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Nachhaltigkeit in der Praxis
from gastrotel 2-2022
by GW VERLAG
Stell dir die Frage nach dem Warum!
„Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor im Gastgewerbe“ – zu diesem Thema hat kaum jemand so viel Material geschürft wie Markus Wessel, der eine gleichnamige zehnteilige Podcast-Reihe mit Protagonisten aus der Branche produzierte. Exklusiv für gastrotel fasst Markus die Learnings dieser Serie zusammen
Wir müssen aktiv werden! Jetzt! Als Gründer der Küchenherde und Host des Küchenherde-Podcasts beschäftige ich mich bereits seit einigen Jahren mit dem Wandel in unserer Branche. Nachhaltigkeit ist ein Faktor, den wir im Jahr 2022 nicht mehr außer Acht lassen dürfen. Doch was steckt dahinter? Was passiert mit der Welt, wenn wir nicht bald anfangen umzudenken? Und noch viel wichtiger für dich: Was passiert mit deinem Betrieb, wenn du Nachhaltigkeit nicht in dein Tagesgeschäft integrierst? Richtig umgesetzt, bedeutet es einen enormen Wettbewerbsvorteil für dich. Nur wenn du mit der Zeit gehst, kannst du junge Kandidat*innen für dich gewinnen. Neue Gästegruppen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, finden plötzlich den Weg zu dir. Und glaube mir, davon gibt es immer mehr. Nur ein Beispiel: Etwa 1,5 Millionen Menschen allein in Deutschland leben aktuell vegan. Tendenz steigend. Und zum Essen gehen sie selten allein. Im Rahmen der Podcast-Serie „Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor im Gastgewerbe“ habe ich verschiedene Fachleute zu exakt dieser Thematik befragt, um Licht ins Dunkel zu bringen. Denn dabei geht es um weitaus mehr als die Zutaten auf deinem Teller. Zu einem nachhaltigen Konzept gehören auch Aspekte wie nachhaltige Lebensmittel, Nachhaltigkeit in Verpackung und Ambiente, also um den Teller herum, Nachhaltigkeit bezogen auf Gebäude, Geräte, Technik und Verbräuche. Viele Mosaiksteinchen, die ein großes Ganzes ergeben.
Die Frage nach dem „Warum“ ist auch in diesem Fall die Motivation, ins Handeln zu kommen
Verantwortung übernehmen und zeigen, wie es funktionieren kann, damit sich im besten Fall das Einkaufsverhalten der konsumierenden Zielgruppe, unserer Gäste, verändert: Dies war der Grundgedanke, der mir kam, nachdem ich zwei für mich augenöffnende Dokumentationen – „Seaspiracy“ und „Cowspiracy“ – geschaut habe. Sie haben mir den letzten und wirklich intensivsten Impuls dazu gegeben, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch wie heißt es so schön: Nur gemeinsam können wir etwas Großes bewirken! Je mehr ich darüber nachdachte, wurde mir eine Sache klar: In unserer speisen- und getränkegeprägten Branche werden jedes Jahr mehr als zehn Milliarden Transaktionen vollzogen. Anders gesagt sind das zehn Milliarden Gästekontakte und zehn Milliarden Mal die Chance, in Kommunikation mit unseren Gästen zu gehen und zu zeigen, wie es nachhaltig funktionieren kann. Wenn nicht wir, wer dann? Ich kam zu dem Ergebnis, dass das Gastgewerbe der größte Stellhebel sein kann, um den Klimawandel nachhaltig positiv zu beeinflussen. Doch natürlich war mir auch bewusst, dass, um ins Handeln zu kommen, auch für den oder die Gastgeber*in das Warum ausschlaggebend ist.
Markus Wessel, 39, ist gelernter Koch, Betriebswirt und digitaler Experte. Er berät Gastgeber*innen bei der Umsetzung von Digitalisierung. Der „Green Chefs Insider“ und Podcaster betreibt die Seite kuechenherde.com und die Online-Messe für digitale Lösungen Gastrotools24.de
Hier geht‘s zur Podcast-Reihe Nachhaltigkeit: Warum sollen wir denn jetzt das Klima retten?
Die Plastikstrohhalme wurden ausgetauscht, der Abfall reduziert und nun werden plötzlich auch Bäume für das Klima gepflanzt. Aber ob das alles wirklich etwas bringt? So manch eine Maßnahme scheint auf den ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich für uns, doch Chris Kaiser liefert den Beweis. Als Gründer und CEO von Click A Tree hat er die Initiative Food for Future ins Leben gerufen. Hast du zum Beispiel schon mal vom Baum-Burger gehört? Das Projekt Food for Future hilft Gastronomiebetrieben, etwas für die Umwelt zu tun. Und so wird bei jedem verkauften Burger direkt ein neuer Baum gepflanzt. Das Ergebnis lässt sich sehen. Seit 2019 hat Click a Tree 15.656 Bäume gepflanzt, 3.914 Arbeitsplätze geschaffen und 62.624 Quadratmeter Fläche wieder aufgeforstet (Impact Report Stand 11/21). Dazu Folgendes: Die steigenden Viehbestände produzieren mehr Treibhausgase als der gesamte Transportsektor. Wusstest du, dass das Methan, welches das Vieh bei der Verdauung erzeugt, 68-mal schädlicher als das Abgas der Autos ist? Ja, genauso habe ich auch geschaut. Von der Umweltzerstörung mal ganz abgesehen, denn Viehhaltung braucht Platz, um Nahrung für die Tiere anzubauen. Und wenn kein Platz vorhanden ist? Dann werden Wälder abgeholzt, um zusätzliche Fläche zu erzeugen.
Für einen kleinen Hamburger von McDonald‘s benötigt man 2.500 Liter Wasser
Und da setzte ich gleich noch an: 500 Gramm Fleisch = 10.000 Liter Wasser, 1 Ei = 200 Liter, 1 Kilogramm Käse = 5.000 Liter, 1 Liter Milch = 1.000 Liter Wasser. Viele sparen im Haushalt Wasser, dabei macht dieser nur fünf Prozent des Gesamtverbrauchs in den USA aus. 55 Prozent gehen auf das Konto der Viehwirtschaft. Das Ergebnis: Nicht nur globale Erwärmung, sondern auch der Verbrauch von Rohstoffen und der Umweltzerstörung durch das Roden der Urwälder. Und ganz ehrlich: Da
Für die KüchenherdePodcast-Serie „Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor im Gastgewerbe“ interviewte Markus Wessel zehn Branchenexperten
ist es mit kurz duschen, Müll trennen und Fahrrad fahren nicht getan. Dieser Artikel soll dich nicht drängen, deinen Gästen nur noch vegane Speisen zu servieren – wobei ein Angebot an veganen Gerichten heutzutage immer dabei sein sollte. Ich bin der Meinung, dass die Speisekarte der Zukunft bald nur noch aus veganen und vegetarischen Gerichten besteht. Fleisch wird dann als Beilage nur noch hinzugewählt. Klingt das vorstellbar für dich?
Nenne es auf keinen Fall VEGAN
Nachhaltigkeit findet nicht nur auf dem Teller statt, und dennoch ist das ein guter Beginn. Antonia Schäfer ist zertifizierter veganer Hotel- und Gastrocoach und hilft uns dabei, vegan-freundlich zu werden, aber ohne Zeigefingermentalität. Sie rät dazu, sich am Anfang auf das Wesentliche zu konzentrieren und Veganer*innen „ganzheitlich“ zu sehen. Ein Gemüsecurry auf der Speisekarte ist zwar nett, aber nicht unbedingt ein Grund, um wiederzukommen. Nenne es auf keinen Fall vegan, ist ihr Tipp. Denn wir wollen natürlich die anderen Gäste nicht vergraulen. Piktogramme sind da eine Option und laden auch Fleischesser*innen und Flexitarier*innen eher dazu ein, mal die vegane Alternative zu probieren. Kleiner Tipp: Veganer*innen informieren sich ganz genau auf speziellen Seiten wie vegan-welcome.com oder www.happycow.com, wo sie gut Essen gehen können.
Neue Mitarbeiter*innen durch ein nachhaltiges Konzept
Mit nachhaltigem Arbeiten kann man potenzielle Kandidat*innen ansprechen, die sich für eine Tätigkeit in deinem Betrieb interessieren. Sie steigen in deinen Reisebus (dein Betrieb), weil sie dein Reiseziel (Unternehmensziel) kennen und auch genau dahin möchten. Die junge Generation denkt anders. Sie möchten sich mit dem Unternehmen identifizieren können und hinter dem Angebot stehen. Nachhaltigkeit ist da ein wichtiges Auswahlkriterium, sagt Jan-Peter Wulf vom Nomyblog, dem Online-„Magazin für gute Gastronomie“. Meiner These fügt er hinzu, dass der größte Stellhebel die politische Verantwortung ist. Wir brauchen Vorgaben und Richtlinien für die Zukunft. Für Philipp Hartmann, Sales Director und Prokurist bei Weitblick Workwear, fängt Nachhaltigkeit schon bei der Arbeitskleidung an, denn sie ist nicht nur gut für die Umwelt. Kleider machen Leute, heißt es nicht umsonst und sie ist zudem ein Zeichen für Wertschätzung und Respekt. Mit der Entscheidung für hochwertige und nachhaltige Arbeitskleidung entscheiden sich im Anschluss vielleicht sogar mehr Mitarbeiter*innen für dich. Man darf nicht vergessen, dass wir meistens mehr als acht Stunden in der Arbeitskleidung verbringen und uns dann zumindest wohl darin fühlen sollten. Das wirkt sich doch auch auf die Körpersprache und das Feeling des Mitarbeiters aus.
Warum Köche und Köchinnen die Welt retten können
Mehr Wertschätzung hat auch der Kochberuf verdient, so Peter Erik Hillenbach, Restauranttester, Eco-FoodBlogger und Chefredakteur des GW Verlag. Er ist der Meinung, Köche, Köchinnen und Gastgeber*innen haben die gesellschaftliche Wertigkeit vergleichbar mit der des Arztberufs verdient, denn auch sie tragen eine
enorme Verantwortung für unser Wohlbefinden. Jörg Reuter, Geschäftsführer von Artprojekt Nature & Nutrition und Initiator des Projektes Food Campus Berlin, setzt noch einen obendrauf und erklärt uns, warum Köche und Köchinnen sich zukünftig einer neuen Rolle in der Essenszubereitung stellen müssen und dürfen. Laborfleisch und Roboter werden zwar in Zukunft gang und gäbe im Gastgewerbe – doch unsere Köche und Köchinnen sind in der Lage, die Welt zu retten. Denn wer sonst kann aus einem schlichten Gemüse eine geschmackliche Explosion zaubern?
Nachhaltige Verpackung, ein Netzwerk und neue Technologie
Während wir in Deutschland noch viel Luft nach oben haben, ist man uns in Griechenland stellenweise schon einen großen Schritt voraus. Andreas Koch ist Tourismus-Nachhaltigkeits-Experte und ehemaliger Umwelt-Beauftragter bei TUI Deutschland. Mit einem einmaligen Projekt hat er Hotelbesitzer*innen und Farmer*innen auf Kreta vereint. Botschafter*in der Region zu werden ist das Ziel, und mit Geschichten zur Herkunft und Produktion erschaffen wir ein Erlebnis für den Gast. Andreas redet dabei nicht mehr von einem CO₂-Fußabdruck, sondern von einem Handabdruck, den wir im Gastgewerbe hinterlassen. Und das schaffen wir, indem wir unsere Gäste mit unserer Arbeit, mit regionalen Produkten erreichen und inspirieren. „Wir sammeln und sammeln und keiner macht was daraus“, sagt Axel Gelhot, Head of Marketing Central Europe bei der DUNI Group, und daher setzt DUNI beispielsweise auf Mehrwegverpakkung aus recyceltem PET. Denn das wird ohnehin gesammelt, also nutzen wir es auch. Durch Axel habe ich ein neues Verständnis auf einen weiteren Teilaspekt der Nachhaltigkeit erhalten und weiß jetzt zum Beispiel auch, dass Produkte aus Maisstärke nicht wirklich 100-prozentig nachhaltig sind und im schlimmsten Fall einfach keinen Sinn ergeben. Denn sowohl Maisstärke als auch PLA ist am Ende im Recyclingstrom nicht ergebnisfördernd. Es sind zwar Rohstoffe aus der Natur, doch können sie hinterher nicht mehr in die Natur zurückgeführt werden. Energie sparen durch neue Techniken: Es ist keine Neuheit, dass alte Geräte wahre Stromfresser sind. Doch bei dem Gedanken, auch die Küchengeräte gegen nachhaltige Techniken zu tauschen, verlässt einige Leute direkt die Motivation, denn neue Geräte kosten erstmal Geld. Olli Meurer und Tom Klein sind beide Köche mit Leib und Seele und kümmern sich heute um den Vertrieb bei MKN. Sie haben die Hörer*innen auf die Faktoren aufmerksam gemacht, die außerhalb des Tellers geschehen. Mit vielen Kleinigkeiten, die wie Mosaiksteinchen zusammen etwas Großes ergeben, können zwischen 50 und 80 Prozent der Verbräuche (Gas, Strom, Wasser) eingespart werden. Und dann ist es nicht verwunderlich, wenn man es als Anwender*in richtig anstellt, dass sich das ein oder andere Gerät bereits nach zwei bis drei Jahren amortisiert.
Und wie sieht das Ganze jetzt in der Praxis aus? Alexandra Herget, Mitgründerin von TUTAKA, gibt uns im Interview ein paar QuickTipps und einige davon habe ich hier für dich zusammengestellt.
Meine acht wichtigsten Umsetzungstipps mit dem größten Impact:
1. Stell dir die Frage nach deinem WARUM. Was ist deine Leitidee? 2. Mach eine Bestandsaufnahme und schau, was du bereits tust.
Was sind deine Stärken, deine Schwächen? Wo liegen ggf. Risiken bei der Umsetzung? 3. Setz dir greifbare Ziele, einen Zeitrahmen und hole dir Unterstützung ins Boot. 4. Beginne bei der Optimierung der Küchenprozesse und dem Aufbau eines regionalen Lieferantennetzwerkes. 5. Nenn es nicht vegan! So erreichst du auch andere Menschen mit deinem Angebot. 6. Mach dir Gedanken zu deinem Verpackungssystem. 7. Investiere in Küchengeräte mit neuer Technologie. 8. Beziehe dein Team mit ein, das schafft Verbindung und Kreativität.
Es geht nicht ums Missionieren! Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen! Da waren sich all meine Interviewgäste und ich uns einig. Es geht nicht darum, die Landwirtschaft zu verbannen, sondern darum, Massentierhaltung nicht mehr als selbstverständlich anzusehen. In unserer Branche können wir die Endkonsumenten so oft erreichen und im besten Fall das Einkaufs- und Konsumverhalten beeinflussen. Dies ist der große Hebel, der Multiplikator, den wir im Gastgewerbe nutzen können. Für uns, unsere Mitarbeiter*innen, Gäste und für unsere Umwelt. Die Endkonsumenten oder Verbraucher dieser Welt sind auch die CEOs oder Geschäftsführer von großen Unternehmen und Konzernen, die wir überzeugen können, in ihrem Unternehmen etwas anders zu machen. Wir haben die emotionale Verbindung zu unseren Gästen. Wir können es schaffen, etwas zu verändern! Wenn du erst einmal losgegangen bist, dann wirst du merken, es macht sogar Spaß. Deine Mitarbeiter*innen werden sich freuen, etwas bewirken zu können. Denn nachhaltiges Arbeiten ist nicht nur Wertschätzung für die Umwelt, sondern auch dir und den Mitarbeiter*innen gegenüber. Auch deine Gäste werden sich freuen, beim Essen gehen etwas Gutes zu tun. Und wer weiß, vielleicht gewinnen wir dadurch auch wieder neue, junge Menschen für unsere Branche. Das, finde ich, ist ein großartiges Ziel!
www.kuechenherde.com
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