How long is now?

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How long is now? Michael Aschauer Boris Becker Stéphane Couturier Stefanie Hilgarth Anna Jermolaewa Martin Klimas Brigitte Kowanz Edgar Leciejewski Michael Michlmayr Jeff Nixon Stephan Reusse Liddy Scheffknecht Werner Schrödl Jutta Strohmaier Hiroshi Sugimoto Martin Walde Flora Watzal Michael Wesely


Vorwort

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Von Andra Spallart wurde ich eingeladen, eine Ausstellung im Foto-Raum in Wien zu kuratieren. Ihr gilt mein besonderer Dank für dieses Vertrauen, zumal es sich um die letzte Ausstellung in diesem für die Präsentation von Kunst und speziell von Fotografie so hervorragend geeigneten Raum handelt. Am Ende einer regen dreijährigen Ausstellungstätigkeit im Foto-Raum steht nun mit How long is now? eines der wichtigsten Themen der Fotografie, die Zeit, im Fokus. Hierzu habe ich Foto- und Videoarbeiten aus dem zeitgenössischen Fundus der umfangreichen „Sammlung Spallart“ sowie von externen Künstlerinnen und Künstlern ausgewählt. Der Titel How long is now? inkludiert die Schwierigkeit, das Phänomen Zeit bzw. Dauer zu begreifen und darzustellen, obwohl es sich um eine grund­ legende Kategorie unserer Wahrnehmung und Realitätseinschätzung handelt: Zeit ist sozusagen immer „vorhanden“ und von ganz spezieller Bedeutung in einer von extrem beschleunigter Fortbewegung und Kommunikation bzw. von einer Zeit-ist-Geld-Kultur geprägten Gesellschaft. „Was also ist die Zeit?“, fragte schon Augustinus. „Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es, wenn ich es aber jemandem auf seine Frage erklären möchte, so weiß ich es nicht.“ Pragmatischer sah es Albert Einstein: „Zeit ist, was man an der Uhr abliest.“ 18 Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit der Frage nach der Zeit, ihrer Bedeutung und Bestimmung, ihrem Wesen sowie ihren Darstellungsmöglichkeiten und Wahrnehmungsfaktoren. Die Ausgangsbasis der künstlerischen Auseinandersetzungen bilden zwei Gegenpole. Zum einen sind das die von Menschen konstruierten – gleichzeitig Ordnung und Orientierung schaffenden wie auch repressiven – Zeitsysteme und deren Apparaturen. Dem gegenüber steht das offene Phänomen „Zeitgefühl“, die von jedem Individuum auf unterschiedliche Weise mental erlebte Zeit. Die Künstlerinnen und Künstler visualisieren Zeitabläufe, eine besondere Herausforderung vor allem in der Fotografie, deren Wesen der eingefrorene Moment ist. Sie gehen aber auch über diese Problemstellung hinaus: Durch Inszenierung und/oder manuelle und digitale Bearbeitung werden Bilder, die meist auf realen Situationen und Orten bzw. dokumentarischen Materialien


basieren, so manipuliert, dass neue Zeit-Raum-Konstellationen zwischen Realität und Fiktion entstehen. Zeit wird als inhomogene Größe entlarvt bzw. in ihrer Relativität bestätigt. Einige der Künstlerinnen und Künstler eröffnen durch den Einsatz spezieller Verfahren und Fotoapparate wie beispielsweise Line-Scan-, Hochgeschwindigkeits- oder Wärmebildkameras der Auseinandersetzung mit Zeit neue Wege, in Bezug auf die Darstellung von durch das menschliche Auge nicht wahrnehmbarer Zeit. Meditative, „zeitlose“, in die Abstraktion führende Arbeiten machen Zeit fühlbar und eröffnen Gedanken an Ursprung und Endlichkeit der Existenz. Sie machen darauf aufmerksam, dass wir, in unserem heutigen Zeitbewusstsein gefangen, oft vergessen, dass Zeit nicht nur eine vom Menschen definierte Größe, sondern vor allem eine „Dimension des natürlichen Universums“ (Norbert Elias) ist. Und es sind auch der Humor und die Poesie, mit denen das Thema Zeit auf erfrischend unkonventionelle Weise verhandelt wird. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Künstlerinnen und Künstlern sowie bei Andra Spallart, Marie-Therese Hochwartner, Monika Ottwald und Christoph Fuchs für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung. Petra Noll

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Michael Aschauer Geboren 1977 in Steyr, lebt und arbeitet in Wien http://m.ash.to

In den Meereslandschaften des Projekts 7 C-Days von Michael Aschauer geht es nicht um Landschaft als Motiv, sondern um den Versuch einer Visualisierung von Zeitabläufen im fotografischen Bild. Aschauers Arbeit basiert auf systematischen, konzeptuellen Versuchsanordnungen mit dem Medium der digitalen Fotografie. Verwendet hat er eine speziell konstruierte Line-ScanKamera, die er auf dem Berg „Oros Harasson“ (Berg, der die Richtung des Lichts einschreibt) auf der griechischen Insel Syros fix montiert und exakt nach der Linie zu dem Punkt, an dem die Sonne zur Wintersonnwende im Meer versinkt, ausgerichtet hat. 7 C-Days ist eine Langzeitaufnahme über sieben Tage (15. bis 21. November 2007, jeweils von 6 bis 18 Uhr, also von Sonnenaufbis Sonnenuntergang) eines einzigen Punktes am Horizont, ein scheinbar endloses Panorama einer Meereslandschaft. Das historische, unter anderem für Panoramafotos eingesetzte analoge Slitscan-Verfahren (der Film wird an einem Schlitz, engl. slit, vorbeigezogen und durch diesen hindurch belichtet) wurde von Aschauer digital eingesetzt. Aus jedem Einzelbild – ursprünglich Bilder einer Video­kamera, also 25 Bilder pro Sekunde – wurde jeweils nur eine Pixelspalte aufgezeichnet und automatisch zu einem Bild montiert. Realisiert wurde diese Arbeit als Künstlerbuch sowie in Form von ausschnitthaften Einzelbildern. Im Künstlerbuch sind auf jeder der 72 Seiten jeweils zehn Minuten der einzelnen Tage, zur gleichen Tageszeit, zu einem Bild montiert. Das Buch repräsentiert die gesamten sieben Tage, die Entwicklung von Dunkelheit über zahlreiche Tagesfarben wieder zurück zur Dunkelheit. Bei den Bildern in Ausstellung und Katalog handelt es sich um zehnminütige Ausschnitte, die jeweils einer Buchseite entsprechen. Was wir vor uns haben, ist eine konstruierte, illusionistische Landschaft, die die Diskussion um die Relativität von Zeit entfacht.

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7 C-Days #37 –  #39, 2008 3 C-Prints (Diasec), je 37 * 50 cm



Boris Becker Geboren 1961 in Köln (DE), lebt und arbeitet ebendort www.boris-becker.com

Obwohl es sich um eine präzise fotografierte reale Landschaft handelt, vermittelt uns das großformatige Bild Ohne Titel 1434 ein Gefühl von Ort- und Zeitlosigkeit. Alle Orientierungsmerkmale sind getilgt: Weder eine Horizontlinie noch Personen, Dinge oder der Titel, der nur eine Seriennummer ist, geben einen Bezugsrahmen. Das Wo-Wann-Was ist hier nicht relevant. Ohne weißen Rand – grenzenlos – wird das Bild freigestellt auf der Fläche präsentiert, ein detailgetreuer, tiefenscharfer Ausschnitt aus der Realität, der dennoch weit entfernt davon ist, diese abzubilden. Durch diese Abstraktion ist das Bild autonom geworden und somit offen für Fragestellungen zur Repräsentationsfähigkeit bzw. Bildinformation von fotografischen Bildern.

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Ohne Titel 1434, 1997 C-Print (Diasec), 200 * 160 cm



Stéphane Couturier Geboren 1957 in Neuilly-sur-Seine (FR), lebt und arbeitet in Paris (FR) www.stephanecouturier.fr

Stéphane Couturiers großformatige fotografische Tableaus sowie seine filmischen Arbeiten, angesiedelt zwischen Dokumentation und Fiktion, sind Analysen des sich ständig im Wandel befindlichen urbanen Raumes. In den Fotografien und Videos des Werkkomplexes Melting Point werden jeweils zwei Ebenen miteinander vermischt. In dem dazugehörigen Video Brasilia, boucles, échangeur befinden wir uns an einem Verkehrsknotenpunkt einer Schnellstraße der Stadt Brasilia. Couturier hat für diese Arbeit zwei dokumentarische Videos übereinandergelagert und damit neue Konstellationen von Raum und Zeit geschaffen. Durch den Loop wird Zeit ins Unendliche gedehnt. Wir bleiben im Ungewissen bezüglich der Länge der Fahrt bzw. des Videos: Es könnte endlos so weitergehen … Damit werden im Video eher Stimmungen – von meditativ bis beängstigend – als eine Geschichte mit Anfang und Ende vermittelt. Durch die Verwendung von dokumentarischem Material wird trotz der Montage ein realistischer Bezug zur Situation an diesem speziellen Ort geschaffen: „Ähnlich wie in einem Videospiel wird der Betrachter auf den Parcours einer Endlosschleife gebracht, von dem aus es unmöglich erscheint zu entfliehen – trotz Spiegelungen von Öffnungen durch Bilder eines zweiten überlagerten Video-Bands. […] Der Knotenpunkt, diese architektonische Gegebenheit, die ein höchstmögliches Verkehrsaufkommen bewältigen soll, wird auf diese Weise zu einem Raum labyrinthischer und absurder Einfriedungen, dessen bedrückender Charakter durch sich ständig wiederholende und obsessive Musik verstärkt wird […].“ (Jean-Christian Fleury)

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Brasilia, boucles, échangeur, 2007–2008 HD-Video, 4:40 min., Loop



Stefanie Hilgarth Geboren 1982 in Graz, lebt und arbeitet in Wien www.stefaniehilgarth.net

Bei dieser konzeptuellen Arbeit, die im Jahr 2009 während verschiedener Zugfahrten auf drei Pendler­strecken in der Steiermark entstanden ist und die insgesamt 243 bearbeitete Fotografien umfasst, die in Serien – jeweils eine Fahrt repräsentierend – angeordnet sind, handelt es sich um eine Raum-ZeitStudie. Bei jedem Halt des Zuges an einem Bahnhof hat Stefanie Hilgarth zu verschiedenen Zeiten – die zunächst unverständliche Zahlenreihe der Titel verweist jeweils auf Tag, Monat, Jahr und Uhrzeit eines Stopps – von einer nahezu immer gleichen Ausgangsposition mit einer Handykamera ein Foto des Außenraums aus dem Zugfenster hinaus aufgenommen. Bedingt durch die unterschiedliche Helligkeit des Tageslichts – sie hat sich den durch die Stopps der Züge vorbestimmten Zeiten bewusst untergeordnet – entstanden mehr oder weniger starke Reflexionen, die den Innenraum des Zuges mit dem Außenraum überlagerten. Diese Überlagerungen hat Hilgarth mit der Korrekturflüssigkeit Tipp-Ex auf den Fotos weggestrichen. Durch ihre manuell durchgeführten ‚Korrekturen‘ „scheint eine Multiplizierung der Zwischen­ räume, die erst durch die serielle Anordnung der Fotos als dynamische Bewegung wahrgenommen werden kann, zu entstehen. Es wird sozusagen nur der Raum gezeigt, der abseits des Geschehens im Zugabteil liegt. Alles andere verschwindet hinter einer matten weißen Oberfläche, die sich zwangsweise als grafisches Element in den Vordergrund drängt.“ (Stefanie Hilgarth)

Serie 01 (Bild 1), 2009 C-Print mit Tipp-Ex bearbeitet, 14 * 9 cm

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nächste Doppelseite: Serie 01: 08 10 09 0749, 08 10 09 0756, 08 10 09 0802, 08 10 09 0807 … Serie 02: 08 10 09 1202, 08 10 09 11215, 08 10 09 1225 … Serie 03: 09 10 09 0650, 09 10 09 0715, 09 10 09 0732 … Serie 04: 05 10 09 1645, 05 10 091 709, 05 10 09 1723, 05 10 09 1745 … 243 C-Prints mit Tipp-Ex bearbeitet, 2009, je 14 * 9 cm





Anna Jermolaewa Geboren 1970 in St. Petersburg (RU), lebt und arbeitet in Wien www.jermolaewa.com

Mit subtilem Humor reflektiert Anna Jermolaewa in dem Triptychon Good Times, Bad Times unsere Zeiteinteilung und -messung, einen Grundwert der menschlichen Existenz. Die Fotoarbeit versteht sich – innerhalb von Jermolaewas Interesse an der Untersuchung gesellschaftlicher Strukturen – als Metapher für die Relativität von Werten und Systemen respektive für die Willkürlichkeit und Künstlichkeit unseres Zeitsystems, das neben praktischen Vorteilen auch repressive Auswirkungen haben kann. Für ihre Arbeiten sucht sie nie das Spektakuläre, vielmehr ist sie in der Welt des Alltäglichen, der kleinen Dinge und Situationen zu Hause. Der Mensch als Akteur und Individuum tritt visuell in ihren Arbeiten zurück, Jermolaewas Protagonisten sind Puppen, Spielzeugfiguren und Tiere, wie hier die Tauben, für die es auf den waagerecht stehenden Zeigern einer Uhr deutlich gemütlicher ist als auf den senkrechten – drei in der Realität entdeckte und voller Symbolik steckende Bilder!

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Good Times, Bad Times (Triptychon), 2007 digitale C-Prints auf Aluminium, je 20 * 27 cm



Martin Klimas Geboren 1971 in Singen (DE), lebt in Düsseldorf (DE) www.martin-klimas.de

Martin Klimas untersucht das Verhältnis von Zeit, Schönheit und Zerstörung. Er fotografiert Dinge auf dem Weg ihrer Transformation von der Ganzheit zum Zerfall und erreicht somit die Gleichzeitigkeit zweier konträrer Zustände in einem fotografischen Bild. Um dieses kurze, temporäre Ereignis zwischen Ruhe und Bewegung, Schönheit und Chaos für das Auge sichtbar zu machen, verwendet der Grenzgänger zwischen Kunst und Wissenschaft eine Hochgeschwindigkeitskamera. „7000stel Sekunden sind das Kürzeste, was man aufnehmen kann. In diesem Rahmen bewege ich mich, in dieser kurzen Scheibe der Zeit finde ich meine Bilder.“ 1 So beschießt er beispielsweise – in präzise konstruierten Sets – Porzellan-Blumenvasen an der Basis mit Stahlkugeln und hält sie im Moment vor ihrem gänzlichen Zerfall fest. Im Moment der Ablichtung ist das jeweilige Objekt teils unverletzt, teils bereits zersprungen, also immer noch erkennbar. Eine weitere Variante ist, dass er – wie bei den Kung-Fu-Kämpfern – Porzellanfiguren aus drei Metern Höhe in die Tiefe wirft. Das Geräusch des Aufpralls setzt den Auslösemechanismus der Hochgeschwindigkeitskamera in Gang. „Schön war natürlich, dass diese Kung-Fu-Figuren interagiert haben, dass sie in dem Moment zum Leben erwacht sind und dann auch noch gegeneinander gekämpft haben. Das war natürlich ein wunderbarer Moment der Vitalität, …“ 2 1 und 2  Martin Klimas in youtube 13.7.2012

Ohne Titel, 2006 Inkjet-Print, 64 * 46 cm

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nächste Doppelseite: Ohne Titel, 2006 Inkjet-Print, 147 * 203 cm





Brigitte Kowanz Geboren 1957 in Wien, lebt und arbeitet ebendort www.kowanz.com

Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will, alles verschwindet. (Paul Cézanne, 1906)

Innerhalb ihrer Auseinandersetzung mit Qualität, Erscheinung und Darstellung von Licht ist auch Zeit ein zentrales Thema im Werk von Brigitte Kowanz. Für die Visualisierung von Zeit durch (künstliches) Licht hat sie unterschiedliche formale Lösungen gefunden. Die hier präsentierten Arbeiten entlarven das menschliche Zeitmesssystem als willkürliche Größe: die Fotoserie Kalender­, basierend auf Objekten aus übereinandergelagerten Neonziffern, bei denen abwechselnd alle Ziffern beleuchtet werden oder nur ein Tag, sowie das Uhrenobjekt Rund um die Uhr – ein Kubus aus Zweiwegspiegeln, in dem die 12 Buchstaben des Titels (entsprechend der Anzahl der Stunden auf der Uhr) wie beim Ziffernblatt im Kreis angeordnet sind und sich scheinbar unendlich im Kubus spiegeln. Mit der Serie Lichtgeschwindigkeit stellt sich Kowanz der Herausforderung, vom Menschen nicht wahrnehmbare Zeit darzustellen. Dabei legt sie physikalische Messgrößen zugrunde: „Weil Licht u. a. selbst ein Geschwindigkeitssystem ist und seine eigene Geschwindigkeit eine maßstäbliche Konstante für naturwissenschaftliche Berechnungen darstellt, bilden Licht und Zeit prinzipiell ein komplexes Beziehungsgeflecht wechselweiser Bestimmungen.“ (Brigitte Kowanz) Die Arbeit Lichtgeschwindigkeit sek/4m besteht aus einer vier Meter langen, zunächst paradox wirkenden Abfolge von 16 Neonziffern. Durch das Komma nach der ersten 0 offenbart sich aber, dass die Reihe eine Zahl darstellt; durch den Titel wird zudem klar, dass es sich um die Zeit, gemessen in Sekunden, handelt, die das (künstliche) Licht benötigt, um eine Strecke von vier Metern (es gibt mehrere Versionen unterschiedlicher Länge) zurückzulegen. Obwohl eine fest definierte Größe, lässt Lichtgeschwindigkeit sich nicht, so vermittelt es uns diese Arbeit nicht ohne Augenzwinkern, nachempfindbar darstellen.

Rund um die Uhr, 1996/2010 Neon, Spiegel, 60 * 60 * 60 cm

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nächste Doppelseite: Lichtgeschwindigkeit sek/4m, 1989/2007 Neon, Chromstahl, 25 * 400 * 16 cm





Edgar Leciejewski Geboren 1977 in Berlin (DE), lebt in Leipzig (DE) www.edgarl.de

„[…] Leciejewskis künstlerische Arbeit untersucht die verschiedenen sozialen und wissenschaftlichen Gebrauchsweisen der Fotografie. Sie ist ein experimentell-analytischer Versuch, dem Medium der Fotografie die zeitgenössisch relevanten Fragestellungen zu entlocken. Neben inhaltlichen Themen und der Reflexion der eigenen Arbeitsweisen sowie Arbeitsmittel interessiert es ihn, die Dimension von Zeit in die fotografische Arbeit einfließen zu lassen. Seine Arbeiten sind Speicher oder Vorratskammern von Zeit, die es ermöglichen, den Akt des Sehens und Erfahrens zu verlangsamen […]“. 1 Die hier gezeigte Arbeit hat sich Leciejewski von Eadweard Muybridge’s Bewegungsstudie Plate Number­365. Head-spring, a flying pigeon interfering (1887), einem radschlagenden Mann, in dessen Aktionsfeld eine Taube fliegt, angeeignet. Die Aneignung besteht in der Verwendung eines Scans der originalen Arbeit, in die bewusst nur minimal eingegriffen wurde: Während sich auf der Platte von Muybridge die Seitenansichten des Körpers zusammen oben und die Front­ ansichten unten befinden, hat Leciejewski die jeweils zueinander gehörenden Paare – die beiden Bilder sind jeweils im gleichen Moment entstanden, worauf eine kleine Nummer auf den Blättern verweist – leicht vergrößert auf ein Blatt gebracht. Hiermit wird der filmische Ablauf stärker hervorgehoben. Seine Arbeit hat er nach der originalen Plattennummerierung Plate 365 benannt. Die Bedeutung von Zeit im Jahreskreislauf wird hier eindrücklich thematisiert. 365 ist nicht nur die Nummer der Platte, sondern auch die Anzahl der Tage eines Jahres. Zwölf Monate hat das Jahr und es gibt zwölf Bilder unterschiedlicher Etappen des Radschlagens. Zudem ist das Radschlagen als poetische Metapher für den ewig wiederkehrenden Jahreskreislauf zu verstehen. 1  Robert Renger-Patzsch, „Im Reich der Kamera“, in: Voluptuous, 2011

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Plate 365. Motion study photograph Movements, Male, Head-spring, a flying pigeon interfering. Eadweard Muybridge. 1887, (Blatt 1 und 12), 2007 12 Blätter, Inkjet-Prints, je 40 * 50 cm



Michael Michlmayr Geboren 1965 in Wien, lebt und arbeitet ebendort www.michaelmichlmayr.at

Die Auseinandersetzung mit Realitätsstrukturen sowie mit dem Wahrheitsgehalt fotografischer Bilder führen Michael Michlmayr zu Arbeiten, die die Basiskategorien von Wahrnehmung – Zeit und Raum – neu zur Disposition stellen. Er fotografiert beispielsweise Menschen auf einem belebten Platz oder auf einer Rolltreppe zeitversetzt mit einer fix montierten Kamera und fügt die Einzelbilder dann am Computer nahtlos zu einem Tableau zusammen. Durch die Parallelschaltung verschiedener Raum- und Zeitebenen in einem Bild wird zunächst Gleichzeitigkeit von Ereignissen und Handlungen suggeriert. Nimmt man sich etwas Zeit zum Betrachten und entdeckt beispielsweise, dass manche Personen wiederholt in unterschiedlichen Posen und Gesten auftauchen, stellen sich diese Fotografien scheinbar realer urbaner Szenarien als Konstrukte heraus. Alles ist Fiktion; es werden Geschichten erzählt, die so nie stattgefunden haben (in Passage #2 wird sogar vermeintlich die Geschichte von Passage #1 weitererzählt). So frei, wie er den Raum behandelt, spielt er auch mit der Zeit: Michael Michlmayr negiert die naturwissenschaftlich-rationale Definition von Zeit als linear ablaufender Faktor und versteht sie vielmehr als inhomogene Größe.

Escalator I, 2011 C-Print, 80 * 80 cm

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nächste Doppelseite: Passage #1 und Passage #2, 2012 C-Prints, je 47 * 180 cm





Jeff Nixon Geboren 1952 in Oakland (USA), lebt und arbeitet in Yosemite und Pacific Grove (USA)

Die Arbeit Moon and Half Dome, Yosemite Valley von Jeff Nixon basiert auf einem der berühmtesten Bilder von Ansel Adams gleichen Titels. Die Landschaftsaufnahme wurde im Yosemite Valley im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien 1960 mit einer Hasselblad aufgenommen und zeigt den Berg Half Dome an einem wolkenlosen, sonnigen Winternachmittag mit dem zunehmenden Mond an einer ganz spezifischen Stelle. Später fand man durch wissenschaftliche Analysen heraus, dass das von Adams nur unpräzise datierte Foto am 28.12.1960 um 4:14 Uhr entstanden ist. 38 Jahre später hat Jeff Nixon das Bild nachfotografiert. Er war von der Ansel Adams Gallery darauf aufmerksam gemacht worden, dass die von Adams fotografierte Situation mit dieser Mondstellung nur alle 19 Jahre vorkommt. Während es Adams um die ideale Komposition ging und er deshalb den Punkt suchte, wo die Szene am klarsten, d. h. am wenigsten durch Bäume gestört war und der Mond an einer für sein künstlerisches Verständnis ausgewogenen Stelle stand, war Nixon primär am wissenschaftlichen Experiment interessiert. Er wollte den Erweis erbringen, dass sich auf der Basis von gleichen Verläufen von Zeit Zustände wiederholen. Eine Bestätigung – möglich geworden durch analoge Fotografie – der einzig fixen Zeiteinteilung, dem Kreislauf der Natur.

Ansel Adams (1902–1984, USA) Moon and Half Dome, Yosemite Valley, 1960 Silbergelatineabzug, 23,8 * 19 cm

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gegenüberliegende Seite: Jeff Nixon Moon and Half Dome, Yosemite Valley, 1998 Silbergelatineabzug, 49,5 * 39 cm



Stephan Reusse Geboren 1954 in Pinneburg (DE), lebt und arbeitet in Köln (DE) www.stephanreusse.com

Man sieht der Zeit bei der Arbeit zu. (Karl Honnef, 2003)

In seinen thermografischen Arbeiten, in denen er konzeptuell, aber auch experimentell vorgeht, setzt sich Stephan Reusse gleichermaßen mit Wahrnehmung, Realität, (Un-)Sichtbarkeit und Zeit wie auch mit fotografischen – Medium und Apparat – und malerischen Problemen auseinander. Mit thermografischen Aufnahmegeräten visualisiert er für das menschliche Auge unsichtbare Wärmeabstrahlungen von Körpern von Menschen, Tieren und Dingen in einem Farbspektrum von Weiß bis Blau (Blau = kalt, Weiß = warm). In Cold Boxes erscheinen die Abstrahlungen der kalten Kisten demnach in Blau; sie treten aufgrund des großen Temperaturunterschiedes zwischen Kisten und Raum besonders deutlich zu Tage. Reusse hat auch die Wärmeabstrahlungen von menschlichen Körpern, die vor ungefähr drei bis vier Minuten ihren Platz – zum Beispiel auf einem Stuhl – verlassen hatten, aufgenommen. Je schneller nach dem Verschwinden die Aufnahme geschieht – denn Wärme vergeht – desto deutlicher erscheint die Wärmespur, die „Aura“. Dennoch bleiben es immer schemenhafte, visionäre Bilder, Thermovisionen, wie Stephan Reusse sagt. Indem diese „Schatten“ im Bild erscheinen, wird das Flüchtige „festgehalten“. Dieser visualisierte Zwischenzustand macht Zeit auf ungewöhnliche Weise sichtbar. „Die Radikalität des Kunstdiskurses bei Reusse liegt […] in der nachdrücklichen Konsequenz, mit der er Temporalität als Eigentlichkeit des fotothermografischen Bildes begreift. […] So wie die Fotografie ist auch die Thermografie ruinös: Sie macht das Gezeigte als Ruine der Zeit sichtbar.“ 1 1 Carl Aigner, „Im Bilde des Lichts – Kommunikative Eigenschaften und Sichtbarkeit im Werk von Stephan Reusse“, in: Stephan Reusse. Works 2003–1982, Wien 2003, S. 24.

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Cold Boxes, 3 Minuten nach dem Verlassen, 1994 aus der Serie: Leaving Shadows 4 C-Prints (Diasec), je 100 * 100 cm



Liddy Scheffknecht Geboren 1980 in Dornbirn, lebt und arbeitet in Wien www.liddyscheffknecht.net

Zeit ist immer im Wandel; dieser wird erfahrbar in Bewegungen und als Aufeinanderfolge von Veränderungen. In der Fotografie lässt sich Zeit ausschließlich im Stillstand, als Momentaufnahme abbilden. In 7 minutes 13 seconds stellt sich Liddy Scheffknecht der Herausforderung, Zeit als Prozess im fotografischen Bild darzustellen, und rückt dazu auf spezielle Weise die Fotografie ins Filmische. Als Basis dient ihr eine von einem anonymen Fotografen angeeignete Fotografie, die das Motiv eines Fotografen mit seiner Kamera zeigt. Diese hat sie vergrößert und in einen neuen medialen Zusammenhang gebracht, indem sie sie mit einer für diese Fotografie gemachten Animation von Schatten, die auf das Bild vom Fotografen projiziert werden und – sich im Umriss verändernd – langsam über dieses ziehen, überlagert. Diese Schattenbewegung suggeriert die Wahrnehmung von verstreichender Zeit. Tatsächlich handelt es sich aber um einen autonomen Schatten, der in keiner logischen Beziehung zum abgebildeten Fotografen steht. Mit dieser Simulation werden nicht nur neue Möglichkeiten der Darstellung von zeitlichen Abläufen im fotografischen Bild ausgelotet, sondern auch Probleme der Wahrnehmung angesprochen. Diese Zugangsweise gilt auch für die auf einer Installation basierenden Fotoserie Oculus. Hierfür wurde aus einem mit weißem Papier bedeckten Fenster eine Ellipse herausgeschnitten und im Innenraum davor eine Lampe platziert. Durch das eintretende Sonnenlicht wurde die Ellipse zu verschiedenen Tageszeiten an unterschiedlichen Stellen und in variierenden Formen auf den Boden gestrahlt. Nur zu einer bestimmten Uhrzeit am Tag wurde der Status erreicht, dass ein runder Lichtkreis sich direkt unter der Lampe formierte und damit die Illusion erzeugte, dass die Lampe nun eingeschaltet worden wäre.

7 minutes 13 seconds, 2011 Videoprojektion (7  min. 13 sek.) auf Inkjet-Print, 133 * 100 cm Ausstellungsansicht, Georg Kargl Box, Wien 2011 (courtesy Georg Kargl Fine Arts)

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nächste Doppelseite: Oculus, 2011 6 C-Prints, je 50 * 70 cm





Werner Schrödl Geboren 1971 in Vöcklabruck, lebt und arbeitet in Wien www.wernerschroedl.at

Die Auseinandersetzung mit Flüchtigkeit und Dauer findet sich in vielen Arbeiten von Werner Schrödl, so auch in seiner frühen Serie Whyte Avenue. Diese besteht aus sieben Schnappschüssen aus dem Fenster seines temporären Ateliers in Brooklyn auf die hell beleuchtete nächtliche Whyte Avenue, wo sich zum Teil wilde Szenen zwischen Zuhältern und Prostituierten abgespielt haben. Mit der Wirklichkeit ein experimentelles Spiel treibend, konnte es für Schrödl nicht bei diesen Fotos bleiben. So hat er später auf den Originalaufnahmen, auf denen nur flüchtige Erscheinungen, verschwommene Menschen in Bewegung zu sehen sind, Miniaturfiguren in erstarrter Aktion platziert und fotografiert und damit mindestens eine zweite Zeitebene hinzugefügt. In diesen Mini-Modellwelten werden aus den ursprünglich einmalig festgehaltenen Zeitmomenten „dauerhafte“ Situationen, wie sie sich über lange Zeit immer wieder ähnlich abspielen (könnten). Durch fiktionale und inszenatorische Elemente wird aber gleichzeitig auch konstatiert, dass in einer unstabilen Welt nichts verbindlich, nichts gewiss, nichts von Dauer ist.

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aus der 7-teiligen Serie Whyte Avenue, 1998 C-Prints, je 39 * 49 cm



Jutta Strohmaier Geboren 1966 in Tulln, lebt und arbeitet in Wien www.jutta-strohmaier.net

Jutta Strohmaiers fotografische und filmische Arbeiten entstehen auf der Basis von oft langfristig erstellten dokumentarischen Materialien räumlicher Situationen, die am Computer bearbeitet werden. Das Resultat sind nicht nur poetisch-kontemplative, sondern auch wissenschaftlich-analytische Zeitbilder oder auch subtile, humorvolle Arbeiten wie die Fotografie 45 steps, 5 trees, 1 pole and almost stepping into dogs droppings. Strohmaiers Anliegen ist es, das Verstreichen von Zeit im fotografischen Bild sowie im Film darzustellen bzw. fühlbar zu machen, wobei sie beide Medien, wie im Video Geteilte Zeit, auch ineinandergreifen lässt. In dem Video At Times werden auf einem Dach Schwalben beim Füttern ihrer Jungen beobachtet, wobei nur die Schatten der Vögel sichtbar sind. Diese kontemplativen Bilder, der meditative Ton sowie der verlangsamte Ablauf machen Zeit fühlbar: Sie scheint gleichzeitig zu verstreichen und stillzustehen. Diesen Eindruck vermittelt auch – auf andere Weise – das Video Geteilte Zeit. Hier hat Strohmaier eine extreme Langzeitbelichtung simuliert. Mit einer im Hotel Kummer am Bundesländerplatz in Wien fix montierten, computergesteuerten Kamera wurde die davorliegende Kreuzung in Bildintervallen zwei Tage lang fotografiert. Die entstandenen 23.460 Fotografien hat Strohmaier mit einer eigens entwickelten Software aneinandergefügt, bearbeitet und mit Straßengeräuschen unterlegt. Der Film zeigt zwei Ebenen von Zeitlichkeit: die langsam wandernden Schatten der statischen Architektur sowie die schnellen Bewegungen der Autos und Fußgänger, die sich aufgrund von Berechnungen am Computer auch nur mehr als Schatten zeigen. Durch die digitale Bearbeitung fließen die fotografischen Bilder zu einem dauerhaften Prozess zusammen und machen Bilder aus unterschiedlichen Zeitabschnitten zur gleichen Zeit sichtbar.

Geteilte Zeit [Wien, Bundesländerplatz], 2011 Video, 8 min., Loop, Ton

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nächste Doppelseite: 45 steps, 5 trees, 1 pole and almost stepping into dogs droppings, 2008 C-Print (Diasec), 50 * 257 cm





Hiroshi Sugimoto Geboren 1948 in Tokio (JP), lebt und arbeitet in New York (USA) www.sugimotohiroshi.com

Bei Sea of Japan handelt es sich um eine frühe Arbeit aus Sugimotos größter, konzeptuell angelegter Werkgruppe Seascapes. Seit über 30 Jahren fotografiert er Meereslandschaften an verschiedenen Orten in der Welt, ohne diese näher zu beschreiben, in immer gleicher Weise und Stimmung. Er reflektiert damit fundamentale Probleme von Raum und Zeit und damit Existenz. In diesen Arbeiten geht es darum, „in die Vergangenheit zurückzugehen und sich zu erinnern, woher wir kommen und wie wir entstanden sind“ (Sugimoto, 2002). In ihrer ruhigen Komposition mit dem gleichen Verhältnis von Wasser und Himmel, ihrer Reduktion auf das abstrahierende Schwarz-Weiß und das kleine Format, ihrer Ereignislosigkeit und fühlbaren Stille repräsentieren sie einen überzeitlichen Bewusstseinszustand. Die Zeit scheint stillzustehen in diesen „Denkbildern“, die einerseits – wie für Sugimoto selbst – ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit vermitteln, eine Verortung in Zeit und Raum, ein Einssein mit der Natur. Andererseits ist hier die Relativität von Zeit spürbar, das Unfassbare, Unbegreifbare, das ein Gefühl von Verlust und Desorientierung und damit Verunsicherung hervorrufen kann.

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Sea of Japan, Oki IV, 1987 Silbergelatineabzug, 44,7  * 58 cm



Martin Walde Geboren 1957 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien und New York (USA) www.martinwalde.at

Ein wichtiges Thema in Waldes Werk ist die Auseinandersetzung mit Veränderung bzw. Transformation von Materie und Zuständen – wie von Bewegung zu Stillstand, von Erscheinen zu Verschwinden. Die Arbeit Yellow stammt aus der Serie Enactments, Fotomontagen mit eingezeichneten Figuren. In fotografische Darstellungen alltäglicher Begebenheiten bzw. realer Situationen werden spielerisch mysteriöse Parallelwelten integriert. Die leicht verschobene Ansicht eines realen urbanen Raums wird in der Arbeit Yellow verrätselt durch die eingezeichnete übergroße Figur eines vermummten Kapuzenmannes mit Reisigbündel an einem Zebrastreifen. Seltsam verloren, anwesend und abwesend zugleich, steht er in einem Spannungsfeld zwischen Tatenlosigkeit und eventuell möglichem Agieren. „Es ist einer dieser aus dem Nichts banaler Alltäglichkeit auftauchender nobodies, deren Geschichten üblicherweise verloren gehen oder aber […] künstlerische Prozesse unabhängiger Transformationen in Gang setzen können.“ 1 Ob und was geschieht, bleibt offen für Spekulationen. Die Zeit steht still. Ein irritierender Stillstand, der existenzielle Fragen aufwirft. Durch das Eintauchen des Umfelds des Mannes in ein übernatürliches Gelb – ein Stilmittel von Walde, der die Figuren damit der physischen Wirklichkeit entzieht – sowie die verschobenen Größenverhältnisse von Raum und Figur, ergibt sich eine fantastisch-poetische Konstellation, die unsere festgefügte Wahrnehmung von Ordnung, Realität, Zeit und Raum erheblich irritiert. 1 Anneliese Pohlen, Martin Walde, Die lange Geschichte der Enactments – oder von der Spuren­ suche im verpixelten Wahrnehmungsraum, in: http://www.martinwalde.at/sites/authors/ pohlen01.html

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Yellow, 2006 C-Print, Papiercollage auf Karton, mit Tusche überzeichnet, 60 * 81,5 cm



Flora Watzal Geboren 1975 in Wien, lebt und arbeitet ebendort www.florawatzal.at

Das Verhältnis von Zeit, Medien und Wahrnehmung bzw. der Einfluss digitaler Medien auf unser Denken bestimmt die Videoarbeiten von Flora Watzal. Dazu analysiert sie die Grundstrukturen des Mediums Video. Sie geht dabei häufig an die Grenzen der Sicht- und Lesbarkeit, stört mit massiven Verschiebungen, Zerlegungen, Fragmentierungen und losgelösten Zusammenhängen die Ordnung von Raum und Zeit und schafft Konstruktionen, die die Wahrnehmung herausfordern. Das Video Strobogramm zeigt zunächst ein schwarzes Bild, das sich plötzlich in rechteckigen Segmenten von links oben in Leserichtung nach rechts unten zeilenförmig erhellt und fast die ganze Bildinformation freigibt, um sich dann wieder in Abschnitten zu verdunkeln: Wir sehen die Künstlerin, wie sie den Lichtschalter für eine Deckenlampe in ihrer Werkstatt an- und ausknipst und damit die Erhellung/Verdunkelung bzw. Sichtbarkeit/ Unsichtbarkeit des Videobildes steuert. Die rechteckigen, in ein regelmäßiges Rastersystem gefügten Segmente, die über die Bildoberfläche ziehen, sind jeweils um acht Kader zeitversetzt. Der durch die partielle Erhellung/Verdunkelung in seine Einzelteile zerlegte Raum ist damit immer nur in Ausschnitten lesbar und wirkt dadurch, als läge eine Bildstörung vor, bekommt aber gerade deshalb neue narrative Aspekte. In jedem Videofilm werden die Bilder Pixel für Pixel aufgebaut; dieses schnell ablaufende, kaum wahrnehmbare System übernimmt Flora Watzal vereinfacht mit ihrer diagrammartigen Bildkonstruktion. Der stakkatoartige Ton, der durch das Klicken des Lichtschalters entsteht, pointiert das erheiternde Raum-Zeit-Experiment.

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Strobogramm, 2011 Video, 3 min., Ton



Michael Wesely Geboren 1963 in München (DE), lebt und arbeitet in Berlin (DE) www.wesely.org

Mit extremen Langzeitbelichtungen, die von Minuten über Stunden bis hin zu Jahren dauern können, stellt Michael Wesely Motive und Situationen im Verlauf ihrer Veränderung, im Fluss ihrer Bewegung in der Fotografie dar. Ergebnis ist jeweils ein fotografisches Bild, auf dem alles festgehalten ist, was sich vor der selbst konstruierten, fix montierten Kamera in der Zeitspanne der Öffnung des Verschlusses ereignet hat. Für das menschliche Auge ist die Entstehung nicht wahrnehmbar. Mit dieser Technik verdichtet Wesely das Prozesshafte von Zeit. Durch die Transferierung ins Filmische bzw. aufgrund der durch die Langzeitbelichtung entstehenden, zahlreichen sich überlappenden und damit scheinbar gleichzeitigen Bilder von Veränderungen werden die Fotografie als Medium der Momentaufnahme und die Zeit als chronologische Größe neu zur Disposition gestellt. Basis von Weselys hyperrealen Fotografien sind alltägliche Orte, Dinge und Situationen: Es entstehen Bilder von biologischen Prozessen wie dem Verwelken einer Blüte, von städtebaulichen Entwicklungen wie Neubauten oder Baustellen, von Veränderungen in der Natur oder auch von menschlichen Handlungen. In Darstellungen von Orten, in denen Zeit per se schon eine große Rolle spielt – wie auf Bahnhöfen – bzw. wo der Wandel des Jahreskreislaufs sichtbar wird (Sonnenauf- und Sonnenuntergänge) potenziert sich die Auseinandersetzung mit Zeit. Durch das Charakteristikum der Langzeitbelichtung, der Unschärfe, ausgelöst vor allem durch die Bewegung von Menschen, die bei heftigen Aktionen bis hin zur „Auflösung“ derselben führen kann, wird Zeit auch in ihrer Eigenschaft des Verschwindens sichtbar gemacht.

Reisezeit, Praha 19.09 - Warzawa 7.09, 1992 Reisezeit, Berlin 8.23 - München 18.21, 1992 Silbergelatineabzüge, je 92 * 122 cm

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nächste Doppelseite: Rio Amazonas, Brazil (16.57– 17.07 Uhr, 27.7.2003), 2003 C-Print (Diasec), 125 * 175 cm





Theresiengasse 25, 1180 Wien geöffnet Mo, Mi, Fr 10 – 13 Uhr, Do 16– 19 Uhr und nach Vereinbarung +43 (0) 676 517 5741 www.foto-raum.at

Diese Publikation erscheint im Rahmen der Ausstellung

How long is now? 9. Oktober bis 11. Dezember 2013

Kuratorin: Petra Noll Text: Petra Noll Grafik und Technik: Christoph Fuchs Lektorat: Melanie Gadringer Fotos: Künstlerinnen und Künstler, außer Seite 32, 33 (Fritz Simak), 41, 47 (Christoph Fuchs) Leitung: Andra Spallart Organisation: Christoph Fuchs, Marie-Therese Hochwartner, Monika Ottwald

nächste Doppelseite: Foto-Raum, Wien, Detailansicht (Foto: Fritz Simak)

© 2013 bei den Künstlerinnen, Künstlern und der Autorin





Michael Aschauer Boris Becker Stéphane Couturier Stefanie Hilgarth Anna Jermolaewa Martin Klimas Brigitte Kowanz Edgar Leciejewski Michael Michlmayr Jeff Nixon Stephan Reusse Liddy Scheffknecht Werner Schrödl Jutta Strohmaier Hiroshi Sugimoto Martin Walde Flora Watzal Michael Wesely


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