lösen gibt. „Wir brauchen einen Umbau, der viele der Baustellen auf einmal löst.“ Das große Problem sieht er darin, dass viele Jahrhunderte lang die Menschen in einer Welt der Knappheit gelebt haben und jetzt mit der Fossilenergie Wohlstand für alle erreicht wurde. „Jetzt will jeder wie ein Kaiser leben, einen Status haben, Fleisch essen, mobil sein. Früher war das nur wenigen vorbehalten“, so Haas. „Und jetzt müssen wir es schaffen, ein klima- und ressourcenfreundliches Leben für alle zu ermöglichen, ohne den Wohlstand abzuschaffen.“

Konsumeinschränkungen

Auch Kienzl sieht es so, dass die Klimakrise auch eine wirtschaftliche Krise ist. „Unser System hat viele Blasen, und die Frage ist, wie man sie öffnen kann“, so Kienzl. „Da brauchen wir viele einzelne, die das tun.“ Für ihn ist die Verhaltensökonomie ein großes Thema, aber auch die politischen Rahmenbedingungen. „Es gibt den wichtigen Bereich der Unternehmer, die teils jetzt schon beispielhaft vorangehen.“ Das branchenübergreifende Weiterdenken und Weiterentwickeln sieht er als notwendigen Schlüssel.

„Man muss den persönlichen Konsum einschränken, in der Familie Umweltschutz leben und am Arbeitsplatz das Bestmögliche tun.“

Karl Kienzl, BMK

„Sieht man sich die Zementindustrie an, so muss man überlegen, wie man die hohen Temperaturen zur Herstellung zusammenbekommt, ohne fossile Brennstoffe einzusetzen“, so Kienzl. „Aber auch wie man CO2 in den Kreislauf führen kann.“ Er plädiert für eine Zukunftsregierung, das Konsum- und Wachstumsdenken gewohnt, und das muss sich ändern.“ Konsum ist kein Naturgesetz, sondern es wurde eingesetzt, um die Massen ruhig zu halten. „Die Frage ist jetzt: Schaffen wir es, das System durch Bruch oder Transformation zu verändern? Es ist wie bei einem Flugzeug im Flug den Motor zu tauschen. Aber man muss das Unmögliche versuchen.“ Der Diskutantin gefällt der Begriff „Sustainable Growth“ nicht, stattdessen wäre ihr „regeneratives Wachstum“ lieber. Auch sie sieht die Lösung in einem Schritt zurück zu einer Welt der Qualität, weg von der Quantität.

aber auch an jeden einzelnen: „Man muss den persönlichen Konsum einschränken, in der Familie Umweltschutz leben und am Arbeitsplatz das Bestmögliche tun.“ Die Zukunft sieht er darin, wenige, aber qualitativ hochwertige und ökologisch hergestellte Güter zu besitzen.

Brauchen Circular Thinking

Huber-Heim stellt sich die Frage, wo das Greenwashing aufhört und der richtige Wandel anfängt, aber auch was die Unternehmen brauchen, um schneller mehr machen zu können. „Circular Washing ist ein Thema, das nicht in böser Absicht passiert“, so die Diskutantin. „Unternehmen springen auf Trends auf. Was fehlt, sind die Taten hinter den schönen Worten. Aber sie wissen es oft nicht besser.“ Einen Grund dafür sieht sie darin, dass monetäre Messungen einfach sind und sich durch Daten belegen lassen, sich das aber bei der Circular Economy nicht abbilden lässt. Es gibt kein Berechnungsmodell für zirkulär und nachhaltig. „Was ist sozial, wo fängt unsere Verantwortung an, wo hört sie auf? Viele Unternehmen bewegen sich in einem Graubereich, sie agieren in Unwissenheit, weil es Ihnen an Tools fehlt“, so Huber-Heim. „Wir haben kein Circular Thinking, wir sind

„Man muss den Konsumenten wieder dazu erziehen, die Dinge gut zu behandeln und im Kreislauf zu halten.“

Marcel Krejc, Matwash-CleanTec

Vorhandenes nutzen

„Wir haben uns im Bereich der Medizintechnik mit SDG beschäftigt“, erzählt Schultheis. Als Beispiel bringt er ein Entwicklungshilfeprojekt in Tunesien vor, wo 90 Prozent der behinderten Menschen mit amputierten Gliedmaßen im Rollstuhl sitzen, weil sie sich keine Prothese leisten können. „Wird man arbeitslos, fällt man dort aus der Sozialversicherung, das ist bei einem Unfall fatal. Wir haben ein Konzept entwickelt, wo der Amputierte eine Prothese bekommt, die im Land mit den vorhandenen Ressourcen gebaut wird. Das, was es dort in großen Mengen gibt, ist Plastik.“ Nachhaltigkeit im medizinischen Bereich ist ein großes Thema. Und es braucht mehr Maßnahmen diesbezüglich. „Wir müssen ins Tun kommen“, so Schultheis. Einen Lösungsansatz sieht er darin, digitale

Anwendungen in einen größeren Kontext zu setzen. „Schön wären Apps, die ein Monitoring erlauben“, so Schultheis. „Jungunternehmen tun sich leichter, Social Mentoring einzuführen, aber sie brauchen eine Anleitung.“

Lebensdauer verlängern

„Wir waschen Matratzen, die sind übrigens die schmutzigsten Teile in der ganzen Wohnung“, beginnt Krejc. „Durch eine Waschung verlängert sich die Lebensdauer von Matratzen.“ Er ist dafür, die Lebensdauer von Produkten durch Pflege zu erhöhen. „Man muss den Konsumenten wieder dazu erziehen, die Dinge gut zu behandeln und im Kreislauf zu halten.“ Damit prangert er das aktuelle Nutzungsverhalten von „kaufen, nutzen, wegwerfen“ an. 35 Millionen Matratzen werden im Jahr in Europa weggeworfen, in Österreich sind es eine Million Matratzen jährlich. Diese werden thermisch verwertet. „Die brennen gut, weil diese aus Öl bestehen“, so Krejc. Er plädiert dafür, festgefahrene Strukturen aufzubrechen. „Man muss sich Abfallströme genau anschauen, um effizient handeln zu können.“ Auch muss die Politik einheitliche Regelungen schaffen. Seiner Meinung nach wäre es auch wichtig, schnell die richtigen Ansprechpartner zu finden, um Ressourcen mehr nutzen zu können. „Österreich hat die Möglichkeit, ein Vorreiter zu sein“, so Krejc. „Bei den Matratzen schaffen wir es nicht mehr.“ Ihm hat in der Diskussion gefehlt, die Möglichkeiten aufzuzeigen, die die Kreislaufwirtschaft bietet. „Sie bietet Chancen für innovative Unternehmen“, so Krejc. Ein weiterer Punkt ist die soziale Komponente: „Neue Ideen schaffen neue Arbeitsplätze.“ Willi Haas, BOKU

„Wir müssen ins Tun kommen. Österreich hat die Möglichkeit, ein Vorreiter zu sein.“

Rainer Schultheis, Saphenus Medical Technology

Event-Tipp „Wir müssen ein klima- und ressourcenfreundliches Leben für alle ermöglichen, ohne den Wohlstand abzuschaffen.“

Circular Economy Summit Austria

Der Circular Economy Summit Austria wird vom Klimaschutzministerium gemeinsam mit dem Circular Economy Accelerator Österreich und unter Einbindung sowie mit breiter Unterstützung von Organisationen der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft organisiert. Er findet am 22. März 2022 von 10.00 bis 17.00 Uhr in Wien statt.

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