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Make a better World – Interview mit Alfred Wieder

Make a better World

Alfred Wieder, Gründer der MIG Fonds, jetzt HMW, definierte das Thema Private Equity Beteiligungen komplett neu. Während andere PE-Beteiligungsfonds indirekt über sogenannte Secondaries investierten, gingen seine MIGFonds direkt in das Investment, meist hands-on. Sprich mit Management, Netzwerk und Vertriebsunterstützung. Nicht nur das rief Kritiker auf den Plan. Aber der Visionär Wieder ließ sich nicht beirren. Er fokussierte sich auf Life-Science und High-Tech und der Erfolg gibt ihm Recht. Aktuell lässt sich auch der Erfolg an einem Namen festmachen: BioNTech, die Vorreiter in Sachen COVID 19-Impfstoff und Krebsforschung. Wir haben im Coronajahr 2020 gelernt, wie wichtig es ist, solche Forschung zu finanzieren. Alfred Wieder hat sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Im finanzwelt-Interview blicken wir auf sein Lebenswerk zurück. Make a better World: Firmenname und Motto zugleich. Wir wollten wissen, was ihn antrieb, was in beeinflusst hat und wie stolz er auf „sein“ Team und deren Leistungen ist.

finanzwelt: Lieber Herr Wieder, „die Antwort auf dem Platz geben“, sagt man unter Sportlern, wenn jemand seinen Zweiflern das Gegenteil in der Praxis beweisen kann. Sie haben bei der Auswahl Ihrer PE-Zielinvestments wie man so sagt ein glückliches Händchen bewiesen. Aber mit Glück hat das wenig zu tun, oder? Alfred Wieder» Glück ist schon notwendig auf dem Weg zum Erfolg, allerdings gehört auch sehr viel Fleiß, Strategie und Know-how dazu, um am Ende des Tages erfolgreich zu sein. Bei der Auswahl der Investments konnte ich mich auf ein erfahrenes, unternehmerisch geprägtes Team, welches von Michael Motschmann aufgebaut und geleitet wird, verlassen.

finanzwelt: Wie stolz sind Sie auf sich, Ihr Team und Firmen wie BioNTech? Wieder» Besonders stolz bin ich auf mein Vertriebs-Team. Dieses hat in den Jahren 2007/2008, die durch die Finanzkrise, also die Lehmann-Pleite mit seinen katastrophalen Auswirkungen, für uns alle geprägt waren, das notwendige Kapital für eine Beteiligung an der BioNTech eingeworben. Da waren unzählige Gespräche mit Anleger/innen notwendig und es musste täglich überzeugt werden. Auf BioNTech bin nicht nur ich stolz. Demnächst wird die gesamte Welt stolz auf sie sein, hoffen wir doch alle auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus, um wieder ‚Normalität‘ im Alltag der Bevölkerungen auf allen Kontinenten einkehren zu lassen. Es hat für mich eine unbeschreibliche Dimension der Dankbarkeit, ein kleines Puzzle-Teil im Ganzen sein zu dürfen.

finanzwelt: Hinter Erfolg steckt selten Zufall. Allenfalls etwas Glück, aber eigentlich immer harte Arbeit. Haben Sie immer an sich geglaubt oder gab es auch Momente, wo Sie verzweifelt waren? Wieder» Für Zweifel ist kein Platz auf dem Weg zum Erfolg, jede Minute Zweifel kostet tausendmal mehr Energie als eine Minute Überzeugung und Begeisterung. Sie schenkt uns die Kraft und Energie für das notwendige Durchhaltevermögen und Disziplin, jeden Tag das zu tun, was notwendig ist.

finanzwelt: Gerade durch den Erfolg in der Impfstoff- und Antikörperforschung von COVID 19 und den erfolgreichen Börsengang ist BioNTech in aller Munde. Wann war der Erfolg eigentlich für Sie absehbar? Wieder» COVID war natürlich nicht absehbar. BioNTech ist gestartet, einen personalisierten Impfstoff in der Onkologie zu entwickeln und damit die Geißel der Menschheit und noch immer eine der Haupttodesursachen, die Krebserkrankung, zu besiegen. Wer einmal das geniale Team um Prof. Dr. Sahin erleben durfte, konnte ahnen, dass dies ein Riesen-Erfolg wird. Und in einer Riesengeschwindigkeit praktisch ‚nebenbei‘ umzuschwenken und einen Impfstoff gegen COVID zu entwickeln, lässt die Genialität des Teams in Mainz aufflackern.

finanzwelt: Aber BioNTech ist beileibe nicht die einzige Erfolgsgeschichte. Auf welche Zielinvestments und von Ihnen finanzierte Firmen sind Sie besonders stolz? Wieder» Es beginnt bei Etkon AG und geht über Brain, NFON oder Supremol bis zur Immatics, welche seit einigen Tagen an der NASDAQ gelistet ist. Die Liste lässt sich ewig fortsetzen. Es sind so viele Firmen, die über sich hinaus gewachsen sind.

finanzwelt: Stark im Vertrieb sein, das ist etwas, was alle Ihre Tätigkeiten verbindet, oder?

Wieder» Jedes Produkt muss vertrieben werden, wer im Vertrieb schwach ist, wird kein starkes Unternehmen aufbauen können. Von Apple, über Tesla bis Zalando, das sind Vertriebsweltmeister, davon lerne ich auch heute noch.

finanzwelt: Was alle Ihre Investments gemeinsam haben, ist eigentlich der Unterschied. Oder anders ausgedrückt: Sie schauen über den Tellerrand. Was ist Ihr erster Gedanke: Zahlen, Daten, Fakten oder ist es das Bauchgefühl bei der Entscheidung, zu investieren oder nicht? Wieder» Zu Beginn entscheidet immer der Bauch und die Fähigkeit, nicht den Ist-Zustand zu sehen, sondern das ‚Mögliche‘ zu erkennen und dann einen Plan zu erarbeiten, wie dies zu erreichen ist. Dazu gehört immer wieder die Einwerbung des notwendigen Kapitals, zig Start-ups scheitern am ‚berühmten Finanzierungsrisiko‘ besonders in Deutschland und Österreich. Die Bevölkerung lernt langsam, dass Rendite ohne Risiko nicht möglich ist. finanzwelt: Was trieb Sie eigentlich immer wieder an? Wieder» Mitzuhelfen, wunderbare unternehmerische Visionen und Innovationen Realität werden zu lassen und damit die Welt ein bisschen zu verbessern. Make a better World (MaBeWo) sollte für uns alle der tägliche Antrieb sein, sich zu engagieren.

finanzwelt: Die MIG-Fonds sind erwachsen geworden, aber der Vater der MIG-Fonds hat sich zurückgezogen. Gönnen Sie Ihrer angeschlagener Gesundheit Ruhe? Wieder» Es kam leider der Tag, da musste ich auf meinen Körper hören und ihm die notwendige Ruhe und Entspannung geben. So konnte ich mein Leben retten und kann heute an ein tolles Team meine Erfahrungen, mein Netzwerk und mein Know-how weitergeben.

finanzwelt: Herr Wieder, vielen Dank für diese tiefen Einblicke. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Kraft und tolle Erfahrungen. (lvs)

„…und wieder schaut der Anleger in die Röhre?“

Die Wirecard AG ist ein 1999 als Start-up gegründetes börsennotiertes deutsches Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Aschheim bei München und bietet Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, das Risikomanagement sowie die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten an. Der Erfolg von Wirecard zeigte sich letztendlich auch im jahrelangen Höhenflug des Aktienkurses. Das Unternehmen ist derzeit im DAX notiert und stellte am 25.06.2020 einen Insolvenzantrag. Nach einem Höchststand von gut 197 Euro im Jahr 2018 notiert die Aktie Mitte Juli 2020 nur noch um die 2 Euro.

Dieser Beitrag befasst sich in der gebotenen Kürze mit der Chronologie der Ereignisse und mit den Handlungsoptionen derer, die ihr Geld in Wirecard investiert haben.

Was ist passiert?

Die Wirecard AG (Wirecard) sieht sich seit Jahren Vorwürfen ausgesetzt, die Bilanzen nicht ordnungsgemäß auszuweisen bzw. diese zu fälschen. Neue und massive Vorwürfe hat ab Anfang 2019 insbesondere die britische Tageszeitung Financial Times erhoben. Fingierte Umsätze (Third Party Acquiring), überhöhte Kaufpreise von Gesellschaften zur Bereicherung von Managern, falsch ausgewiesene Kredite (MCA-Geschäft) und Kreislaufbuchungen (Round-Tripping) über Gesellschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Philippinen und Singapur bilden nur einen Teil der gegen Wirecard gerichteten Vorwürfe. Infolge dieser in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten und fragwürdigen Transaktionen verzeichnete die WirecardAktie wiederholt erhebliche Kursverluste. Wirecard stritt die Vorwürfe in der Öffentlichkeit regelmäßig ab. Der Zahlungsdienstleister gab aufgrund der anhaltenden Kritik aber auch eine unabhängige Untersuchung nebst Sondergutachten bei KPMG in Auftrag. Das Sondergutachten, so Wirecard, sollte sämtliche erhobenen Vorwürfe umfassend und unabhängig aufklären. Als das Sondergutachten schließlich Ende April 2020 veröffentlicht wurde, brach der Kurs der Wire- card-Aktie ein. Denn anders als es im Markt erwartet wurde, ergibt sich daraus, dass die Vorwürfe nicht vollumfänglich ausgeräumt werden konnten. Die unabhängigen Prüfer gaben vielmehr zu Protokoll, dass sie nicht alle Unterlagen einsehen konnten, sie sprechen von einem „Untersuchungshemmnis“.

KPMG konnte z. B. keine fundierten Aussagen zur Höhe und Existenz von Umsatzerlösen aus sog. TPA-Geschäftsbeziehungen treffen. Begründet wurde dies mit Mängeln in der internen Organisation bei Wirecard sowie der fehlenden Bereitschaft von Partnerfirmen, umfassend und transparent mitzuwirken. Auch Zahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro auf Treuhandkonten konnten nicht gänzlich nachvollzogen werden.

Am 18. Juni 2020 folgte die nächste Schockmeldung für die Anleger. Mittels Ad-hoc-Mitteilung wurde bekannt, der Abschlussprüfer habe Wirecard darüber informiert, dass über die Existenz von im Konzernabschluss zu konsolidierenden Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro (dies entspricht in etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme) noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren. Es bestünden weiterhin Hinweise darauf, dass unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurde. Die Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschlusses 2019 wurde verschoben. Am 25.06.2020 stellte der Vorstand der Wirecard AG einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht München.

Vielfach mit Entsetzen und ungläubigem Staunen haben die Aktionäre, Anleihegläubiger, Kunden, die beteiligten Banken und natürlich auch die rund 5.000 Mitarbeiter von Wirecard die Vorgänge in Aschheim zur Kenntnis genommen. Erstmalig in der jüngeren Börsengeschichte Deutschlands löst sich ein DAX-Unternehmen quasi in Schall und Rauch auf. Natürlich verbleiben Fragen und die aktuelle Presseberichterstattung wirft ein nicht so vorteilhaftes Licht auf viele Beteiligte.

Was wird aus dem Geld, das einst in Aktien angelegt wurde?

Derzeit finden sich vielfache Veröffentlichungen zur Frage, welche Möglichkeiten den Aktionären nun bleiben. Dabei sind zuvorderst unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu unterscheiden.

Nach heutigem Stand der Dinge ist davon auszugehen, dass das (derzeit vorläufige) Insolvenzverfahren auch eröffnet wird. So bleibt die Frage, ob auch den Aktionären der Weg eröffnet ist, im Insolvenzverfahren Forderungen anzumelden? Diese Frage wird von einigen Medien (vorschnell) verneint.

Auch Aktionäre können (normale) Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO oder nachrangige Insolvenzgläubiger im Sinne des § 39 InsO sein. Die Frage ist also oftmals nur, welchen Rang die angemeldete Forderung des Aktionärs erhält. Abgesehen davon ist Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Ad-hoc-Pflichten im Übrigen auch nicht, dass der Geschädigte die Aktien noch hält – der Anspruchsinhaber ist daher nicht zwangsläufig „Aktionär“.

Eine (erfolgreiche) Forderungsanmeldung setzt aber insoweit voraus, dass der Kursdifferenzschaden geltend gemacht wird. Also der Schaden, der den Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis und dem hypothetischen Kurs ausmacht, den das Wertpapier gehabt hätte, wenn die verspätete oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilung rechtzeitig bzw. überhaupt veröffentlicht worden wäre.

Praxistipp

Die Forderungsanmeldung des Kursdifferenzschadens kann unserer Meinung nach nur dann erfolgreich sein, wenn die rechtliche Begründung dieses Schadensbildes hinreichend schlüssig dargelegt wird. Anwaltliche Hilfe erscheint hier dringend geboten.

Schadensersatzansprüche

Aufgrund der ungeheuren Sachverhaltsveröffentlichungen erscheint die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen hinreichend erfolgsversprechend. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein solches Vorgehen nicht gegen die Wirecard AG geführt werden sollte, da über deren Vermögen sehr wahrscheinlich das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Vielmehr geraten andere Gegner, etwa Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, in den Mittelpunkt. TILP Rechtsanwälte haben hier bereits Klage gegen die Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die (ehemaligen) Vorstände der Wirecard AG erhoben und die Einleitung eines KapitalanlegerMusterverfahrens beantragt. Ein solches Verfahren hilft dem einzelnen geschädigten Anleger, die Rechtsverfolgung effektiv, aber mit geringeren Kosten und Kostenrisiken, durchzuführen. Viele Fragen erreichen uns zur Rolle der BaFin und ihrer möglichen Haftung oder die der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Beide Stellen stehen seit längerer Zeit im Fokus der öffentlichen Kritik. TILP teilt diese Kritik und hat bereits die Forderung nach entsprechenden Konsequenzen in der Gesetzgebung und nach Entschädigung der geschädigten Aktionäre erhoben. Die bisherige Rechtsprechung hat eine Haftung der BaFin (oder von ihr beauftragten Dritten) gegenüber geschädigten Anlegern regelmäßig verneint. Dies liegt vor allem daran, dass das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) vorsieht, dass die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Diese Vorschrift wurde bisher dahingehend ausgelegt, dass eine Haftung der BaFin für Anlegerschäden ausscheide. Nach Auffassung von TILP muss diese Auslegung im Fall Wirecard jedoch auf den Prüfstand gestellt werden. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung arbeiten wir bereits mit einem sehr renommierten Rechtswissenschaftler für Kapitalmarkt- und Europarecht zusammen. Gemeinsam prüfen wir derzeit die Rolle der BaFin sowie der DPR und eine möglicherweise hieraus folgende Haftung für die Investorenschäden.

Praxistipp

Geschädigte Wirecard Anleger haben aktuell keinen Zeitdruck und sollten sich hinreichend über ihre rechtlichen Möglichkeiten informieren.

Marvin Kewe Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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