SOMMER 2014 AUSGABE 12 ISSN 2191-6047
Raus hier !
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Editorial
03
Liebe Kommilitoninnen, liebe Kommilitonen,
T
ja, was will uns das Mädchen auf der Frontseite dieses Heftes sagen? Scheinbar bekommen wir Blumen, ein Lächeln, eine Urkunde geschenkt; doch eigentlich sollen wir schnellstens verschwinden: Raus hier! Diese Haltung bekommen Flüchtlinge in ganz Deutschland zu spüren: Natürlich respektieren wir die Würde jedes Menschen, natürlich soll Schutzsuchenden geholfen werden – aber bitte nicht hier. Meistens werden sie einfach ignoriert. Studierende wollen daran etwas ändern (S. 12). Auch an der FU gibt es die falschen Blumen: Nachdem sie Professoren den Abschiedsstrauß überreicht hat, lässt die FU deren Fachbereiche einfach sterben, wenn die ihr nicht mehr in den Kram passen (S. 14). Diese Falschheit stört. Auch unsere falsche Cover-Idylle mit Mädchen in Röckchen, Schürzchen und mit hörigem Vierbeiner kann einem das Gefühl geben, es nicht mehr auszuhalten und verschwinden zu müssen. Raus aus dem gewohn-
ten Umfeld zieht es gerade heutzutage viele junge Menschen – sie reisen um die Welt. Aber was bringt ihnen das (S. 9)? Für Lulu ist das Reisen und Immer-wiederAufbrechen ein Teil eines gelungenen Lebens. Wir unterhielten uns mit der 61-jährigen, irischen Erasmusstudentin. Zwei unserer Redakteure wollten es ihr gleich tun – auf ihre Weise. Sie tauschten für drei Tage ihr komplettes Leben und erzählen Euch ihre kuriosen Erfahrungen (S. 6). Wie gewohnt findet Ihr auch abseits unseres Titelthemas informative und unterhaltsame Texte rund ums Studileben. Wir wagen den Blick in eine möglicherweise NC-freie Zukunft an der FU (S. 18), suchen nach Liebe in Zeiten von Skype (S. 24) und trafen eine FU-Studentin, die auf der Theaterbühne den Kitsch ins rechte Licht rückt (S. 30). Außerdem sprachen wir mit Sandro Gaycken, FU-Wissenschaftler, Technikphilosoph und ehemaliger Aktivist des Chaos Computer Clubs (S. 34).
Ehrlich gemeint, ist unsere Einladung zu einer genüsslichen Heftlektüre. Wir hoffen, dass es Euch eine Weile hier behalten kann, bevor Ihr selbst zu neuen Ufern aufbrecht.
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Matthias Bolsinger und Valerie Schönian, Chefredaktion
Foto: Fabienne Bieri
INHALT 12
FÜR LESEGENUSS SORGT DIESES MAL: TITELTHEMA: RAUS HIER 06 Studitausch: Willkommen in meinem Leben Max und Mara brechen aus: Der Mathematikstudent tauscht sein Leben mit der Nordamerikanistin. Ein Erfahrungs-Tagebuch 09
»Du hast ja gar nichts gesehen von der Welt« Heutzutage reist irgendwie jeder um die halbe Welt. Manche packt das Reisefieber dagegen nicht. Sie sind ganz zufrieden auf Balkonien
10
»Die jungen Menschen riskieren nichts« Louise Sinnott ist 61 Jahre alt und Erasmusstudentin der FU. Lange hatte sie nichts anderes als ihre Heimat gesehen. Dann zog sie um den Globus
12 Unwillkommen Flüchtlinge kämpfen in Deutschland um Bleiberecht und Anerkennung. Studierende an der FU wollen sie unterstützen 14
Und tschüss! Die Wissenschaft geht ihren Weg - auch an der FU. Manche Disziplinen sind nicht mehr in Mode. Ihre Vertreter müssen mit ihnen weichen
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4 aus 40.000 Wir haben FU-ler gefragt, was oder wen sie gerne loswerden würden
POLITIK 18
Einmal alles, bitte! An der FU stößt die TU-Idee eines Orientierungs- jahres auf Interesse
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Das Unbehagen im Mittelbau Auch nach den Hochschulverträgen liegt im Mittel- bau viel im Argen
21 Heuchelei in Vertragsform Ein Kommentar zu den ausgehandelten Hochschul- verträgen 22
Die FU macht halbe Sachen Auch an der FU kann man in Teilzeit studieren, doch davon weiß fast niemand
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»Wir sind wilder als die Engländer« Das Referendum in Schottland wirkt sich auch auf Studierende aus
CAMPUS 24
P.S. Wann skypen wir? Studierende sollen mobiler, flexibler und unabhängiger sein – auch in der Liebe
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Nachts in der Uni Unserer Autorin begegneten Teletubbies
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Kinder, Kita und Klausuren Eine Studentin erzählt aus ihrem Alltag mit Studium, Freund und zwei Töchtern
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Wo bin ich hier gelandet? Ein Besuch im Maxxim und in der UdK
29
Ewiger Ehemaliger: Eine Berliner Pflanze Der ehemalige FU-ler und Präsident des Verfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier
KULTUR 30
Kitsch ist für die Ewigkeit Lydia Dimitrow ist Autorin, Dramaturgin und FU-lerin
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Die Kunst des Scheiterns Filmwissenschaftler – nur verkappte Künstler?
32 Theoretiker im Scheinwerferlicht Ein Besuch bei der Open Stage im Café der Theaterwissenschaften 33
Geklaute Rubrik: Studenten öffnen ihre Türen Denise van Osch wohnt auf dem Gelände eines ehemaligen US-Krankenhauses
WISSENSCHAFT 34
»Wir sind naiv ins Internet gestolpert« Sandro Gaycken ist ehemaliger Aktivist des Chaos Computer Clubs
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Geschichten aus dem Schweinedarm Mit dem Schweinepeitschenwurm sollen Krank- heiten geheilt werden
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Wie die Bienen es machen Ein an der FU gebauter Roboter lernt, wie eine Honigbiene zu denken
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Der empörte Student Philologische Bibliothek – the Brain oder Brainfuck?
FÜR DIE OPTIK SORGEN: Robin Kowalewsky hat für FURIOS schon einige Hurenkinder und Schusterjungen weggeklatscht und sucht jetzt Ablösung. Bitte melden bei layout@furios-campus.de Christoph Spiegel nervt alle nachts um 2.00 Uhr beim Layouten mit dem 10 Stunden Chest Thump Remix auf Youtube. tinyurl.com/os3br4h
Königin-Luise-Str.41, 14195 Berlin Tel: (030) 841902-0 Fax: 841902-13 E-mail: info@schleichersbuch.de
UniversitätsBuchhandlung für die FU
Luise Schricker hat sie sich für dieses Heft zeichnerisch mit Dinosaurierskeletten, Darmwürmern und tropfenden Bibliotheksdecken auseinandergesetzt.
Fabienne Bieri studiert am OSI Politikwissenschaft. Weitere Beschäftigungen: Für die FURIOS mit Spiegelreflex bewaffnet verplant durch Dahlem hetzen. Friederike Oertel nimmt den Stift nicht nur gerne zum Schreiben in die Hand und hat fürs Layout ihre Farbpalette erweitert.
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Friedrich Richter ist ein derber Hänger, macht aber gute Fotos. Wir wünschen ihm viel Erfolg im Leben. #keinautorentext #keinautorenfoto #selberschuld #ronpaul2016 Julia Brakel studiert Anthropologie und Politik. Nach dem Telefonmarathon für die Anzeigen freut sie sich im Moment vor allem über SMS. Gwendolyn SchneiderRothhaar – die alte Sumpfdotterblume – mag Kohlrabi, Spinat, Chuck Berry und Bouletten. #keinautorentext #selberschuld
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06
Titel
h Studitausc
Willkommen in meinem Leben
Max Kr ause st udier t M athema tik
studien a ik r e m Norda t r ie d u t s rbach e i B a r Ma
Fotos: Fabienne Bieri; Illustration: Christoph Spiegel
06 se, FreTitel unde – und in hnung, Kur Einmal alles Eigene aufgeben – Wo Krause und Mara Bierbach wagten ein anderes Leben schlüpfen: Max Tausch-Tagebuch. zwei Tage lang den Ausbruch. Ein
Titel
M
ara ist Nordamerikastudentin und hat gerade ihre Masterarbeit abgegeben. Max studiert Mathe und wollte in diesem Semester unbedingt einen Kurs in Historischem Fechten machen. Für drei Tage tauschten sie WGs, Tagespläne und Lieblingsserien. Ein Tagebuch ihres mittelmäßig lehrreichen Austausches.
Montag 13.25 Ich verlasse mein Leben wie morgens die Wohnung: Halbfertig, gerade das Nötigste getan. Das Bett ist abgezogen, aber nicht frisch gemacht. Ich denke, das ist authentisch. Und ich bin nicht sehr motiviert, alles blitzblank zu putzen. Vielleicht sollte ich nochmal anrufen, um sicherzugehen, dass alles klappt.
13.30 Mein Handy klingelt. Max. Er hat nicht, wie ich gehofft hatte, unsere Verabredung verpeilt. Shit, shit, shit. Ich stehe in meinem halbsortierten Chaos aus Klamotten, Büchern, Notizblöcken und Wollmäusen. Dem werde ich in einer halben Stunde auf keinen Fall Herr. Wir verschieben den Tausch um zwei Stunden nach hinten. 16.00 »Meine« Wohnung ist hell und mein Zimmer ziemlich pink. Alles ist sehr sauber. Mein erster Blick gilt dem Bücherregal, die sicherste Art, Menschen zu beurteilen. Wer bin ich also? Offensichtlich studiere ich Nordamerikastudien. Man könnte meinen, ich sei in einem Archiv amerikanischer Klassiker gelandet: The Great Gatsby, Catcher in the Rye, Of Mice and Men. Zumindest nicht nur seichte Unterhaltungsliteratur, aber es gibt wenige persönliche Akzente. Und gar nix zu meinem Faible für TKKG und Kochbücher? 16.30 Ich treffe meine neuen Mitbewohner. Vincent ist Physikstudent; er streckt nur kurz seinen Kopf aus dem Zimmer. Tobi ist kontaktfreudiger. Er unterrichtet Italienisch und Französisch und spricht wohl deshalb in diesem leicht belehrenden Singsang. Er erzählt mir stolz, dass seine Schule zu den besten in Pankow gehört. Toll, da gibt’s gleich ein Sternchen ins Klassenbuch. Gemein! Tobi ist voll nett!
16.45 Als ich in Max’ WG ankomme, begrüßen mich freundlich zwei weiß-graubraun gemusterte Katzen. Die Erkundung meines neuen Zimmers bringt wenig Interessantes zutage. Die Einrichtung ist funktional, minimal, fast alles in Schwarz, was mir in einem dunklen Parterre-Zimmer irgendwie nicht die beste Idee zu sein scheint. Was du nicht sagst! Die größte Entdeckung: Ein Bravo-Poster einer halbnackten Rihanna liegt ganz oben im Papierkorb. Huch?! War ein Spaß-Geschenk zum Geburtstag – ehrlich. 18.00 Ich muss ein paar Besorgungen machen und greife mir das Skateboard, das in der Ecke des Zimmers liegt. Wie schwer kann das schon sein? Einige BeinaheStürze, Zusammenstöße und Gleichgewichtsprobleme
später bin ich bei Penny angekommen, es hat höchstens zehn Minuten länger gedauert als zu Fuß.
20.00 Der Kühlschrank der WG bietet unter anderem wunderschön halbvergammelte Pilze. Eine Gemüsepfanne mit Kochbeutelreis: Zählt das noch als »was Schnelles«? Das war Max’ Anweisung in punkto Abendessen. Beim Essen lerne ich Kathi kennen: Mitbewohnerin, Urberlinerin, Vegetarierin und aufopfernde Katzenbesitzerin. Sie kocht für ihren hochallergischen Kater Pferdefleisch mit Reis, was ich einerseits anrührend und andererseits als ehemalige »Wendy«-Leserin voll eklig finde. 21.00 Das »kiki sol« ist eine kleine, unscheinbare Bar im Wedding. Nervös schiele ich auf die Uhr: Ein soziales Event steht bevor. Ich werde Claire treffen. Sie stammt aus den USA und ist Maras beste Freundin. Zusammen sehen wir »The Nose«, ein englischsprachiges Stand-Up-Comedy-Programm. In der Pause gehen wir an die Bar. Meine Bestellung – ein Glas Rotwein – bringt mir einen missbilligenden Blick ein. Ich solle Bier trinken, meint Claire. »You’re Mara now, don’t you have to drink what she drinks?« Ich erkläre ihr, dass ich kein Bier mag. »So you’re from Germany and don’t like beer?«, fragt sie lachend. »Is that even allowed?« I know, right? Shouldn’t be. Dienstag 10.20 Die Sonne scheint, als ich aufwache, und zwar viel zu hell. Die Vorhänge sind mehr Zierwerk als Lichtschutz. So ein Mist! Ich habe Zeit, »meine« Masterarbeit ist schließlich abgegeben, ich könnte ausschlafen. Aber so geht das natürlich nicht.
10.25 Der Dozent hat zum Glück gerade erst angefangen, als ich verspätet in die Vorlesung »Dynamical Systems« schleiche und mich in eine Ecke setze. 10.45 Mein Frühstück: Joghurt mit Banane und Leinsamen. Klingt... gesund? Zum Glück ist mir erlaubt, dazu ein Brot mit Schokoaufstrich zu essen. Der Morgen ist gerettet. Hast du die Banane denn auch gematscht und Zitronensaft dazugetan?
11.00 Der Professor scheint beliebt zu sein. Er reißt Witze, die scheinbar alle im Saal verstehen. Außer mir. Fühle mich ein bisschen wie beim Filmeschauen auf Französisch: Ich erkenne einzelne Wörter, schaffe es aber nicht, einen Gesamtzusammenhang zu finden. f steht für Funktion, klar, IR ist die Menge der reellen Zahlen, Dx ist eine Ableitung, ... »Bahnhof«? Bei den Geisteswissenschaften kann man in der Mitte einer Seminars einsteigen und trotzdem fast alles verstehen.
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13.00 Meine Aufgabe heute Nachmittag: Maras Lebenslauf ins Englische übersetzen. Ich öffne das Dokument – Praktikum, Auslandaufenthalt, Stipendium. Nicht übel. Mit dem Übersetzen meines eigenen Lebenslaufs wäre ich deutlich schneller fertig.
13.50 Als ich aus der Vorlesung komme, hat sintflutartiger Regen den Sonnenschein vom Morgen abgelöst. Da ich bis zum Unisportkurs am Abend frei habe, verkrieche ich mich im Bett mit einer von Max’ Lieblingsserien: »Buffy the Vampire Slayer«. Dialoge und Schauspielleistungen sind so hölzern wie die Pflöcke, die Buffy den Vampiren ins Herz treibt. Und die 90er-Mode! Es ist großartig. Du verpasst den ganzen subtil-avantgardistischen Genderaspekt, der der Serie zugrunde liegt. 15.00 Ich hätte Hausschuhe mitnehmen sollen. Barfuß durch Max’ WG zu laufen bedeutet ein ungewolltes Hornhaut-Peeling dank einer schwer zu definierenden Mischung aus Katzenstreu und anderem Bodenbelag. 15.40 Ich habe eine Stunde im Internet vertrödelt und finde jetzt keine zufriedenstellende Übersetzung für »Campusmagazin«. Frustriert werfe ich das Handtuch.
18.55 Ich bin spät dran und finde meinen Anschlussbus nicht, weil die BVG mir online Blödsinn erzählt hat. Es regnet immer noch in Strömen. Außerdem ist es kalt. Blöde BVG. Blödes Wetter. Blöder Max. Ein bisschen mehr Mühe hätte er sich schon geben können bei den Wegbeschreibungen. Stell dich nicht so an, ein bisschen Abenteuer soll doch auch dabei sein. 19.10 Bei einem Gastvortrag am John-F.-Kennedy-Institut fallen wichtig und groß klingende Begriffe wie »neue Ernsthaftigkeit« und «Postironie«. Überhaupt scheint alles post-irgendwas zu sein. Postironisch, postmodern, posthumanistisch... Am Ende des Vortrags habe ich eine post-traumatische Störung – neue Erkenntnisse aber nicht.
19.20 Zwanzig Minuten zu spät schlage ich beim Kurs für Historisches Fechten auf. Der Trainer, ein mittelalter, drahtiger Träger eines unironischen Schnauzbartes, teilt mir freundlich, aber bestimmt mit, dass es für mich keinerlei Extrawürste gebe. Ich soll einfach versuchen, mitzuhalten. Ich bin gnadenlos überfordert. 20.00 Mein letzter Termin: Improtheater-Gruppe. Jonas, der Leiter der Gruppe, schaut mich fragend an,
als ich durch die Tür komme. Dann hellt sich sein Gesicht auf: »Du bist Mara, richtig?« Zuerst wärmen wir uns auf, das heißt: Schnell sein, laut sein, reagieren. Wer versagt, muss zur Strafe einmal im Kreis rennen und »I’m so sexy« singen.
20.10 Hätte mir historisches Fechten irgendwie Game-of-Thrones-mäßiger vorgestellt. In einer stinknormalen Sporthalle in labbrigen Sportklamotten ist das Ganze ziemlich unglamourös. Und mir erscheint das Training buchstäblich etwas einseitig – man schwingt das Dingsdabums Dolch? Schwert? ja immer nur mit einem Arm. Die Edelmänner im Mittelalter müssen ausgesehen haben wie Mutanten, mit je einem Vin-Diesel- und einem Zach-Braff-Arm. Meins ist das nicht. 21.15 Es wird ernst: Das wirkliche Improvisieren beginnt. Die Leute wollen Klischees sehen, sagt Jonas. Also bringt er uns bei, wie man einen indischen Akzent nachahmt. Wieder was gelernt! Akzente nachmachen? Voll politisch inkorrekt. Sowas machen wir sonst nie! Dann spielen wir Bollywood: In einem Moment befinden wir uns auf einer Polizeiwache, im nächsten fangen wir grundlos an zu tanzen. Schließlich lande ich vor einem Erschießungskommando und unsere Zeit ist vorbei.
22.00 Max’ supernette Freundin Lea erwartet mich in ihrer netten, frisch renovierten und supersauberen WG im Wedding – ein angenehmes Kontrastprogramm. Sehr witzig. Du hast wohl noch nie eine wirklich dreckige WG gesehen. Sie hat gekocht. Normalerweise würde ich mir über die Geschlechterdynamik Sorgen machen – Tarzan/Max kommt nach Hause und Jane/Lea hat schon das Essen fertig? Aber jetzt bin ich einfach froh, nach dem langen Tag nicht selbst kochen zu müssen. Mittwoch 9.30 Ich habe verschlafen. Mist, gleich kommt Mara zur Schlüsselübergabe! Hier ist alles noch Chaos, meine Klamotten überall, das Bett nicht gemacht. Schnell stopfe ich Zeug in meine Tasche und bringe das Bett zurück in seinen Ursprungszustand.
10.00 Als ich wieder zu Hause ankomme, sieht alles fast so aus wie bei unserem Tausch vor zwei Tagen: sehr ordentlich. Sogar das Bett ist gemacht. Mein erster Gedanke: Max, hast du etwa auf dem Bett geschlafen? Also, so oben drauf, auf der Tagesdecke? Vielleicht wäre es authentischer gewesen, Max mein normales Halbchaos zu hinterlassen. 10.04 Haben wir was gelernt? Naja, nix Weltbewegendes. Hauptsächlich, dass ich mein eigenes Chaos lieber als fremdes Chaos mag. Und dass ich ordentlicher tue, als ich bin. Du? Skaten ist schwerer, als ich dachte. Ein indischer Akzent entsteht, wenn man die Zunge hinten behält. Und eigentlich mag ich mein eigenes Leben ganz gerne. Ich auch.
Titel
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»Du hast ja gar nichts gesehen von der Welt« Facebook-Fotos lassen vermuten, dass heutzutage jeder ständig unterwegs ist – bloß raus hier, immer weiter weg, an immer exotischere Orte. Simon Purk hat Menschen gefunden, denen es anders geht. Denn Reisen hat nicht nur Vorteile.
A
m Strand in Vietnam, neben einem 80 Millionen Flugzeuge von Deutschland aus Oldtimer auf Kuba, beim Klettern in ins Ausland, das sind viermal so viel, wie es den Gebirgen Australiens: Wenn Phi- noch vor 20 Jahren waren. lippas auf Facebook die Fotos seiner Freunde In den 1990ern war Roland Borchers einmal anschaut, ist das wie eine virtuelle Weltreise. im Jahr mit seinen Eltern im Urlaub. »Das war Auch in dem 22-Jährigen regt sich dann wieder der Drang, Deutschland ein paar Wochen den Rücken zuzuwenden: »Ich will auch etwas extrem anderes kennen lernen.« Als Student der TU Berlin nutzt Philippas seine Semesterferien, um drei Mal im Jahr ins Ausland zu reisen. Erst im vergangenen Jahr war er als Backpacker in Südostasien unterwegs. Von der riesigen Tempelstadt Ankor Wat, entlang schlammiger Pfade, durch den dichten Dschungel, bis in die Megacity Bangkok. »Das ist etwas komplett anderes als hier in Deutschland. Nicht nur wegen des Klimas und der Natur, auch, weil die Leute auf völlig andere Dinge Wert legen.« Eine einzigartige Erfahrung, die ihm helfe, sein Leben mit völlig anderen Augen zu sehen. Eines von Philippas’ Facebook-Fotos, hier Doch nicht nur diese Erfahrung am Strand in Vietnam ist Grund dafür, dass Philippas immer wieder seinen Koffer packt. Auch die neuen Medien – Facebook, Twitter und Co. – haben einen Einfluss: »Man sieht immer krassere Sachen, pusht sich indirekt gegenseitig hoch und will immer mehr.« dann mal an der Nord- oder Ostsee.« Der Seine bescheidenen Ziele: den Mount Eve- 33-jährige Historiker arbeitet am Osteurorest besteigen, Löwen in Südafrika bei der pa-Institut der FU. Sein Spezialgebiet ist die Jagd begleiten und mit den Straßenkindern Geschichte Polens. Zweimal hat er Europa von Istanbul Fußball spielen. »Es heißt ja auch mittlerweile in Richtung Amerika verlassen, schnell: Mensch, du hast ja gar nichts gese- ansonsten bleibt es bei dem Nachbarland. hen von der Welt.« »Ich war bestimmt schon hundert Mal dort.« Unsere Reiseziele müssen immer exoti- Roland ist zufrieden damit. »Reisen bildet scher sein, was wir erleben verrückter, die zwar. Wohin man aber reist, ist egal. Die eiSchlafplätze ausgefallener. Das alles halten nen haben vielleicht im Dschungel mal eine wir fest, auf Fotos und im World Wide Web. Schlange um den Hals gehabt, dafür wissen Dort füllt sich ein unermesslich großer Pool andere, wie schön es am Schlachtensee sein mit Eindrücken aus dem Ausland – die Druck kann.« Ja, er hätte in dieser Zeit auch andere aufbauen. Eine Ausrede gibt es nicht, günsti- Orte sehen können, aber: »Wertvolle Erfahgen Flügen sei Dank. Jedes Jahr starten fast rungen lassen sich überall machen.«
Das weiß auch FU-Student Tobias. Die polnische Ostsee war bisher sein entferntestes Ziel. Der 27-Jährige nutzt seine Zeit lieber, um auf Festivals zu fahren. »Danach bin ich zwar körperlich nicht erholt, aber über die Musik schaffe ich es, meine Probleme, meine Sorgen zu vergessen.« Beim Betreten des Festivalgeländes tauche er in eine Parallelwelt ein, in der er den Alltag vergesse. »Facebook, Fußball-ergebnisse und andere Freunde sind mir dann egal.« Auch, dass diese derweil den Kilimandscharo besteigen könnten: »Ich bin einfach glücklich im Hier und Jetzt.« Tobias‘ Reiseverhalten macht nicht nur ihn glücklich, sondern tut ganz nebenbei auch der Umwelt gut: Eine Flugreise von Frankfurt nach Singapur und wieder zurück verursacht pro Passagier 6000 Kilogramm CO2. Das ist fast das Dreifache dessen, was ein Mensch in einem Jahr erzeugen darf, damit die Klimaerwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzt werden kann. Eine erdrückende Statistik. »Über ökologische Folgen denke ich nicht nach, wenn ich verreise«, muss Philippas gestehen. Für ihn geht es im Sommer nach Südafrika. Ob er seine Erfahrungen nicht auch vor der Haustür sammeln könnte, der Umwelt zuliebe? »Nein, wahrscheinlich nicht«, sagt er. Mit einem nachdenklichen Blick fügt er hinzu: »Mein Erdkundelehrer in der Grundschule hat immer einen Baum gepflanzt, wenn er verreist ist. Vielleicht sollte ich jetzt auch damit beginnen.« Simon Purk studiert Geschichte, Philosophie und Italienisch und hat gerade seinen Flug auf die Galapagosinseln storniert.
Foto: Privat
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»Die jungen Menschen riskieren nichts« Lulu studiert Psychologie in Dublin, macht ein Erasmus-Jahr an der FU und ist 61 Jahre alt. Wenn ihr etwas im Leben nicht passte, nahm sie Reißaus. Sie lebte in den USA, Mexiko, Ungarn, Frankreich und Deutschland. Matthias Bolsinger traf sie auf eine Tasse Tee in ihrer Wohnung in Britz. FURIOS: Lulu, dein Erasmus-Semester kommt reichlich spät. Warum jetzt noch ein Psychologie-Studium? Und warum Berlin? Lulu: In meinem Job als Krankenpflegerin hat man mir das zur Weiterbildung angeboten. Außerdem war jeder Job, den ich hatte, ein Stück weit Psychologie. Selbst die Arbeit im »Hard Rock Café« in San Francisco. Ich beschäftige mich gerne mit dem Menschen und seinen Motivationen. Meine Pläne, nach Berkeley in den USA zu gehen, haben sich zerschlagen – ich hätte mir das nicht leisten können. Auf Empfehlung von drei Studierenden, die schon in Berlin gelebt haben, bin ich hierher gekommen. Nur zehn von hundert
Studierenden aus meinem Jahrgang haben den Schritt ins Ausland gewagt. Als einzige bin ich in ein Land gegangen, in dem nicht Englisch gesprochen wird.
In deinen ersten 20 Lebensjahren hast du außer deiner irischen Heimat nichts gesehen. Danach hast du in vielen verschiedenen Ländern gelebt. Was hat den Anstoß dazu gegeben? Am »Abbey Theatre« hatte ich nach der Schule eine Ausbildung zur Schauspielerin gemacht. Ich hatte aber schnell genug davon, den Kollegen nach den Aufführungen ständig den Bauch pinseln zu müssen und machte in Südirland eine Ausbildung zur Köchin. Danach war ich drei Jahre in Deutschland. Dort habe ich zunächst in einem Hotel, dann als Kellnerin im Schwarzwald gearbeitet. DaHEUTE FÜR DIE MEDIZIN VON MORGEN. mals war ich verheiratet, habe mich aber nach meiner Rückkehr PAREXEL ist das führende Auftragsforschungsinstitut nach Irland von meinem Ehein Berlin mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der mann getrennt. Das war eine Art Arzneimittelforschung. Schlüsselmoment. Ich merkte: Es Wir suchen für zwei aktuelle Studien: tut mir gut, Dinge zu beenden, mit denen ich nicht zufrieden bin. Frauen und Männer mit Neurodermitis 18 bis einschließlich 75 Jahre, die an Neurodermitis Hat dich die Trennung aus der leiden, ansonsten aber gesund sind Bahn geworfen? Nein, im Gegenteil: Ich war so glücklich, endlich wieder allein zu Gesunde Frauen und Männer sein! Eigentlich wollte ich einige 18 bis einschließlich 55 Jahre, absolute Nichtraucher Jahre Single bleiben. Aber dann verliebte ich mich in Barry, der bis heute mein Partner ist. LieSelbstverständlich werden Sie während den Studien be auf den ersten Blick war das umfassend medizinisch betreut. nicht, aber wir wussten: Wir wolSie erreichen uns unter: len zusammen aus unserem gewohnten Umfeld ausbrechen und 030 306 853 61 oder 0800 1000 376* (* gebührenfrei, Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr) die Welt sehen. Nach nur einem Jahr sind wir nach San Francisco, Oder Sie besuchen uns im Internet: ohne Papiere. Wir wollten nach www.probandsein.de Peru zu den Revolutionären vom
Proband sein bei PAREXEL!
Honorar 1.673,- Euro
Honorar 4.020,- Euro
»Sendero Luminoso« reisen. Das hielten wir damals für eine aufregende Idee. Hat das geklappt? Nein, zehn Jahre pendelten wir zwischen Mexico und San Francisco, machten auf Yucatán Filme von Touristen, die wir bei deren Tauchausflügen begleiteten. Anschließend verkauften wir ihnen die Aufnahmen. Auf den ersten Blick war das ein Traumjob. Doch die meiste Zeit mussten wir uns mit lauten, unfreundlichen US-Amerikanern auseinandersetzen. Als dann auch noch einer unserer Freunde ertrunken ist, haben wir damit aufgehört und sind zurück nach Irland. Im Nachhinein betrachtet, waren wir einfach zu jung, als wir damals aufbrachen.
»Ich hatte keine Ahnung, ob ich das Jahr hier überhaupt überstehen würde« »Zu jung« mit knapp 30 Jahren? Heutzutage wollen viele Menschen in diesem Alter schon ihr Leben in eine feste Bahn gebracht haben. So ein Stillstand ist falsch. Ich glaube, meine Eltern sind irgendwann gestorben, weil sie sich mit ihrem Leben abgefunden haben wie es war, und darüber die Lebensenergie verloren haben. Aber man muss immer bereit sein, sich zu ändern. Das gilt auch für eine Ehe: Wenn die Beziehung langweilig und enttäuschend wird, muss man etwas tun. Viele Menschen scheuen aber die Veränderung. Dabei lebt es sich viel einfacher, wenn man den Wandel umarmt, statt ihm zu widerstehen. Ich selbst musste das auch lernen – in meiner ersten Ehe bin ich zu lange geblieben.
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Lulu heißt eigentlich Louise Sinnott. Hier sitzt sie auf dem Bett ihrer Britzer WG
Haben die Studierenden hier diesen Mut zum Wandel? Die jungen Menschen heutzutage sind sehr verantwortungsbewusst. Sie haben Angst, kein Geld zu haben, wollen dies und das besitzen, riskieren nichts. Sie wagen nicht den Schritt ins Dunkle, in dem sie nicht wissen, was sie erwartet. Dabei ist das jederzeit möglich und bereichert das Leben. Mit 60 Jahren mit rudimentären Deutschkenntnissen nach Berlin zu ziehen ist natürlich ein Risiko. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das Jahr hier überhaupt überstehen würde. Als ich dann im letzten Semester aufgrund meiner Sprachprobleme eine Prüfung nicht bestanden habe, hat meine Tochter mir ein T-Shirt mit einem Zitat von Samuel Beckett gedruckt: »Ever Tried. Ever Failed. No Matter. Fail Again. Fail Better.« Immer wieder neu und besser scheitern – kann das wirklich jeder? Mein Leben möchte sicher nicht jeder leben. Manche würde diese ständige Unsicherheit krank machen. Dabei war das alles nicht extrem, nicht immer »Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll«. Ich habe immer gearbeitet. Aber ich habe kaum an so etwas wie meine angeblichen »Pflichten« gedacht. Und genau das hat mein Leben zu einem fantastischen »self-made patchwork« gemacht.
Wie kommst du an bei deinen Mitstudierenden? Wirst du als ältere Frau ignoriert? Im Gegensatz zu Irland hatte ich hier schnell Anschluss bei den jüngeren Studierenden. Anfangs hielt man mich als ältere Frau für eine Dozentin. Als sie aber bemerkten, dass ich eine Austauschstudentin bin, wollten mich die jungen Leute kennen lernen. Die Studie-
»Einmal nichts tun, einmal nicht zu neuen Ufern aufbrechen – das kann ich nicht« renden hier sind sehr offen, das ist wunderbar. Ich hatte damit gerechnet, nur mit wenigen, alten Menschen regelmäßigen Umgang zu haben – jetzt habe ich in Berlin ein ausgeprägteres Sozialleben als in Dublin. Dein Mann Barry studiert ebenfalls, allerdings in Irland. Wie kommt ihr nach so vielen gemeinsamen Jahren mit der Trennung klar? Wir sehen uns sehr selten. Ich habe ihm auch zu Beginn klar gemacht, dass ich während meines Auslandsjahres nicht nach Irland kommen möchte. Ich will mich ganz auf Berlin ein-
lassen. Einige Male in der Woche skypen wir. Das ist meine erste richtige Fernbeziehung. Junge Menschen haben davor häufig Angst. Wie geht es dir damit? Kommt eine langjährige Beziehung mit dieser Situation besser zurecht? Ich glaube nicht. Auch für uns ist diese Fernbeziehung ein Risiko. Barry studiert in Irland, an seiner Uni lernt er natürlich andere Frauen kennen – aber er weiß: Hier gibt es auch viele Frauen und Männer (lacht). Hast du Pläne für die weitere Zukunft? Barry und ich haben jetzt ein Haus in Irland. Das ist für uns wie eine Vogelstange, zu der wir immer zurückkehren können. Als Rentner werden wir noch freier sein zu tun, was wir wollen. Vielleicht werde ich als Psychotherapeutin für »Ärzte ohne Grenzen« arbeiten. Einmal nichts tun, einmal nicht zu neuen Ufern aufbrechen – das kann ich nicht. Bin ich vielleicht doch verrückt? Ich weiß nicht... Um das Abendland seinem Untergang näher zu bringen, macht Matthias Bolsinger Musik mit unglaublich hängengebliebenen Texten. Dank seiner Pandamaske bleibt er dabei unerkannt. Fotos: Christoph Spiegel
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Unwillkommen Flüchtlinge werden aus dem Land gedrängt. Deswegen protestieren sie in Berlin gegen die europäische Asylpolitik. Studierende wollen sie unterstützen. Dabei stoßen sie an der FU auf wenig Interesse. Von Melanie Böff
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s herrschte Krieg, sie mussten weg. auch im Publikum. Er ist Mitglied eines Streik- Bleiben konnte er nicht. Freunde und FamiFliehen an einen Ort, an dem sie sich komitees, das die Flüchtlinge an die Uni ge- lie musste er verlassen, sein Masterstudium sicher fühlen – und mit einem Mal holt hat. Casimir studiert im zweiten Semester der Politik abbrechen. Überstürzt begab er waren sie illegal. Was das für ein Gefühl ist, Sozial- und Kulturanthropologie. Als er und sich auf eine ungewisse Reise, die ihn – geschildern an einem schmuggelt in LastDienstag im Mai wagen und auf Schifmehrere Männer fen – über Libyen, vor der großen die Türkei und GrieMensa. Sie sind chenland schließlich Flüchtlinge. Bis vor nach Italien führte. Kurzem haben sie Nach mehr als eiauf dem Kreuzbernem Jahr auf der ger Oranienplatz Flucht und weiteren protestiert. An zwei Umwegen gelangte zusammen geschoMahadi im Herbst benen Tischen sit2012 schließlich nach zen sie im Foyer, Deutschland. auf einem bunten Bereits kurz nach Stofftransparent seiner Ankunft erfuhr neben ihnen steht er von dem geplangeschrieben: »Gleiten Protestcamp am che Rechte für alle!« Oranienplatz. Viele Um die MittagsFlüchtlinge aus ganz zeit wollen die Deutschland seien Flüchtlinge ihre auf dem Weg in die Geschichte erzäh- Seit Monaten demonstrieren in Berlin Flüchtlinge für Änderungen des deutschen Asylrechts Hauptstadt, erzähllen, aber vor ihnen te man ihm. Für sitzen nicht einmal 20 Leute auf dem Boden. die anderen Mitglieder von den Protesten der Mahadi war klar, genau dort musste er hin. Alle anderen Studierenden, die sich in dem Geflüchteten auf dem Oranienplatz erfahren »Seitdem ist der Oranienplatz und vor allem Foyer vor der Mensa befinden, laufen unbe- haben, beschlossen sie, sie zu unterstützen. das, wofür er steht, das Einzige, was mich eindruckt an den zwei Tischen vorbei. Kein Gemeinsam wollen sie seitdem ihre Kommili- hier hält.« Deswegen protestierte er bis zu Wunder: Wer an der FU studiert, für den tonen wachrütteln. Ihr Mittel: Teach-Ins. Das dessen Räumung. Trotz der Niederlage bleibt ist der Oranienplatz oft ganz weit weg. sind Infoveranstaltungen, die sie zusammen er positiv: »Immerhin haben wir es geschafft, Selbst dann, wenn der Oranienplatz mit Flüchtlingen vom Oranienplatz seit Be- überall in den deutschen Medien präsent zu vor die Mensa kommt, scheinen ginn des Jahres mehrmals im Semester vor sein – das ist die Basis für die Erfüllung unseWelten zwischen den beiden der großen Mensa veranstalten. Einen star- rer Forderungen.« Orten zu liegen. Einige Stu- ren inhaltlichen Fahrplan gibt es dabei nicht. Der Forderungskatalog des Refugeedierende der FU wollen »Die Refugees sollen frei sprechen können«, Streiks ist lang: Er enthält nicht weniger als zwischen ihnen eine betont Casimir, »wir eröffnen ihnen nur die den grundlegenden Umsturz der deutschen Brücke bauen. Räume dafür.« Asylpolitik. Denn die EU verwehrt den FlüchtCasimir HesMahadi Ahmed könnte auch eine Geschich- lingen viele Rechte. Das Fundament dafür se sitzt an te erzählen. Seine Heimat, den Sudan, muss- setzte die 2003 in Kraft getretene Dublin-IIdiesem te der 30-Jährige verlassen. Als politischer Verordnung. Danach dürfen Flüchtlinge unter Tag Aktivist wurde er von dem dortigen Geheim- anderem nicht selbst darüber bestimmen, wo dienst verfolgt und mehrere Male verhaftet. ihr Asylverfahren durchgeführt wird und in
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welchem Land sie anschließend leben wer- Baum ausharrte und gegen das Vorgehen der den. Während ihr Antrag läuft, ist ihre Freiheit Polizei protestierte. Sie ist auch die Frau, in stark eingeschränkt. Schlafen müssen sie in die sich Max bei dem Protest verliebte und Asylheimen, sich in Deutschland frei bewe- die er jetzt heiraten will. gen, um Verwandte zu sehen oder in Beratungsstellen Rechtshilfe zu suchen, dürfen sie auch nicht. Die sogenannte Residenzpflicht verbietet das – ohne Sondergenehmigung können sie das Bundesland nicht verlassen. Auch die Grenzen innerhalb des Bundeslandes sind eng gesteckt. Arbeiten gehen oder an der Uni studieren? Für Geflüchtete erst einmal nicht möglich. Bis über einen Asylantrag entschieden wird, können aber Hier auf dem Oranienplatz hatten die Flüchtlinge ihr Zelt aufgeschlagen Jahre vergehen. Neben den konkreten Zielen, die die AktivisMax engagiert sich bei seinem Protest in ten verfolgen, geht es ihnen grundsätzlich um keinem Streikkomitee. Er arbeitet sich in das mehr Menschlichkeit in der Asylpolitik. »Es Asylrecht ein. In den Gesetzestexten lese er ist nicht wahnsinnig revolutionär, wenn sich immer wieder die Unterstellung böser AbLeute weigern, in ein Lager zu ziehen – das sichten heraus, erzählt er. Das heißt, wer hier ist ein völlig menschliches Interesse, das es herkommt, dem wird unterstellt, Sozialleiszu unterstützen gilt«, findet Max Görlich. Er tungen erschleichen zu wollen. Max will das studiert an der FU Jura und engagiert sich für ändern: »Ich will eine offene Asylpolitik, in der die Refugee-Bewegung. Nur hat die auch eine den Refugees grundsätzlich die Wahrheit unpersönliche Bedeutung für ihn. terstellt wird, bis das Gegenteil bewiesen ist!« Von der Asylproblematik erfuhr er zum ersVon heute auf morgen lassen sich die Gesetten Mal durch eine Reportage des RBB. An ze zwar nicht ändern. Das weiß auch Casimir: diesem Tag beschloss er, dass sich etwas »Aber wir können sehr wohl die öffentlichen ändern muss. Auf einer Demonstration lernte Diskurse verändern, indem wir Geflüchteten er Napuli Langa kennen. Napuli kommt aus durch die Teach-Ins ein Gesicht geben.« dem Sudan, war dort MenschenrechtsaktivisDas Problem ist das geringe Interesse an tin. Sie ist die Frau, die nach der Räumung den Veranstaltungen. Beim ersten Teach-In des Oranienplatzes fünf Tage lang auf einem hörten noch bis zu hundert Leute den Refu-
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gees zu, mit jeder weiteren Veranstaltung sank die Zuhörerzahl. Das macht auch Casimir Sorgen. Vielleicht müssten sie einige Schlagwörter wie »Residenzpflicht« besser erklären, überlegt er. Gleichzeitig aber vermutet er ein generelles politisches Desinteresse bei vielen seiner Kommilitonen. Trotzdem will er weiter machen im Streikkomitee. Neben den Teach-Ins drucken die Studierenden Flyer und unterstützen regelmäßig die Proteste gegen die derzeitige Asylpolitik. Sich raushalten ist für Casimir keine Option: »Gerade als kritische Studierende müssen wir uns der verzerrten Machtverhältnisse bewusst und dann laut werden!« Während Casimir und seine Mitstreiter das vor der Mensa versuchen, werfen ihnen viele Studierende nur flüchtige Blicke zu und greifen am Mensaeingang nach einem Tablett. Manchmal treffen sich Blicke von FU-Studierenden und Flüchtlingen. Ja, selbst hier im Mensa-Foyer liegen Welten zwischen ihnen.
Durch ihre Recherchen hat Melanie Böff eine Welt kennengelernt, die für viele noch unbekannt ist. Sie hofft, mit diesem Artikel ein weiteres Brückenstück liefern zu können. Fotos: Montecruz
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Und tschüss! Anna Auckenthaler und Klaus Roth müssen raus aus der FU. Mit ihnen verschwinden Fachbereiche, die einst fester Bestandteil ihrer jeweiligen Disziplin waren: die Gesprächspsychotherapie und die Ideengeschichte. Karl Kelschebach hat mit den beiden scheidenden Wissenschaftlern gesprochen.
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ehaglich mutet Anna Auckenthalers Büro nicht an. Die Wände sind kahl, der Schreibtisch ist leer, das Sofa zur Hälfte abgebaut. Die Professorin deutet auf die Regale, in denen vereinzelte Aktenordner ihrer Entsorgung harren: »Wie Sie sehen, bin ich dabei, meine Zelte abzubrechen.« Auckenthaler betreut Bachelor-, Master-, und Dissertationsarbeiten, gibt am Fachbereich Psychologie und Erziehungswissenschaft sogar noch Seminare – doch eine Professur hat sie nicht mehr. An sich wäre das kein Grund zur Klage, denn Auckenthaler hat das Pensionsalter erreicht. Doch mit ihr verschwindet auch ihr Spezialgebiet aus den Hörsälen: die Gesprächspsychotherapie. Deren letzte Bastion an deutschen Universi-
täten hatte Auckenthaler mit ihrer Professur gehalten. Es ist nicht das einzige Fachgebiet, das an der FU verschwindet. Ganze Arbeitsbereiche werden vom akademischen Wandel erfasst: Was heute noch die Säule einer Disziplin ist, kann morgen schon ein Randdasein fristen. Deutschlandweit fielen in den vergangenen Jahren 1500 Professuren Streichungen zum Opfer. Besonders betroffen sind dabei mit 700 gestrichenen Stellen die Geisteswissenschaften. Die FU haben 2013 offiziell 22 Professorinnen und Professoren verlassen. Viele dieser Stellen werden im Anschluss nicht wieder besetzt. So ist es auch bei Auckenthaler, die zu diesen 22 Profs gehört. Schon länger beäugen Vertreter der akademischen Psychologie die GesprächspsychotheGesundheit in besten Händen. rapie mit Argwohn. Die Einfühlung in den Klienten, die wertschätzende Haltung des Therapeuten – das missfällt Psychologen, die auf quantitative Forschung und allgemeine Erklärungsmuster setzen. Wenn auch ihr Erfolg empirisch erwiesen ist: An der Uni ist die Gesprächspsychotherapie nicht mehr en vogue. Deshalb steht sie vor dem Aus. So wird aus dem Generationenwechsel in der Psychologie auch ein fachlicher Wechsel. Mit Wehmut blickt Auckenthaler auf die Blütezeit ihres Fachs an der Uni zurück, die von den 1970er bis in die frühen 1990er Jahre reichte – es war, wie Auckenthaler es formuliert, nur »ein kurzes Gastspiel«. Dessen letzte Akteurin tritt nun ab. Auch alteingesessene Arbeitsbereiche müssen um ihre Existenz Mehr Infos fürchten. Das zeigt die VernachSie haben Fragen? Wir haben die unter www. lässigung der Politischen IdeenAntworten. Von der Studienplanung aok-on.de/ geschichte am Otto-Suhr-Institut bis hin zur Karriereplanung. nordost
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(OSI). Sie ist eine der Säulen der Politikwissenschaft. Klaus Roth, der die letzte Professur für Ideengeschichte am OSI innehat, geht noch weiter. »Von der Sache her ist sie das Zentrum. Politische Ideengeschichte ist für die Politikwissenschaft, was für eine Sprache die Grammatik ist. Ohne sie läuft man Gefahr zu dilettieren«, doziert er in seinem kleinen Büro. Offenbar sehen das an der FU
manche anders. Als Roth 2006 Dozent am Institut für Politikwissenschaft wurde, hatte man seine Professur bereits von einer Voll- auf eine Gastprofessur reduziert. 2009 strich das Präsidium auch diese. Den Vorschlag der Universitätsleitung, sich mit befristeten Lehraufträgen am Institut zu begnügen, wies Roth als »sittenwidrig« zurück. Ein Bündnis hochschulpolitischer Studierendengruppen machte sich für die Professur stark. Viele erkannten in Roth einen wahren Wissensvulkan.
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»Die Studierenden setzten meinen Fall in allen Gremien auf die Agenda«, erinnert sich Roth mit Genugtuung. »Sie kämpften einerseits für die Stelle Politische Ideengeschichte und andererseits für mich.« Beides mit Erfolg: Seit dem Sommersemester 2010 ist Roth wieder Gastprofessor an der FU. Dennoch steht es nicht eben gut um seinen Arbeitsbereich: Nur noch ein Alibimodul in Politischer Theorie
müssen die Studierenden laut neuer Prüfungsordnung absolvieren – damit man später behaupten könne, es gebe keinen Bedarf an Lehre, vermutet Roth. Wird die Ideengeschichte am OSI bald selbst Geschichte sein? Natürlich beteuert die Pressestelle der FU, dass auch in Zukunft »das Spektrum des ganzen Faches« abgedeckt werde. Die zahlreichen neu an die FU berufenen Dozenten stimmen zuversichtlich, dass es an personellen Kapazitäten dafür auch nicht mangeln wird. In der Zeit von 2010 bis 2013 haben 143
Professorinnen und Professoren die FU verlassen, während rund 220 neue hinzukamen. Keiner von ihnen ist jedoch am Arbeitsbereich Ideengeschichte am Otto-Suhr-Institut gelandet. Roth fürchtet: »Wenn es 2019 nicht wieder eine studentische Mobilisierung gibt, ist der Arbeitsbereich weg!« Tanja Börzel, der geschäftsführenden Direktorin des Otto-Suhr-Instituts, wäre das ganz recht: Ideengeschichte sei lediglich Teil der Politischen Theorie, die mit »Moderne politische Theorie« bereits über eine Professur verfüge und üppig ausgestattet sei. Die Gastprofessur, die man 2010 eingerichtet habe, könne man auf Dauer aber nicht halten, teilt sie mit. Schließlich erwirtschafte man mit Ideengeschichte keine Drittmittel. »Dieser Drittmittelwahn ist eine Katastrophe«, seufzt Roth. »Inzwischen ist die Drittmitteleinwerbung am Institut wichtiger als die Betreuung der Studierenden.« So triumphiert denn der Arbeitsbereich Internationale Beziehungen, dessen Projekte ordentlich Geld in die Kassen spülen. Angesichts seines breiten Themenspektrums, das von Friedens- und Konfliktforschung bis zur Europäischen Integration reicht, habe es damit fachlich auch seine Richtigkeit, findet Börzel: »Die Internationalen Beziehungen sind fachlich ein sehr viel größerer Bereich als die Ideengeschichte!« Roth kann darüber nur den Kopf schütteln: »Ich habe dreieinhalb Jahrtausende abzuarbeiten!« Besonnen streicht der Wissenschaftler seinen wild wuchernden Bart, rückt seine Lesebrille zurecht – und verhehlt doch seinen Ärger nicht: »In der Ideengeschichte reflektiert sich das Selbstverständnis der Menschheit. Ohne sie hängt das Ganze in der Luft.« Wenn Europas größtes Politikinstitut das nicht einsehe, sei das eine »Bankrotterklärung«.
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Anna Auckenthaler ist der FU gegenüber milder eingestellt. Dass die akademische Psychologie mit der Gesprächspsychotherapie gebrochen habe, sei nicht die Schuld der FU, sondern Teil eines politisch forcierten Trends der Psychologie zur Medizin. Aus dem akademischen Mainstream höre man Abfälligkeiten über ihr Spezialgebiet, »die für diejenigen entwürdigend sind, die sie von sich geben.« Dennoch finden Veranstaltungen zur Gesprächspsychotherapie an der FU regen Zulauf. »Die Studierenden haben ein gesundes Gespür dafür, dass auf der einen Seite immer von Diversität gesprochen wird, auf der anderen aber alles auf eine Einheitspsychotherapie zurückgeführt wird.« Schon in ihrem Büro merkt man, dass Auckenthaler gebraucht wird. Kurz darauf schaut ein Kollege vorbei, klingelt das Telefon, klopft eine Studentin an die Tür. Das lebhafte Ende einer akademischen Laufbahn – und eines Arbeitsbereiches. Karl Kelschebach studiert Deutsche Philologie und Sozialkunde. Er liebt lange Gespräche und verrückte Ideen.
Illustration: Luise Schricker
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aus vierzig tausend Vierzigtausend Menschen bevölkern die FU. Vier haben wir gefragt, wen oder was sie gerne loswerden würden. Notiert von Christoph Friedrich, Monica Camposeo und Matthias Bolsinger. Fotos: Friedrich J. Richter, Bernd Wannenmacher
»Manche Haltungen sind nicht förderlich« Peter-André Alt, 53, ist seit 2010 Präsident der FU. Er wurde kürzlich für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Loswerden würde ich gern bestimmte Haltungen oder Einstellungen, die der Entwicklung der FU nicht förderlich sind. Dazu gehören Einstellungen wie »die Verwaltung ist umständlich« oder: »Professoren sind arrogant«. Ebenso die Haltung: »Geht nicht, haben wir noch nie gemacht« oder: »Ich bin gegen Veränderung«. Auch liebgewonnene Gewohnheiten dürfen und sollen hinterfragt werden – spätestens dann, wenn sie mehr schaden als nutzen. Neue und gute Ideen sind die Grundlage für jede Entwicklung. Ich wünsche mir, dass man über diese ergebnisoffen nachdenkt und dass man Problemlösungen sucht, ohne Widerstand gegen den Wandel zu leisten. Denn manchmal können auch die kleinsten Veränderungen eine große Wirkung entfalten. Im Übrigen: Personen will ich nicht ›loswerden‹. Nicht mit allen ist das Miteinander an der Universität immer erfreulich, aber alle haben als Mitglieder unserer Universität das Recht, ihre Meinung und Kritik zu äußern. Diese können sie, um beim Thema zu bleiben, auch mir gegenüber loswerden.
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»Mich nervt die man- »Die alte Technik gelnde Demokratie« muss raus«
»Werbung ist überall«
Felix Perrefort, 24, studiert an der FU Filmwissenschaft und Philosophie. Er engagiert sich für den Bildungsprotest.
Elisabeth Potulski, 62, kennen Studierende als Hüterin des Lesesaals am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft.
Manfred Meister, 66, ist ehemaliger FU-Student. Seit 15 Jahren betreibt er den Schreibwarenhandel vor der Mensa II.
Unsere Uni braucht keine Kinoplakate, Werbestände von Mobilfunkanbietern und »Campustüten«. Außerdem stört mich das elitäre Selbstverständnis der FU, die sich über den Exzellenzstatus definiert. Genauso ihre Segregationsmechanismen wie »UniAssist«, der Numerus Clausus und Noten. Mich nerven die Regelstudienzeit, die demokratiefeindliche professorale Mehrheit in den universitären Gremien und die Drittmittel-Finanzierung. Statt zuzulassen, dass die Uni als Ort des Lernens und Lehrens von den Botschaften fragwürdiger Werbung besudelt wird, sollte das Präsidium fordern, öffentlich ausfinanziert zu werden. Ich möchte an einer Uni studieren, die sich nicht abhängig macht von den Profitinteressen der Unternehmen. Im Zuge der Bologna-Reformen wurde die Uni so angepasst, dass sie der neoliberalen Wettbewerbsgesellschaft in die Hände spielt. Bildung wird mehr und mehr auf die Arbeitsmarktbedürfnisse zugeschnitten. Das halte ich für ein Armutszeugnis. Ich will hier ein mündiger Mensch werden, kein Humankapital.
Mich stört die veraltete Technik, die wir hier haben. Die langsamen und ständig abstürzenden Computer sind unzumutbar! Für die Tische, auf denen sie stehen, gilt dasselbe. Ob sich das in naher Zukunft ändert, weiß ich nicht. Ich hoffe es aber sehr. Von der Technik habe ich mich selbst zum Glück noch nicht abhängig gemacht. Zu Hause habe ich ein Festnetztelefon und ein Handy, aber keinen Computer. Der, den ich hier am Arbeitsplatz habe, reicht mir völlig aus. Im privaten Gebrauch sehe ich wenig Sinn. Vielleicht ändert sich das, wenn ich bald in Rente bin. Außerdem finde ich es schade, dass unser Campus so zerstückelt ist. Es wäre schön, wenn alle Bibliotheken auf einem Fleck wären. Gerade Erstsemester fühlen sich auf dem zerrupften Uni-Gelände orientierungslos und verloren. Hier am Otto-Suhr-Insitut bin ich ihre erste Anlaufstelle, deswegen trifft mich hin und wieder ihr Unmut. Die Zusammenfassung einiger kleiner Bibliotheken in der zukünftigen Holzlaube ist da schon ein Fortschritt.
Vor allem stört mich die Werbung auf dem Campus. Werbung ist sowieso schon überall, dann muss nicht auch noch die Uni von ihr belagert werden. Die unzähligen Stände im Foyer, die für alles Mögliche werben und Geschenke verteilen, sind vollkommen unnötig. Den Plunder in den Tüten, dem regelmäßig so viele hinterherjagen als gäbe es kein Morgen, kann man zur Hälfte sowieso in den Mülleimer kippen. Von den Studierenden hier halte ich viel. Sie kreieren im Gegensatz zur schlechten Luft, der Wärme und dem ständigen Bratgeruch der Mensa eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Allerdings gehen mir die ständigen Bitten um Geldwechsel auf die Nerven – da werden mir alle Studierenden, die in einem UniCafé arbeiten, beipflichten. Unzählige Male werde ich gefragt, aber ich kann nicht den Wechselautomaten spielen. Bitte, liebe Studierende: Wer einen Euro für die Bibliothek oder die Mensa braucht, muss einen kreativeren Weg finden, seinen Fünfziger klein zu machen
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Politik
Einmal alles, bitte! Die TU will für viele Studiengänge den Numerus Clausus aufheben und Studienanfängern ein Orientierungsjahr anbieten. Auch die FU hat Interesse an der Idee eines Studium generale. Von Florian Schmidt
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er Mann mit den silbrigen Haaren und dem dunkelblauen Jackett lehnt sich langsam zurück. Etwas bieder wirkt er, streng und traditionell. Doch als er zu reden beginnt, wird schnell klar: Hier spricht kein konservativer Bewahrer des Status quo. Dieser Mann will die Universität verändern. Geht es nach ihm, sollen die Hochschulen mehr Studieninteressierte aufnehmen und den Abiturienten besser bei der Wahl des Studiengangs helfen. Der 55-jährige Physikprofessor, der das Ersti-Dasein reformieren will, heißt Christian Thomsen. Seit Anfang April ist er Präsident der Technischen Universität Berlin. Seitdem macht er Schlagzeilen, vor allem mit dem Vorhaben, für viele Bachelor- und Masterstudiengänge den Numerus Clausus (NC) abzuschaffen – und mit dem Plan, eine Orientierungsphase, ein Studium generale, für alle Studienanfänger anzubieten. »Wir müssen möglichst vielen jungen Menschen die Chance geben zu studieren«, sagt Thomsen. »Der NC hält einige Studieninteressierte von den Unis fern. Deshalb wollen wir in den kommenden Jahren viele Fächer zulassungsfrei anbieten.« Den ersten Schritt hat die TU bereits getan: Im nächsten Wintersemester wird die Uni doppelt so viele Studiengänge zulassungsfrei anbieten wie im Vorjahr, darunter auch beliebte Fächer wie zum Beispiel Chemie. Zudem soll das Studium generale mehr Erstis an die TU locken. Zwei Semester lang sollen Unentschlossene in verschiedene Fächer ihrer Wahl hineinschnuppern können, um herauszufinden, welcher Studiengang ihnen gefällt. »Entscheiden sie sich danach für eines der Fächer, können sie sich die geleisteten Punkte anrechnen lassen«, so Thomsen. Die Pläne des TU-Präsidenten sorgen für Wirbel in der Berliner Hochschullandschaft. Für die Hauptstadt-Unis bedeuten Thomsens Vorhaben einen Paradigmenwechsel. Auf Druck des Berliner Senats führten HU, TU und FU im Jahr 2004 flächendeckend Zulassungsbeschränkungen ein. Der Ansturm der Abiturienten war zu groß geworden, die
Angabe der Durchschnittsnote wurde bei der Bewerbung zur Pflicht. Zehn Jahre später merken die Unis nun: In einigen Fächern bleiben, womöglich auch wegen der Beschränkung, Plätze frei – ein Umstand, der ins Geld geht. Denn die Zuschüsse des Landes bemessen sich nicht zuletzt an der Zahl der Erstsemester, die die Universität pro Jahr aufnimmt. Angesichts der jüngst beschlossenen Hochschulverträge, die den Uni weniger finanziellen Spielraum bieten, erscheint es kaum verwunderlich, dass Thomsen gerade jetzt viele NCs abschaffen will. Auch das Studium generale wirkt wie ein Gegenentwurf zum bisherigen Kurs von Politikern und Unis. Mit der Einführung der NCs versuchte man 2004 auch, die häufigen Studienfachwechsel einzudämmen. Die Logik des damaligen Bildungssenators Klaus Böger (SPD): Wer sich auf ein platzbeschränktes
Fach bewirbt, beschäftigt sich vorab intensiver mit ihm, weiß besser worauf er sich einlässt – und gibt seltener auf. Aufgegangen ist diese Überlegung nicht. Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung belegt, bricht auch in Berlin im Schnitt noch immer jeder vierte Bachelorstudent sein Studium ab. Ein Grund dafür ist oft die Unzufriedenheit mit dem eigenen Fach. Geht es nach Thomsen, soll eine umfassende Orientierungsstufe in Zukunft bösen Überraschungen vorbeugen. Während es solche Projekte an der Münchner TU und an der Uni Lüneburg
schon gibt, bieten die Berliner Hochschulen so etwas noch nicht an. Die TU wäre hier ein Vorreiter. Thomsen will dazu das aktuelle Orientierungsprogramm »MINT grün« auf möglichst viele Studiengänge ausweiten. Bei dem seit zwei Jahren laufenden Programm können Abiturienten schon jetzt in naturwissenschaftlichen Fächern der TU Eindrücke sammeln. Idealerweise können sie künftig quasi alles studieren. »Je mehr Fakultäten mitmachen, desto besser«, sagt Thomsen. »Zum Beispiel die Sozialwissenschaften.« Theresa Staudacher findet das gut. Die 18-Jährige hat 2013 Abitur gemacht und nimmt derzeit an »MINT grün« teil. »Ich wusste nach dem Abi gar nicht, was ich machen soll. Außer, dass es etwas mit Naturwissenschaften sein sollte«, sagt sie. »Das Orientierungsjahr war das Beste, für das ich mich entscheiden konnte.« Den Plan, es auf andere Fächer auszuweiten, hält sie für eine gute Idee. »Dann würden noch mehr Studenten davon profitieren. Ich glaube, das würde vielen etwas bringen.« Seit der Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre häufen sich Stimmen wie die von Theresa. Die Abiturienten sind jünger geworden, unentschlossener. Auch deshalb beobachten die anderen Berliner Unis Thomsens Pläne für die TU mit wachsendem Interesse. »An der FU entsprechen viele Studiengänge nicht den klassischen Schulfächern. Deshalb finden wir die Idee einer Orientierungsphase gut«, sagt FU-Vizepräsident Michael Bongardt. »Bei der Planung stehen wir allerdings noch ganz am Anfang. Wie dieses Programm bei uns konkret aussehen soll, wissen wir noch längst nicht.« Bei der NC-Frage hingegen sei man schon weiter, hier will es die FU der TU gleichtun: Im nächsten Wintersemester werde fast die die Hälfte aller Studiengänge zulassungsfrei angeboten, so Bongardt. Da es sich bei den meisten allerdings um sehr kleine Fächer handele, würden von dieser Neuerung an der FU wohl weniger Studieninteressierte einen Vorteil haben als an der TU.
Politik
Unter den bereits Immatrikulierten, die von den Vorhaben des TU-Präsidenten kaum betroffen sein werden, stoßen die Pläne auf ein geteiltes Echo. Eine Orientierungsphase für Erstis finden viele gut. »Allerdings müssten sie dabei gut an die Hand genommen werden«, sagt Tanja Hille, die an der FU Politikwissenschaft studiert. »Sonst erschlägt sie das große Angebot und sie hören sich vielleicht Vorlesungen an, die zu kompliziert für den Anfang sind.« Die NC-Befreiung hingegen halten einige für riskant. »Unsere Hörsäle sind jetzt schon voll«, sagt etwa Jannis Brodmann, der an der TU Wirtschaftsingenieurwesen studiert. »Wenn die Uni die NCs aufhebt, wird der Ansturm noch größer.«
Eine Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, wäre, auf andere Zulassungsverfahren zu setzen. Wer sich an manchen Unis zum Beispiel auf einen Masterplatz bewirbt, muss oft ein Motivationsschreiben abgeben oder gar eine Interviewrunde überstehen. TUPräsident Thomsen kennt diese Konzepte, er weiß auch um die Sorgen seiner Studenten. Auf einige beliebte Fächer werde es deshalb wohl auch immer eine NC-Beschränkung geben, Wirtschaftsingenieurwesen sei eines davon. Bei vielen anderen Studiengängen aber halte er die Abschaffung für möglich, ohne
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dass die Uni vor Studenten überquillt. »Ich bin zuversichtlich, dass unsere Pläne aufgehen.« Den NC durch andere Beschränkungen zu ersetzen, lehnt Thomsen ab. »Zulassungsfrei heißt: Es gibt keine Auswahlverfahren«, sagt er. »Das ist sicherlich ein bisschen Trial and Error. Aber die Uni wird deshalb nicht auseinanderbrechen.«
Florian Schmidt hätte vor drei Jahren auch gern ein Orientierungsjahr eingelegt. Vielleicht wäre er dann vorderasiatischer Archäologe geworden und nicht Ökonom. Illustration: Robin Kowalewsky
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Politik
Zu früh gefreut Dem wissenschaftlichen Nachwuchs versprachen die Hochschulverträge der FU strukturelle Förderungen, doch davon ist noch nicht viel zu erkennen. Der Unmut wächst. Von Sophie Krause und Julian Daum
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twa ein Jahr ist es her, dass FUPräsident Peter-André Alt mit dem Land Berlin den Hochschulvertrag seiner Universität aushandelte. Darin wurden Vereinbarungen getroffen, die den Kleinstaat FU zu einem besseren, freundlicheren Ort für sein arbeitendes und studierendes Volk machen sollen. Die Klauseln versprechen die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie und betonen Gleichstellungsaspekte. Auch der wissenschaftliche Nachwuchs soll gefördert und weitergebildet werden. Doch bei der Umsetzung all dessen gibt es Schwierigkeiten. Über die Probleme für Studierende haben wir bereits berichtet (Ausgabe 11). Ein weiteres großes Problem liegt im Mittelbau. Bereits der erste Paragraph des Hochschulvertrages stellt der Uni eine Bedingung: die leistungsbasierte Hochschulfinanzierung. Erbringt die Uni in Bereichen wie Lehre, Forschung oder Gleichstellung verabredete Leistungen nicht, werden die Mittel der jeweiligen Leistungsbereiche um fünf Prozent gekürzt. Finanziell planen kann das betroffene Personal damit nicht. Gewinnen und Geld einsparen scheint bei diesem leistungsgebundenen Modell nur der Berliner Landeshaushalt. Als Verlierer des Hochschulvertrags hingegen fühlen sich viele. So sollen vier Millionen Euro bei den Personalkosten eingespart werden; Stellen werden gestrichen und Gehälter gekürzt. Konkret heißt das auch, dass weniger Personal mehr Leistung bringen soll. Denn den großen Vorhaben des Hochschulvertrages steht ein altbekanntes Problem gegenüber: das Geld. Der Haushalt der FU setzt sich aus den Zuschüssen des Landes Berlin und Drittmitteln zusammen (siehe Infokasten). Ebenso wie das Land ist auch die Universität
knapp bei Kasse und der Haushaltsplan der FU deshalb eng umrissen. Viel bewegen lässt sich mit dem Geld vom Land, das durch den Hochschulvertrag überwiegend zweckgebunden ist, nicht. Das bekommen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter (Wimis) zu spüren. Jüngst äußerten deren Vertreter im Akademischen Senat ihren Unmut. Ihnen versprach der Hochschulvertrag Planungssicherheit, Familienfreundlichkeit und nachhaltige Förderung. Bereits ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Vertrags fordern sie nun strukturelle Fördermaßnahmen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und des Qualifizierungsangebotes. Dieser Vorgang zeigt: Das Unbehagen im Mittelbau sitzt tief. Und das war auch schon vor den Hochschulverträgen so. Dort, im Herz der universitären Lehre, sei die Lage »prekär«, fasst es Matthias Jähne, Hochschulreferent der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW) zusammen. Durch den Hochschulvertrag sind die Arbeitsverträge der Wimis überwiegend auf drei bis fünf Jahre befristet, was aber seit längerem gängige Praxis ist.
Dies ist wohl auch der Grund, weshalb von der in den Hochschulverträgen versprochenen Planungssicherheit und Familienfreundlichkeit bei den Wimis nicht viel zu spüren ist. Zudem wurden im Mittelbau zunehmend Stellen gestrichen und häufiger an Promotionsstudenten als an promovierte Wissenschaftler verteilt. Diese haben überwiegend halbe Stellen, die sie für Lehrveranstaltungen, Vor- und Nachbereitung oder Sprechstunden aufwenden. Bastian Schlüter, Wimi am Institut für Deutsche Philologie, hält das für fatal. »Ich würde nicht sagen, dass man hier komplett ausgebeutet wird, aber es gibt schon diesen implizierten Modus, dass das wissenschaftliche Fortkommen Freizeit ist«, erklärt er. Ein Lösungsansatz ist bereits gefunden: Den Mittelbau finanziert zwar die Uni, allerdings wird versucht, für Promotionsprogramme zunehmend Drittmittel einzuwerben. Das spart zwar eigenes Geld. Allzu große Hoffnung macht man sich im Mittelbau dennoch nicht. »Es gibt bei uns keine Frustration, aber so eine Art von negativer Entspanntheit. Man rechnet nicht mit viel«, sagt Schlüter. Die Unzufriedenheit scheint auch an FUPräsident Alt nicht vorbeigegangen zu sein. Immerhin kündigte er nach seiner Wiederwahl im April an, sich den Entwicklungsperspektiven des Mittelbaus zu widmen. Doch am Ende scheitert es womöglich wieder am Geld. Bei der Recherche kämpften Julian und Sophie sich durch Haushaltspläne und den Hochschulvertrag und stießen dabei an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Illustration: Robin Kowalewsky
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Politik
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KOMMENTAR
Heuchelei in Vertragsform Die Hochschulverträge sind eine Farce. Was sich toll anhört, ist Augenwischerei. Ein Kommentar von Julian Daum und Sophie Krause
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iele Studenten wollen später in die Forschung. Nach reiflicher Überlegung darüber, wie in Deutschland und an der FU mit wissenschaftlichem Nachwuchs umgegangen wird, sollte man es vielleicht einfach bleiben lassen. Der jüngste Versuch, die Situation zu bessern, die 2013 ausgehandelten Hochschulverträge, ist nicht mehr als Blendwerk. Die Verträge lesen sich wie eine Menschenrechtserklärung. Die FU soll ein wunderbarer, weltoffener, gleichberechtigter und inklusiver Ort werden; die berufliche Existenz in der Wissenschaft kann nun endlich planbar werden. Doch an der bereits zuvor gängigen Praxis der Befristung und der miserablen Bezahlung in der Auftragslehre hat sich nichts geändert. Mit dem Unterschied, dass all das nun in den Verträgen festgeschrieben wurde unter den Schlagworten Planungssicherheit, Familienfreundlichkeit und Gleichberechtigung. Das ist keine Errungenschaft, sondern Heuchelei. So bleiben in den Hochschulverträgen nur leere Worthülsen und Augenwischerei unter dem Deckmantel des politkorrekten Beamtensprech. Niemand hat Lust auf Zukunftsangst und chronische finanzielle Sorgen. Zum Glück ist Berlin nicht die Welt. Mit derartigen Verträgen muss sich niemand wundern, wenn der wissenschaftliche Nachwuchs hier seine Sachen packt.
INFO Insgesamt 510 Millionen Euro umfasst der Haushalt der FU. Er speist sich aus zwei großen Quellen: dem Hochschuletat des Berliner Senats und den sogenannten Drittmitteln. Letztere kommen entweder aus der Privatwirtschaft oder von öffentlichen Forschungsförderern wie Stiftungen und Vereinen. Vor allem die Industrie lässt sich Forschung viel kosten. In Deutschland stellt sie etwa zwei Drittel des Geldes zur Verfügung, das für Wissenschaft ausgegeben wird. Dabei handelt es sich ausschließlich um Förderung konkreter Projekte. Mit den Drittmitteln bezahlt die Uni jedoch weder Strom noch Gehälter, saniert weder ihre Gebäude noch kauft sie mit ihnen neue Geräte. Das nämlich leistet der eigentliche Etat der Uni. Er besteht aus Zuschüssen des Landes Berlin gemäß der Hochschulverträge, die Land und Uni alle vier Jahre neu verhandeln. Der Etat setzt sich aus einem konsumtiven und einem investiven Bereich zusammen. Der mit ungefähr 308 Millionen Euro größere konsumtive Bereich deckt die laufenden Kosten: Hausbewirtschaftung, Bauunterhaltung, vor allem aber die Personalkosten. Aus dem investiven Bereich, der mit 11,2 Millionen Euro veranschlagt ist, werden langfristige Investitionen finanziert. Mit diesen Geldern werden beispielsweise Neubauten, wissenschaftliches Gerät oder die IT-Infrastruktur bezahlt. Die Mittel reichen jedoch nicht aus: Die Investivausgaben bis 2015 belaufen sich auf rund 53 Millionen Euro. Um diese Kosten stemmen zu können, sollen zusätzlich Sonderzuschüsse des Landes oder Verkaufserlöse von Grundstücken helfen.
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Die FU macht halbe Sachen Seit knapp drei Jahren muss die FU all ihren Studierenden ein Teilzeitstudium ermöglichen. Gänzlich umgesetzt hat sie das bisher nicht. Doch langsam bewegt sich etwas. Von Mareike Edler
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n einer Woche, so hat das Deutsche Studentenwerk errechnet, verbringen Studierende durchschnittlich 35 Stunden in Lehrveranstaltungen und über ihren Büchern. Dabei ist das Studium oft nicht das einzige, um das sie sich kümmern müssen. Für diejenigen mit Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen oder für Berufstätige gibt es daher die Möglichkeit, ein Teilzeitstudium zu beantragen. An der FU wird das wenig genutzt: Gerade einmal 44 der mehr als 30.000 Studierenden sind im laufenden Semester laut Präsidium Teilzeitstudenten. Seit 2011 verpflichtet Paragraph 22 des Berliner Hochschulgesetzes die Universitäten, entsprechende Möglichkeiten einzurichten. Teilzeitstudierende müssen weniger Leistungspunkte pro Semester erbringen, also weniger Seminare und Vorlesungen besuchen. Gespräche mit Studierenden zeigen aber, dass viele nicht einmal von dieser Möglichkeit wissen. »Ich habe das mal gelesen auf einem Formular«, sagt Christiane Schröte, die deutsche Philologie und Theaterwissenschaft studiert. Was das aber genau bedeute, wisse sie nicht. Auch Linguistikstudent Alexander Balakshin ist der Begriff neu. Die Idee, mehr arbeiten zu können und gleichzeitig zu studieren, findet er allerdings gut. »Durch die vielen Kurse habe ich bisher keine Zeit für beides.« Auch Christiane sieht darin Vorteile, besonders für junge Familien. Doch knapp drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gibt es an der FU immer noch keine klare Regelung für diese Studiumsvariante – für wen sie zum Beispiel möglich ist. Den Asta ärgert das. »Warum die Univerwaltung so lange untätig geblieben ist, kann ich mir nicht erklären«, sagt Asta-Referent Philipp Bahrt. Ein weiterer Streitpunkt zwischen Asta und Präsidium ist, dass bisher laut Satzung für Studienangelegenheiten nur zulassungsfreie Studiengänge auf Teilzeit studiert werden können. »Das ist eine klar rechtswidrige und
völlig haltlose Auslegung des Berliner Hochschulgesetzes«, erklärt Asta-Referent Bahrt. Wem aus diesem Grund ein Teilzeitstudium verweigert werde, der könne mit Hilfe des Astas Klage einreichen. Dieser Missstand solle im Zuge einer Überarbeitung behoben werden, teilt das Präsidium mit. Danach könnten
alle immatrikulierten Studierenden ein Teilzeitstudium beantragen. Doch warum will anscheinend kaum jemand in Teilzeit studieren? Die einzelnen Institutionen vermuten mehr dahinter als Unkenntnis. Laut der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft liegt es daran, dass viele Studierende ihren studentischen Alltag einfach selbst organisieren und dabei auch ein paar Semester mehr in Kauf
nehmen. Das FU-Präsidium geht davon aus, dass das allgemeine Interesse an Teilzeitstudiengängen nicht groß sei. Asta-Referent Bahrt aber befürchtet, die unklaren Regelungen würden Studierende von einem Teilzeitstudium abschrecken. Er vermutet, die Uni scheue bisher den Aufwand und lasse die Studierenden deshalb im Unklaren über das Teilzeitstudium. Die FU sieht das anders. Man habe zuerst die Rahmenstudien- und Prüfungsordnung (RSPO) verabschieden müssen, sagt ein Präsidiumssprecher. Nun würden die entsprechenden Regelungen zum Teilzeitstudium überarbeitet. Die genaue Ausgestaltung des Studiums in Teilzeit obliege jedoch den einzelnen Fachbereichen, wo sich Betroffene individuell beraten lassen könnten und sollten. Obwohl der Asta die Initiative der Uni begrüße, sollte man sich nicht zu früh freuen, so Bahrt. Der Druck, den sowohl die Studierenden als auch der Berliner Senat ausgeübt haben, habe sicher auch eine Rolle gespielt. Möglich sei aber auch, dass Präsident Peter-André Alt auf diesem Wege im Vorfeld seiner Wiederwahl im Mai kritische Stimmen habe besänftigen wollen, so der Asta-Referent. Noch ist die Neuregelung der Satzung nicht beschlossen. Dem Präsidium zufolge werde der Akademische Senat noch in diesem Semester die Änderungen beschließen. Dann wird sich zeigen, ob danach mehr Studierende das Angebot in Anspruch nehmen werden. Mareike Edler studiert Politikwissenschaft in Vollzeit, ist sich aber nicht sicher, ob sie damit auf 35 Stunden die Woche kommt.
Illustration: Robin Kowalewsky
Politik
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Für Schotten ist der Kampf um die Unabhängigkeit auch eine Sache der scheinbar verschiedenen Charaktere
»Wir sind wilder als die Engländer« Bald stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit ab. Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die Studierenden. Kirstin MacLeod hat während ihres Erasmussemesters Meinungen eingefangen.
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ilas McGilvray ist ein Ausnahmestudent. Zwar zählte der 21-jährige Politikstudent nicht zu den Besten seines Jahrgangs, als er vor Kurzem von der University of Edinburgh sein Bachelorzeugnis bekam. Dennoch ist er eine Seltenheit: Silas ist Schotte – und damit an der Uni der schottischen Hauptstadt eine Rarität. »In meinem Fach sind mehr als zwei Schotten pro Kurs eine Seltenheit«, sagt Silas. Die Gründe dafür seien vielfältig: Edinburgh sei eine international ausgerichtete Uni und sein Fach »Internationale Beziehungen« besonders anziehend für ausländische Studierende. »Vor allem aber liegt es am britischen Bildungssystem«, erklärt er. Das erlaube zwar den einheimischen Schotten und allen Erasmus-Studierenden umsonst in Edinburgh zu studieren. Engländer und sogenannte »overseas students«, die aus dem Nicht-EU-Ausland stammen, müssen hingegen zahlen. Die Anzahl der Studienplätze für nichtzahlende, einheimische Studierende ist daher geringer. Das könnte sich bald ändern. Denn den Schotten steht am 18. September ihre bisher größte politische Entscheidung bevor: das Referendum über eine mögliche Unabhängigkeit vom Rest des Vereinigten Königsreichs. Eine Studie der University of Edinburgh deutete jüngst an, dass es im Falle der Unabhängigkeit zu Änderungen im bisherigen System der Studiengebühren an schottischen Unis kommen könnte. Zwar befürwortet die schot-
tische Regierung prinzipiell die Beibehaltung der Gebührenfreiheit für Schotten und EUMitglieder, so wie es die Unterstützer der Unabhängigkeit wollen. Langfristig sei dies der Studie zufolge aber nicht tragbar, da bei einer steigenden Anzahl schottischer Studenten Finanzierungslücken entstehen könnten. Daneben argumentieren die Referendumsgegner, dass das bisherige System – Engländer zahlen 9000 Pfund, Schotten nichts – infolge eines erfolgreichen Referendums gegen EURecht verstoßen würde. Daher könnten auch im Fall der Unabhängigkeit für Schotten Studiengebühren erhoben werden. Silas ist trotzdem Befürworter des Referendums, Schottland und der Rest des Vereinigten Königreichs seien einfach zu verschieden. »Ich fühle mich schottisch, aber nicht britisch, da gibt es eindeutig Unterschiede«, sagt er. So wie Silas sieht es auch die Scottish National Party (SNP). Einer der Hauptgründe für die Forderung nach Unabhängigkeit sei vor allem der Eindruck, in Westminster zu wenig repräsentiert zu werden, erklärte jüngst ein Parteisprecher. Darüber hinaus geht dem politischen Konflikt der jahrhundertelange Prozess der »Scottish Devolution« voraus: der Streit, ob Schottland durch ein schottisches Parlament innerhalb des Vereinigten Königreichs repräsentiert werden soll – der derzeitige Zustand – oder ob eine vollständige Unabhängigkeit nötig ist – das Ziel im Falle einer Unabhängigkeit im September.
Der separatistischen »YES«-Kampagne der SNP steht im Wahlkampf die »Better Together«-Kampagne gegenüber, der sich Sozialdemokraten und Konservative angeschlossen haben. Dass es besser ist, mit den Briten zusammen zu bleiben, findet auch Silas’ Kommilitonin Amna Hayat. Die 21-Jährige stammt aus Pakistan und sieht das Referendum skeptisch, obwohl sie seit einem Jahr für die SNP arbeitet. »Ich kann die Position einiger Schotten nachvollziehen«, sagt sie. »Ich sehe aber einfach nicht die Notwendigkeit zur Abspaltung. Gerade wirtschaftlich könnte das Schottland Probleme bereiten.« Silas kennt diese Argumente. Umstimmen werden sie ihn aber nicht. Für ihn ist und bleibt die Frage nach der Unabhängigkeit Schottlands eine emotionale: Wer an die Briten denke, habe automatisch einen reservierten Gentleman der englischen »Upperclass« vor Augen. »Nicht, dass die Engländer nicht freundlich wären«, sagt Silas. »Aber wir Schotten sind offener, herzlicher, netter – und vielleicht auch ein bisschen wilder.«
Kirstin MacLeod ist Halb-Schottin, was einzig ihr Name verrät. Denn ihr Akzent sei alles nur, nicht schottisch: Taxifahrer waren jedenfalls der festen Überzeugung, sie sei Süd-Afrikanerin. Foto: Dave Conner
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Campus
P.S. Wann skypen wir? Fürs Studium in eine andere Stadt, ein Auslandssemester in Peru und ein Praktikum in Amsterdam. Mobilität, Flexibilität und Unabhängigkeit prägen das Leben einer ganzen Studentengeneration. Auch in der Liebe. Von Friederike Oertel
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in Klick auf die grüne Telefontaste. Ein dumpfes Klingeln. Ein saugendes Geräusch. Wenn das vertraute Gesicht ihres Freundes auf dem Bildschirm erschien, dann wurden für Anne aus den rund 10.000 Kilometern zwischen Deutschland und Südamerika für kurze Zeit 30 Zentimeter. Skypen gehörte für die FU-Studentin lange zum Alltag: Bis vor kurzem führte sie mit ihrem Freund Alejandro aus Peru eine Fernbeziehung. Anne ist nicht allein: Schätzungen einer Studie der Cornell University zufolge wird die Liebe auf Distanz für ein Viertel der Studierenden früher oder später zur Realität. Mobilität, Flexibilität und Unabhängigkeit sind die Schlagworte einer ganzen Generation geworden – und das Motiv vieler Fernbeziehungen. Ob Studium, Praktikum oder Auslandssemester, Studierende von heute sind längst nicht mehr so an ihre Heimatstadt gebunden wie noch vor gut 25 Jahren. Laut einer Statistik des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) verbrachten 1988 lediglich 657 Studenten über das Erasmus-Programm einen Teil ihres Studiums im Ausland. Im Jahr 2013 waren es bereits rund 35.000 Teilnehmer. Die FU gehört zu den deutschen Universitäten, die die meisten Studenten ins Ausland schicken. Die Zahl der entsendeten Erasmus-Teilnehmer stieg im vergangenen Jahr auf 564. Die Anfang 20-Jährigen studieren in den Metropolen der Welt, machen Praktika, ler-
nen sich kennen, und sie verlieben sich. Für viele ist es unerlässlich, immer wieder für kürzere oder längere Zeit den Wohnort zu wechseln. Das sei mitverantwortlich dafür, dass »viele studentische Paarbeziehungen einen transitorischen Charakter haben«, glaubt auch Hans-Werner Rückert, Leiter der psychologischen Beratung der FU. Auch Anne hat ihren Freund während eines Auslandsaufenthaltes kennengelernt. »Über zwei Jahre hinweg bin ich danach immer wieder für mehrere Monate nach Peru gereist«, erzählt sie. Das bedeutete Jobben und Fernarbeit. Doch irgendwann wollte Anne ein Studium aufnehmen. Da die Möglichkeiten in Deutschland besser schienen, hieß es für sie: Koffer packen und sich um eine gute Internetverbindung bemühen. Denn für beide war zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Distanz keinen Trennungsgrund darstellt. Rückert erklärt: »Tatsache ist, dass eine gewisse Mobilität unter Berufsanfängern schon irgendwie erwartet wird und auch karriereförderlich ist.« Auch Studierende, die es nicht in die Ferne zieht, müssen fürs Wunschstudienfach oft umziehen. Wer keine Auslandssemester und keine Praktika vorweisen kann, hat schlechtere Karten auf dem Arbeitsmarkt. Und so nehmen insbesondere junge Akademiker für die Diplomarbeitsstelle oder den ersten Arbeitsplatz eine Fernbeziehung in Kauf. Doch nicht nur die Anforderungen des Arbeitsmarktes begünstigen die zunehmende Zahl der Fernbeziehungen. Auch die Möglichkeiten, eine Beziehung auf Distanz am Leben zu erhalten, sind besser als je zuvor. Mit dem Billigflieger kommt man für 30 Euro von
Berlin nach Mailand, mit der Mitfahrgelegenheit für 10 Euro nach Hamburg. »Auch in Bezug auf die Kommunikationsmöglichkeiten hat sich in den letzten Jahren unglaublich viel verändert«, ergänzt Rückert. In Zeiten von Facebook, WhatsApp und Skype ist es nicht schwer, über Ozeane und Ländergrenzen hinweg Kontakt zu halten, ohne sich dabei Gedanken um schwindelerregende Telefonkosten machen zu müssen. Keine Frage, die neuen Technologien haben die Liebe auf Distanz erträglicher gemacht. Anne und Alejandro haben im Laufe ihrer Fernbeziehung jeden Tag geskypt. »Für mich war diese Kommunikation wahnsinnig wichtig. Durch den täglichen Austausch konnten wir trotz der Ferne ein Stück unseres Lebens teilen. Hätte es den häufigen Kontakt
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nicht gegeben, dann hätten wir uns vielleicht auseinandergelebt«, sagt sie. Trotzdem bleibt es schwierig, eine Beziehung hauptsächlich mit Telefonaten aufrecht zu erhalten. Skype kann zwar Entfernungen überbrücken, aber körperliche Nähe nicht ersetzen. Rückert betont, dass die Distanz auf Dauer Belastungen mit sich bringe, die der Beziehung schaden. »Jede Fernbeziehung braucht mittelfristig eine gemeinsame Perspektive.« Das belegt auch die Statistik: Nach durchschnittlich drei Jahren Fernbeziehung steht ein Paar vor der Entscheidung – Trennen oder Zusammenziehen? Entfernung auf begrenzte Zeit kann sich zwar positiv auf die Beziehung auswirken – schließlich wird beiden Raum für Selbstverwirklichung gegeben und das Beisammensein erhält einen höheren Wert. Doch auf Dauer, sagt Rückert, »wünschen sich die meisten Menschen eine Art alltäglicher Verbindlichkeit, ein Teilen des Alltages.« Fernbeziehungen, so ist es meistens, scheitern entweder oder werden irgendwann zu Nahbeziehungen. Aber vielleicht ist die zunehmende Mobilität unter Studierenden nicht nur Auslöser, sondern auch Motiv für die steigende Zahl der Fernbeziehungen: Wer mit so viel
Freiheit und Millionen von Möglichkeiten konfrontiert wird, sucht eine Bindung, die Halt gibt und zugleich dem Mobilitätsanspruch genügt. Das zeigt sich im Festhalten an der Liebe trotz räumlicher Trennung. Anne formuliert das so: »Wenn Liebe Distanz und erschwerte Umstände überwinden kann, dann bindet das und gibt Sicherheit.« Mittlerweile haben sie und Alejandro den Sprung von der Fernbeziehung ins Zusammenleben geschafft. Nachdem sie mehrmals über Monate hinweg nach Peru reiste, ist ihr Freund nun zu ihr nach Deutschland gekommen. Doch auch hier galt es Hürden zu überwinden: Sein Studenten-Visum wurde trotz aller Bemühungen abgelehnt. »Als er mir das per Skype erzählte, ist für mich eine Welt zusammengebrochen«, erinnert sich Anne. »Die Beziehung aufzugeben war für uns beide unvorstellbar. Doch auch von Fernbeziehung hatten wir die Nase voll.« Und so haben die beiden Nägel mit Köpfen gemacht. Sie haben geheiratet. Friederike Oertel hat selber Auslandsaufenthalte in Australien, Spanien und Chile hinter sich. Zwar war der Abschied immer schwer, einen festen Freund jedoch musste sie noch nie zurücklassen. IIlustration: Friederike Oertel
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Campus
Nachts in der Uni Herzklopfen, ein Brautpaar, eine Weggefährtin: Wer die Uni um 22 Uhr verlässt, verpasst was. Margarethe Gallersdörfer verbrachte eine Nacht in der Finsternis der Rost- und Silberlaube. 22.00 Die Nacht hat begonnen, ich laufe die J-Straße entlang. Ist das gruselig hier. Der Wind pfeift, die Lüftung röchelt, ständig klickt es irgendwo. Außerdem ist es – natürlich – dunkel. Die einzige Lichtquelle sind die Notausgangsschilder. Die sorgen allerdings für die Art von grün-weißlicher Horrorfilmbeleuchtung, bei der mir völlige Dunkelheit lieber wäre. Wenn jetzt irgendwo ein kleines Mädchen auftaucht, schreie ich. 22.30 Mir ist eingefallen, dass ich zu alt bin für solchen Quatsch. Nackte Angst mischt sich mit der Freude, hier ganz alleine zu sein. Ich tanze in der K-Straße zu »Happy« von Pharrell Williams. Apropos »room without a roof«: Schön wär’s. Die Decken wirken noch niedriger als tagsüber. Die eigentlich riesige Rost- und Silberlaube (ich nenne sie ab jetzt »Rosi«, das hätte schon längst jemand tun sollen), schafft es, nachts eine klaustrophobische Atmosphäre zu erzeugen. Ein rotes Licht leuchtet im Erdgeschoss an allen Türen, die ins Freie führen. Sie lassen sich öffnen, aber dann wird bei den Wachmännern ein Alarm ausgelöst. Lieber nicht. 22.45 Ich finde eine begehbare Dachterrasse in der Straße JK 27. Jemand hat mit einem Stock dafür gesorgt, dass die Tür nicht zufällt. Ich atme durch. Was für eine Schnapsidee, eine ganze Nacht in der Uni zu bleiben, alleine. Ich beschließe, Menschen zu suchen. In zwei Büros ist es noch hell – doch ich werde enttäuscht. Bewohner von JK 27/211 und 238: Wie wär’s mit Licht ausmachen? 23.15 Tanzende Menschen. Sie hüpfen, sie jubeln, sie haben Spaß. Und ich kann nicht zu ihnen, denn die Türen zum Mensafoyer sind verschlossen. Ich stehe im ersten Stock der L-Straße und gucke wie Aschenbrödel auf die hell erleuchteten Fenster des »Galileo«, dem Restaurant über der Mensa. Sie sind so nah und doch so … tanzt da ein Teletubbie? Egal wie – ich muss hin! 23.30 Der Chef des Galileo schiebt eine dreistöckige, magentafarbene Hochzeitstorte aus der Küche: Die Teletubbies tan-
zen zu Ehren von Melina und Daniel. Der Chef raunt mir zu, die Verkleidungen seien eine Hommage an die Lieblingssendung des Brautpaars. Die beiden sind 18 und 22 Jahre alt. Das erklärt einiges. Viel Glück! 0.00 Der Wachmann, den ich angefleht habe, mich rauszulassen, lässt mich auch wieder hinein. Beschwingt laufe ich durch die K-Straße und sehe erneut ein erleuchtetes Fenster. Ich starre hinüber. Noch ein Stromsünder? Nein, hinter dem Monitor reckt sich jemand! Mein Herz schlägt schneller. Ich bin doch nicht allein! 0.15 Nach drei Anläufen klopfe ich an die richtige Tür. Marie, die eigentlich anders heißt, schließt vorsichtig auf. Sie guckt mich an und fragt: »Dein Ernst?« Ich antworte: »Mein Ernst!« Es ist Liebe auf den ersten Blick. Ich ziehe sofort bei ihr ein. Wir sind den Rest der Nacht unzertrennlich. 1.15 Marie redet wie ein Wasserfall, das macht die Einsamkeit. Sie studiert eigentlich woanders, rechnet aber in der Rosi mit speziellen Programmen für ihre Masterarbeit. Meistens nachts, da muss sie nicht arbeiten. Die Studierenden tagsüber empfindet sie inzwischen als Fremdkörper: »Ich denke immer: Ihr wisst nicht, wie es hier wirklich ist«, sagt sie. »Ihr habt noch nie hier geschlafen.« Manchmal, sagt Marie, höre sie nachts Schritte in einen Gang gehen, der eine Sackgasse ist. Schritte, die nicht zurückkommen. 3.30 Wir sind auf eine Eckcouch meines Vertrauens umgezogen. Marie hat den Kopf auf meinen Mantel gebettet. »Ich bin so glücklich«, murmelt sie, halb im Traum. Das arme Ding schläft sonst unter einem Tisch im Büro. 4.49 Ich stehe auf der Dachterrasse des »Café Pi« und sehe der Sonne nicht beim Aufgehen zu – das ekelhafte Zedat-Hochhaus versperrt ihr den Weg. Dafür ist der Himmel über mir blau mit vereinzelten Wolken. Amseln führen lautstarke Dialoge. Und irgendwo auf dem Campus klopft tatsächlich ein Specht. Die Nacht ist vorbei.
Margarethe Gallersdörfer studiert AVL und verbringt gerade ihr letztes Semester an der FU. Der Gedanke, Rosi nicht mehr täglich zu sehen, macht sie jetzt schon sentimental. Foto: Christoph Spiegel
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Kinder, Kita und Klausuren Studieren mit Kind? Viele stellen sich das unfassbar schwer vor. Doch rund sieben Prozent aller Studierenden in Deutschland meistern das täglich. Lior Shechori traf eine von ihnen.
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ontagmorgens, 8.30 Uhr. Steffi verlässt das Haus. Während die meisten Studierenden noch schlafen, ist sie schon seit mehr als einer Stunde wach. Die 27-jährige Kulturanthropologin ist Vollzeit-Studentin und Mutter zweier Töchter. Vor der Uni noch zum Kindergarten, das gehört für sie zum Alltag. Jeden Morgen bringen Steffi, die eigentlich anders heißt, und ihr Freund, ebenfalls FU-Student, die Kinder zum Kindergarten in der Nähe der Uni. Selbstverständlich ist das nicht: Einen Platz in der vom Studentenwerk betriebenen Kita haben sie nicht bekommen. »Ich sollte den Platz ein Jahr im Voraus beantragen. Das fand ich hart«, sagt Steffi. Das Problem mit der Uni-Kita ist symptomatisch für ein viel größeres. »Die Betreuungsplätze in Berlin reichen nicht aus. Einen zu bekommen ist oftmals
mit viel Glück verbunden«, erklärt Sabrina Kusch, zuständig für Studierende mit Kind im Familienbüro der FU. 9 Uhr. Die Kinder sind untergebracht, jetzt beginnt ihr Tag. Steffi geht zu ihren Seminaren und zwischendurch in die Bibliothek, um zu lernen. Zeit für ihre Freunde hat sie dazwischen nicht. »Ich muss diszipliniert sein«, sagt sie. »Früher konnte ich Aufgaben immer aufschieben. Das geht jetzt nicht mehr.« Mit 22 erfuhr Steffi von ihrer Schwangerschaft und bekam Angst. Sie befürchtete, ihr Studium hinschmeißen zu müssen. Diese Sorge hat sich mittlerweile gelegt. Denn die FU erleichtert ihr die Zeitorganisation. So hat sie etwa bei der Platzverteilung von teilnahmebeschränkten Seminaren Vorrang. Steffi wäre es jedoch noch lieber, wenn bestimmte Veranstaltungen keine Anwesenheitspflicht hätten – »einfach, weil die Zeit so knapp ist.« 16 Uhr. Steffi und ihr Freund holen ihre Töchter von der Kita ab. »Weil wir beide studieren, können wir viel gemeinsam machen«, sagt sie. »Wir frühstücken zusammen, bringen die Kinder in die Tagesstätte und holen sie dann auch zu zweit wieder ab.« Danach ist mit Lernen normalerweise Schluss. Den Nach-
mittag verbringen sie mit Spielen, Malen oder Puzzeln. »Ich finde es schön, dass vormittags jeder etwas für sich macht und danach freuen wir uns aufs Wiedersehen«, sagt Steffi. Arbeiten müssen sie und ihr Partner zurzeit nicht. Finanziell unterstützt werden sie zum Großteil von ihren Eltern. Zudem bekommen Studierende mit Kind bis zu 14 Monate Elterngeld. Danach können sie Bafög beantragen. 22 Uhr. Ihre zwei Mädchen ins Bett zu bringen, hat wieder lange gedauert. Die Kleine wollte noch etwas trinken, die Ältere musste noch einmal aufs Klo. Viel Zeit für Freunde, Party oder fürs Kino bleibt nicht, wenn man Studium und Familie vereinbaren will. »Mir fehlt es manchmal, meine Freunde öfter zu sehen. Aber ich finde schon die Zeit, sie auf einen Kaffee zu treffen«, sagt Steffi. »Seit ich eine Familie habe, habe ich andere Prioritäten.« Trotz vieler Hürden genießt sie das studentische Familienleben. Steffi will auf jeden Fall noch einen Master machen, danach kommt die Jobsuche. Alles genauso wie bei Studierenden ohne Kinder also. Anderen, die mit einer ähnlichen Situation konfrontiert werden, rät Steffi deshalb, sich keine Sorgen zu machen. »Es gibt keine perfekte Zeit, Kinder zu bekommen.« Erst einmal solle man sich freuen, denn: »Kinder sind toll! Und das mit dem Studium klappt dann auch irgendwie.« Steffi beweist jeden Tag aufs Neue, dass der Spagat zwischen Familie und Studium möglich ist. Aber im Hörsaal möchte sie auch einfach mal Studentin sein. Deswegen wollte sie für diesen Artikel anonym bleiben.
Lior Shechori studiert Publizistik und Politikwissenschaften und findet Studieren mit Kind kein Ding der Unmöglichkeit mehr. Ihren Kaffee am Morgen zieht sie aber doch eher dem Gang zur Kita vor. Illustration: Gwendolyn Schneider-Rothhaar
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h c wo bin i hier gelandet? Willkommen im Zoo
Alles Geschmackssache
Sich mit den Szene-Nasen in Friedrichshainer Clubs rumtreiben kann jeder. Matthias Bolsinger ging an die Basis. Im »Maxxim« ist Feiern erfrischend ehrlich. Gut macht es das aber noch lange nicht.
Wo trockene Wissenschaft vorherrscht, muss Kreativität ersticken. So wie an der Freien Universität. Mathestudent Max Krause floh in inspirierendere Gefilde – und wurde von der Muse geküsst.
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ut your motherfucking hands up? Es ist noch schlimmer, als ich dachte. Zum zweiten Mal läuft Usher. »Yeah«. Eigentlich würde ich mich jetzt künstlich darüber aufregen. In diesem Zoogehege ist das aber noch die kleinste Peinlichkeit. Ich finde mich am sogenannten »Herrentag« in einer berüchtigten Proll-Diskothek in der Nähe des Kurfürstendamms wieder. Danke, liebe Redaktion! Als 16-Jähriger besuchte ich zu Hause eine Kleinstadt-Großraumdisse. Mit Elternzettel und so. Acht Jahre später erwarte ich hier also etwas nostalgische Gefühle – aber ich bin einfach nur fassungslos. Raubtierfütterung: Das Etablissement fährt eine Go-goNummer auf. Drei halbnackte Menschen auf dem Podest, an deren lustlosen Gesichtsausdrücken unschwer zu erkennen ist, dass sie sich die große Bühne etwas anders vorgestellt haben. Daneben sehe ich: Notgeile, filmende Teenager, denen Papi wohl »Youporn« gesperrt hat; einen Enddreißiger mit Trillerpfeife, der in seiner Freizeit bestimmt Barbie-Puppen waterboardet; die Mitgliederversammlung von McFit mit Kollegah-Gedächtnisfrisur und die vorletzte Kollektion von »New Yorker«. Dank ausreichend Wodka Energy im Kraftfutter setzt zu später Stunde schließlich die Brunftzeit ein. Wo bleiben die Leute vom Discovery Channel? In der Zwischenzeit experimentiert der musikalische Pfleger bei einem Pitbull»Hit« ein bisschen zu viel mit dem Geschwindigkeitsregler. Ein spektakulärer Niveaulimbo folgt zwar dem nächsten. Doch in einer Stadt und in einer Zeit, in der sonst alles nur ironschabschätzig gefeiert wird, herrscht hier angenehme Ehrlichkeit. Hochwertiger macht dies das Spektakel leider trotzdem nicht. Guetta bleibt Guetta.
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nspiration liegt in der Luft. Ein Atemzug, und sie strömt tief in meine Lungen, eine Diffusion in meine Blutbahn, dann erreicht sie mein Gehirn – alles im Bruchteil einer Sekunde. Dieser Ort fließt über vor Kreativität, ja, dieser Ort ist Kreativität. Nein, ich befinde mich nicht in einer Szenekneipe in Mitte. Stattdessen wandle ich hier in den Gängen der Universität der Künste (UdK) und trete in die Fußstapfen der Größten: Felix Mendelssohn Bartholdy, Käthe Kollwitz, Thomas Mann. Diese Mauern sind durchtränkt mit künstlerischem Genie. Wo an der FU schnöde Plakate die Wände verunstalten und die grauen Gänge höchstens von politisch bewegten Kommilitonen bunter gestaltet werden, zeigt sich der Kuss der Muse an der UdK bereits in der Wandelhalle. Anstelle von politischer Propaganda hängen hier die Werke aufstrebender Künstler an den Wänden: Eine Serie von Porträts, alle durch verschiedene Objekte entfremdet. Eine Melange aus Metallstreben, Flutlichtern und anderem Baustellenutensil, dessen Bedeutung so tief liegt, dass mein beschränkter Geist sie nicht zu fassen vermag. In einem Seitenflügel lasse ich mich nieder. Gibt es an der FU nur kahle, kalte Flure, sind die Mauern hier in einem warmen Weiß gehalten, perfekt ergänzt durch das sanfte PVCGrau des Bodens. Zu meiner Seite ein Streifen schwarzer Farbe, der zu den Rändern hin ausfranst und so das Chaos des Universums feiert. Mir gegenüber die Frontalbetrachtung eines Seemanns, der sein übergroßes Gemächt präsentiert. Die ganze Komplexität von Geschlechterfragen – festgehalten mit wenigen Pinselstrichen. Kein Zweifel: Wer hier studiert, ist mehr als bereit, Großes zu schaffen. Ich bin es nicht, fürchte ich. Naja, Kunst bleibt eben Geschmackssache. Und meinen trifft die UdK nicht.
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Eine Berliner Pflanze Acht Jahre lang war Hans-Jürgen Papier Deutschlands oberster Richter. Seine ersten juristischen Schritte machte er an der FU. Mara Bierbach und Matthias Jauch haben ihn getroffen.
ewiger ehemaliger
Richter Hans-Jürgen Papiers juristische Laufbahn begann an der FU
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ätte Hans-Jürgen Papier auf den Studienberater der FU gehört, würde ihn heute wohl niemand kennen. 1962 schlug der ihm vor, Geschichte zu studieren. Mit diesem Fach hatte Papier nach dem Abitur zunächst auch geliebäugelt. Trotzdem entschied er sich für Jura – und legte damit den Grundstein seiner Karriere, die 2002 mit der Ernennung zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ihren Höhepunkt erreichte. Papier, heute 70 Jahre alt und in München noch immer Jura-Professor, ist gebürtiger Berliner. Er wuchs in Mariendorf auf, im Süden West-Berlins. Auch während seiner Studienzeit an der FU wohnte er bei seinen Eltern, in den Ferien half er im Tabakgeschäft von Verwandten aus. Der Beruf des Richters reizte ihn seit Beginn seines Studiums. »Dinge etwas distanzierter zu betrachten, nicht so emotional«, das habe ihm immer gelegen, sagt er. Papier spezialisierte sich auf öffentliches Recht, besonders Grundrechtsfragen interessierten ihn. Von allen Rechtsgebieten sei dies damals das anspruchsvollste gewesen. »Da konnten Juristen noch rechtsschöpferisch tätig werden«, erklärt er. »In der jungen Bundesrepublik war das allgemeine Verwaltungsrecht noch nicht kodifiziert, vieles war noch nicht abschließend geregelt.« Sein prägendster Lehrer wurde bald Karl August Bettermann, damals
ein Aushängeschild der FU und eine Jura-Koryphäe. Ein Professor, der auch schon einmal 80 Prozent eines Jahrgangs durch eine Klausur rasseln ließ; ein Umstand, der für Jura symptomatisch sei. »Man wird in dem Studium nicht durchgängig aufgebaut«, sagt Papier. »Die Rückschläge und Enttäuschungen sind teilweise groß. Die gab es auch bei mir.« Doch Papier war ehrgeizig. Der Ruf Bettermanns schreckte ihn nicht ab. Um an dessen berüchtigten »Berliner Seminar« teilnehmen zu können, musste er bei Bettermann persönlich vorsprechen – und wurde angenommen. Wöchentlich referierte ein Teilnehmer zu einem Thema über die Grundrechte. Teilweise wurde bis tief in die Nacht diskutiert, erst im Seminarraum, später dann im Alten Krug. Anwesend waren oft nicht nur Studenten, sondern auch die juristische Elite Berlins, die nicht selten harsche Kritik und scharfe Fragen einwarfen. »Das war eine harte Schule«, sagt Papier. »Es gab Studenten, die sind über die ersten drei Sätze ihres Referats nicht hinaus gekommen, die wurden gleich unterbrochen. Einige sind dort gescheitert.« Wer durchhielt, schaffte es in späteren Jahren nicht selten in die obersten Ränge der Justiz: Im »Berliner Seminar« der 1960erJahre saßen neben Papier auch Persönlichkeiten wie der derzeitige Präsident des Europäischen Gerichtshofes, Vasilios Skouris.
Sein erstes Referat hielt Papier über »die allgemeinen Gesetze als Schranken der Grundrechte«. Später stellte Papier seine Doktorarbeit vor: »Da musste ich aufpassen, dass die Dissertation nicht schon vor dem Erscheinen zerrissen wird.« Heute ist Papier froh, sich gegen den Vorschlag der Studienberatung entschieden zu haben. Bis zur bestandenen Habilitation 1974 blieb er in Berlin, erlebte auch die Proteste der 68er, wegen denen teilweise wochenlang Vorlesungen ausfielen. »Im Grunde bin ich akademisch ’ne richtige Berliner Pflanze«, sagt er, und plötzlich klingt sein sonst gestochen scharfes Hochdeutsch auch ein bisschen Berlinerisch. Die FU habe seine juristische und akademische Laufbahn nachhaltig geprägt. »Die Grundrechte haben mich immer fasziniert«, sagt er heute, vier Jahre nach seiner Pensionierung. »Das wurde damals in Berlin geboren.«
Matthias Jauch und Mara Bierbach beenden gerade ihr Studium. Verfassungsrichter werden die beiden Geisteswissenschaftler wohl eher nicht. Foto: Mara Bierbach
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Kultur
Lydia Dimitrow gibt dem Kitsch seine Berechtigung zurück
Kitsch ist für die Ewigkeit Mit »I Love Italy and Italy Loves Me« ergründet Lydia Dimitrow am bat-Studiotheater in Prenzlauer Berg die Kraft verklärter Liebe. Die Dramaturgin beweist, dass Kitsch zeitlos ist. Alfonso Maestro traf die FUStudentin zum Gespräch. FURIOS: Wie bezeichnet man jemanden, der Songs, Szenisches, Lyrik, Prosa und Übersetzungen anfertigt und mit »Lauschgift« regelmäßig eine Lesereihe im Kurt Lade Klub organisiert? Lydia Dimitrow: Ich hab da so einen Spleen: Weil ich noch keine eigenständige Veröffentlichung habe, sage ich nie, ich sei Autorin. Weil ich bisher nur mit Magali Tosato gearbeitet habe, sage ich nie, ich sei Dramaturgin. Weil ich aber einen Roman übersetzt habe, »Bestseller« von Isabelle Flükinger, sage ich: Ich bin Übersetzerin aus dem Französischen, die schreibt und ab und zu mit einer Regisseurin zusammen arbeitet. Wieso studierst du dann Literaturwissenschaft hier an der FU? Das Studium hilft dabei. Viele sagen: Je mehr man forscht, desto schlechter schreibt man. Das ist bei mir nicht so. Alles was ich für meine Theaterarbeit mitbringe, habe ich im Studium gelernt – zum Beispiel, mich mit richtig schwierigen Texten auseinanderzusetzen. So konnte ich 2011 Heiner Müller inszenieren. Das Studium gibt mir das Handwerkszeug, das ich für meine kreative Arbeit brauche. Mit 14 Jahren bekamst du einen Literaturpreis vom »Tagesspiegel« und wurdest
seitdem immer wieder für Stipendien und Workshops ausgewählt. Die Anerkennung fördert anscheinend deine Produktivität. Ein bisschen wie ein Wunderkind aus einem Wes-Anderson-Film, oder? Höchstens wenn ich dazu noch Cello spielend Landesmeisterin im Fechten werde! Ich fand es anfangs einfach lustig, mir Geschichten auszudenken und Stile zu imitieren. Irgendwann hat sich das Schreiben verselbstständigt. Ich würde es so formulieren: Es macht nicht immer Spaß, aber es tut gut. Es ist ein Teil von mir. Das »Treffen Junger Autoren« bei den Berliner Festspielen 2004 war für mein Schreiben eine sehr wichtige Etappe. Außer meiner Eltern wusste damals niemand, dass ich schreibe. Eingeladen zu werden war unglaublich. Da haben plötzlich Menschen gesagt: Mach das weiter. Ich glaube, ich brauche Anerkennung insofern, als ich anderen etwas geben will. Ohne dass jemand danach fragt, übersetzt man keine 400 Seiten. Zumindest ich nicht. Als Dramaturgin des bat-Stücks »I Love Italy« verarbeitest du die Geschichte der 60-jährigen italienischen Ehe von Imperia und Gianni – den Großeltern deiner Regisseurin. Es ist gewagt, eine vertraute Biographie als Kitsch zu präsentieren.
Ich weiß nicht, ob ich über meine eigenen Großeltern schreiben könnte, ob ich genug Abstand hätte. Ich habe mit Magali Tosato gemeinsam geschrieben, dabei kam die Vorlage für meine Arbeit stets von ihr und ich war froh, dass sie diese Schwelle übertreten musste. Außerdem habe ich durch die endlose Sichtung des Videomaterials, das sie von ihren Großeltern gesammelt hat, nur Figuren gesehen und keine real existierenden Personen. Interessiert hat uns, wie die beiden ihre Geschichte erzählen und wie sie ihre Lebensentscheidungen begründen. Den Entwurf eines »kleinen Lebens« mit Gartenhaus und Ehering wollten wir mit der Kitsch-Umsetzung nicht degradieren. Wir wollen damit gerade auf einen scheinbaren Widerspruch hinweisen: Obwohl es so weit weg von uns zu sein scheint, sehnt man sich manchmal nach so einem Leben.
Alfonso Maestro – schaut dir gerade in die Augen.
Foto: Christopher Hirsch
Kultur
Die Kunst des Scheiterns Endstation Studium? Klischees zufolge lockt die Filmwissenschaft verkappte Künstler an. Sie warten auf einen Durchbruch, der womöglich nie mehr kommt. Cecilia Fernandez traf zwei gescheiterte Filmambitionierte.
»A
uf einmal nichts mehr zu sein, ist schon krass.« Daniel Wachowiak denkt nicht mehr oft an jene Tage, als seine Rolle nach und nach aus der beliebten KiKa-Serie »Schloss Einstein« verschwand. Das Ende kam nicht unerwartet: Er wusste, dass er zu alt für die Kinderserie wurde. Immer seltener fand er seinen Namen in den Drehbüchern. Trotzdem – die Rückkehr in ein Leben ohne Fanpost und Fernsehstudio fiel ihm schwer. Die Schauspielkarriere des gebürtigen Babelsbergers begann im Kindergartenalter und führte über kleine Rollen in Serien und Filmen der Öffentlich-Rechtlichen zu »Schloss Einstein«. 2002 wurde Daniel zu »Leon« – der Figur, die ihm Autogrammwünsche einbrachte und wegen der er auf der Straße erkannt wurde. Auch heute noch sind Film und Fernsehen Daniels große Leidenschaft. Doch die Jobangebote bleiben aus. Stattdessen studiert er Filmwissenschaft und genießt es, sich tagtäglich mit seinen Lieblingsmedien beschäftigen zu können: »Das ist eigentlich ein Luxus«, sagt er mit dem für ihn typischen offenen Lächeln. Cindy Michel ging es bei der Wahl des Studienfaches ähnlich: »Ich wusste, ich schreibe gerne Drehbücher, ich spiele gerne Theater und fotografiere gerne – aber ich wusste nicht, was ich damit anfangen soll.« Auch sie hatte reichlich Praxiserfahrung gesammelt, ehe sie das Studium der Filmwissenschaft aufnahm. Sie schrieb, inszenierte und spielte Theater, drehte Kurzfilme und absolvierte ein Volontariat bei einer Lokalzeitung. Schließlich bewarb sie sich an verschiedenen Filmhochschulen, um Regie oder Drehbuch zu studieren. Für einen Platz reichte es nicht. Nach mehrfachen Ablehnungen entschied Cindy sich für das Studium an der FU: als Alternative zu den üblichen Wegen in die Filmbranche. Sie wollte »ihren Horizont erweitern« und »Geschichten durch Bilder und Worte beleben«, sagt sie und lacht über ihre pathetische Wortwahl. Bisher hat das Studium ihr den Weg in das ersehnte Berufsfeld
noch nicht geebnet. Die Dozenten seien teils genial, aber »eben als Wissenschaftler«, die Kurse theorielastig. »Das Studium ist auf eine akademische Karriere gemünzt«, bestätigt Daniel. Die ständige theoretische Behandlung der Kunstform, so beide, lähme zuweilen den kreativen Geist. »Aber viele der Studierenden wollen sich ja auch wirklich nur theoretisch mit dem Medium Film beschäftigen«, erklärt Cindy. Die Liebe zur Theorie teilt sie manchmal auch: »Die Wissenschaft gibt auch Ideen für Drehbücher oder Experimente.« Daniel stimmt ihr zu: Wer Filme analysiere, verstehe die Arbeit dahinter besser. »Die Theorie schult das Auge. Das ist auch viel wert.« Daniel konzentriert sich derzeit auf seinen Studienabschluss. Für die Schauspielkarriere hätte er zwischen Hausarbeiten und Klausuren auch gar keine Zeit. »Außer für eine gute Rolle beim Tatort, das wäre ein Traum«, sagt er grinsend. Für Cindy kommt Aufgeben nicht in Frage: »Das Leben ist doch dazu da, zu lernen und seine Träume zu verwirklichen.« Auch wenn sie mit ihrer Suche nach Gleichgesinnten unter den angehenden Akademikern wenig Erfolg verbuchen kann, ihre Leidenschaft und Zuversicht greift das nicht an. Als sie im Halbdunkel eines Neuköllner Cafés den Kopf an die Wand lehnt, ist in ihren Zügen noch etwas anderes zu lesen: Kampfgeist. Von Blauäugigkeit keine Spur.
Cecilia Fernandez scheitert selten, aber ungern. Zuletzt am Verfassen eines humorvollen Autorenkastentextes. Illustration: Gwendolyn Schneider-Rothhaar
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Kultur
Alex und Paul sorgen mit ihrem Ukulele-Medley für mächtig Stimmung
Theoretiker im Scheinwerferlicht Dank der Open Stage erfrischt pfiffige Praxis den theorielastigen Unialltag. Jeder darf sich auf der Bühne bewähren. Marie Halbich besuchte das Event im Café der Theaterwissenschaften.
I
m studentischen Café des Theaterwissenschaftlichen Instituts ist kaum noch ein Platz frei. Immer mehr Studenten drängen in den gemütlichen Raum mit der kleinen Bühne. Viele machen es sich mangels Sitzgelegenheiten auf dem Fußboden bequem – neben Stapeln von Getränkekisten in der einen und Bücherbergen in der anderen Ecke. Das kleine Café ist erfüllt von lautem Stimmengewirr; es herrscht eine entspannte Stimmung. Eine mit Kreide beschriebene Getränketafel verrät: »Open Stage – Heute 21 Uhr!« Einmal im Monat können sich Künstler hier im Theater-Café auf der Bühne austoben: ob Filme, Texte oder Musik, alles dürfen sie präsentieren. Seit vier Jahren gibt es die Open Stage schon, sie soll ein bisschen Leben in das manchmal theorielastige Theaterstudium bringen. Pharrell Williams’ »Happy« schallt durch das Café. Das Lied dient der Untermalung eines witzigen und professionell wirkenden Kurzfilms, den ein Student mit dem Laptop auf den Knien präsentiert und der beim Publikum großen Anklang findet. Ein anderer erkundigt sich vorsichtshalber, ob einer der Anwesenden aus Spandau kommt, bevor er mit der amüsanten Geschichte eines Jungen, der trotz der Warnung seiner Mutter zum ers-
ten Mal in diesen Bezirk fährt, für allgemeine Belustigung sorgt. Aber auch die musikalischen Acts kommen gut an: Einige Zuschauer stimmen sogar bei einem Mix bekannter Songs spontan mit ein. Als schließlich Ukulele auf Rock‘n’Roll trifft und die beiden Vortragenden sich voller Hingabe im Duett verausgaben, wippen alle begeistert mit. Wolf-Peter Arand ist ehemaliges Mitglied des Café-Teams und hat die Open Stage vor vier Jahren mitgegründet. Er freut sich, dass engagierte Studenten das Konzept bis heute weitergetragen haben. Ursprünglich wurde es ins Leben gerufen, um für das abseits des Trubels gelegene Theater-Café zu werben. Die Open Stage – für die kein Eintritt verlangt wird – sollte das Café also nicht nur für die Angehörigen des eigenen Instituts attraktiver machen, sondern auch Studierende anderer Fachbereiche anziehen. Doch nicht zuletzt inspirierte ihn auch der Wunsch nach Praxis zur Gründung der studentischen Probebühne: Angesichts der vorwiegend theoretisch ausgerichteten Studiengänge des Instituts, das neben der Theater- auch die Tanz-, Film- und Musikwissenschaft beherbergt, ist das wohl kaum verwunderlich. Arand – selbst Filmwissen-
schaftler – betont: »Wir hatten die Möglichkeit, was zu machen und wollten lieber diese Chance nutzen, als bloß theoretisch unterwegs zu sein. Die Chemiker sitzen auch nicht die ganze Zeit bloß da und theoretisieren, die gehen dann auch ins Labor und probieren es mal aus! Hier sind ganz viele kreative Köpfe – warum denen nicht eine Bühne geben?« Die Open Stage ist für die Vortragenden also letztlich das, was für den Chemiker das Labor ist: ein Experimentierraum für alle, die sich ausprobieren möchten. Es bedarf einzig und allein einer kreativen Idee und einer gewissen Portion Mut, denn am Ende einer jeden Darbietung zählt allein die Reaktion der Zuschauer. An diesem amüsanten und abwechslungsreichen Abend durchflutet schließlich frenetisches Klatschen das Café. Und zeigt: Das Konzept sorgt immer noch für Begeisterung.
Theorie trifft Praxis? Davon wollte sich Publizistik-Studentin Marie Halbich einmal selbst überzeugen und möchte die Open Stage von nun an nicht mehr missen. Foto: Marie Halbich
Wissenschaft
Wir sind großartig. Aber andere machen auch schöne Sachen. An dieser Stelle pflücken wir die besten Rubriken im Blätterwald und füllen sie mit unseren Inhalten. Folge V: »Studenten öffnen ihre Türen« aus Notiert von Friederike Oertel
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Foto: Christoph Spiegel
Herein!
»Mein Hinterhof ist die Zufahrt der Notaufnahme« Studenten öffnen ihre Wohnungstüren. Denise van Osch zeigt ihre Wohnung in einer Villa auf dem Gelände des ehemaligen US-Krankenhauses in Dahlem. Wie hat es dich hierher verschlagen? Ich bin Hauswächterin der Firma Camelot. Alte Gebäude sollen vor dem Verfall geschützt werden. Deshalb werden sie vermietet, bis sich ein Investor gefunden hat. Bewachung durch Bewohnung quasi. Was für Pflichten hast du als Hauswächterin? Wenn etwas kaputt geht oder wenn sich Fremde auf dem Gelände rumtreiben, dann müssen wir das melden. Ab und zu steht ein Fenster offen. Sonst
ist aber so gut wie noch nie etwas passiert. Was erinnert noch an das alte Krankenhaus? Der Weg zu meiner Wohnung ist die ehemalige Zufahrt zur Notaufnahme. Am Gebäude steht das auch noch fett in abgeblätterter Schrift dran. Und in unserer Wohnung in der Villa hängt an jeder Tür ein Schild mit der Aufschrift des jeweiligen Büros. Unsere Küche zum Beispiel war die Forschungskoordination. Besonders hässlich sind dort die Neon-Lampen an den
Decken. Aber sonst wohnen wir ganz normal. Was für Vorteile hast du? Zunächst ist der Preis einfach unschlagbar. Ich zahle 180 Euro Miete für eine 90-Quadratmeter-Wohnung mit Balkon und Garten. Und ich finde es einfach toll, mitten im Grünen zu wohnen. Hier hat man absolut seine Ruhe. Jetzt im Sommer kann man sogar kleine Füchse beobachten. Denise van Osch, 22, kommt aus Berlin und studiert VWL an der FU.
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Wissenschaft
#neuland
»Wir sind naiv ins Internet gestolpert« Massenüberwachung, NSA, Datenklau: Im Internet lauern viele Gefahren. Ein sicheres Netz gibt es nur mit Hilfe staatlicher Regulierung und neuartiger Computer, findet Sandro Gaycken. Fabienne Bieri und Lily Martin trafen den FU-Wissenschaftler und ehemaligen Aktivisten des Chaos Computer Clubs. FURIOS: Herr Gaycken, Sie haben Philosophie studiert. Wie sind Sie Computerspezialist geworden? Gaycken: Schon während meiner Promotion habe ich mich mit Technikforschung beschäftigt. Gleichzeitig war ich schon immer relativ eng verbunden mit dem Chaos Computer Club (CCC) – mit dem alten CCC, nicht dem jetzigen. Bei den Themen Cybersicherheit beziehungsweise IT-Sicherheit tummeln sich viele Philosophen. Die haben alle den gleichen Hintergrund wie ich: Sprachphilosophie. Computer sind sprachbasierte Maschinen. Unsicherheit entsteht, weil Computer sich gegenseitig oder den Kontext, in dem sie operieren, falsch verstehen oder durch Angreifer in solche Missverständnisse geführt werden. Jetzt forschen Sie am Institut für Computersicherheit. Sie sind der Meinung, wir alle sollten unsere Computer wegwerfen. Aber was ist denn so schlecht an der heutigen Technologie? Es ist alles lausig an unserer Technologie. Die Hardware ist lausig, weil wir nicht prüfen können, ob daran irgendwelche Hintertüren eingebaut wurden. Die Betriebssysteme sind lausig, weil sie tausende kritische Sicherheitslücken haben. Sie sind auch nicht in klaren Sprachen geschrieben, die Missverständ-
nisse oder nachträgliche Bedeutungsveränderungen ausschließen würden. Und nicht zuletzt haben alle installierten Anwendungen immer noch ein paar tausend Schwachstellen. Mein Ansatz ist: Weder versuchen, an den Firewalls der alten Geräte herumzubas-
FU-Wissenschaftler Sandro Gaycken
teln, noch die Überwachung intensivieren, sondern einen Schritt zurückgehen und den furchtbaren Müllhaufen an verwundbarer IT nicht mehr akzeptieren! Keine unsichere Hardware! Keine unsicheren Betriebssysteme! Keine unsicheren Anwendungen! Wir entwickeln alles nochmal neu. Die Idee ist, sehr kleine, einfach gestrickte Maschinen zu
entwickeln, in denen man nicht diesen Fortschrittsfanatismus verwirklichen muss. Einfache Geräte, die ich leicht kontrollieren, beherrschen und absichern kann. Sie hatten viel mit dem früheren CCC zu tun. Nun beraten Sie aber Regierungen und Unternehmen zu Sicherheitsfragen im Internet. Sogar die Bundeswehr. Widerspricht das nicht den staatskritischen Idealen des CCC? Das ist überhaupt kein Widerspruch. Ich bin ein großer Freund von Grundrechten, Freiheit, Datenschutz und Privatheit als oberstes Ideal. Genau wie die Mitglieder des CCC. Ich finde auch die Rolle des CCC als »Warner« und »Sensibilisierer« extrem wichtig. Ich hab nur meine Streitigkeiten mit dem Vorstand des Clubs. Das ist aber eher interne Machtpolitik. Der CCC denkt, dass jede Form der Regierung, der Polizei, des Militärs und des Nachrichtendienstes per se schlecht ist. Was der CCC nicht sieht, ist, dass wir in einer funktionierenden Demokratie mit einem rechtsstaatlichen Unterbau leben, und dass die Befürworter dieser Demokratie auch ein Interesse daran haben, diese Demokratie als solche zu betreiben. Ich will an der Ausgestaltung des Rechtsstaates arbeiten und dabei für den Bürger Sicherheit herstellen. Da sehe ich
Wissenschaft in keiner Weise, wie das »dunkel« oder »böse« sein soll. Stichwort Staat: Welche Rolle spielt er bei der Regulierung des Internets? Es gibt verschiedene Varianten des Internets, vom anarchistischen Internet, das die Aktivisten gerne hätten, bis hin zum total kontrollierten Netz, wie im Iran oder in Nordkorea. Die Variante, die ich am besten finde, ist das Internet der realen Freiheit, nicht der anarchistischen, wo jeder alles machen kann, was er will, und keiner bestraft wird. Du kannst auch nicht einfach rausgehen und jemanden abknallen, weil du gerade Lust darauf hast. Der Staat soll im Internet die gleiche Funktion haben wie in der Realität. Ich fordere also ein demokratisches Internet, in dem die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt sind und entsprechend Freiheiten offen gelassen werden. Was wäre ein konkretes Beispiel für Unsicherheit, vor der wir geschützt werden müssen? Eine große Unsicherheit, der wir momentan durch unsere IT ausgesetzt sind, ist die Unsicherheit in der Wirtschaft und damit die Gefährdung unseres Wohlstandes: Es wird wahnsinnig viel Industriespionage über unsere Rechner betrieben. Ein Beispiel sind Netzwerkkomponentenhersteller wie Cisco und Huawei: Mitarbeiter von Huawei sind vor circa acht Jahren bei Cisco virtuell eingebrochen, haben sich deren Baupläne geklaut und nachgebaut, nur ein bisschen billiger und schlechter. Jetzt ist das Produkt von einem schlecht zusammengestöpselten Klon zu einem Marktführer geworden.
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Müssen wir uns nicht auch vor Unternehmen wie Facebook schützen, die mit unseren privaten Daten Geld verdienen? Richtig! Diese Unternehmen müssen zu sehr viel höherer Transparenz angehalten werden. Das heißt: Wir wollen wissen, was die für Daten haben und was die damit machen. Um das zu erreichen, müssen wir fordern, dass die Daten auf deutschen Servern bleiben. Wenn der Datentransfer auf deutschem Gebiet stattfindet, sind es deutsche Daten, deutsche Gegenstände. Dort kann ich sie mit deutschem Recht regulieren und Informationen über die Daten erhalten. Also habe ich dem Bundestag empfohlen, die US-Unternehmen dazu zu verpflichten, unsere Daten nicht ins Ausland zu senden. Wenn die US-Unternehmen sagen: »Das passt nicht in unser Marktmodell«, dann müssen wir denen halt sagen: »Dann dürft ihr euch hier nicht mehr rumtummeln! Tschüss, Facebook!«
Zeitungsartikel, Lehrbücher, Beratungsfunktionen – Ihr Engagement ist groß. Was ist Ihr persönliches Ziel bei alledem? Ich finde, dass IT und Internet eine extrem große Gefahr für uns sind. Wir sind naiv ins Internet hinein gestolpert – teilweise wegen der Versprechen der IT-Unternehmen, teilweise wegen der Blauäugigkeit der Aktivisten. Die Idee, dass uns das Internet politisch befreit und eine Gegenöffentlichkeit herstellt, war eine schöne Utopie, die aber leider passé ist. Jetzt bewegen wir uns in eine Situation, in der das Internet unsere rechtsstaatlichen, demokratischen und politischen Freiheiten und unseren Wohlstand unterhöhlt. Dem würde ich gerne einen Riegel vorsetzen, der maximal freiheitlich und maximal sicher ist. Manche stellen das als Entweder-oder-Situation dar: entweder Sicherheit oder Freiheit. Ich finde, es geht beides.
Facebook darf man dann in Deutschland nicht mehr benutzen? Das ist doch Zensur! Ja, Facebook wird dann verboten. Die Forderung ist klar: Volle Einhaltung des deutschen Rechts, absolute Transparenz, oder ihr verlasst unseren Markt. Eine Zensur ist das nicht. Wenn ich Technologien habe, die potenziell gefährlich sind und die Grundrechte beeinflussen, dann bin ich dazu angehalten, sie zu kontrollieren. Wenn ich sie nicht kontrollieren kann, dann zeugt es von mehr Verantwortung, sie zu verbieten, als sie zuzulassen.
Fabienne und Lily studieren Politik und Kommunikationswissenschaften und Psychologie und haben einen etwas anderen Begriff von Freiheit und Sicherheit als Sandro Gaycken.
INFO Chaos Computer Club e.V. (CCC): Der CCC ist eine dezentral organisierte Hackervereinigung mit Standorten in verschiedenen deutschen Städten. Aktivitäten des Clubs sind umfangreich und reichen von Forschung bis zur Organisation von Treffen. Seine Grundprinzipien sind freie Bewegung und Datenschutz. er kämpft gegen Zensur im Internet. Webpräsenz: www.ccc.de ---------------------------------------------------Rechtsstreit zwischen Huawei und Cisco: 2002 klagte das US-amerikanische IT-Unternehmen Cisco gegen ein chinesisches Äquivalent Huawei wegen vermeintlicher Patentrechtsverletzung. Im Jahr darauf wurde die Klage fallen gelassen.
Foto: Lily Martin; Illustration: Robin Kowalewsky
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Wissenschaft
Geschichten aus dem Schweinedarm Würmer sind mehr als glibberige Wesen. Am Immunologie-Institut der FU wird erforscht, ob und wie der Schweinepeitschenwurm Krankheiten heilen kann. An der Charité wird der Parasit sogar schon an Menschen getestet. Von Valerie Schönian
E
twas, das mit Parasiten zu tun hat, kann nicht gesund sein – sollte man meinen. Ein Forschungsprojekt an der FU beweist das Gegenteil: Es beschäftigt sich mit dem Darm, dem Schweinedarm. Dort haust der »Trichuris suis«: drei bis vier Zentimeter groß, hellgelb bis weißlich, schlängelt er sich durchs Leben. Der Trichuris suis ist der Schweinepeitschenwurm. Ein Parasit. Und er soll Asthma, Multiple Sklerose und andere Autoimmunkrankheiten heilen. Das klingt erst einmal absurd, assoziiert man doch mit Parasiten gewöhnlich Übelkeit, Durchfall und andere Krankheiten. »Dabei begann das Problem, als Mama gesagt hat, wir sollen nicht mehr im Dreck spielen«, sagt Friederike Ebner. Sie arbeitet in der Abteilung Veterinärmedizin am Institut für Immunologie der FU und weiß: »Wir wachsen mittlerweile sehr steril auf, sodass wir wesentlich weniger natürliche Immunregulation haben.« Die Schweinepeitschenwürmer leben wie alle Parasiten von einem anderen Organismus, in diesem Fall vom Borstentier. Damit sie nicht abgestoßen werden, regulieren sie das Immunsystem ihres Wirtes – aus rein egoistischen Gründen also. Ganz nebenbei sorgen sie dafür, dass Krankheiten wie Asthma oder Multiple Sklerose bei ihrem Wirt nicht auftauchen. Das will sich die Wissenschaft im Kampf gegen diese Krankheiten zunutze machen. Dabei geht es um zwei Dinge: erstens darum, zu zeigen, dass die Würmer helfen und zweitens herauszubekommen wie. »Wir untersuchen die Substanzen, die von den Würmern im Darm ausgeschieden wer-
den«, erklärt Ebner. »Diese Proteine wollen wir charakterisieren und klonen, um die positive Wirkung der Würmer
nachahmen zu können.« Seit mehr als einem Jahr laufen diese und andere Studien rund um den Schweinepeitschenwurm am Immunologie-Institut. Vier Leute arbeiten mit den Würmern. Mehrere Schweine stehen ihnen zur Verfügung, in denen sie die Würmer heranzüchten. Die Wurm-Eier entnehmen sie dem Kot der Tiere, für die Würmer selbst muss alle paar Wochen ein Schwein geschlachtet werden. Nur so kommen die FU-Wissenschaftler an die lebenden Parasiten und deren ausgeschiedene Proteine, die sie für ihre Untersuchungen brauchen.
Der Grund dafür, dass Ebner und ihre Kollegen ausgerechnet mit Schweinen arbeiten: Die Parasiten werden von Menschen abgestoßen, bevor sie ihre Geschlechtsreife erreichen und können sich somit nicht endlos vermehren. Denn der Homo Sapiens ist für den Schweinepeitschenwurm ein »Fremdwirt«. Die Annahme ist, dass die Würmer auch beim Menschen das Immunsystem regulieren könnten, würde der menschliche Körper sie lassen. In einigen klinischen Studien hat sich das bereits bestätigt. »Wir wissen, dass die Eier der Schweinepeitschenwürmer beim Menschen positive Auswirkungen auf Darmerkrankungen wie Morbus Crohn haben können. Bei anderen Krankheiten wie Asthma laufen die Untersuchungen noch«, sagt Ebner. Unter anderem an der Charité: Dort bekommen Patienten alle zwei Wochen jeweils 2500 Eier von Schweinepeitschenwürmern oral verabreicht. Aber selbst wenn sich zeigt, dass die Würmer auch gegen Asthma helfen – sie können nicht einfach so für Menschen auf den Markt gebracht werden. Damit der Peitschenwurm aus dem Kot eines Schweins in den Darm eines Menschen wandern darf, müssen erst alle möglichen Nebenwirkungen getestet werden. »Es ist schön zu wissen, dass die Würmer helfen«, meint daher Friederike Ebner. »Es ist aber noch besser zu wissen, wie genau sie es tun.« Für Valerie Schönian ist es die siebte und letzte FURIOS, bei der sie dabei ist. Das ist zwar schade, aber die Schweine sind schlimmer dran. Illustration: Luise Schricker
Wissenschaft
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Dieser kleine Roboter soll wie eine Honigbiene lernen
Wie die Bienen es machen Forscher der FU haben einen Roboter gebaut, der das Gehirn einer Honigbiene besitzt und aus den eigenen Erfahrungen lernen kann. Mareike-Vic Schreiber hat Tüftler in ihrer Matrix-Arena besucht.
E
r sieht ein bisschen aus wie ein Modellauto. Nur, dass er aus unzähligen Einzelteilen besteht. Auf dem Kopf des kleinen Roboters ist eine Kamera befestigt. Er fährt unter surrendenen Geräuschen auf einem kleinen quadratischen Feld hin und her, das mit vier grauen Wänden auf dem Fußboden festgesteckt ist: Die Arena – so nennen die Forscher ihr provisorisch aufgebautes Testlabor. Die Forscher, das sind Martin Nawrot und Tim Landgraf. Nawrot, der eigentlich Physiker ist, widmet sich bereits seit 15 Jahren der Hirnforschung. Nun ist er Juniorprofessor an der FU und leitet die Arbeitsgruppe Neuroinformatik. Zusammen mit Tim Landgraf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik, untersucht er neuronale Grundlagen des Lernens. Das sind Prozesse, die während des Lernens im Gehirn ablaufen. Es geht darum, die Funktionsweise biologischer Gehirne zu verstehen und neue Erkenntnisse für die Arbeit mit Robotern zu gewinnen. Für ihr aktuelles Forschungsprojekt, das mit mehr als 170 Milionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird, wagten die beiden einen ungewöhnlichen Versuch: Sie entwickelten einen kleinen Roboter mit der Kamera, der durch ein nachgebautes Insektengehirn gesteuert wird. Grundlage ist das einfach strukturierte
Nervensystem der Honigbiene. Das Bahnbrechende: Sie wollen diesem Gehirn – dem technischen System – beibringen, zu lernen. Insekten, so Nawrot, seien für die Erforschung biologischer Gehirne besonders geeignet, da sie über relativ kleine neuronale Systeme verfügen, die einfach gebaut sind. »Honigbienen gehören zu den cleveren Insekten, das heißt, sie verfügen über kognitive Fähigkeiten, zu denen andere Insekten und auch technische Systeme normalerweise nicht in der Lage sind«, so der Juniorprofessor. »Dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen.« Die kleine Kamera auf dem Kopf des Roboters erkennt Farben. Wie ein echtes Auge überträgt sie visuelle Reize an ein spezielles Computerprogramm, das aufgebaut ist wie das sensomotorische Netzwerk eines Bienengehirns: Mit den visuellen Eingangsdaten der Kamera treibt es die Motoren der Roboterräder an und steuert dann dessen Bewegungsrichtung. Landgraf platziert das kleine Gerät in der Mitte der Arena, in deren Ecken blaue und rote Kegel stehen. Nachdem der Roboter sich mit einem surrenden Geräusch in der Arena orientiert hat, steuert er auf den roten Kegel zu. Sobald er den roten Kegel mit seinem Kamera-Auge erblickt, wird mit Lichtblitzen eine Art Belohnungssystem in seinem senso-
motorischen Netzwerk aktiviert. So lernt der Roboter innerhalb kürzester Zeit, dasselbe Objekt erneut anzusteuern und anderen Objekten aus dem Weg zu gehen. »Bei den Honigbienen funktioniert das ähnlich, wenn sie beispielsweise bestimmte Farben oder Düfte erkennen«, erklärt Nawrot. Auch aus struktureller Sicht ist das Projekt ungewöhnlich. »Das Besondere ist, dass wir zwei völlig unterschiedliche Welten miteinander vereinen müssen – nämlich die Biologie und die Informatik«, erklärt Landgraf. Komplikationen auf der sprachlichen Ebene sind programmiert, da die Wissenschaftler verschiedenes Vokabular benutzen. Und auch ihre Arbeitsweisen unterscheiden sich deutlich voneinander. »Die Biologen arbeiten überwiegend mit Experimenten, die auf spezifischen Hypothesen beruhen. Wir Informatiker dagegen dürfen eher an neuen Technologien tüfteln und basteln«, sagt Landgraf schmunzelnd. Auch Forscher lernen eben voneinander.
Mareike-Vic Schreiber studiert Deutsche Philologie und Publizistik. Derzeit bastelt sie an einem Roboter, der in Zukunft ihre Klausuren und Hausarbeiten schreibt. Foto: Friedrich Richter
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Der empörte Student
der empörte student Die Philologische Bibliothek ist der Stolz der FU. Aber ein Ort zum Lernen? Wohl eher nicht. Maik Siegel jedenfalls steht mit der Bücherhöhle auf Kriegsfuß.
Oh Philologische Bibliothek,
FURIOS 12 IMPRESSUM
du optisches Aushängeschild, du Sehenswürdigkeit, du pittoreskes Postkartenmotiv – leck mich doch. Dein Name klingt gewichtig nach Geist und Wissen, dein Schöpfer ist niemand Geringeres als Norman Foster, der weltberühmte Architekt. Will das Präsidium die Prüfer der Exzellenz-Initiative überzeugen, führt es sie an dir vorbei. Wird eine Professorin für die Zeitung abgelichtet, posiert sie vor dir. Und wenn ein potenzieller Student auf Erkundungstour an dir vorbeistreift, dann verfliegen all seine Zweifel – so modern, so imposant, so mächtig thronst du vor uns allen. Studenten haben dir sogar liebevoll den Spitznamen »The Brain« verpasst. Passender wäre jedoch »The Brainfuck«. Denn dein Sein ist vor allem schöner Schein. In Wahrheit bist du eine Geißel für mich, der doch nur in Ruhe ein Buch lesen und ab und an eine einfache Kopie machen will. Wie eine weißhäutige Nymphe lockst du mich in all deiner Pracht durch die gläserne Drehtür, in der ich jedes Mal den Tod durch qualvolles Zerquetschtwerden fürchte, hinein in dein büchergeschwängertes Reich – nur, um mich an dir verzweifeln zu lassen.
Herausgeber: Freundeskreis Furios e.V. Chefredaktion: Matthias Bolsinger, Valerie Schönian (V.i.S.d.P, Freie Universität Berlin, JK 26/222a, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin) Leitung Politik: Melanie Böff, Julian Daum Leitung Campus: Bente Staack, Friederike Werner Leitung Kultur: Cecilia Fernandez, Maik Siegel Leitung Wissenschaft: Sophie Krause, Lily Martin Layout: Robin Kowalewsky, Christoph Spiegel Chefin vom Dienst: Julia Brakel Redaktionelle Mitarbeit an dieser Ausgabe: Mara Bierbach, Fabienne Bieri, Melanie Böff, Matthias Bolsinger, Monica Camposeo Julian Daum, Mareike Edler, Cecilia Fernandez, Christoph Friedrich,
Erst vor acht Jahren erbaut, wirkst du heute schon wie eine tattrige Greisin: Regnet es, stellen deine Untertanen Armeen von Eimern auf, weil du leckst wie ein gekenterter Öltanker. Beständig erfüllt dich ein Hämmern und Klopfen (vorzugsweise während der Öffnungszeiten), weil es an dir knarzt und bröckelt. Rasend schnell bist du vom Glanz zum Elend verkommen. Trostlos ist noch das netteste Wort, das mir zu dir einfällt. Wenn ich an einem deiner endlos mäandernden Tische sitze, fällt mein Blick auf trübselige Kalkablagerungen an dei-
Margarethe Gallersdörfer, Fanny Gruhl, Marie Halbich, Matthias Jauch, Karl Kelschebach, Max Krause, Sophie Krause, Kirstin MacLeod, Alfonso Maestro, Lily Martin, Friederike Oertel, Simon Purk, Florian Schmidt, Valerie Schönian, Mareike-Vic Schreiber, Lior Shechori, Maik Siegel, Bente Staack, Veronika Völlinger Illustrationen: Cora-Mae Gregorschewski, Robin Kowalewsky, Friederike Oertel, Gwendolyn Schneider-Rothhaar, Luise Schricker, Christoph Spiegel Fotografien: Fabienne Bieri, Christopher Hirsch, Friedrich Richter, Gwendolyn Schneider-Rothhaar, Christoph Spiegel Titelgestaltung: Robin Kowalewsky Titelmotiv: Tobyotter auf Flickr
nen dreckigen Wänden oder auf deine nur winzigen Öffnungen, die mir spöttisch den Himmel draußen zeigen – den unerreichbaren, weil ich in deinem Bauch verschwinden muss. Am schlimmsten aber ist deine Akustik: Im dritten Stock sitzend, kann ich problemlos die Gespräche meiner Kommilitonen zwei Stockwerke unter mir verfolgen, ein vereinzeltes Husten schallt von deinen Wänden zurück durch den ganzen Bau, und die Tastaturenschläge an den bereitgestellten Computern donnern so laut wie Wagners Götterdämmerung durch deine Gänge. Und spätestens zum Ende jedes Semesters verwandelst du dich, ob deiner mickrigen Größe, in ein Schlachtfeld. Sonst so friedfertige Geisteswissenschaftler werden zu grobschlächtigen Schlägertypen, wenn sie um Kopierer und Schließfächer kämpfen. In dieser Kriegszeit beginne ich meine Kommilitonen zu hassen; etwa, wenn sie die Bibliothek verlassen, kurz etwas in ihren Fächern verstauen und dann ganz gemütlich zur Mensa spazieren – mit maliziösem Grinsen an uns Wartenden vorbei, die wie die Lämmer vor der Schlachtbank ausharren müssen, um lernen zu dürfen. Nein, liebe Philbib – mich täuschst du nicht mehr mit deiner angeblichen Schönheit. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass es auf die inneren Werte ankommt. Und da sieht‘s zappenduster bei dir aus. Illustration: Luise Schricker
Autorenfotografien: Fabienne Bieri Lektorat: Carolin Benack, Margarethe Gallersdörfert, Michael Giesen, Florian Schmidt, Valerie Schönian ISSN: 2191-6047 www.furios-campus.de redaktion@furios-campus.de Jeder Autor ist im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt seines Artikels selbst verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Ansicht der Redaktion wider. Gemäß dem Urheberrecht liegen die Rechte an den einzelnen Werken bei den jeweiligen Autoren.
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