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Sozialpartnermodell – Gut Ding will Weile haben

Gut Ding will Weile haben

Wenn der Gesetzgeber Firmenverantwortliche und Gewerkschafter an einen Tisch bringen will, ist das erfahrungsgemäß immer eine haarige Angelegenheit. Das sieht man deutlich beim im Januar 2018 Gesetz gewordenen Sozialpartnermodell in der bAV. Erst jetzt zeichnen sich erste Einigungen ab. Für die Beschäftigten sind das zweieinhalb Jahre verlorene Altersvorsorge.

Anfang 2018 ist mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) das Sozialpartnermodell eingeführt worden. Dessen Ziel ist eine bessere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung – im Zusammenspiel zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Doch schon Ende desselben Jahres verhieß eine Studie der AXA wenig Gutes. Die Ansichten und Kenntnisse zur bAV zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gingen auseinander. So schätzte ein Viertel der Arbeitgeberverbände die eigenen allgemeinen Kenntnisse zur betrieblichen Altersversorgung als ‚mittelmäßig‘ bis ‚eher schlecht‘ ein. Unter den Gewerkschaften waren es nur halb so viele (11 %), die die eigenen Kenntnisse als ‚mittelmäßig‘ einstuften. Dies war schon ein bezeichnendes Ergebnis der gemeinsam mit der V.E.R.S. Leipzig durchgeführten Befragung. 66 % der befragten Gewerkschaftsvertreter und 46 % der Arbeitgeberverbände waren zwar der Ansicht, das BRSG eigne sich zur weiteren Verbreitung der bAV. Doch zeigte sich insbesondere unter den Arbeitgeberverbänden ein differenzierteres Stimmungsbild. 19 % von ihnen gaben sogar an, dass das BRSG ‚eher nicht‘ oder ‚auf keinen Fall‘ zur weiteren Verbreitung beitrage. „Schon im Vorgang zur Studie haben wir feststellen müssen, dass zahlreiche Verbände und Gewerkschaften in Deutschland erhebliche Informationsbedarfe im Bereich der betrieblichen Altersversorgung aufweisen. Einige Verbände hatten sich zuvor noch kaum mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz beschäftigt“, kommentierte Prof. Dr. Fred Wagner, Direktor des Instituts für Versicherungslehre an der Universität Leipzig, die Studienergebnisse. Sowohl eine deutliche Mehrheit der Gewerkschaften (77 %) als auch der Großteil (65 %) der Arbeitgeberverbände waren zwar bereit, ein Sozialpartnermodell zu vereinbaren. Doch gab auch knapp ein Viertel (22 %) der Gewerkschaften an,

Fabian von Löbbecke

Vorstand HDI Lebensversicherung AG

Dr. Jürgen Bierbaum

Vorstand ALTE LEIPZIGER Lebensversicherung a. G. unter keinen Umständen in Verhandlungen zu einem Sozialpartnermodell einsteigen zu wollen. Auch zeigten sich die Gewerkschaften unterschiedlicher Ansicht über die bestehenden Lösungen zur Umsetzung: Ein Drittel bevorzugte weder die Möglichkeit eines eigenen Sozialpartnermodells noch eine branchenübergreifende Lösung. Die Arbeitgeberverbände zogen beide Lösungen zur Umsetzung in Betracht und spalteten sich dabei in zwei Stimmungslager auf. Während die Hälfte die verbandsoder branchenübergreifende Lösung präferierte, sprachen sich 40 % für die Umsetzung eines eigenen Sozialpartnermodells aus.

Bruchpiloten oder Pioniere

Im Hinblick auf die Umsetzung des Modells waren also erhebliche Befürchtungen angebracht. Und tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus: Das Sozialpartnermodell ist mit großen Vorschusslorbeeren gestartet, mittlerweile aber offenbar eher als Bettvorleger gelandet. Muss man schon von einer Bauchlandung sprechen? Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender von HDI Pensionsmanagement und Vorstand der HDI Lebensversicherung AG, sieht das positiver: „Die Gewerkschaft ver.di und der Talanx-Konzern wollen das voraussichtlich erste Sozialpartnermodell in Deutschland an den Start bringen. Umsetzungspartner wird ‚Die Deutsche Betriebsrente‘ sein, bei der Talanx zugleich Konsortialpartner ist. Das Sozialpartner

modell ist ja eine völlig neue, innovative Form der Betriebsrente. Talanx und ver. di sind Pioniere.“ Er sei sicher, dass viele weitere Tarifpartner diesem Weg folgen werden. Auch Dr. Jürgen Bierbaum, Vorstand der ALTE LEIPZIGER Lebensversicherung a. G., erinnert an den Zeitfaktor: „Die Einführung des Sozialpartnermodells stellt einen Paradigmenwechsel in der bAV-Welt dar. Die mit der Einführung der reinen Beitragszusage einhergehenden fundamentalen Neuerungen und Chancen müssen durch die Tarifparteien gründlich auf eine Umsetzbarkeit im eigenen Verantwortungsbereich hin geprüft werden.“ Dafür benötigten sie neben den wesentlichen Informationen über die am Markt verfügbaren Produktbaukästen auch eine gewisse Zeit. Dass dadurch noch keine Umsetzung eines Sozialpartnermodells erfolgt sei, sollte man nicht als generelle Absage an diese Systeme verstehen. Gerade kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie hab es positive Äußerungen von Sozialpartnern zu geplanten Einrichtungen von Sozialpartnermodellen in den nächsten Verhandlungsrunden gegeben. Dr. Bierbaum: „Von einer Bauchlandung

kann daher unserer Ansicht nicht gesprochen werden. Die Mitglieder des Konsortiums ‚Initiative Vorsorge‘, dessen Konsortialführer die ALTE LEIPZIGER Lebensversicherung ist, gehen fest davon aus, dass sich Sozialpartnermodelle aufgrund der Chancen und Vorteile dieser Systeme mittelfristig etablieren werden.“ Möglicherweise seien aber gewisse Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. die Möglichkeit, die Rentenhöhe ab Rentenbeginn zu garantieren, erforderlich, um die Attraktivität solcher Modelle zu erhöhen. Könnten vielleicht branchenübergreifende Lösungen Abhilfe bringen?

Branchenübergreifend nicht immer optimal

Von Löbbecke sieht das grundsätzlich positiv: „Wird ein Sozialpartnermodell im Flächentarifvertrag verankert, können alle tarifgebundenen Unternehmen darauf zugreifen. Der Vorteil: Alle Arbeitgeber einer Branche können eine vorkonfigurierte Altersversorgung nutzen, ohne selbst verhandeln zu müssen.“ Das reduziere den Aufwand, erleichtere den Zugang, könne die Verbreitung der Betriebsrente stärken und sei deshalb absolut sinnvoll. Wo keine Lösung per Flächentarifvertrag möglich sei, könnten einzelne Arbeitgeber das Sozialpartnermodell gemeinsam mit der jeweiligen Gewerkschaft auch per Haustarifvertrag einführen. Genau das täten Talanx und ver.di. Dr. Bierbaum sieht dabei jedoch auch Probleme: „Grundsätzlich ist der Zusammenschluss mehrerer Sozialpartner positiv zu bewerten. Die dabei entstehenden Skaleneffekte wirken sich positiv auf das jeweilige Sozialpartnermodell aus.“ Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass die Belange aller Mitarbeiter in diesem Sozialpartnermodell, unabhängig von der Branche, in gleicher Weise berücksichtigt würden. Je nach den zwischen den Branchen bestehenden Unterschieden müsse dies nicht immer der Fall sein. Branchenübergreifende Modelle müssten daher nicht immer die beste Lösung für eine bestimmte Branche sein. Auch für einzelne Branchen oder große Unternehmen mit Haustarifverträgen ließen sich attraktive und bedarfsgerechte Sozialpartnermodelle gestalten. (hdm)

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