
4 minute read
Ulrich Kaffarnik, DJE Kapital AG
Der Angst ein Schnippchen schlagen
Die Weltbörsen im Frühjahr 2020: Panik bricht überall aus. Ein nie zuvor gesehener Ausverkauf an den Märkten tritt ein. In der Spitze rutschte der deutsche Aktienindex DAX bis auf 8.500 Zähler ab. Und das innerhalb weniger Tage. Doch die Furcht lässt sich mit entsprechenden Strategien bändigen.
Viele Marktteilnehmer rieben sich zu Beginn des 2. Halbjahres die Augen. Ist die Krise bereits abgehakt? Zumindest an den Aktienmärkten scheinen viele die Zukunft bereits eingepreist zu haben und rechnen mit einer (schnellen) wirtschaftlichen Erholung. Volkswirte geben derzeit gerne etwas Wasser in den Wein und verweisen darauf, dass der Höhepunkt der Krise insbesondere auf dem Arbeitsmarkt noch nicht erreicht ist. Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt Union Investment, urteilte Anfang Juli, dass wir die kommenden Monate mit steigenden Arbeitslosenzahlen rechnen müssten und erwartete einen Höchststand der Arbeitslosenquote von 6,5 bis 7 %. Matthias Kunze, Head of Distribution bei Assenagon Asset Management S. A., umreißt die Lage wie folgt: „Für Anleger hat sich die Situation mit Blick nach vorne auch dadurch weiter verschärft, dass die Zinsen auf Staatsanleihen in den USA nochmals deutlich gesunken sind – eine robuste, strate
Daniel Lucke
Director Portfolio Management FERI Trust GmbH
Harald Bareit
Geschäftsführer QC Partners GmbH
Matthias Kunze
Head of Distribution Assenagon Asset Management S. A.
gische Asset-Allokation im liquiden Bereich umzusetzen, hat sich weiter erschwert. Dabei bleibt die Volatilität aktuell erhöht, sowohl mit Blick auf die Tagesbewegungen der Aktienindizes, die immer wieder 3 % und mehr erreichen als auch mit Blick auf die eingepreisten Aktienindexvolatilitäten am Optionsmarkt.“
Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass wir im Verlauf des 2. Halbjahres wieder erhöhte Schwankungen an den Aktienmärkten sehen. Die Börse, so wie das Leben, ist generell keine Einbahnstraße, sondern verläuft in Zyklen. Umso besser ist es, Indikatoren für diese Panik/Angst ausfindig und sich diese zunutze zu machen. Bester Indikator für diese Furcht ist der Volatilitätsindex, gerne auch „VIX“ verkürzt. Er extrahiert an der Wall Street die erwarteten Wertschwankungen der Anleger aus den Optionspreisen für den S&P 500. Für lange Zeit, während der stets steigenden Kurse, dümpelte der VIX in den Niederungen zwischen 10 und 20 Punkten. Am 16. März, zum Höhepunkt des Abverkaufs, schnellte er auf knapp 83 Punkte. Zum Vergleich: Selbst in der Wirtschafts- und Finanzkrise stand der VIX nicht höher, sondern notierte bei etwas mehr als 60 Punkten. Anders gesagt: Wir erlebten im Frühjahr eine Ausnahmesituation und Hysterie bei den Anlegern. „Das Aufkommen des Virus schaffte ein Marktumfeld, welches bis dahin nie dagewesen war. Aufgrund dessen war die Volatilitätseinpreisung selbst zu Beginn der Pandemie mit einer erhöhten Unsicherheit verbunden“, so Daniel Lucke, Co-Manager des OptoFlex Fonds bei der FERI Trust GmbH und ergänzt, dass einige Marktteilnehmer das Maß der Volatilität als Timinginstrument nutzen, sowohl pro- als auch antizyklisch. Krisen lassen sich zweier
Ali-Reza Mahallati
Portfoliomanager Amundi Deutschland GmbH Volatilität:
Die Volatilität ist eine Risikokennzahl. Je höher die Volatilität, desto höher ist die Abweichung z. B. des Aktienkurses von seinem Mittelwert.
Historische Volatilität:
Die historische Volatilität beschreibt die Schwankungsbreite eines Wertpapieres in der Vergangenheit. An ihr erkennt ein Investor, wie riskant eine Anlage war.
Implizite Volatilität:
Die implizite Volatilität gibt die zukünftig von Marktteilnehmern prognostizierte Schwankungsstärke wieder. Berechnet wird sie über aktuelle Marktpreise am Terminmarkt. In Deutschland ist der VDAX das wichtigste Barometer für die Abbildung der impliziten Volatilität.
Quellen: Börse Frankfurt; www.boerse.ard.de
maßen bewältigen. Zum einen, ähnlich wie in der Politik, sitzt man die Probleme aus und wartet, bis sprichwörtlich Gras über die Sache gewachsen ist. Oder der Anleger agiert proaktiv und setzt auch Volatilitätsstrategien. Man erwirbt sozusagen die Volatilität, beispielsweise über Derivate auf Volaindizes. Steigt nun der VIX, dann erhöht sich auch der Wert des Papiers, das diesen Index abbildet. „Man kann sich eine Put-Option wie eine klassische Versicherung vorstellen. Eine Wohngebäudeversicherung kostet z. B. im Vergleich zu dem jeweiligen Gebäudewert jährlich nur eine recht kleine Prämie. Aufgrund dieser Asymmetrie muss das Versicherungsgeschäft für den Versicherten einen negativen und für den Versicherer einen positiven Erwartungswert haben, sonst würde kein Versicherungsunternehmen Risiken übernehmen. Dies ist bei der Put-Option praktisch identisch. Der Verkäufer einer Put-Option versichert den Käufer und wird damit mit einer Prämie, die einen positiven Erwartungswert hat, belohnt“, führt FERI-Experte Lucke an dieser Stelle aus. Gibt es wenige Schwankungen am Markt, ist die Renditeerwartung gering; bei heftigen Ausschlägen entsprechend hoch. Und Ali-Reza Mahallati, Portfoliomanager bei Amundi Deutschland, ergänzt, dass man grundsätzlich Vola-Strategien sehr grob in drei Gruppen unterscheidet; „long Vola“, „short Vola“ sowie „Vola neutral“. „Bezogen auf die jetzige Situation sind weiterhin ‚short Vola‘- Strategien gefragt, da man eine überdurchschnittliche Rendite erhält. Dies wird häufig mit dem Verkauf kurzlaufender ‚Put‘-Optionen vorgenommen“, so Mahallati.
Eine Besonderheit birgt allerdings die jüngste Krise, die man in dieser Form an den Märkten noch nicht so vorgefunden hat. Eine sogenannte inverse Volatilitätsstrukturkurve. „Damit ist gemeint, dass die implizite Volatilität für Optionen mit kurzen Laufzeiten höher ist, als für Optionen mit längeren Laufzeiten. Typischerweise deutet eine solche Konstellation auf eine Phase längerfristig erhöhter Volatilität hin“, erläutert Harald Bareit, Geschäftsführer von QC Partners, in diesem Zusammenhang. (ah)
Fazit
Angst oder Panik ist immer ein schlechter Ratgeber. In diesen Situationen heißt es, die Nerven zu behalten und sich im besten Fall die aufgeheizte Gemengelage mit heftigen Ausschlägen zunutze zu machen. Volatilitätsstrategien sind dabei ein probates Mittel und sehr heterogen.