Die
Missions-Taube.
Neuſeeland. Marxrwelltown, den 26. Juni 1888. Lieben Brüder! Meinem Verſprechen gemäß werde id) im Folgenden Euch ein Weniges über die Maori erzählen. Die Maori find größtentheils hübſch und ſchlank und haben einen ſtarken Körperbau. Sie ſind auch nicht ſo einfältig, ſondern fonnen oft {nell begreifen. Obgleich die Faulheit ſie nicht leicht loslaſſen will, ſodaß ſie zum Lernen ſchwer heranzukriegen ſind, fo haben fie dod) Luſt zum Singen und andern Sachen, ſind auch auf ihre Art ganz
pfiffig.
Früher wohnten fie mehr auf hohen Hügeln. Fragt man, was die Urſache ſei, daß ſie ſo hoch wohnten, ſo ſagen ſie: „Dann konnten wir beſſer ausſehen nach dem Feind, daß er uns nicht überfiel.“ Jn einem Pa wohnt ein ſehr alter Mann, der erklärte mir die ganze Sache. Er ſagte, ſie hätten deshalb den höchſten Hügel gewählt, weil ſie nie ſicher geweſen ſeien vor andern Maori. Z. B. ein Haufen Maori kam den Fluß aufwärts gefahren, ſchnell erkundeten ſie, wie ſtark die Mannſchaft ſei. Waren ſie ſelbſt nun ſtärker, dann ſtürzten fie eiligſt herunter und ſchlugen die Kommenden todt und fraßen ſie darnach auf. — Sahen ſie aber, daß die fommende Mannſchaft zu ſtark war, ſo waren ſie ganz ſtille und froh, wenn ſie erſt vorbei waren. Die Weiber mußten die Fußſtapfen ſorgfältig wieder zumachen, wenn ſie Waſſer aus dem Fluſſe geholt hatten. Oft wurden ſie aber doch ausgeſpähet und dann gab es einen Kampf auf Leben und Tod. Auf meine Frage, ob er auch mitgegeſſen hätte, ſagte er beſchämt nein, er ſei damals nod) jung geweſen. Bekannte, aber, daß es ſehr häßlich geweſen ſei, daß ſie Menſchenfleiſch gefreſſen hätten. — So viel hat doch die Macht des Evangeliums zu Wege gebracht, daß ſie ſich ihrer früheren That ſchämen und es wohl nicht wieder thun verden. — Die Maori eſſen gewöhnlich des Tages nur zwei Mal, und daß dann gut eingefahren wird, ift wohl natürlich. Sch wundere mich oft, daß ſie auf einmal fo viel verzehren können. Kartoffeln ſind die Hauptſpeiſe, die bereiten ſie auch ganz fdjin. Sie eſſen aud) gerne Fleiſch, ſchlachten Schweine, aud) wohl mal einen Ochſen oder Schaf, haben auch wohl Geflügeltes zu eſſen, weil einige unter ihnen gut ſchießen können. Am liebſten ift ihnen, wenn ſie im Sommer Fiſche fangen können. Sie bauen auc etivas Tabak, damit fie ein wenig ſhmauchen können; denn Männer, Weiber, oft aud) Kinder find wohlgemuth, wenn fie den Stummel in dem Munde haben und fragen wenig nad) andern Sachen. Früher liefen ſie wohl faſt na>end, jeht ſind ſie bekleidet und wenn fie-aud) nur eine De>e umhaben oder ſonſt alte Lumpen; denn Einige find recht arm und haben faſt nichts
‘anzuziehen.
Sie find zum Theil ſehr tü>iſch, und hinter-_
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liſtig, man muß ſie erſt recht kennen, bevor man ihnen trauen fann. Da können fie oft im Gottesdienſt ſo fromm und andächtig ausſehen, aber im Herzen ſteht es ganz anders. Sie ſind aber auch ſehr anhänglich, und hätten wir ſie erſt ‘gewonnen, würden wir ſicher ihre Anhänglichkeit genießen. Dieſe Anhänglichkeit genießt augenbli>lih der falſhe Pro: phet Te Whiti, der kann die Maori belügen und betrügen, aber alles, was er macht, ift gut. — Vor dem erſten Kriege hatte er einen Miſſionar, Namens Riemenſchneider, zum Lehrer; derſelbe gab dem Te Whiti eine Bibel, und weil er leſen konnte und ſein Lehrer nicht mehr bei ihm war, verfiel er ganz in Schwärmerei. Er ſagte nämlich, er ſei Gottes Sohn und ſein Bruder Tohu der Heilige Geiſt. Best find wohl die Weißen gekommen, ſagt er, und haben das Land genommen; aber es wird nicht lange mehr dauern, dann werde ich ſie in die See jagen und wir ſind die Herren des Landes. „Ja, ih komme bald.“ Offenb. 22, 20. Dies glauben die Maori und warten und warten auf ſeine Hülfe. — Das erſte Mal, wie ic) in Parihaka war, ſtand er auf vom Tode. Er wollte nun für ſein Volk ſterben und in der Herrlichkeit auferſtehen. Wie id) nad) dem Pa kam, war eine lautloſe Stille, und nad) dem Grund fragend, antivorteten ſie: „Te Whiti ſei geſtorben und heute ſei der Auferftehungstag.” Nun begab ich mich nah ſeinem Hauſe, ein Mann lief mit einem Schwert in der Hand vorm Hauſe auf und ab und ſagte fein Wort. Jd) ſtand eine lange Zeit vor dem Hauſe und wollte das Wunder der Auferſtehung ſehen, und dachte bei mir ſelbſt: der rechte Erlöſer ſtand dod) früh auf vom Tode. Te Whitt muß man dies wohl zugute halten, er hat wohl die Zeit verträumt; denn es ivar 10 Uhr und die Sonne ſtand hoch am Himmel. Da mir die Zeit zu lang wurde, ging ich nach-dem Hauſe, welches er für die Weißen hat bauen laſſen, wenn ſie gnädige Herberge bei ihm ſuchen. Auf einmal wurde ein Regen und Bewegen im Pa, denn nun war er auferſtanden. Er lief nach einem andern Hauſe und ließ ſih hernad) auch ‘wenig ſehen. Bei einem alten Mann, der ein freundliches Geſicht machte, ſeßte ih mich; derſelbe erzählte den ganzen Hergang. Er ſagte, ich könnte ſicher glauben, Te Whiti wäre geſtorben; denn er wüßte es ganz gewiß, daß er in dreien Tagen nichts gegeſſen hätte, und Niemand hätte ihm heimlich ettvas zugeſte>. Nun würde bald die Zeit ihrer Erlöſung kommen. — Die Maori lagen zu Tauſenden da, und weil ihm dieſer Streich fo vortrefflich gelungen war bei dem Volke, machte er aud) ſhon Miene, die Maori su erlöſen. Glücklicherweiſe war damals ein ehriviirdiger Mann, Mamens Bryéès, Miniſter der Eingebornen, der rief ſchnell die waffenfähige Mannſchaft zuſammen und kriegte das ganze Neſt aus, und die da nicht hingehörten, jagte er nad) Haus. — Dieſer Volk3beglücker tourde nun in’s Gefängnis geſte>t und hatte Zeit zum Nachdenken. Da die Regierung ihn aber förmlich als einen großen Herrn behandelte, warer hernad doch noch ganz fred) und fing ſeine alte Schwärmerei wieder an. Später wurde er nod) einmal eingekerkert und als richtiger
Leti