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ÜBER DEN TELLERRAND
Typisch ausländische Spezialität?
Mitnichten. Bei Köstlichkeiten wie Kaviar, Garnelen und Reis würde man als Herkunftsland nicht unbedingt an Österreich denken. Auch bei Zitronen, Feigen oder Safran nicht. Innovative Unternehmer und Landwirte haben sich über das Unmögliche drüber getraut: Sie produzieren in Österreich. Dahinter stecken viel Herzblut und ein nachhaltiger Grundgedanke.
Autor: Lisa Grüner
Doch wie kommt man überhaupt auf so eine wagemutige Idee? „Bei einem gemütlichen Abendessen im Jahr 2010 bemerkte mein Mann, dass alle Bestandteile des Essens, also unser Backhendl, Salat, Klöcher Traminer, aus der Region, in der wir leben, stammten, mit Ausnahme der Beilage — es gab Reis. Und so entstand der Gedanke, Reis an Ort und Stelle hier in Klöch in der Südoststeiermark anzupflanzen“, erzählt Adele Fuchs von Steierreis. „Wir mussten nur mehr unsere Eltern überzeugen, und das spannende Projekt nahm seinen Anfang. Wir haben Studienreisen gemacht und begonnen zu experimentieren. Wetterdaten verglichen, Reisanbaugebiete ausfindig gemacht.“ Doch von sofortigem Erfolg war das Projekt nicht gesegnet. „Die erste Ernte haben wir mit nur einer Scheibtruhe ‚eingefahren‘, denn mehr war es nicht“, so Fuchs. Das Unternehmerehepaar entschied sich für den Trockenanbau. „Es war nicht so einfach, die richtigen Reissorten für unsere Region zu finden“, so Fuchs. „Wir haben mit unterschiedlichen Sorten experimentiert, bis wir die richtige für unseren Boden fanden.“ Bald fielen die Ernten reich aus. „Uns war es damals schon wichtig, den Reisanbau in ökologisch verträglicher Form anzugehen, und dazu gehört vor allem der Wasserverbrauch“, so Fuchs. Das Wasser für die Bewässerung stammt aus Naturteichen vom eigenen Gelände. Für ein Kilogramm Reis werden circa 3.000 Liter Wasser benötigt, um 12.000 Liter weniger als bei der Produktion von Nassreis. Sogar im Supermarkt ist Reis aus Österreich erhältlich. Ja Natürlich vertreibt Bio-Reis aus dem Seewinkel, wobei besonders der schwarze Reis spannend ist.
Garnelen und Meeresfische
Der ökologische Grundgedankte war für die Züchter von österreichischen Garnelen ausschlaggebend. Drei sind es, die sich dem Wagnis gestellt haben. „Wenn man sich ansieht, wie in Asien produziert wird, vergeht einem der Appetit“, erklärt Stefan Weiser, Geschäftsführer von White Panther Gebirgsgarnelen. „Unsere Garnelen sehen weder Antibiotika, Hormone oder Chemie.“ Mit einem geplanten jährlichen Produktionsvolumen von circa 60 Tonnen gehört White Panther zu den größten IndoorAquakulturen für Garnelen in Europa. „Im letzten Jahr sind wir diesem Ziel schon ein
ganzes Stück nähergekommen, und darüber freuen wir uns sehr“, so Weiser.
Auch Daniel Flock von Alpengarnelen ist mit Herzblut bei der Sache. „Damit sich die Garnelen wohlfühlen, werden sie in 28 Grad Celsius warmem Wasser gehalten. Das Futter der Garnelen muss täglich an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden“, erzählt Flock. Die Zuchtfarm, in der die White-Tiger-Garnelen (Litopenaeus vannamei) gezüchtet werden, verfügt über ein ausgeklügeltes Kreislaufsystem zur Wiederaufbereitung des Wassers. Gestartet hat er vor sieben Jahren, da es keine vergleichbare Produktion gab. „Anfangs haben wir uns mit Fisch als Hobby beschäftigt und zwei bis 300 Kilo geerntet, jetzt sind es bis 10 Tonnen im Jahr.“
Ein weiterer, der sich der Garnelen- und Fischzucht verschrieben hat, ist Michael Wesonig von Michi’s Frische Fische. Er hat sich zusätzlich zu den Garnelen auch an die Zucht von Meeresfischen gewagt, da ihm die Problematik, um den Meeresfischfang bewusst ist. „Mit Wildfang überfischt man tendenziell die noch existierenden Bestände, und Aquakulturen im offenen Meer haben auch ihre Nachteile“, so Michi. „Die Fische nehmen alle Verschmutzungen im Wasser auf, und konventionelle Fischzuchten zerstören wiederum ihr eigenes Biotop.“ Das braucht dann einen hohen Einsatz von Chemie, solche Fische sind für Michi keine Delikatesse: „Deswegen züchte ich jetzt Meeresfische in der Steiermark.“ Einer seiner größten Erfolge ist der nachhaltig und ressourcenschonend gezüchtete Steirer Branzino und der Spaß an seiner Arbeit. „Meine Frau sagt oft, ich bin wie ein kleines Kind unter dem Christbaum, wenn ich mit leuchtenden Augen von der Fischzucht komme und ihr voller Freude berichte, dass unsere steirischen Gebirgsgarnelen wieder um einen Zentimeter gewachsen sind.“
Die österreichischen Garnelen punkten durch ihren einzigartigen süßlich-nussigen Geschmack, das Garnelenfleisch ist fest, und der Biss knackig, bei der Zubereitung schrumpfen sie nicht stark. Deswegen ist die Nachfrage bei den Gourmets hoch, wobei nicht nur Restaurants die Produkte nachfragen, sondern auch immer mehr Privatkunden. Die Tiere werden nicht tiefgefroren, sondern gekühlt geliefert. Dadurch bleibt die Schale dünn, die Hitze dringt beim Garen besser ein, und das Fleisch bleibt saftiger. Bei der Garnelenaufzucht wird auf einen ökologisch nachhaltigen Kreislauf geachtet.
Schnecken
Einer, der eher den Boden als das Wasser bevorzugt, ist Andreas Gugumuck von der Wiener Schneckenmanufaktur. Durch Zufall ist er auf die Idee gekommen, Schnecken zu züchten. „Ich habe einen Artikel im Rondo über Schnecken gelesen und ließ mich von Sieberts Schneckenkochbuch inspirieren“, erzählt Gugumuck, der eigentlich Informatik studiert hat. „Ich habe viel recherchiert und entdeckt, dass die Schnecken in Wien eine lange Tradition haben.“ Die Schnecken galten als klassische Fastenspeise. Nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte ihnen die Nouvelle Cuisine einen Höhenflug, der wieder abebbte. In den 1980er-Jahren wurden sie wieder populär, bis Frosch und Schnecke unter den Artenschutz fielen und nicht mehr in der Küche verwendet werden durften. „Ich habe also ein Projekt gestartet, ohne einen Markt zu haben“, so Gugumuck. „Wir sind den Weg über die gehobene Gastronomie gegangen und organisieren seit 2010 Schneckenfestivals, über die in ganz Österreich eine Woche lang Schnecken propagiert werden.“ 2008 startete er die Zucht im Nebenerwerb, 2010 startete er als Landwirt durch und produziert nun 200.000 bis 300.000 Schnecken im Jahr, die mit ihrem leicht erdig nussigen Geschmack die Gourmets überzeugen. Besonders beliebt sind seine Sieben-Gänge-Menüs, die drei Mal im Monat angeboten werden.
Kaviar
Durch Zufall ist Helmut Schlader von Alpenkaviar auf den Stör gekommen. „Ich war als Verkaufsdirektor einer Lebensmittelkette für den Vertrieb in Rumänien zuständig. Ich bin dort dementsprechend sehr viel herumgekommen aufgrund der vielen Filialen, die wir betrieben haben — unter anderem auch in der Region des Donaudeltas. Dort habe ich zum ersten Mal Stör und Kaviar probiert.“ Als er erfuhr, dass es auch in Österreich fünf verschiedene Störarten gab, beschloss er, sich näher damit zu beschäftigen. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser, da ich ja eigentlich überhaupt keine Ahnung von Stören bzw. der Kaviarproduktion hatte“, lacht er. „Mit viel Zeit, Studium und Hingabe ist das erlernbar.“ Fast wäre er an den behördlichen Vorschriften gescheitert. „Mir wurden sehr viele Steine, teilweise auch durch Nichtwissen, in den Weg gelegt“, erzählt er. „Angefangen von der Genehmigung der Aufzuchtbecken, der Produktion bis über die Verpackung und Etikettierung.“ Schlader
hat den Hürdenlauf geschafft, heute ist er sogar Österreichs erster EU-zertifizierter Kaviarproduzent und exportiert 20 Prozent des
Kaviars vor allem nach Deutschland und
Portugal. „Was unseren Alpenkaviar besonders und hochwertig macht, ist die naturnahe artenspezifische Aufzucht in Naturteichen“, so Schlader. „Die Störe verbringen einige Monate vor der Produktion im reinsten Gebirgswasser, und ihre Eier reifen im kalten Wasser heran.“ Die Produktion und Veredelung des Kaviars vor Ort finden nach State-of-the-art-Standards statt. Preislich und qualitativ ist der Alpenkaviar mit Kaviar aus Russland und Persien vergleichbar.
Feigen, Safran und Zitronen
Bio-Feigen aus Wien? Die gibt es nur am Himmelreich in Kaiserebersdorf. Am Feigenhof von Ursula Kujal reifen von Mitte Juni bis Anfang November 50 verschiedene Feigensorten im Glashaus und in der Freilandplantage heran. „Aus den Früchten stellen wir feine Feigenaufstriche in unterschiedlichen Variationen her“, ist Kujal stolz. „Einige davon werden auch zu einem Feigengeist gebrannt.“ Der Genießer kann aus vielen verschiedenen Geschmacksvariationen wählen. Wer sich in die Feige verliebt, kann sich auch Bäume vom Feigenhof mitnehmen. „Die Feige erlebt gerade einen richtigen Boom“, freut sich Kujal. „Wir beraten die Käufer in Bezug auf Lage und Bodenbeschaffenheit und suchen die richtige Sorte aus. Gefühlt stehen schon in fast allen Wiener Gärten Feigenbäume.“ Kein Wunder, ist die Feige doch schon seit Adam und Eva ein Symbol für Fruchtbarkeit.
Auch der Safran hat eine hohe Symbolkraft, vor allem macht er den Kuchen gelb. Ein Sprüchlein, das so jedes Kind kennt. Dass Safran auch in Österreich angebaut wird, ist nicht so landläufig bekannt. In der Weststeirischen Safranmanufaktur wird seit 15 Jahren Safran kultiviert und gezüchtet. Aus den Narben der violett blühenden Krokusart werden die Safranfäden in Handarbeit gewonnen. 150.000 Blüten werden für ein Kilogramm des kostbaren Gewürzes benötigt. Peter Schöggl stellt daraus Safran-Öle, -Sirup und -Salz her, aber auch Seifen, Cremen und medizinische Produkte. „Zum Zupfen für unseren medizinischen Safran verwenden wir Kunststoff- oder Bambuspinzetten, damit kein Safranfaden mit den Händen in Berührung kommt“, so Schöggl.
An die Kärntner Zitronen hingegen wird gerne Hand angelegt. Michael Ceron vom Zitrusgarten ist der Südfrucht regelrecht verfallen. „Als gelernter Gärtner hab ich schon mit 19 die elterliche Blumengärtnerei übernommen“, erzählt Ceron. „Ich war als großer Balkonblumenlieferant der Hotellerie erfolgreich, aber wenn wir im September die schönen Pflanzen auf den Kompost werfen mussten, weil die Saison vorbei war, blutete mir das Herz.“ Privat fing er an, Zitruspflanzen zu sammeln. „Dann wurden es mehr und mehr“, lacht er. „Die Flächen der Balkonblumen schrumpften, die Zitrusflächen wuchsen ...“ Ausschlaggebend war der EU-Beitritt, weil er damit offiziell Bäume in Italien zollfrei einkaufen konnte. Diese ersten Jahre konnte er nie eine Frucht ernten, die Plastiktöpfe, die Erde, der Dünger, vieles passte nicht. 2014 war dann das „Forschungsprojekt“ Zitrusbaumpflanzung im Gewächshaus in Kärnten geboren, und rund 250 verschiedene Zitrussorten wurden gepflanzt. „2018 hatte ich die erste offizielle Bio-Ernte mit 137 verschiedenen Zitrussorten, das ist damals wie heute ein Unikat in Europa“, erzählt Ceron. „Natürlich sind es Einzelbäume, keine Plantage wie in Sizilien, aber eben die Vielfalt von heute rund 300 verschiedenen Sorten ... und geschmacklich sind das Juwelen.“ Heute produziert er Lebensmittel statt Blumen und ist mit der Entscheidung glücklich. „Und unsere Kreationen sind wohl einzigartig“, ist Ceron stolz. „Wir produzieren Bio-Zitroneneistee (unter ein Prozent Zuckeranteil), Bio-Zitruspralinen, Bio-Zitronenhonig, einen BioZitronencocktail (unter 12 Prozent Alkohol) und einen RickGin.“
Gin und Whiskey
Apropos Gin. Erfunden wurde der Wacholderschnaps von einem holländischen Arzt — als Medizin, um Fieberanfälle zu lindern. Die Engländer kamen dann auf den Genuss des Getränks, und damit fing der Siegeszug des Gins um die Welt an. Als derzeitiges Modegetränk fasziniert er nicht nur Genießer, sondern vor allem Produzenten in Österreich. „Wir spielen so lange mit den feinen Nuancen, bis wir den perfekten Gin haben“, erklärt Wolfgang Hagn. „Unser Winzagin wird aus Weintrauben, die Basis aus Wacholderbeeren gebrannt.“ Kombiniert wird der Gin mit Holunder- und Lavendelblüte, Zitronen- und Orangenschalen, Koriander und Muskatnuss.
Peter Affenzeller hingegen verwendet für seinen Dry Gin die neun Botanicals Wacholder, Anis, Orangen, Citrus, Cassiarinde, Kardamom, Tannennadeln, Pfeffer und Lavendel. „Dieser Gin ist am Gaumen zu Beginn schmei-
chelnd, dann im Abgang aber eindrucksvoll kräftig und vielschichtig verspielt“, ist er stolz. „Das Aroma ist langanhaltend und animiert zum nächsten Schluck.“ Doch auch über Whisky und Whisky Cream hat sich der Oberösterreicher getraut. Der cremige Liqueur aus klassischem Single Malt Whisky schmeckt nach hochwertiger Schokolade, dezenten Vanillenoten und süßen Karamellnuancen. „Whisky zu brennen erfordert vor allem eines: Herz“, so Affenzeller. „Wenn man dann in seinem Heimatort die besten Voraussetzungen für eine ausgezeichnete Spirituose vorfindet, dann steht einem qualitativ hochwertigen Whisky nichts mehr im Weg.“
Bei so viel Genuss und Qualität lohnt es sich, ein paar Euro mehr auszugeben. Glücklicherweise nimmt der Trend zur Regionalität zu. Die Konsumenten gehen dazu über, bewusster einzukaufen, lange Transportwege vermeiden zu wollen und auf diese Weise einen Beitrag dazu zu leisten, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Und natürlich schmeckt es ohne schädliche Chemikalien, Antibiotika, Hormone und Pestizide besser.
Kontaktdaten
Bezugsquellen Fisch, Garnelen, Schnecken:
www.michis-frische-fische.at www.whitepanther.com www.alpengarnelen.at www.gugumuck.com
Bezugsquellen Kaviar:
www.alpenkaviar.at
Bezugsquellen Reis:
www.steirischerreis.at www.janatuerlich.at/produkt/seewinkler-bio-reis
Bezugsquellen Exotisches:
www.zitrusgarten.at www.feigenhof.at Weststeirische Safranmanufaktur | Facebook
Bezugsquellen Getränke:
www.peter-affenzeller.at WINZAGIN — Weingut Hagn (hagn-weingut.at)