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FRÜH ÜBT SICH

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Leistung oder Erfolg: Welchem Verständnis folgen wir? Kommentar zur studie „Jung stirbt, wen die Götter lieben?“ von prof. Dr. phil. lutz Thieme

Deutsche Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmer, die erstmalig an den Olympischen Spielen von 1956 bis 1988 teilnahmen, haben nach derzeitigem Erkenntnisstand ein höheres Risiko zu versterben als die Gesamtbevölkerung. Egal, ob sie für die DDR oder die alte Bundesrepublik an den Start gegangen sind. Über die Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, die erstmalig ab 1992 in den Olympiamannschaften des wiedervereinigten Deutschlands an den Start gegangen sind, lässt sich keine Aussage treffen, da in dieser Gruppe zum Glück bislang nur wenige Todesfälle vorgekommen sind. Unterschiede im Sterberisiko zwischen Ost und West, die man beispielsweise infolge des systema-

Prof. Dr. Lutz Thieme

tischen Dopings im DDR-Leistungssport vermuten könnte, bestätigen sich bislang nicht. Auch sind keine statistischen Unterschiede zwischen verschiedenen Sportartenkategorien zu finden, was jedoch an den dann schnell geringer werden Gruppengrößen und Fallzahlen liegen könnte.

Dies sind – kurz zusammengefasst – die Ergebnisse der studie „Jung stirbt, wen die Götter lieben?“, die ich im German Journal of Excercise and sport Research und in einer Weiterentwicklung gemeinsam mit Michael fröhlich in frontiers in sports and active living veröffentlicht habe. Die studie wurde von sportmedizinern mit kritischem Tenor kommentiert, war Gegenstand eines breiten Medieninteresses (z. b. bei sport Inside, WDR) und wurde mehr als 7000-mal angeklickt, was für eine wissenschaftliche Veröffentlichung außerordentlich viel ist.

Woher könnte das breite Interesse herrühren? Ja, die Ergebnisse widersprechen den allgemeinen Erwartungen und auch vielen internationalen studien. Doch jenseits dessen scheinen auch existenzielle fragen berührt. Da sind die fragen nach der art und Weise, wie individuell Wichtiges erreicht oder verfehlt wird, welchen Wert die erreichte leistung im Vergleich zur leistung von anderen hat und welcher Einsatz für das Erreichen eines persönlichen ziels angemessen ist. Dies alles betrifft sehr persönliche Wertvorstellungen und Entscheidungen.

auf einer zweiten Ebene stellen sich fragen, was eine Gesellschaft damit meint, wenn sie sich, wie die bundesdeutsche, als eine leistungsorientierte Gesellschaft versteht und diesen anspruch auch an ihre bürgerinnen und bürger vermittelt. Ein staatswesen ohne zugang zu bedeutenden Rohstoffen auf dem eigenen Territorium scheint in besonderem Maße darauf angewiesen, dass die Talente seiner bewohnerinnen und bewohner möglichst umfassend ausgeschöpft werden und zum Gemeinwohl beitragen. häufig wird dafür auf den sport als eine art Role Model verwiesen. Durch sport sollen beispielsweise das leistungsstreben und die zielstrebigkeit trainiert und der umgang mit Niederlagen erlernt werden. zudem wird davon ausgegangen, dass sich derartige Eigenschaften problemlos vom Kontext des sports auf andere bereiche übertragen lassen. Doch ist es wirklich so einfach? Ich habe meine zweifel.

Der sportliche Wettbewerb ist ein strukturell anderer als der Wettbewerb in anderen gesellschaftlichen bereichen. Er findet zudem unter verschärften bedingungen statt. Das zeitfenster für sportliche höchstleistungen ist deutlich kleiner als in der Wirtschaft, der Kultur oder der Wissenschaft. an die spitze schafft man es in der Regel nur in einer sportart, die zumeist universellen Regeln folgt. Es gibt also keinerlei kulturellen Kontext, in dem die Ermittlung des siegers oder der siegerin eingebettet ist. Es ist lediglich die regelkonforme Erreichung einer höhe oder Weite, die schnelligkeit mit der eine strecke zurückgelegt wird, spielgeräte, die in Tore, Körbe oder in das gegnerische feld befördert werden müssen, die präzision oder die Wirkung mit der ein ziel getroffen oder die Ästhetik und die schwierigkeit mit der eine bewegung ausgeführt wird, die über die Reihen-folge der sieger und platzierten ent-scheidet.

außersportliche beurteilungen sind in der Regel wesentlich komplexer. zudem ist der sport ein Nullsummenspiel: Der sieg der oder des einen ist die Niederlage der oder des anderen. Dies ist selbstverständlich auch die faszination am sport. Der leistungsgedanke wird idealtypisch verwirklicht: kontrollierte bedingungen, gleiche Regeln für alle, extreme Verknappung prestigeträchtiger und wirtschaftlich lukrativer Titel, the winner takes it all. Darin liegt ein großer Reiz für die zuschauer und für die akteure, die sich dem leistungsvergleich stellen. und es ist das Geschäftsmodell internationaler sportverbände, die weder demokratisch legitimiert noch kontrolliert sind, dafür aber auf die wichtigsten Elemente, nämlich die athletinnen und athleten sowie die Infrastruktur quasi kostenfrei zugreifen können.

Geht es im sport zu oft um Erfolg und nicht um leistung? beides ist deutlich voneinander zu trennen. leistung ist eine individuelle Kategorie: Man erbringt eine leistung, steigert diese und wird danach beurteilt, ob man dabei die persönlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und diese ggf. sogar verschieben konnte, sich also weiterentwickelt hat. Erfolg dagegen bedeutet, die eigene leistung ins Verhältnis zur leistung eines oder einer anderen zu setzen, die aber im spitzensport unter ganz anderen bedingungen erbracht wurde – das reicht von staatlichen förderstrukturen wie in china bis zu Doping und Missbrauch durch Trainer. solche leistungen lehnen wir ab, schicken die Mitglieder unserer Nationalmannschaften dennoch in derartige Vergleiche.

Die Reduzierung der anerkennung auf Erfolg, statt auf leistung verkennt, dass derjenige, der sein Talent optimal ausschöpft, aber damit keinen Erfolg hat, dennoch für das steht, was wir als leistungsgesellschaft schätzen und damit ebenso als Vorbild fungieren kann. Denjenigen, die einen erfolgsorientierten leistungsbegriff im sport und darüber hinaus favorisieren, halte ich entgegen, dass die zur Ermittlung von Erfolg notwendigen Vergleichsmaßstäbe, im sport also das Regelwerk der jeweiligen sportart, keine ahistorischen Konstrukte sind. sie sind geschichtlich tradiert und werden von jeder Gesellschaft und in jeder Epoche angepasst und neu bestimmt.

Das daraus resultierende Regelwerk hätte auch ganz anders gestaltet sein können, wenn man beispielsweise an die Klassen- und Gewichtseinteilungen, an die streckenlängen oder an die zugelassene art und Weise der bewegungsausführung, an die Verwendung technischer hilfsmittel bis hin zur abgrenzung zwischen Doping und Nicht-Doping denkt.

und was hat das alles mit der sterbewahrscheinlichkeit von olympiateilnehmerinnen und -teilnehmern zu tun?

Erfolg ist ein legitimes individuelles ziel. Informelle und strukturelle Rahmenbedingungen, die Erfolg honorieren und leistungen nur dann anerkennen, wenn diese zu Erfolg geführt haben, können individuelles Erfolgsstreben befeuern und/oder organisatorische strukturen schaffen bzw. akzeptieren, die Menschen dazu drängen oder verleiten, durch die (überschätzte) aussicht auf Erfolg immer wieder den Versuch zu unternehmen, ihre leistungsgrenzen zu verschieben. Dies erfolgt dann eben häufiger auch zu lasten von Gesundheit und lebenszeit oder unter zuhilfenahme illegaler oder illegitimer praktiken.

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