INTERVIEW
Wie geht’s weiter mit der Baufinanzierung, Thomas Hein? Wir haben Thomas Hein, Leiter Vertrieb Baufinanzierung bei der ING Deutschland zu seiner Einschätzung der aktuellen Lage befragt. finanzwelt: Herr Hein, die Zinsen haben sich im 1. Quartal dieses Jahres sehr unruhig verhalten. Steigen die Zinsen zum Jahresende an? Thomas Hein» Aktuell sehen wir aufgrund unterschiedlichster Faktoren wie der weiteren Entwicklung von Corona, einer drohenden Konjunkturflaute in China oder dem Krieg in der Ukraine, ein sehr volatiles Zinsumfeld. Zur Jahresmitte wird es voraussichtlich etwas ruhiger zugehen – allerdings kann es in der 2. Jahreshälfte durchaus zu einer weiteren Erhöhung der Zinsen kommen. Wir sollten uns aber immer auch bewusst machen: Im Vergleich zu Anfang des Jahrtausends befinden wir uns weiterhin auf einem deutlich niedrigeren Zinsniveau. finanzwelt: Der Krieg in der Ukraine überschattet aktuell alles. Ist es schon abzusehen, welche Folgen sich für die Baufinanzierung in Deutschland abzeichnen? Hein» Die Zerstörung vieler Produktionsorte wirkt sich in vielen Bereichen negativ auf die Lieferketten aus. Bei Baumaterialien und Energie sind die Engpässe deutlich zu spüren und führen zu Preissteigerungen. Es wird also in der Folge zu erhöhten Belastungen für die Immobilienkäuferinnen und -käufer kommen. finanzwelt: Sachwerte sind der beste Inflationsschutz, sagt man. Inwieweit gilt das auch für Sie und Ihr Geschäftsmodell? Hein» Diese Aussage trifft zu – gerade auch in diesen Zeiten. Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das kann dazu führen, dass die eine oder der andere von seinem Immobilienvorhaben absieht. Solange die Nachfrage nach Immobilien aber höher als das Angebot ist, bleiben Sachwerte eine relativ sichere Investition. Natürlich beginnen sich die steigenden Zinsen auch auf die Nachfrage auszuwirken. 12
finanzwelt: Sollten Maklerinnen und Makler JETZT handeln und in der aktuellen Situation Kundengespräche suchen? Hein» Das hängt von der individuellen Situation der Kundinnen oder Kunden ab. Sind sie eher sicherheitsorientiert, lohnt sich das Gespräch über die frühzeitige Prolongation eines bestehenden Darlehens. Bei einer Neufinanzierung dagegen sollten nicht die Zinsen, sondern die zum Kauf führenden Gründe und Wünsche der Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt stehen. Erst dann kann es mit einer Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit und dem Finanzierungsangebot konkret werden. Diese kundenorientierte Form der Beratung kommt, so unsere Erfahrung, sehr gut an. Sie schafft Vertrauen und sorgt dafür, dass Kundinnen und Kunden gerne auch zu einem späteren Zeitpunkt auf die Beratung zurückkommen. finanzwelt: Stichwort EU-Taxonomie: Die ersten Eckpfeiler sind gesetzt. Welche Auswirkungen werden die Vorgaben für die Baufinanzierung haben? Hein» Die größte Veränderung ist, dass wir in Zukunft nicht mehr nur das Haus an sich energetisch betrachten, sondern dass die gesamte Herstellungskette mit Blick auf den CO2Ausstoß in den Fokus rückt. Die zum Einsatz kommenden Baumaterialien werden eine größere Rolle spielen, und man wird über Zertifizierungen nachdenken und diskutieren. Für die Vermittlerinnen und Vermittler bedeutet das: Die Beratung rund um die Finanzierung muss anders als bisher gestaltet werden. Hier gilt es, auf die Fragen nach der Energieeinsparung des zu finanzierenden Objekts eine zukunftsweisende Antwort zu finden. Und natürlich wird auch die Bundesregierung neben der EU-Taxonomie weiter ihre eigenen Schwerpunkte setzen. Man wird sehen, welchen Einfluss das auf den Bau und Kauf hat – und damit auch auf die Finanzierung finanzwelt: Gewohnt wird immer, in Zeiten von Homeoffice gerne auch größer – in Zeiten knapper und teurer Energie dann eher kleiner? finanzwelt Special 03 | 2022