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Genuss in Wohlfühloasen

Coole Einrichtung war gestern, Silvia Geuker gibt einen Einblick in aktuelle Indoor-Trends im Gastgewerbe. Ein bisschen Vintage, ein bisschen Moderne, geschickte Beleuchtung, Fantasie und prägnante Akzente: So entstehen Restaurants, die zu Wohlfühloasen werden. Natürlich müssen auch der Service und die Speisen dazu passen, damit ein rundes Konzept entsteht.

Sir Helga In M Nchen

Sir Helga im Münchener Stadtteil Lehel ist dazu angetreten, zum zweiten Wohnzimmer für seine Gäste zu werden. So beschreibt es die Website: „Dein neuer Lieblingsort in der City, wo Du sicher sein kannst, wie ein junger Sir behandelt zu werden und zugleich die Wärme und Herzlichkeit Deiner liebsten Lieblingstante spürst. Als Gast hast Du nur eine Aufgabe: Dich wohl fühlen. Wie in Deinem eigenen geheimen Wohnzimmer, das Du mit Deinen besten Freunden teilst.“

Als „Glücksfall“ bezeichnet Innenarchitektin Carina Dippold die Tatsache, dass sie von Anfang an in das Konzept involviert war. Eine bekannte Agentur von Dippold Innenarchitektur entwickelte den Namen und das Logo. So entstand ein homogenes Konzept. Die Gastronomie ist vergleichsweise klein, sie verfügt über etwa 40 Sitzplätze. Grün und Rosa sind die Corporate Farben, die sich überall in der Gestaltung wiederfinden, in den Tapeten, in den samtigen Bezügen der Sofas und in Vasen. Überhaupt gibt es für ein Lokal viel Deko, alles ist etwas üppiger und etwas mehr, so wie es auch in dem Wohnzimmer der Lieblingstante wäre; zum Beispiel die Wände über den Sofas, an denen sich sowohl Pflanzentapeten als auch Regale finden, auf denen Bücher und Topfpflanzen stehen. Oder die „Wohnzimmerschränke“, die mit Gläsern, Büchern und Kugelleuchten eine heimelige Atmosphäre verbreiten, ohne dabei kitschig zu wirken. Die ganze Atmosphäre ist sehr dicht und eng, so dass auch das Servicepersonal immer nah am Gast ist.

Eigene DNA entwickeln

„Wir wollten nicht nur auf den Vintage Zug aufspringen, sondern für das Restaurant eine eigene DNA entwickeln“, so Dippold. „Der Materialmix ist entstanden aus der Idee, dass Du bei Deiner Tante Helga auf der Couch sitzt. Da hast Du dieses Überladene, was Wohnzimmer ja wirklich manchmal haben. Es ist bewusst überspitzt und etwas zu viel, hat aber den Effekt, dass Du Dich als Gast wohlfühlst, obwohl das Grün und Rosé nicht die wärmsten Farben sind. Wir haben keine hohen Decken, so dass wir den ganzen Raum mit üppigen Kristallleuchtern ausgestattet haben. Das macht viel für die Außenwirkung aus. Das Glitzernde der Leuchter zieht Gäste an.“

Die Decken sind Akustikdecken, die bewusst dunkel gehalten sind, um einen Wohlfühleffekt zu erzeugen. Weil über dem Lokal Apartments sind, war das eine Vorgabe. Als weitere Schallschlucker fun­ gieren Vorhänge, Kissen und Möbel. Das ist auch wichtig, weil mit der aufklappbaren, hohen Verglasung eine große schallharte Fläche im Raum ist.

Weitere charmante Deko­Elemente sind die kleinen goldenen Lampen auf den Tischen, die Kräutertöpfe auf dem Tresen und die Blumenvasen. Diese vielen Details machen den Charme von Sir Helga aus. Raumprägend sind die Stühle und Barhocker von &Tradition im Design des Finnen Sami Kallio. Eigentlich wäre eine Location wie diese geradezu prädestiniert für eine Lounge Area, wenn nicht der Platz begrenzt wäre.

Das Sir Helga befindet sich im Münchener Ortsteil Lehel, das ist weder eine 1A ­ noch eine 1B­Lage. Somit ist das Publikum nicht touristisch geprägt, sondern es sind die Leute aus dem Viertel, die hier auf einen Drink oder zum Essen einkehren. Ob Eier Benedikt zum Frühstück, Omas Sonntagsbraten oder Maispoularde mit Nussbutter, Körner Crumble und Portweinlack – hier klingt alles lecker. Möglichst viele Zutaten bezieht das Sir Helga dabei von regionalen Lieferanten. Es gibt ein weiteres Lokal in Berlin, und ein drittes ist in Düsseldorf in Planung.

Heimwerk Restaurants In M Nchen Und D Sseldorf

Die Heimwerk Restaurants stehen ganz im Fokus der bayrischen Heimatverbundenheit und widmen den kulinarischen Schwerpunkt einer der Grundfesten der bayrischen Küche: dem Schnitzel. Und das in allen Variationen: vom Schwein, Kalb oder Huhn, aus Gemüse, Zucchini oder Sellerie, mit würzigem Bergkäse, Chili oder Kurkuma. Im Sinne der Nachhaltigkeit stammen das Fleisch und die anderen Zutaten aus der Region.

Moos und Holz

Auch in der Einrichtung geht es natürlich und ursprünglich zu: Edelrost mit Moosflächen an der Restaurantdecke, eine Wasserzapfsäule aus Naturstein und Tische aus Altholz von einstigen bayerischen Hütten prägen den Stil. Dabei ist die junge Gastronomiemarke keineswegs altbacken. Wie wohl Gäste sich fühlen sollen, überlässt

Heimwerk, München

Geschäftsführer Archibald Graf von Keyserlingk keineswegs dem Zufall. „Seit wir im Jahr 2016 die Heimwerk Restaurants ins Leben gerufen haben, verfolgen wir eine fein ausbalancierte Strategie, wie unsere Marke für unsere Gäste zum Erlebnis wird. Und das immer wieder auf eine ganz spezifische und authentische Art in jedem unserer Restaurants an neuen Standorten.“ Keyserlingk legt Wert auf einen feinen Unterschied zwischen der besonderen Heimwerk Heimat­ Atmosphäre und den eher als stereotyp bekannten touristisch­bayerischen Traditionen: „Wir sind heimatverbunden und natürlich, doch frei von Folklore und Brauchtum.“

Dazu zählen auch offene Raumstrukturen wie beispielsweise die sichtbare Verbindung von Gastraum und Küche durch transparentes Glas. Außerdem kann man das emotionale Markenkonzept auch hören: Eine eigens mit einem DJ entwickelte Musiklandschaft spiegelt das Bodenständige und Authentische des Konzepts und seines Designs wider. So will die bis ins Detail abgestimmte Markenwelt von Heimwerk mehr als nur ein gutes Gefühl von „Angekommensein“ vermitteln. „Eine tragende Säule unserer Marke ist das Thema Nachhaltigkeit“, erklärt Keyserlingk. „Zutaten aus der Region, keine künstlichen Zusatzstoffe, strikte Abfallreduktion – all dies vermitteln wir unseren Kunden zwar einerseits argumentativ und bewusst über unsere Kommunikation, andererseits aber auch über die Ausgestaltung unseres Raum­Erlebnisses und damit auf einer subtilen Gefühlsebene. Unser Gast soll spüren: Hier bist du richtig, hier kannst du guten Wissens und Gewissens genießen.“

Einblicke in die Küche

Auch das zuletzt eröffnete Restaurant im Tal 15 mitten in München setzt auf modern interpretierte, natürliche Elemente bei der Einrichtung, wie Altholz, Naturstein und Messing. Die prägnante Bar steht dominant ganz vorne im Gastraum. Für Transparenz sorgen niedrige Stellwände und Einblicke in die Küche.

Inzwischen gibt es drei Standorte in München und einen in Düsseldorf. Heimwerk Restaurants spielen bewusst mit innenarchitektonischen Elementen der bayerischen Wirtshaustradition, zum Beispiel dem Stammtisch, doch in Verbindung mit modernen Aspekten entsteht ein ganz eigenes Konzept.

KETTNER‘S KAMOTA

IN ESSEN

Nein, Kamota hat nichts mit Japan zu tun, wie man spontan denken könnte. Vielmehr ist es steirisch und bedeutet so viel wie „fein und bequem“. Aber dadurch, dass die moderne, österreichische Küche einen japanischen Einschlag hat, passt das verwirrende Wortspiel perfekt.

„Wir wollen die Gemütlichkeit eines steirischen Wohnzimmers ins Ruhrgebiet versetzen“, so der Österreicher Jürgen Kettner, der zusammen mit Partnerin Wiebke Meier aus Hamburg das Restaurant führt. Die Authentizität lag ihm dabei am Herzen. Typisch österreichische, urige Accessoires hat der Patron modern und rücksichtsvoll interpretiert. In seinem Elternhaus zum Beispiel gab es überall echte Felle. Aus Rücksicht auf Vegetarier, denen bei deren Anblick das Risotto im Hals stecken bliebe, klebt das Fell als Tapetenmotiv an der Wand. „Wir haben das Thema eher fancy aufbereitet“, so Kettner.

Viele Deko-Details

„Da sind zum Beispiel die für Österreich typischen, handgeschnitzten Wandteller, die man als Deko an die Wand hängt. Über EbayKleinanzeigen haben wir sie gesammelt und sie schwarz angesprayt, so dass sie einen modernen Touch haben.“ Dann ist da noch der Wildschweinkopf aus Kunststoff, aus dessen Maul eine Glühbirne hängt. Alpenveilchen präsentieren sich in einer goldenen Kokotte. Dann sind da noch die urigen Holzbalken und die Deko­Kissen mit alpinen Motiven. Auch die mit österreichischen Produkten gefüllten Weckgläser vermitteln Authentizität. Ein weiterer Eyecatcher ist eine große Leinwand mit Wanderabzeichen, die zusätzlich mit Skiern verziert ist. Und auf dem Weg zu den Toiletten finden sich kleine Holzäste aus der Steiermark an der Wand. Es sind die vielen Details in der Dekoration, die das Kettner‘s Kamota zu einem Wohlfühlort werden lassen: So hat die Mutter des Vollblut­Kochs ihm eine Lederhose geschickt, in der man eine Flasche Schnaps verstauen kann.

Die Wände des Restaurants sind in Petrol getaucht. Da die Steiermark das grüne Herz Österreichs ist, freut sich Jürgen Kettner über seine grüne Location, die beruhigend auf die Augen der Gäste wirkt: „Wir wollen hier einfach eine entspannte Nummer machen.“ Dazu passen die warm wirkenden, gelben Vorhänge mit Fuchsiafarbenen Streifen als Akzente.

Markenbotschafter

In der Einrichtung finden sich viele Artikel von Lusini, denn Kettner ist Markenbotschafter des Gastronomieausstatters, zu dem auch die Möbelmarke Vega gehört. Passend zu den ausgesuchten Polsterstühlen ließ Vega für Kettner Barstühle herstellen. Auch die Massivholz­Tische aus Buche stammen von dem Wertinger Ausstatter. Ganz frisch wurde das Kettners Kamota mit einem Stern dekoriert, aber das wird nichts an der Konzeption ändern. „Es soll ein Wohnzimmer sein, das für alle Menschen zugänglich ist. Das ist mein Lebenstraum“, freut sich Kettner.

Restaurant Gutlands In Forchheim

Restaurants in Hotels haben es oft nicht leicht, lokale und regionale Gäste anzusprechen. Im Falle des Gutlands in Forchheim ist das anders: Hier kehrt man nach der Arbeit gemütlich ein, und ebenso beliebt ist das Lokal für Kommunionen und Geburtstagsfeiern. Modern interpretierte, fränkische Küche trifft auf Filetsteak und Burger­Kultur.

„Gut“ steht dabei für frisch, genussvoll, liebevoll gastfreundlich und „lands“ für heimatverbunden, naturnah und authentisch. Das Restaurant ist gleichzeitig Lobby für das im Gebäude befindliche Arivo Aparthotel. Der Name Gutlands, der vom Namen des Hotels abweicht, gibt dem Restaurant nach außen eine Eigenständigkeit.

Ideen, statt großes Budget

„Wie hatten kein großes Budget“, erinnert sich Caroline Dippold. Vom Layout der Gastronomie waren schon viele Gegebenheiten festgelegt, so etwa die Anordnung der Bar. Das InnenarchitektenBüro setzte Akzente, zum Beispiel durch die Farbgebung in Erdtönen. Gezielt wurden alte Holzbänke integriert, um den ursprünglichen Charakter zu betonen. Eine Trennwand aus Fachwerk erinnert an die typisch fränkische Bauweise vieler alter Häuser. Wichtig war den Innenarchitekten auch, dass der Stil nicht zu „fancy“ wird, um die Forchheimer Gäste nicht abzustoßen.

Das Konzept sollte so gestaltet sein, dass es sowohl morgens zum Brunchen als auch abends bei einem Glas Wein mit einer Kleinigkeit zu essen funktioniert. Außerdem sollte es den Gästen des Aparthotels als erweitertes Wohnzimmer dienen. So erklärt sich auch der hohe Anteil an Couchen und Lounge­Elementen. Die Fliesen im Zement­Look sind nicht unbedingt typisch fränkisch, bespielen aber das Landhaus­Thema.

Alte Teppiche und Tische im Vintage­Look unterstreichen die unkomplizierte Atmosphäre, die aus der Vielfalt unterschiedlicher Elemente entsteht. So entsteht der Charakter einer fränkischen Wirtschaft, die in ihrer Interieur­ Aussage, modern interpretiert, auf das nächste Level gehoben wird.

Service

• www.arivo.de/gastro/ (Gutlands)

• www.dippold-innenarchitektur.com

• www.heimwerk-restaurant.de

• www.kettnerskamota.de

• www.sirhelga.com

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