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DAS LANG ERSEHNTE COMEBACK
Top-Event. Zwischen 15. und 18. März wird in Cannes wieder die MIPIM, die Messe für Wohn- und Gewerbeimmobilien und Betriebsansiedlung, in gewohnter Form über die Bühne gehen. Im Vorfeld deutet viel auf einen gut besuchten Event hin.
Nachdem die MIPIM in den vergangenen beiden Jahren aufgrund der CoronaPandemie zumindest als Präsenzveranstaltung abgesagt werden musste, ist dieses Jahr die Vorfreude der Immobilienbranche auf die größte Immobilienmesse der Welt groß. Laut dem Veranstalter RX France haben sich zahlreiche wichtige globale Branchenplayer in Cannes angekündigt. Und der Pandemieverlauf stimmt optimistisch, dass die Messe tatsächlich stattfinden wird. Insgesamt sollen sich genauso viele Aussteller aus Europa und dem Nahen Osten zwischen 15. und 18. März in Cannes einfinden wie zuletzt in 2019. Darunter repräsentiert sind auch mehr als 90 Prozent der großen europäischen Städte.
Wie üblich stehen auch heuer viele spannende Vorträge und Diskussionsrunden auf dem Programm. Dabei werde ESG beziehungsweise die Einbettung der Prinzipien in Investmentstrategien eines der Schlüsselthemen sein, wie MIPIM-Direktor Ronan Vaspart ankündigt. Zu den vielerwarteten Podiumsdiskussionen zählt er auch „Prime Real Estate, Location or Features?“. In dieser Diskussion werden sich Experten unter anderem der Frage widmen, was Top-Immobilien hinsichtlich Volatilität, Liquidität aber auch Regulierung attraktiv macht und wieso sie sich auch in der Welt nach COVID-19 behaupten werden.
Wohnen: Der sichere Hafen
Im Vorjahr kam es am österreichischen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien zu einer überraschenden Wachablöse: Mit einem Transaktionsvolumen von 1,4 Milliarden Euro war Wohnen erstmals die gefragteste Assetklasse unter Anlegern, während der langjährige Spitzenreiter Büro mit 1,09 Milliarden Euro auf den zweiten Platz verwiesen wurde. Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus, des Mangels an sicheren Alternativanlagen, attraktiver Finanzierungsmöglichkeiten und wohl auch wegen des coronabedingt herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds haben Investoren ihr Engagement im Wohnbereich verstärkt.
Nachdem 2021 auch aufgrund der Pandemie in Wien einige Wohnprojekte nicht wie geplant abgeschlossen werden konnten, sollen heuer mit fast 20.000 Einheiten so viele Wohnungen fertiggestellt werden wie noch nie zuvor. Damit wird 2020, das mit einem Fertigstellungsvolumen von rund 15.500 Wohneinheiten ebenfalls ein Rekordjahr war, noch einmal um rund 30 Prozent übertroffen. In den kommenden Jahren wird dann die Neubautätigkeit in Wien wieder deutlich niedriger ausfallen. Und auch in Graz und Linz, wo ebenfalls seit längerem rege gebaut wird, zeichnet sich eine zurückgehende Neubauleistung ab. Ein Grund für den Rückgang der Bautätigkeit laut CBRE: der Rückgang an Neuwidmungen.
Preise steigen weiter
Ebenfalls der Vergangenheit gehören – zumindest vorläufig – die Mietpreisanstiege der letzten Jahre an. Marktbeobachter sprechen von einer „weitestgehenden“ Stabilisierung des Mietniveaus. Dahinter steht wenig überraschend das aktuell gut ausgeprägte Angebot an Mietwohnungen. Dass die Schere zwischen Entwicklerkosten und erzielbaren Mieten immer weiter auseinandergeht, ist ein weiterer Grund für den Rückgang der Bautätigkeit. Sehr wohl noch Luft nach oben haben hingegen die Eigentumspreise in Wien. Nachdem im Vorjahr ein Anstieg von 6,5 Prozent verzeichnet wurde, wird für 2022 ein Plus zwischen 5,5 und sieben Prozent prognostiziert. Aktuell beginnt der Quadratmeterpreis im Erstbezug im Übrigen bei 5.000 Euro.
Wenig überraschend befinden sich die Wohnrenditen seit längerem im Sinkflug. Während in den Bundesländern im Neubaubereich mittlerweile drei Prozent lukriert werden können, wurde diese Grenze in Wien bereits geknackt – nach unten, wohlgemerkt. Diverse Marktprognosen gehen davon aus, dass die Spitzenrenditen weiter zurückgehen werden. „Aber auch die nachgelagerten Qualitätssegmente werden aufgrund der vorherrschenden Angebotsknappheit preislich weiter zulegen“, meint etwa Markus Mendel, Geschäftsführer EHL Investment Consulting.
Büro: Renditen weiter unter Druck
Der Wiener Büromarkt, und damit der mit Abstand größte und wichtigste des Landes, hat im Vorjahr einmal mehr seine Stabilität in einem schwierigen Umfeld unter Beweis gestellt. Mit rund 170.000 Quadratmetern lag die Vermietungsleistung zwar deutlich unter den beiden Vorjahren (jeweils mehr als 200.000 Quadratmeter), der Abfall lässt sich allerdings auf die geringe Flächenverfügbarkeit, die niedrige Fertigstellungsrate und den weiterhin niedrigen Leerstand (Stand Ende 2022: 4,3 Prozent) zurückführen. Die Spitzenmiete lag Ende des Vorjahres bei 26 Euro pro Quadratmeter.
So stabil sich der Wiener Büromarkt auch präsentiert, für Experten steht fest, dass die Corona-Pandemie nachhaltige Spuren hinterlassen wird: Stichworte Homeoffice beziehungsweise hybride Arbeitsformen. Die Unternehmen setzen sich intensiv mit neuen Büro- und Arbeitskonzepten auseinander. Zum Teil würden sich die geänderten Ansprüche in den Bestandsobjekten realisieren lassen, zum Teil würden sie nach neuen Standorten Ausschau halten, an denen flexible und innovative Arbeitsplatzkonzepte besser umsetzbar wären, heißt es bei EHL Immobilien.
Viele Fertigstellungen schon verkauft
Bis Ende 2022 gehen die Experten von CBRE Österreich jedenfalls von einem Fertigstellungsvolumen von rund 130.000 Quadratmetern (2021: circa 70.000 Quadratmeter) aus. Davon handele es sich bei fast 80 Prozent um generalsanierte Flächen in innerstädtischen Lagen. Neubauprojekte würden ausschließlich in periphereren Lagen realisiert werden. Direkt am Verkehrsknotenpunkt Praterstern, nicht allzu weit weg von der Wiener Innenstadt, finden sich beispielsweise mit den Objekten Lassallestraße 1 und 5 zwei der größten Bürofertigstellungen des Jahres.
Trotz des auf den ersten Blick deutlich größeren Fertigstellungsvolumens dürfte die Lage am Wiener Büroinvestmentmarkt 2022 dennoch angespannt bleiben. Der Hintergrund: Der Großteil der Bürogebäude, die heuer fertig werden, ist längst an Investoren verkauft. Bei gleichzeitig hohem Veranlagungsdruck sollten die Spitzenrenditen daher weiter unter Druck stehen. Aktuell liegen diese laut EHL Immobilien bei etwas unter drei Prozent. Damit ist momentan nur mit Wiener Topbüroimmobilien (2,80 Prozent) weniger zu lukrieren.
Interessant ist sicher, wie sich der ESG-Trend weiter auf Büroinvestments auswirken wird. Denn wie man bei CBRE Österreich festhält, wären Büroimmobilien bislang am stärksten davon betroffen gewesen. So hätten Anleger 2021 Investmentoptionen deutlich kritischer unter die Lupe genommen und hätten teilweise eher von Akquisitionen Abstand genommen oder einen geringeren als den ursprünglich erwarteten Preis gezahlt, berichtet Büroexperte Daniel Pfeiffer. Er erwarte, dass die Schere zwischen Core- und Non-Core-Büroimmobilien 2022 noch etwas auseinandergehen werde
Logistik: Krisengewinner
Zu den spannendsten Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie gehört sicherlich der Aufwind der Logistikinvestments in Österreich. Mit einem Anteil von elf Prozent am Transaktionsvolumen belegte die Assetklasse im Vorjahr nach Wohnen und Büro den vierten Platz. Und dass die Top-Logistikrenditen je unter die VierProzent-Grenze fallen würden, hatten wohl auch die erfahrensten Immobilienprofis nicht auf der Rechnung. So viel kann bereits jetzt verraten werden: Experten rechnen im Logistikbereich auch 2022 mit weiter zurückgehenden Spitzenrenditen.
Die Assetklasse soll jedenfalls weiter stark vom boomenden Online-Handel und der Neuausrichtung der globalen Lieferketten befeuert werden. Mit rund 150.000 Quadratmetern erreichte die Vermietungsleistung bereits im Vorjahr einen neuen Rekordwert. Davon konnte laut CBRE Österreich der Großteil an Logistiker im östlichen Umland von Wien vermietet werden. Gleichzeitig ging der Leerstand auf den niedrigsten Wert aller Zeiten zurück – Ende 2021 lag er bei modernen Logistikimmobilien in Wien und Wien-Umgebung bei 0,9 Prozent.
Angebotsanstieg generiert Nachfrage
Die Zeiten, in denen am heimischen Logistikmarkt moderne Neuentwicklungen überwiegend für die Eigennutzung gedacht waren, sind fürs Erste jedenfalls vorbei. Der Markt wird aktuell von großflächigen Developments für Fremdnutzer dominiert. Das zeige, dass ein erhöhtes Angebot auch eine größere Nachfrage generiere, so Franz Kastner, Teamlead Industrial & Logistics bei CBRE. Aktuell stünde eine Pipeline von 138.000 Quadratmetern Gesuchen für 180.000 Quadratmeter gegenüber. Allerdings sei der Großteil der Pipeline bereits vorverwertet.
Angesichts der hohen Nachfrage und dem begrenzten Angebot geht Kastner von weiterem Mietwachstumspotenzial im Wiener Raum aus. Im Vorjahr waren die Spitzenmieten bereits auf 5,80 Euro pro Quadratmeter im Monat gestiegen. Mit steigenden Mieten sei angesichts einiger neuer Projekte auch in den Bundesländern und da vor allem rund um die Logistik-Hotspots Graz und Linz zu rechnen. Dort würden sich die Mietpreise aktuell noch auf einem geringeren Niveau bewegen als in der und um die Bundeshauptstadt.
Kein Zweifel besteht jedenfalls daran, dass das Thema ESG langsam aber sicher auch in der Logistikbranche Einzug hält. Wie Stefan Werner, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien bestätigt, wären etwa Nachhaltigkeitszertifizierungen bedeutsam geworden. Gleichzeitig verfolge ein zunehmender Anteil an Projektentwicklern klimafreundliche Bauweisen und Nutzungen. Bei CBRE rechnet man damit, dass aus Nachhaltigkeitsgründen beziehungsweise zur Eindämmung des Flächenverbrauchs künftig die Neuentwicklung von BrownfieldLiegenschaften verstärkt zum Thema wird.
Retail: Totgesagte leben länger
Langsam aber sicher nimmt die Erholung der von der Coronakrise schwer getroffenen Assetklasse Retail ihren Lauf. Und auch Investoren setzen sich wieder stärker mit ihr auseinander. Dass 2021 auf dem Papier in Österreich mit Einzelhandelsimmobilien die zweithöchsten Investmentumsätze generiert werden konnten, muss allerdings mit Vorsicht genossen werden. Dahinter stehen zwei Großdeals – allen voran die Übernahme eines 45-Prozent-Anteils an der Shopping City Süd durch die Crédit Agricole für mehr als 400 Millionen Euro.
Bis zum insgesamt vierten Lockdown Ende November 2021 haben die Experten von Otto Immobilien wieder zunehmende Nachfrage nach Geschäftsflächen sowie eine deutlich gestiegene Vermietungsleistung ausgemacht. Und trotz des weitgehend ausgefallenen Weihnachtsgeschäfts – nach Berechnungen der Linzer Johannes-Kepler-Universität war das mit täglichen Verlusten von bis zu 140 Millionen Euro verbundenen – bleiben sie für 2022 optimistisch. Anthony Crow, Teamleiter Retail, glaubt an eine weiter zunehmende Nachfrage nach Geschäftslokalen.
Leerstand nahezu gleich
Sicher kein schlechtes Zeichen ist, dass sich im Vorjahr zahlreiche Unternehmen, wie unter anderem Liebeskind Berlin, Mooncity Vienna, Polestar, Marc O’Polo, Huawei oder Balenciaga, in den Top-Lagen zwischen Hofburg, Kohlmarkt, Graben, Rotenturmstraße und Kärtner Straße neu eingemietet haben. Laut CBRE sind 2021 in der Wiener Innenstadt und der Wiener Mariahilfer Straße fast zehn Prozent der bisherigen Mieter ausgezogen. Dank vorhandener Nachfrage und zeitnaher Nachvermietung sei jedoch der Leerstand nahezu gleichgeblieben und auch die Mieten wären vergleichsweise wenig zurückgegangen.
Während die bisherige Corona-Bilanz im stationären Einzelhandel gemischt ausfällt, hat sich der seit längerem bestehende Boom im Online-Handel über die letzten zwei Jahre sogar noch weiter beschleunigt. Wie eine aktuelle Studie von RegioData Research aufzeigt, haben die Österreicher allein im Vorjahr 17 Prozent ihrer Ausgaben im Internet getätigt. Pro Kopf wurden im Durchschnitt 1.350 Euro ausgegeben. Dabei standen vor allem Elektro- und Elektronikgeräte, Bekleidung und Schuhe im Fokus von Herr und Frau Österreicher.
Auch wenn der Flächenschwund vor allem im traditionellen Elektro- und Elektronikhandel sowie im Bekleidungsbereich schwer zu leugnen ist, sehen Experten keineswegs auf breiter Front schwarz für den stationären Handel. Omni-Channeling, Markenpräsentation in Flagship Stores in Top-Lagen und Retail-Erlebniswelten wie im Falle von Shoppingcentern: Entertainment und Gastronomie wären hier die Schlagworte der Stunde. Ohnehin keine großen Sorgen machen muss man sich um Fachmarktzentren sowie und allen voran den stationären Lebensmitteleinzelhandel, und damit einen der großen Krisengewinner.
Entwicklung der Verkaufsflächen in Österreich
Onlinehandel in Österreich auf dem Vormarsch
Onlineanteil an den gesamten Einzelhandelsausgaben in Prozent
Ausgewählte Hoteltransaktionen 2021
Stadt Hotel Zimmer Ausrichtung Verkäufer
Wien Hotel Ibis Styles Wien Messe Prater 102 Pachtvertrag Betha Zwerenz & Krause
Wien
Wien
Wien Austria Trend Hotel Lasalle
Renaissance Hotel Wien
MEININGER Hotel Wien Downtown Franz 140 Pachtvertrag Amisola / KWPS
309 Pachtvertrag Amisola / KWPS
131 Pachtvertrag CA Immo
Käufer
Schiehser Hotels
JPI Hospitality
JPI Hospitality
LLB
Wien
Wien
Tröpolach Mooons Hotel
DORMERO HoHO Wien
FRANZ Ferdinand Mountain Resort Nassfeld 170 Pachtvertrag Bridge Group / Moser Architects Real IS
143 Pachtvertrag Kerbler Holding AVV
144 Betreiberfrei K1 Hotelerrichtung Arena Hospitality Group
Obertauern Marietta 120 Betreiberfrei Privat Valamar
Kitzbühel
Fieberbrunn
Ehrwald Q! Resort Health an Spa Hotel 80 Privat
Sporthotel Fontana 125 Betreiberfrei Verkehrsbüro Group
Der Grüne Baum Ehrwald 45 Betreiberfrei Privat
Brunn am Gebirge Hotel Böck Brunn 85 Betreiberfrei MTK Group JPI Hospitality
Auszeit Hotels & Resort AG
Deutscher Immobilienunternehmer
Jamal Al-Wazzan
Quelle: Christie & Co
Hotel: Sorgenkind im Aufwind
Unter allen Assetklassen wurde sicherlich die Klasse Hotel mit Abstand am schwersten von der Corona-Pandemie getroffen. Stichworte: Wiederkehrende Lockdowns und Reiseeinschränkungen. Aber trotz widrigster Rahmenbedingungen sind Notverkäufe in der heimischen Hotellerie bislang weitgehend ausgeblieben, wofür Experten vor allem die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen verantwortlich machen. Diese sollten Ende des Vorjahres auslaufen, wurden aber bis Mitte 2022 verlängert. Fraglich, ob dann die von einigen befürchtete Pleitewelle vor allem in der Stadthotellerie eintreten wird?
Hoffnung macht Experten, dass auch in der stark in Mitleidenschaft geratenen Wiener Stadthotellerie die Reisetätigkeit langsam, aber sicher wieder anspringt, freilich ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Die Vorjahresauslastung von knapp 25 Prozent hätte in den boomenden Vorkrisenjahren wohl nur ein mildes Lächeln hervorgerufen. Immerhin konnte das Preisniveau in der Wiener Hotellerie laut CBRE-Daten seit dem Ausbruch der Pandemie gehalten und 2021 sogar leicht auf 90 Euro gesteigert werden. Zur Erinnerung: 2019 lag die durchschnittliche Tagesrate noch bei 108 Euro.
Ferienhotellerie: Boom geht weiter
Während Hotelexperten davon ausgehen, dass das Vorkrisenniveau in Wien frühestens 2024 erreicht wird, schauen die Prognosen für die Ferienhotellerie weitaus optimistischer aus. Bei MRP Hotels geht man davon aus, dass „Nahmärkte“ und „erdgebundene Ziele“ – kurz: Ferienhotels –, die 2021 bereits gute Auslastungen und Raten verbuchten, auch 2022 boomen werden. „Die Saisonverlängerung setzt sich weiter durch – und das ist per se nichts Schlechtes“, sagt Managing Partner Martin Schaffer. Aber auch der Trend zur Nachhaltigkeit könnte die Ferienhotellerie weiter befeuern.
Eine interessante Entwicklung ist sicher, dass angesichts der guten Performance seit dem Ausbruch der Pandemie auch institutionelle Investoren die Ferienhotellerie für sich entdeckt haben. Laut MRP Hotel kehren Anleger aber auch in die Städte zurück. Interessant wären vor allem Häuser, bei denen Conversions zu Wohnungen durchgeführt werden könnten. Als größtes Hindernis von Transaktionen würden derzeit die Preisvorstellungen der Verkäufer, die Unsicherheit pandemischer Auswirkungen sowie noch stärker gewachsene Anforderungen an Sicherheiten und Rücklagen bei der Bankenfinanzierung gelten, so der Hotelberater. Positiv: Hotelimmobilien würden nicht an Wert verlieren. 2021 lag die Spitzenrendite bei einem Investmentvolumen von mehr als 200 Millionen Euro bei knapp 4,3 Prozent.
Die sichere Anleihe Österreich
Sicherer Hafen. Was macht den österreichischen Immobilienmarkt für internationale Anleger attraktiv? Mit welchen Hürden sind sie hier konfrontiert? Wird der Krieg in der Ukraine eine Trendwende am Investmentmarkt einleiten? Mit diesen Fragen konfrontierte der ImmoFokus Anton Cermak (Beacon Invest), David Moese (Nuveen) und Franz Pöltl (EHL Investment).
Das Gespräch führte: Patrick Baldia
Laut aktuellem Trendbarometer (Immobilien-Investmentmarkt 2022) halten 93 Prozent der Marktteilnehmer den österreichischen Immobilienmarkt für attraktiv, 52 Prozent sogar für sehr attraktiv. Was macht Österreich vor allem für internationale Investoren so attraktiv?
David Moese: Wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass der österreichische Markt relativ stabil ist. Und dass man hier ganz gut verdienen kann. Wobei mit double-digit returns, wie beispielsweise in Südeuropa, darf man nicht rechnen. Es geht vielmehr darum, Stabilität ins Portfolio reinzubekommen.
Stichwort stabiler Hafen …
David Moese: Genau. Das sieht man auch bei unseren Investoren, die hauptsächlich Versicherungshäuser und Pensionskassen sind. Sie suchen gemäß ihrer Investmentrichtlinien eine gewisse Streuung in Österreich.
Franz Pöltl: Stabilität ist sicher der wesentliche Treiber für Immobilieninvestments in Österreich. Auch die größte internationale Anlegergruppe am heimischen Markt, die Deutschen, die ähnlich ticken wie die Österreicher, suchen alles andere als Volatilität. Ein wichtiger Punkt für internationale Investoren ist definitiv Rechtssicherheit. Wir Österreicher sehen das sicher etwas kritischer als externe Beobachter. Aber wenn wir beispielsweise die Entwicklungen und Gesetzesinitiativen im Wohnungsbereich in Berlin hernehmen, da ist Österreich mit all seinen kleinen Unzulänglichkeiten ein Hort der Stabilität.
Anton Cermak: Internationale Investoren schätzen sicher die Rechtssicherheit, Planbarkeit und auch die wirtschaftliche Stabilität in Österreich, die wir Österreicher vielleicht etwas anders wahrnehmen. Man kann den österreichischen Markt auch mit einer InvestmentGrade-Anleihe vergleichen.
In manchen Marktberichten werden die Anleger in Österreich in die Gruppen Inländer, Deutsche und Internationale unterteilt. Wie aktiv sind Letztere?
Franz Pöltl: Vor der Pandemie waren einige außereuropäische Investoren in Österreich aktiv. Beispielsweise Koreaner, die ja auch in dem Haus investiert sind, in dem wir gerade sitzen (Millennium Tower, Anm.). Aber seit dem Ausbruch der Pandemie waren Investoren von außerhalb Europas nicht mehr wirklich aktiv. Wobei ich einschränken muss: das betrifft nur die Käuferseite. Auf der Verkäuferseite überlegt sich aktuell der eine oder andere sehr wohl, ob er sich von seinem Objekt trennen soll. Wir werden sehen, wie sich der Markt heuer entwickelt, wenn die Reiserestriktionen aufgehoben werden und internationales Publikum wieder problemlos nach Wien kommen kann. Vielleicht wird dann der Markt wieder etwas globaler.
David Moese: Ich bezeichne mich auch als internationaler Investor, weil unsere Muttergesellschaft aus den USA kommt. Aber viele US-Amerikaner, die in Österreich investieren, fallen mir nicht ein. Der Einzige, der hier größer investiert ist, ist Greystar. Wir sind hier, weil unser Haus einen ganzen Warenkorb an Produkten anbietet – darunter Fonds, die europaweit investieren, aber auch Spezialfonds, wie „The Austria Fund No. 2“, der sich an internationale Anleger richtet.
Anton Cermak, Beacon Invest
Anton Cermak: Wir haben kürzlich für ein kanadisches Unternehmen in Europa eine Zentrale für Osteuropa gesucht. Da hat sich die Umgebung rund um Wien angeboten. Der Grund, wieso die großen Internationalen nicht nach Österreich kommen, ist vielleicht, dass sie den Markt nicht gut genug einschätzen können. Österreicher investieren ja aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen auch ungern in den USA.
Franz Pöltl: Geringe Volatilität und stabile Entwicklungen passen nicht wirklich zur Strategie von opportunistisch ausgerichteten, angelsächsischen Investoren. Deren Geschäftsmodell ist in der Regel, die Schwankungen des Zyklus auszunützen. Da sind die Amplituden am österreichischen Immobilienmarkt einfach zu gering.
David Moese: Das kann ich voll bestätigen. Aus der Sicht des US-Amerikaners sind Investments in Österreich einfach nicht interessant. Der Markt ist für sie vielleicht auch zu langweilig.
Was suchen internationale Anleger in Österreich? In erster Linie Büro- und Wohnimmobilien?
David Moese: Ich würde keine Assetklasse ausschließen. Das sehen wir auch bei unseren Investoren. Grundsätzlich sind alle interessant. Wobei sicher das Landhotel außerhalb Wiens nicht im Fokus steht.
Anton Cermak: Ich denke schon, dass Wohnen und Büro im Fokus stehen. Einige Assetklassen kommen vielleicht etwas weniger in Frage. Vor allem wegen der zu geringen Größe der Produkte. Beispielsweise Logistik. Was wir hier als großes Logistikprojekt sehen, gilt in Deutschland, Frankreich oder Italien als klein beziehungsweise maximal mittelgroß. Insgesamt kann man sicher sagen: der österreichische Markt ist für die großen internationalen Investoren schlichtweg zu klein.
Dass sich ein deutscher Institutioneller im Vorjahr ein Zinshaus-Portfolio gesichert hat, wird also eine Ausnahme bleiben?
Franz Pöltl: Das dürfte ein Ausreißer bleiben. Sich mit dem österreichischen Mietrechtsgesetz (MRG) im Vollanwendungsbereich auseinanderzusetzen, kann man eigentlich auch Österreichern nur schwer zumuten. Internationalen Anlegern schon gar nicht. Das ist auch der Grund, wieso in der Vergangenheit kaum Ausländer im Zinshausbereich investiert haben. Und wenn doch, dann haben sie immer Verbindungen nach Österreich oder österreichische Wurzeln gehabt. Ein weiterer Faktor ist die Rendite: Wenn man lange investiert geblieben ist, hat man sicher gut verdienen können. Aber die Cash-on-CashRendite, die Internationale Investoren gerne sehen, ist bekanntlich im Zinshausbereich stark erodiert.
Weil Sie das MRG ansprechen: Welche Hürden und Herausforderungen sehen Sie noch in Österreich für internationale Anleger?
David Moese: Weil wir gerade von Zinshäusern gesprochen haben: Da kommt in Österreich auch der steuerliche Aspekt noch dazu. Wenn ich hier nicht eine Tätigkeit habe, wie beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen, habe ich einen steuerlichen
Nachteil. Beispielsweise gegenüber Deutschland, wo ich ähnliche Produkte ankaufen kann. Zu den rechtlichen Hürden fällt mir noch das Beispiel der Pflegeimmobilien ein. Hier müssten sich internationale Anleger mit neun verschiedenen Bauordnungen und Pflegegesetzgebungen auseinandersetzen.
Anton Cermak: Der österreichische Markt ist sicher ein geschlossener Kreis. Wenn man hier nicht einen lokalen Partner, oder eine Repräsentanz hat, dann wird es sehr schwer, in den Markt reinzukommen. Der Investmentmarkt ist hier sicher noch etwas lokaler geprägt als anderswo. Eine weitere Herausforderung sind sicher die langen Behördenwege. Die rechtliche Sicherheit steht sicher außer Frage, aber wieso die Behörden für diverse Anliegen so viel Zeit benötigen, kann man einem Investor aus den Benelux-Ländern nicht erklären. Da steht die erzielbare Rendite in keinem Verhältnis zum Aufwand. Spezialthemen, wie das MRG sind natürlich eine zusätzliche Herausforderung.
Franz Pöltl: Ein wesentlicher Punkt ist auch die Transparenz des Marktes. Ausländische Investoren brauchen eine gewisse Mindesttransparenz beziehungsweise Researchmäßige Aufarbeitung der Märkte, in denen sie investieren. In Wien und einigen Landeshauptstädten ist das zweifelsohne gegeben. Über den Büro- und mittlerweile auch den Wohnmarkt gibt es regelmäßig Marktberichte
Anton Cermak
Anton Cermak ist Management Partner bei Beacon Invest und für die erfolgreiche Umsetzung von Transaktionsprozessen zuständig. Bevor er beim österreichischen Investmentbroker anheuerte, war er in Sales-Führungspositionen in verschiedenen Konzernen tätig.
von mehreren Anbietern. Ich kann mich noch erinnern, wie wir einen deutschen Fonds beim ersten Wohninvestment in Graz begleitet haben. Nachdem erste, in Frage kommende Projekte geprüft wurden, meinten die Verantwortlichen, dass man in einer "neuen" Stadt nicht ohne eine researchmäßige Aufbereitung des Marktes investieren könne. Wir haben uns dann gemeinsam mit einem lokalen Partner daran gemacht, den ersten Grazer Marktbericht zu erstellen.
Nach Wien ist auch Graz in den Fokus internationaler, oder besser gesagt: deutscher Anleger geraten. Werden andere Landeshauptstädte beziehungsweise noch kleinere Städte folgen?
David Moese: Wir interessieren uns natürlich für Landeshauptstädte. Aber wie viele
David Moese
David Moese ist beim USInvestmenthaus Nuveen für Immobilienanlagen in Österreich verantwortlich. Darüber hinaus ist der Absolvent der TU Graz Fondsdirektor und zuständig für verschiedene Österreich-Strategien bei Nuveen Real Estate. Produkte mit größeren Volumina gibt es dort wirklich am Markt? Bürogebäude mit weniger als zehn Millionen Euro sind für uns kaum interessant. Man muss im Endeffekt auch schauen, dass man in zehn bis 15 Jahren den Kaufpreis übertrifft. Im Bürosegment fühlen wir uns in Wien und Graz wohl. Im Retailbereich österreichweit.
Franz Pöltl: Die Landeshauptstädte kommen nur bei sehr guten Lagen, extrem langen Mietverträgen und der öffentlichen Hand als Mieter infrage. Grundsätzlich muss man einen Markt Nutzungsarten-spezifisch sehen. Einige Internationale würden gerne in Salzburg und Innsbruck in Wohnimmobilien investieren. Aber dort kriegen nicht einmal Wiener etwas. Wenn man sich die dortigen Preise anschaut, dann macht es auch ökonomisch oft kaum Sinn. Was aber sicher auch bei ausländischen Investoren mehr und mehr nachgefragt ist, ist der Speckgürtel um Wien, wo ja immer mehr Menschen hinziehen. Städte, die sicher kommen werden, sind Korneuburg, Tulln und Krems. Einige Anleger schauen sich schon Wiener Neustadt an. Da diese Märkte allerdings wesentlich kleiner als die Metropole Wien sind, müssen die Projekte an die jeweilige Nachfrage angepasst sein und vor allem die richtige Größe haben.
Anton Cermak: Das sehe ich genauso. Ein Produkt muss natürlich von der Größe der jeweiligen Stadt Sinn machen. Ein Projekt mit 120 Wohnungen in Wels passt zu der Stadt. In Hollabrunn wäre das zu viel. Man darf das Thema Spread nicht vergessen. Die
„Nehmen wir die Gesetzesinitiativen im Wohnbereich in Berlin her, da ist Österreich mit all seinen kleinen Unzulänglichkeiten ein Hort der Satbilität.“
Franz Pöltl, EHL Investment
Franz Pöltl
Franz Pöltl ist Geschäftsführender Gesellschafter bei EHL Investment Consulting und auf das großvolumige Investmentgeschäft spezialisiert. Davor war der passionierte Marathon-Läufer Geschäftsführer bei der Bank Austria Real Invest Immo und der Raiffeisen Immobilien KAG.
große Frage ist: Wird man für das Risiko, das man eingeht, ausreichend kompensiert?
Wie wird sich der österreichische Investmentmarkt 2022 entwickeln? Der Zyklus dauert ja schon relativ lange an. Gleichzeitig droht mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine Ungemach von der geopolitischen Seite. Ganz zu schweigen von möglichen Zinsanhebungen und der Corona-Pandemie.
Franz Pöltl: Schaut man sich die Vergangenheit an, so haben die Immobilienzyklen meist wegen eines externen Ereignisses gedreht. Siehe Ölkrise oder Lehman-Pleite. Ob nun der Krieg zwischen Russland und der Ukraine eine Trendwende einleiten wird oder nicht, traue ich mich nicht zu sagen. Klar ist nur: Wenn Trendwenden kommen, dann in der Regel schnell.
David Moese, Nuveen
Kann, angenommen der Krieg leitet keine Trendwende ein, heuer wieder das Niveau beziehungsweise das Transaktionsvolumen von 2019 übertroffen werden?
Franz Pöltl: Das kann durchaus der Fall sein. Die Frage ist: Wieviel Volumen kommt auf den Markt? Besonders im gewerblichen Bereich ist das Volumen an Fertigstellungen zu gering. Es werden aber Bestandshalter das aktuell sehr gute Umfeld nützen, um den einen oder anderen Exit zu machen. Dafür gibt es durchaus Signale beziehungsweise auch konkrete Pläne. Unser Haus hat etwa im Bürobereich bereits in den vergangenen Jahren mehr Bestandsimmobilien verkauft als mit Neuentwicklungen. In letzter Zeit mögen da auch ESG-Erwägungen (Environmental Social Governance, Anm.) mit eine Rolle spielen. Nicht jeder Bestandshalter hat die Development-Kompetenz um seine Gebäude ESG-fit zu machen.
Man darf nicht vergessen, dass ein Gutteil der gestiegenen Transaktionsvolumina auch darauf zurückzuführen ist, dass Immobilien viel schneller gedreht werden als das früher üblich war. Wie ich angefangen habe, mich mit Immobilien zu beschäftigen, war das typische Geschäftsmodell Buy-and-Hold. Da hat ein Institutioneller eine Immobilie mit der Absicht gekauft, sie auf „ewige Zeit“ zu halten. Heute haben die meisten Fonds klar definierte Halteperioden zwischen sieben und zehn Jahren. Dann soll wieder verkauft werden. Und in einer dynamischen Marktphase sind oft schon drei Jahre genug, um Return on Equity- und Multiple-Ziele zu erreichen. Man sieht das auch bei Developern: Viele verkaufen ihre Projekte gleich nach dem Erhalt der Baugenehmigung.
Anton Cermak: Das Volumen von 2019 hätte sicher erreicht beziehungsweise sogar übertroffen werden können. Aber der aktuelle Konflikt wird alle Prognosen über den Haufen werfen. Man darf nicht vergessen, dass die Ukraine zu Wien näher ist als der Bodensee. Der hiesige Immobilienmarkt muss zwar nicht zusammenbrechen, aber so mancher Investor könnte sich anderswo umschauen.
Wie schaut es mit dem Druck auf die Renditen aus? Wird er weiterhin groß bleiben?
Anton Cermak: Der Druck auf die Rendite ist groß, weil wenig Material da ist. Ich glaube, dass Entwickler und Verkäufer den Markt derzeit extrem ausreizen. Egal, welche Assetklasse man sich anschaut, überall gibt es zu wenig Produkt. Das wird sich auch nicht ändern. Dazu kommt, dass Geld teurer wird. Die Banken ziehen die Eigenkapitalvorschriften nicht nur bei den Privaten an, sondern auch bei uns.
Franz Pöltl: Ich glaube auch, dass die Renditen unter Druck bleiben. Wir haben aber bereits ein sehr niedriges Niveau erreicht, stehen bei unter drei Prozent. Gleichzeitig drücken die Zinsen am langen Ende nach oben. Das Potenzial für einen Squeeze ist also beschränkt. Aber ein bisschen was geht immer.