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ZUKÄUFE WERDEN FÜR UNS IMMER WICHTIGER
Viktor Wagner
Viktor Wagner ist Gründer und Geschäftsführer der REIWAG Facility Services. Bereits sein Vater und Großvater waren in der Reinigungsbranche tätig und legten den Grundstein für die heutige Firmengruppe. Neben Österreich ist die REIWAG heute in Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Serbien und Rumänien tätig. Darüber hinaus hält das Unternehmen Beteiligungen, wie etwa am Roboterhersteller LionsBot (11 Prozent), dem Wiener Tierkrematorium (51 Prozent), dem Tierfriedhof Wien (15 Prozent) und auch der KOMWAG (56 Prozent – Stadt-/ Straßen-Reinigung und Müllabführ in Prag – restliche Anteile hält die Stadt Prag). 1989 wurde Wagner zum Kommerzialrat ernannt. 2016 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen für
Verdienste um die Republik Österreich.
Zukäufe werden für uns immer wichtiger
Gebäudereinigungs-Pionier. Viktor Wagner, Gründer und Geschäftsführer der REIWAG Facility Services, spricht im Interview mit dem ImmoFokus unter anderem über Expansionspläne, Personalmangel sowie Robotik in der Gebäudereinigung.
Das Gespräch führte: Patrick Baldia
Die REIWAG hat seit dem Ausbruch der Pandemie viele Aufträge gewonnen. Seit dem ersten Jänner haben Sie zudem das Facility Management der Millennium City übernommen. Und auch der Vorjahresumsatz in der Höhe von 83,7 Millionen Euro deutet darauf hin, dass Sie bislang relativ gut durch die Krise gekommen sind …
Viktor Wagner: Wir gehören zu den Unternehmen, die auch in der Covidkrise unbedingt notwendig waren. Viele unserer Kunden und auch andere Unternehmen haben festgestellt, wie wichtig gerade in einer Zeit, in der alle vom Virus verunsichert sind, die Qualität der Sauberkeit, vor allem aber die Hygiene ist. So haben wir eine große Zahl an Desinfektionsaufträgen bekommen, auch in Krankenhäusern und Pensionistenwohnheimen. Für unsere Mitarbeiter war das natürlich mit Herausforderungen verbunden. Vor allem, weil sie in Schutzanzügen arbeiten mussten. Deswegen haben wir ihnen auch einen Nettobonus zukommen lassen.
Wie man hört, leidet auch die FacilityManagement-Branche unter Personalmangel…
In unserer Branche herrscht tatsächlich eine Personalknappheit, vor allem an gut geschulten Mitarbeitern. Die REIWAG setzt daher schon seit längerem auf Schulungsmaßnahmen. Das haben wir zuletzt deutlich intensiviert. Alle Mitarbeiter, die wir neu aufnehmen, werden zuerst in unserem Schulungszentrum ausgebildet. Erst wenn sie ausreichend geschult sind in Anwendungstechnik, Maschinenkunde und Chemiekunde und genau wissen, was sie tun, werden sie beim Kunden eingesetzt.
Hat sich das Personalproblem, wie beispielsweise in der Hotellerie, durch die Corona-Pandemie verschärft?
Durch Corona ist bei manchen Menschen eine gewisse Trägheit entstanden, woran wohl auch die in einigen Fällen enorm hohen Sozialleistungen schuld waren. Vor allem Leute, die uns vom AMS für Teilzeitbeschäftigungen geschickt werden, erklären uns, dass sie, wenn sie zuhause bleiben, dank der Unterstützungen ein höheres Nettoeinkommen erzielen, als wenn sie drei Stunden am Tag arbeiten gehen würden. Warum erwähne ich drei Stunden? Weil eine ganze Reihe unserer Kunden wünscht, dass ihre Büros nur zwischen 17 und 20 Uhr gereinigt werden.
Ist es nicht verständlich, dass diese späten Arbeitszeiten für viele Menschen nicht attraktiv sind?
Das nehmen wir durchaus ernst. Wir versuchen unsere Kunden daher seit einiger Zeit dazu zu motivieren, zur Tagreinigung überzugehen. Das ist nicht nur humaner, sondern auch sehr effizient. In Nordeuropa werden bereits über 50 Prozent der Reinigungsarbeiten in Anwesenheit des Kunden tagsüber durchgeführt. Dabei ist der Störeffekt sehr gering und dauert in der Regel nur wenige Minuten. Gleichzeitig ist die Tagesreinigung mit Vorteilen, wie den kurzen Kommunikationswegen bei Anregungen oder Beschwerden, verbunden. Mit einem Argument habe ich aber schon so manches Unternehmen überzeugen können.
Das wäre?
Bei der Tagesreinigung werden spürbar Energiekosten eingespart. Ist die Arbeit beispielsweise um 17 Uhr beendet, so ist es nicht mehr notwendig, vor allem im Winterhalbjahr, das Licht brennen zu lassen, womit oft gewaltige Kosten verbunden sind. Auch bei den Heizkosten kann man in der kalten Jahreszeit, sofern das Gebäude mit der entsprechenden Technologie ausgestattet ist, unter Umständen etwas einsparen.
Wäre nicht eine höhere Bezahlung eine Lösung für den Personalmangel?
Ich werde immer wieder gefragt, wieso wir unserem Personal nicht mehr zahlen. Meine Antwort ist immer die gleiche: Selbstverständlich würden wir das gern, nur leider lässt der Kunde hier keinen finanziellen Spielraum zu. Dafür nutzen wir jede Gelegenheit, um die Mitarbeiter, die Besonderes leisten, mit Gewinnanreiz- und Bonifikationssystemen zu belohnen. Die geringe Fluktuationsrate bei der REIWAG – viele Mitarbeiter sind zehn, 15, 20 Jahre oder mehr für uns tätig – zeigt, dass das gut funktioniert.
Erwarten Sie, dass die Pandemie Nachwirkungen haben wird, die Ihre Branche prägen werden?
Die langfristigen Folgen für den Immobilienmarkt sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar abschätzbar. Nach wie vor befindet sich eine beträchtliche Zahl an Mitarbeitern unserer Aufraggeber im Home-Office. Und
viele Kunden erwägen, ihren Bürobedarf künftig zu reduzieren und mehr auf Home-Office und Desksharing zu setzen. Davon wären wir natürlich unmittelbar betroffen. Denn je des persönlichen B2B-Gesprächs nahekommen kann. Aber natürlich war das für viele Unternehmen in den letzten zwei Jahren nicht anders möglich. Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, so lange nicht unsere Auslandsmärkte persönlich zu besuchen. Es war aber nicht möglich, und auch wir mussten Alternativen finden, um den Geschäftsgang aufrecht zu halten.
weniger Fläche wir betreuen, desto weniger Umsatz lukrieren wir.
Wie stehen Sie persönlich zu HomeOffice?
Zum Thema Home-Office gibt es bekanntlich unterschiedliche Meinungen. Die einen sind sehr angetan davon. Die anderen vermissen
den sozialen Kontakt zu Kollegen und Kunden. Ich glaube, dass man auch mit der entsprechenden technischen Unterstützung im Home-Office nicht der Qualität und Kreativität
Viktor Wagner, REIWAG Facility Services
Weil Sie Ihre Auslandsmärkte ansprechen: Neben Österreich ist die REIWAG in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Kroatien und Serbien aktiv. Wie man hört, stehen Sie in Slowenien vor dem Markteintritt und warten nur auf einen „Friendly Customer“, der Ihnen den BreakEven ermöglicht. Beobachten Sie darüber hinaus noch andere Märkte?
Wir beobachten laufend andere Märkte. Erst kürzlich habe ich eine Einladung zu einer Markterkundungsreise nach Sofia angenommen. Bislang hat Bulgarien für uns aus verschiedenen Gründen nicht zu den wesentlichen Zielmärkten gehört. Trotzdem möchte ich mir den Markt anschauen, und welche Möglichkeiten es dort gibt.
Beschränken sich Ihre Expansionspläne auf die CEE-/SEE-Region?
Ein Vorteil dieser Länder ist, dass, wenn wir eines besuchen, mit wenigen Ausnahmen, wir am selben Tag wieder in Wien sein können. Das trifft beispielsweise auf Teile Rumäniens zu. Aber ansonsten können Mitarbeiter wie Controller und andere, die immer wieder in unsere CEE-Märkte müssen, am Abend wieder bei ihrer Familie sein. Das ist nicht nur für die Mitarbeiter angenehm, sondern letztlich auch den Kosten zuträglich. Dazu kommt, dass Österreich in fast allen Ländern, in denen wir tätig sind, entweder der größte oder einer der drei größten Investoren ist. Und Kunden, die wir in Österreich betreuen, nehmen uns dann sehr gerne in ihre CEE-, SEE-Märkte mit. Da gibt es oft ein jahrelanges Vertrauensverhältnis.
Westeuropa ist also kein Thema?
Westeuropa ist für uns ein etwas schwieriger Markt. In Frankreich ist es nicht einfach für österreichische Firmen. In Italien aus verschiedenen Gründen auch nicht. Die Schweiz ist ein
sehr abgeschlossener Markt. Und Nordeuropa ist bereits so stark von großen Unternehmen besetzt, dass wir wenig Interesse haben, dorthin zu expandieren. Deutschland ist wiederum ein eigenes Kapitel. Mit der Gegenbauer Holding, dem zweitgrößten Gebäude- und Facility-Management-Unternehmen des Landes, haben wir einen Kooperationspartner. Wir haben vereinbart, dass wir im Falle einer möglichen Geschäftsbeziehung in unseren Heimmärkten diese an den Partner vor Ort weitergeben.
Sie meinten vorhin, dass sie viele heimische Unternehmen bei ihrer Expansion nach Osteuropa begleitet haben. Was bedeutet das, wenn ein Kunde wie die CA Immo einen Rückzug aus einem Markt erwägt?
Falls die CA Immo in Rumänien Gebäude verkauft, stellt sich natürlich die Frage, mit wem wir es dann zu tun haben. Ich sehe in diesem Fall aber vor allem das Problem, dass bei dem Immobilienkonzern, bei dem der Hauptaktionär ein US-Investmentkonzern ist, die Entscheidungen nicht mehr in Wien getroffen werden. Da kann es sein, dass die österreichischen Interessen untergeordnete Priorität haben. Ein weiteres Beispiel ist die Immofinanz, die ebenfalls ein Kunde von uns ist. Der letzte Stand ist, dass sich 48,17 Prozent der Anteile nicht mehr in österreichischen Händen befinden. Das bedeutet, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Veränderung in der Entscheidungsführung kommen wird. Und wenn ein Unternehmen die Immofinanz kauft, das selbst ein Facility-Unternehmen hat, dann bedeutet das mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Auftragsverlust.
Haben Sie einen Plan B in der Schublade?
Unser Plan B ist es, immer Alternativen zu suchen und so breit wie möglich aufgestellt zu sein, so dass wir von einzelnen Auftraggebern nicht abhängig sind. Das ist eines unserer wichtigsten Unternehmensziele. Weiters werden für uns Zukäufe immer wichtiger – und zwar nicht nur wegen der „Strafgebühren“ der Banken. Wir haben vor einiger Zeit eine kleine Facility-Management-Firma in Salzburg gekauft und eine weitere in Innsbruck. Grundsätzlich sind wir aber auch an weiteren branchennahen Zukäufen interessiert, wie Unternehmen, die in der Kälte- und Klimatechnik tätig sind. Allein schon wegen der
Erderwärmung wird dieser Bereich künftig mehr nachgefragt werden.
„Selbstverständlich würden wir unseren Personal gerne mehr zahlen, nur leider lässt der Kunde hier keinen finanziellen Spielraum zu.“
Viktor Wagner, REIWAG Facility Services
Eine durchaus branchennahe Beteiligung ist ja die Firma LionsBot, ein Erzeuger von Reinigungsrobotern aus Singapur, bei der sie seit Ende 2020 elf Prozent halten.
Ich glaube, das ist ein hochinteressantes Investment. Roboter werden die Menschen mehr und mehr entlasten. Völlig ersetzen werden sie den Menschen nie, da brauchen wir keine Angst haben. Auch in der Facility-Management-Branche. Das weltweite Marktpotenzial von Reinigungsrobotern wird allein bis 2025 auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. „LeoMop“ ist übrigens bereits im Einsatz. Demnächst wird der König der Könige unter den Reinigungsrobotern, „REX“, in der Millenium City sein Debüt feiern. Und in Rumänien setzen wir bereits Drohnen ein – etwa bei der Kontrolle der Dichtheit von Dächern in großen Logistikparks.
Was für Ziele haben Sie noch? Die Pension scheint keine Option zu sein?
Es macht mir nach wie vor riesigen Spaß zu arbeiten. Solange man körperlich und geistig gesund ist, einen Mehrwert für das Unternehmen bringen kann und die Kunden und Mitarbeiter einen Vorteil erleben, sollte man auch nicht aufhören. Denn es ist einfach schön, Dinge bewegen zu können. Ebenso wie sich mit Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern bei Geschäftsessen auszutauschen. Letztlich bildet das Netzwerk immer einen Teil des Erfolgs.
Besondere Freude bereitet mir im Übrigen auch mein wöchentlicher Ausgleich: das sonntägliche Fußballspielen, dem ich mittlerweile seit mehr als 35 Jahren nachgehe.
Wann, wenn nicht jetzt?
Klimawandel. Gebäude sind für vierzig Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. „Gut geplant und ausgeführt können sie sogar einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, meint Klima-Experte Stefan Sattler im ImmoFokus-Interview.
Das Gespräch führte: Michael Neubauer
Können – besser gefragt – müssen Gebäude einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Stefan Sattler: Zu beiden Punkten ein klares Ja. Gebäude sind für ca. 40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Gut geplant und ausgeführt können sie sogar einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nicht nur in der Errichtung – sondern vor allem im Betrieb. Wie werden unsere Gebäude mit Energie versorgt? Wärme, Kälte und Warmwasser. Wenn hier vor allem im Neubau effiziente Systeme eingesetzt werden, können Gebäude einen großen Beitrag leisten. Speziell in Städten,
weil unsere Städte für über 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Dieser Prozentsatz wird weiter steigen, da derzeit „nur“ die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt – Tendenz steigend.
Städte beanspruchen aktuell rund zwei Prozent der bewohnbaren Erdoberfläche. Zwei Prozent der bewohnbaren Erdoberfläche sind für 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich!
Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2050 rund 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Auch wenn aktuell – bedingt durch die Pandemie – ein verstärkter Drang zum Wohnen im Grünen zu verspüren ist. Aber das vergrößert de facto nur die Stadt und bringt das Umland näher an die Stadt heran. dass in den letzten Jahren oder Jahrzehnten die Hitzetage in Wien immer mehr geworden sind. Da braucht es intelligente Architektur und Technologien, die diese Überschusswärme speichern und später nutzen können.
Mit allen negativen Konsequenzen. Provokant formuliert: Klimakiller Einfamilienhaus? Was ist jetzt weniger schädlich? Stadt verdichten – inklusive Überhitzung der Stadt und der Notwendigkeit, immer mehr Gebäude nicht nur wärmen, sondern auch kühlen zu müssen – oder Stadterweiterung und weiterer Flächenverbrauch, Stichwort: Versiegelung hinnehmen?
Die Art der Wohnform hat unterschiedliche Aspekte. Der große Vorteil in der Stadt, im dicht bebauten Wohnraum, ist einfach, dass die Wege kürzer werden. Das spart immens Treibhaus-Emissionen ein. Auch für den verdichteten Wohnbau muss Fläche versiegelt werden. Hinsichtlich Flächenverbrauch ist die effizienteste Wohnform sicherlich die Stadt, die verdichtete Stadt. Bezüglich der Erwärmung im Sommer merkt man natürlich,
Das größte Problem ist wohl, den Bestand „klimafit“ zu bekommen?
Der Bestand ist die Herausforderung, eine Riesen-Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte. Aber noch einmal kurz zurück zum Thema „Verdichten“: Viele große gemeinnützige Bauträger verwenden Erdsonden als Geothermie in Kombination mit Flächenabgabe-Heizsystemen wie Fußbodenheizung oder Bauteilaktivierung. Die Bauteilaktivierung hat dort große Vorteile, weil sie ein träges System ist. Im Winter wird das Gebäude über die Wärme im Erdreich gewärmt. Im Sommer, wenn die Gebäude dazu
neigen, zu überhitzen, wird einfach durch eine Kühlung, meistens einfach Freeecooling oder eine passive Kühlung, diese Überschusswärme mit geringem Energieeinsatz in das Erdreich rückgeführt. Man regeneriert mit Erdsonden das Erdreich, man heizt es wieder auf. Bestens kombinierbar mit Photovoltaik oder Windenergie, um einfach diese vorhandene Wärmemenge aus den Sommermonaten im Erdreich zu speichern. Zur Regeneration der Sonden können auch Solarthermieanlagen genutzt werden. einsetzbar. Es ist im Neubau, ich würde sagen, fast Standard. Auch im verdichteten geförderten Wohnbau präsenter als im frei
Aber rechnet sich das auch? Unterm Strich muss ja im Excel eine Zahl grün aufleuchten.
Wir haben im Zuge der Energieraumplanung für den Neubau Rechtsgutachten beauftragt, um herauszufinden, welche Mehrkosten zulässig sind, und Gutachten bei Architekten beziehungsweise Ziviltechnikern dazu, wie hoch die zu erwartenden Mehrkosten im Vergleich zu effizienteren Gebäuden sein werden – ausgehend vom Mindeststandard nach Bauordnung. Eines darf man nicht vergessen: auch Dämmung braucht Platz und verringert die vermietbare beziehungsweise verkaufbare Fläche - dennoch ist die Reduzierung der benötigten Energie ein zentraler Aspekt!
Was kam dabei heraus?
Bei einer innerstädtischen Lückenverbauung liegen die Mehrkosten zwischen fünf und acht Prozent. Wobei die Investitionskosten für die bessere Gebäudehülle, das alternative, hocheffiziente Energiesystem, und auch die Reduktion der vermietbaren Fläche schon mitberücksichtigt wurden. Bei einem klassischen Neubau am Stadtrand liegen die Mehrkosten im niedrigen einstelligen Pro-
Gibt es Erfahrungswerte? Wie groß muss ein Projekt sein, damit sich dies rechnet? Funktioniert das auch beim Einfamilienhaus?
Stefan Sattler, Stadt Wien – Energieplanung
Das funktioniert auch beim Einfamilienhaus. Hier kommen statt Tiefensonden Horizontalkollektoren in Kombination mit Erdwärmepumpen zum Einsatz. Im verdichteten Wohnbau ist gerade ein derartiges System de facto überall Garten via Fußbodenheizung beheizt und gekühlt. In diesem konkreten Fall werden auch die Nachbargebäude mit Wärme und Kälte versorgt.
finanzierten. Das geht auch bei der Sanierung, wie das Projekt Geblergasse im 17. Bezirk vom Architekt Zeininger zeigt. Bei diesem Projekt aber wird ein bestehendes Gründerzeitgebäude über Erdsonden im zentbereich – zwischen zwei bis fünf Prozent.
Wir arbeiten derzeit am Wiener Wärme- und Kältekonzept 2040. Im Regierungsprogramm steht, dass bis Ende dieses Jahres ein Dekar-
bonisierungskonzept für die ganze Stadt erarbeitet wird. Der Klimafahrplan wurde vor einigen Wochen veröffentlicht. Das Dekarbonisierungskonzept bildet dann die Basis für die künftige Umsetzung. In welchen Bereichen wird es Veränderungen geben? Wo braucht man Anergienetze oder Fernwärmenetze? Wo geht das Hand in Hand? Welche Gebäudetypen oder welche Siedlungstypen können sich selbst versorgen? Das heißt, man sucht für jeden Gebäudetyp Lösungen mit Geothermie, mit Luftwärmepumpen, mit Biomasse – wenn auch eingeschränkt – und natürlich mit Fernwärme. Es gilt für die ganze Stadt: Raus aus dem fossilen Gas. Nicht nur für den Privaten.
Parallel dazu wird auch die Fernwärme dekarbonisiert. Dazu hat die Wien Energie im November die Dekarbonisierungsstudie 2040 veröffentlicht. Sie skizziert, wie erneuerbare Energie in das Fernwärme-System eingebunden werden kann, um den fossilen Anteil reduzieren zu können.
Spielt Wasserstoff eine Rolle?
Wasserstoff oder grünes Gas soll vor allem in Zusammenhang mit Kraft-Wärme-Kopplungen eingesetzt werden. Also dort, wo man Fernwärme und Strom erzeugt – aber kaum im Gebäudebestand selbst.
Warum ist der Einsatz im Bestand nicht sinnvoll?
Weil es kaum Wasserstoff gibt, beziehungsweise zu wenig geben wird. Und es ist aus derzeitiger Sicht keine kostengünstige Technologie.
Sind das alles Technologien mit hohem Informationsbedarf?
Wir haben täglich unzählige Anfragen zu dem Thema. Mitte des Jahres wird ein Informationszentrum für Erneuerbare Energie seinen Betrieb aufnehmen. Interessenten haben dann die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren. Über Erneuerbare-Energie-Erzeugungsanlagen oder Erneuerbare-EnergieGemeinschaften. Gerade, wenn aktuell eine größere Sanierung ansteht, ist es sinnvoll, zukunftsträchtig zu investieren. Es macht keinen Sinn, eine alte Gasanlage durch eine neue Gasanlage zu ersetzen.
Bei den Bauherren und Architekten ein Generationenproblem?
Mag sein. Wir haben wahrscheinlich hauptsächlich mit jenen zu tun, die sich in dem Thema engagieren. Es wird welche geben, die es noch nicht tun, oder die sich noch immer am Mindeststandard der Bauordnung orientieren. Ein Umdenken hat bereits eingesetzt. Aktuell ist das Thema prominent vertreten. Die Diskussion rund um die EU-Taxonomie hat sicherlich dazu beigetragen. Auch wenn gewisse Bereiche noch nicht klar definiert und die letzten Entwicklungen nicht optimal sind.
Eines steht aber sicher fest: Sanieren kostet – und wer zahlt am Ende die Zeche?
Es müssen neue zusätzliche finanzielle Instrumente und Anreize geschaffen werden – sonst wird das nicht gehen. Es gibt aber auch schon jetzt viele Förderungen.
Stefan Sattler
Stefan Sattler hat nach seinem Kulturtechnik und WasserwirtschaftStudium an der Universität für Bodenkultur als Universitätsassistent über 4 Jahre im Bereich Ressourcenorientiertes Bauen geforscht. Seit 2018 arbeitet er bei der Stadt Wien – Energieplanung und betreut dort den Bereich „erneuerbare Energien“.