GASTBEITRAG . Manfred Kainz, Wirtschaftsjournalist
Zukunft der Hauptversammlungen – Präsenz oder virtuell? In der nun schon dritten Saison der virtuellen Hauptversammlungen von börsenotierten AGs wird diskutiert, in welcher Form das jährliche Highlight-Event für Aktionäre künftig stattfinden soll.
Was haben Arbeiterkammer, Aktienforum, Finanzmi-
Es ist Bewegung drin
nisterium, Industriellenvereinigung, Richtervereini-
Bis Ende Juni ist nicht mehr viel Zeit, außerdem ha-
gung, Ministerium für Digitalisierung und Wirtschafts-
ben einige börsenotierte heimische Aktiengesellschaf-
standort, Notariatskammer, Österreichischer Rechts-
ten im Juli und danach ihre ordentliche HV ange-
anwaltskammertag, Richtervereinigung und Wirt-
setzt. Also rauchen nun die Köpfe zur Formulierung
schaftskammer gemeinsam? Vertreter dieser Häuser
der Rechtslage für die Zeit ab 1. Juli. Das übrigens
– und noch weiterer Institutionen – wurden zu einer
nicht nur in Österreich. Der Blick etwa auf Deutschland zeigt: Auch dort gibt es pandemiebedingte ver-
Arbeitsgruppe zum Thema virtuelle Versammlungen im Gesellschaftsrecht eingeladen. Diese wurde vom
Mag. Manfred Kainz
längerte aktienrechtliche Sonderregeln, die übrigens
Justizministerium einberufen. Was sehr trocken
als nicht so aktionärsrechtefreundlich kritisiert wur-
klingt, ist aber durchaus relevant für die Kapital-
den wie die unsrigen. Inzwischen gibt es beim groß-
marktszene. Denn es geht vor allem um die Frage,
en Nachbarn auch einen Regierungsentwurf für ein
wie es mit Hauptversammlungen (HV), insbesondere
neues Gesetz für die hoffentlich pandemiefreie HV-
von börsennotierten Aktiengesellschaften, weiterge-
Zukunft. Auch in der Schweiz soll 2023 ein neues
hen soll. Denn das Gesellschaftsrechtliche Covid-
Aktienrecht zur Regelung virtueller und hybrider
19-Gesetz und die dazugehörige Gesellschaftsrecht-
HVs in Kraft treten. Es bleibt spannend ...
liche Covid-19-Verordnung, als „Notgesetzgebung“ für die Abhaltung rein virtueller (Haupt-)Versammlungen, läuft Ende Juni 2022 aus. Danach würde automatisch wieder das „normale“ Aktiengesetz mit den Regeln für „normale“ Präsenz-Hauptversammlungen, ergänzt um hybride Elemente, gelten.
Meinungsspektrum ist geteilt Nach zwei Jahren praktischer Erfahrung mit der Abhaltung rein virtueller HVs, und jetzt, während der dritten diesbezüglichen Hauptversammlungs-Saison, stellt sich also die Frage: Wie soll es weitergehen, auch in Hinblick auf die postpandemische Zeit? Da
Es wird sich noch weisen, ob virtuelle HVs nach dem 30. Juni angesichts der weitgehenden Öffnungen juristisch überhaupt noch opportun sind. Interessenverband für Anleger (IVA)
Wir sprechen uns klar für die Übernahme der Möglichkeit der virtuellen Hauptversammlung ins Dauerrecht aus. Aus dem Positionspapier des CIRA (Cercle Investor Relations Austria) zur Zukunft der HV
gehen die Meinungen noch auseinander. Während vor allem (Privat-)Aktionäre vielfach gerne wieder
FOTO: beigestellt, Philipp Hutter
die gute alte Präsenz-HV zurück hätten, schätzen die AGs inzwischen die Vorzüge der virtuellen Ver-
Zur Person
sammlungen, nachdem sich diese aus deren Sicht
Mag. Manfred Kainz studierte Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften
recht gut bewährt haben. Als Kompromiss wird die
an der Uni Wien (Diplomarbeit bei Univ. Prof. Alexander Van der Bellen) und
hybride HV – und deren Kosten – diskutiert und
in den USA. Berufliche Stationen: Industriellenvereinigung, Europäische Kom-
auch abgehalten (siehe Raiffeisen Bank Internatio-
mission in Brüssel, Büro des Vizekanzlers Erhard Busek, Bundesministerium für
nal), wo also die Anteilseigner entweder physisch
Wirtschaft, Aktienforum - Österreichischer Verband für Aktien-Emittenten und
oder zugeschaltet teilnehmen und ihre Aktionärs-
-Investoren, Börsen-Kurier, Börse Express, FinanzMedienVerlag u.a.
rechte wahrnehmen können.
Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 53
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