Missions-Taube 1896

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Die

Missions-Taube.

Segnungen der Reformation geſeßt hat. Zwar hat ja freilich jeßt durch Luthers Dienſt die ganze proteſtantiſche Kirche das theure Bibelbuch, das der Pabſt ihr geraubt hatte. Aber die Gabe des freien Gebrauches desſelben zur Erbauung der ganzen Kirche wie der einzelnen Seelen, wir meinen die Religionsfreiheit, die hat Gott unſerm Volke gegeben wie keinem andern, und gerade damit hat er die lutheriſche Kirche dieſes Landes ins volle Erbgut der Reformation geſeßt. Hier in dieſem Freiſtaat hat das Wort Chriſti unbehinderte Gültigkeit: „Gebet dem Kaiſer, ivas

des Kaiſers iſt, und Gott, was Gottes ijt.”

Hier hat der

Staat der Kirche völlige Freiheit gegeben, ihre Angelegen-

des HErrn: „Wer nicht mit mir iſt, der iſt wider mid.” Hier werden die Getviffen ohne obrigkcitlide Willkür oder Einmiſchung frei von jeglichem Menſchengebot ohne Umweg und Verwirrung nur auf JEſum gewieſen, in welchem für alle Sünder, aber auch allein, Heil und Seligkeit durch wahren Glauben iſt. Und dieſe hellſtrahlende Sonne der Wahrheit, die hier ſo ungehindert leuchten .darf, macht es jedem Lutheraner leicht, den Betrug des Jrrthums und der Sünde zu erkennen und zu meiden. Wohl findet dieſe allertheuerſte Gottesgabe der Geiviffensfretheit in dieſem Lande den furchtbarſten Mißbrauch. Kein anderes Land ift fo reid) an Secten und Schwärmern aller Art; denn je heller das Licht, deſto tiefer ſein Schatten; je fruchtbarer der Aer, deſto ivuchernder das Unkraut. Aber ſo wenig ein vernünftiger Menſch darum das trübe dem hellen Lichte, den unfruchtbaren A>ker dem fruchtbaren vorzieht, ſo wenig wird ein rechter Lutheraner" auf das hohe Kleinod ſeiner Religionsfreiheit hier verzihten. Unauslöſchlich tief iſt ihm das Wort des Apoſtels Gal. 5, 1. ins Herz geſchrieben: „So beſtehet nun in der Freiheit, damit uns Chriſtus befreiet hat, und laſſet euh nicht wiederum in das knechtiſche Sod) fangen.“ Mit tiefem Schmerz ſieht er auf die Lutheraner in den proteſtantiſchen Staatskirchen, welche dieſes Kleinod der Reformation entbehren. Jede Reformationsfeter erinnert ihn der Größe

Luthers Wohnhaus

in Wittenberg.

heiten nad) Gottes Wort und ihrem Gewiſſen zu ordnen und gu regeln. Go wenig er fid) herausnimmt, fic) in die Regierung eines andern Staates zu miſchen, ſo wenig miſcht er ſih in die Regierung der Kirche Chriſti. Hier iſt alſo, Wie es nad) Gottes Wort überall fein ſollte, nur Chriſtus Meiſter in der Kirche, und kein ander Geſeß gilt in ihr, als allein ſein Wort. Hier hat daher die lutheriſche Kirche Recht und Macht, Gottes Wort in Schulen und Kirchen rein zu predigen und den reten Gebrauch der Sacramente aufrecht zu halten. Sie kann rechtgläubige Lehrer nach Gottes Wort

frei berufen und irrgläubige abfesen, gottlos wandelnde Glieder aus ihrer Gemeinſchaft ausſließen und die buß-

fertigen wieder aufnehmen. Das Bekenntnis ihrer Glieder : „Fh bin ein Chriſt“ iſt das Bekenntnis des Unterſchieds ‘zwiſchen Gottes Reich und Weltreich, Es beſtätigt das Wort

und Herrlichkeit dieſer Gabe Gottes, die ihm vor Andern hier geſchenkt, und erfüllt ſein Herz mit deſto innigerem Lob und Dank Gottes ſeines Heilandes. Jede Reformationsfeier we>t ihn daher aufs neue zu dem heiligen Gelübde, dieſelbe treu zu bewahren und lieber Gut und Blut dahinzugeben, als die Krone dieſer Freiheit zu

verlieren.— Möge Gott auch dazu die diesjährige Reformationsfeier an ſeiner lutheriſchen Kirche reichlih geſegnet ſein laſſen! D. H.

Das Hermannsburger Wiſſionsfeſt wurde am 24. und 25. Juni gefeiert. Die Theilnahme war eine ſchr große. Der Hauptgottesdienſt wurde am Vormittag des erſten Tages in den verſchiedenen Kirchen des Orts gehalten, in welche die Menge fic) vertheilte und die alle gut beſucht waren. Der Feſtgottesdienſt der Miſſionsanſtalt fand Nachmittags in der geräumigen Kreuzkirche ſtatt, wo

Paſtor Wagner, als Lehrer der Miſſionsanſtalt, die erſte


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