Memento vivere
Jeanne Wellnitz
Leitende Redakteurin i. V. Human Resources Manager
Treue bis in den Ruhestand – dafür gab es früher mitunter als Abschiedsgeschenk eine goldene Uhr. Sie ist auch ein Symbol für die vielen Jahre, die dem Arbeitgeber geschenkt wurden. Ein großes Stück Lebenszeit. Dem Nachdenken über diese wohnt oft ein Memento mori inne. Denn Zeit ist mehr als Geld, sie enthält stets das Potenzial, sinnvoll gefüllt zu werden. Und danach sehnen sich viele Menschen auch im Beruf. Dafür braucht es Austausch zwischen HR, Führungskräften und Mitarbeitenden, es braucht Empathie und Flexibilität. In unserer Titelstrecke zeigen wir Ihnen also neueste Entwicklungen und Potenziale einzelner Phasen des Employee Lifecycles und somit der Employee Journey.
Mit dieser Ausgabe endet auch eine Station in meiner persönlichen Reise bei diesem Magazin, zugunsten eines neues Abschnitts, auf den ich mich freue. Im kommenden Jahr wird Sie an dieser Stelle Sabine Schritt begrüßen. Wenn Sie mehr über unsere neue leitende Redakteurin erfahren
möchten: Auf unserer Letzten Seite hat sie sich unseren Fragen gestellt. Willkommen, liebe Sabine!
Es gibt noch weitere Neuigkeiten: Auf unserem LinkedinKanal haben wir die 30.000FollowerGrenze geknackt. Darauf sind wir stolz und ich möchte mich bei dem Team dahinter herzlich bedanken: Senta Gekeler, Jasmin Nimmrich und Charleen Rethmeyer stecken viel Arbeit und Kreativität in unsere sozialen Kanäle. Jasmin hat auf Instagram den Kanal hrm_magazin ins Leben gerufen, teilt dort RedaktionsInsights sowie Eventberichterstattung und visualisiert die Essenz unserer Beiträge. Charleen konzeptioniert außerdem aktuell einen LinkedinNewsletter, durch den wir mit unserer Community noch stärker in den Austausch kommen möchten. Die erste Ausgabe wird Sie noch vor der Winterpause erreichen.
Bleibt mir nur noch zu sagen: Es war mir eine Freude, Sie durch diesen Übergang begleiten zu dürfen. Ich wünsche Ihnen einen entspannten Jahresausklang!
Das sollten Sie lesen:
Die Lifecycle-Phasen
Wie hat sich der Employee Lifecycle gewandelt und was muss HR beachten? Seite 22
Onboarding-Trends
Was macht gelungenes Ankommen aus? Sieben Tipps Seite 34
Burger-King-Skandal
Ist die Arbeitgebermarke nach den WallraffEnthüllungen noch zu retten? Seite 6
Der Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter Michael Pluta setzt im Krisenfall auf eindeutige Kommunikation und Ehrlichkeit. Ein Porträt
6 Enthüllungen bei Burger King
Wie kann die FastFoodKette das angeschlagene Image retten? Von Senta Gekeler
10 Gesundheitstrends 2023
Welche Rolle spielt das Gesundheitsmanagement in Krisenzeiten?
Von Jan-Frederik Kolthoff
12 Meine Arbeitswelt
Björn Boldt, Leiter des Bereichs Active Sourcing bei About You
15 Kopf des Monats
Evelyn Opel ist neue Personalvorständin bei Kaufland.
17 Schnappschuss
MEINUNG
18 Teure Stereotype
Warum ungesunde Geschlechterrollen horrende Zusatzkosten verursachen Von Boris von Heesen
SCHWERPUNKT: EMPLOYEE LIFECYCLE
22 Wie sollte HR den Employee Lifecycle begleiten? Unser Auftaktessay Von Anne Hünninghaus
28 Employer Branding: Tradition trifft auf New Work
Wolfgang Grupp von Trigema und Miriam Schilling von Vaude im Gespräch Von Sabine Schritt
34 Kreatives Onboarding
Was zählt bei der Einarbeitung und ersten Orientierung? Von Mirjam Stegherr
38 Wie binde ich Menschen ans Unternehmen? Wie eine möglichst langfristige Arbeitsbeziehung gelingt Von Kathrin Justen
Björn Boldt ist Leiter des Bereichs Active Sourcing bei dem Online-Modehändler About You. Seinen Schreibtisch schmücken etwa dreißig Wackelfiguren, während sein Postfach aufgeräumt sein muss.
42 Wissenstransfer
Wie kann HR das Wissen von Personen halten, die das Unternehmen verlassen?
Von Anna Friedrich
46
Offboarding-Tipps
Wie sieht ein gelungener Abschied aus? Ein Interview
Von Jasmin Nimmrich
50 Komm zurück!
Worauf es beim Rehiring von ehemaligen Beschäftigten ankommt
Von Petra Walther
Immer mehr Menschen erkranken als Folge einer Coronainfektion an Long Covid. Ein Betroffener, eine Ärztin und ein Gesundheitsexperte berichten.
76 Reingeschaut Ausgewählte Neuerscheinungen aus dem Bücherwinter
78 Sieben Gedanken
Prisca Brosi und Fabiola H. Gerpott über Workahomeism
RECHT
80 Aktuelle Urteile
82 Essay Wie können NewPayAnsätze arbeitsrechtlich umgesetzt werden?
54
Der Krisenflüsterer
Michael Pluta saniert als Insolvenzverwalter Unternehmen. Ein Porträt Von Sven Lechtleitner
IM FOKUS: ENERGIESPAREN
58 Das große Zittern Welche Maßnahmen zum Energiesparen am Arbeitsplatz werden ergriffen und welche sind arbeitsrechtlich erlaubt?
Von Sven Lechtleitner
ANALYSE
64 Genesen, aber nicht gesund Was bedeutet die Diagnose Long Covid für Betroffene und was können ihre Arbeitgeber für sie tun?
Von Senta Gekeler
PRAXIS
68 Feedback-Kultur Warum Feedback schaden kann und auch das Nehmen von Feedback gelernt sein will. Von Theresa Maxeiner
Die Verbraucherpreise steigen in vielen Bereichen. Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Wie bringt man Beschäftigte dazu, die Maßnahmen umzusetzen?
70
Filmrezension
Die satirische Tragikkomödie Triangle of Sadness Von Jasmin Nimmrich
Von Katja Schiffelholz Semedo
84 Impressum
VERBAND
88 Editorial 89 Innovationspreis Vereinbarkeit 90 Neuauflage WOL4HR 92 Was ändert sich 2023 für HR? 94 Vorstellung der Premiumpartner 96 Students Insight Night
72
Hingehört
Der Podcast Chefgespräch von Beat Balzli, Chefredakteur der Wirtschaftswoche
74 Rezension
Mitgefühl von Magdalena Rogl, Diversity & Inclusion Lead bei Microsoft Deutschland
Von Anne Hünninghaus
LETZTE SEITE
98 Fragebogen
Sabine Schritt ist neue leitende Redakteurin beim Human Resources Manager. Von der HRM-Redaktion
Burger King, der selbst ernannte König der Burger, ist durch eine Enthüllungsreportage heftig in die Kritik geraten. Doch die Fast-Food-Kette ist bemüht, die Missstände zu beheben.
Entthronter König
Ekelerregende Zustände in den Küchen, überlastete Mitarbeitende und Fleisch in angeblich veganen Produkten – kürzlich nahm eine Reportage des Journalisten Günter Wallraff die Fast-Food-Kette Burger King in die Mangel. Was bedeutet das für ihr Arbeitgeberimage?
Ein Beitrag von Senta Gekeler
Die im September auf RTL gesendete Folge von Team Wallraff ist nichts für schwache Mägen: Vier Personen aus dem Team des Investigativjournalisten Günter Wallraff bewarben sich als Küchenpersonal bei Burger King, um dort mit versteckter Kamera Schockierendes aufzudecken. Zu sehen waren nicht nur stark überlastete Mitarbeitende, die keine Gelegenheit für Pausen bekamen – es wurde auch richtig unappetitlich: Das Küchenpersonal verwendete seit Wochen abgelaufene Burgerbrötchen sowie offensichtlich verdorbenes Fleisch und änderte auf den Behältnissen von Salat und Soßen einfach Labels mit dem Haltbarkeitsdatum, anstatt den Inhalt zum vorgeschriebenen Zeitpunkt zu entsorgen. Zudem wurden in den Restaurants und Küchen Mäuse gesehen, die sich teilweise sogar in die Säcke mit den weiterhin verwendeten Brötchen verirrt hatten.
Es ist bereits das dritte Mal, dass Wallraff Missstände bei Burger King enthüllt, wofür er laut einem Bericht des Magazins Der Spiegel von 2014 teilweise Honorare vom Konkur
renten McDonald’s erhalten hatte. Diesmal besonders heikel: Mitarbeitende verwechselten vegane Burgerpattys mit Fleisch und frittierten sie teilweise auch im selben Fett. Laut anonym befragten Angestellten sei es üblich, Fleischprodukte als vegan auszugeben, wenn keine pflanzenbasierten Produkte mehr vorrätig seien. Dabei hatte Burger King gerade erst für fleischfreie Ernährung geworben, unter anderem mit einer komplett veganen Filiale in Wien und dem Werbeslogan „Normal oder mit Fleisch?“. Einige Produkte hatten sogar das VLabel von ProVeg erhalten, das sicherstellen soll, dass ein Produkt nicht mit tierischen Lebensmitteln in Berührung kommt. Welche Reaktionen gab es auf die Enthüllungen, dürfen die Produkte immer noch als vegan deklariert werden und was tut Burger King, um den Imageverlust zu minimieren?
Kein Vegan-Label mehr
„Das VLabel hat umgehend gehandelt und Burger King Deutschland über die sofortige Aussetzung der Lizenz informiert“, berichtet Cornelia Contini,
Leiterin des VLabels in Deutschland. Man habe erkannt, dass es für Burger King Deutschland aktuell nicht möglich sei, die im Lizenzvertrag festgehaltenen Anforderungen zu erfüllen. Laut Contini analysiert das VLabel vor jeder Lizenzierung die Zulieferer und Herstellungsprozesse und definiert die Pflichten für die Lizenznehmenden: „Die Aussetzung der Lizenz war keine leichte Entscheidung – sie war jedoch notwendig.“ ProVeg stehe aber weiterhin in engem Austausch mit Burger King Deutschland und sei bereit, dem Unternehmen bei der Reorganisation der Zubereitungsprozesse und den Mitarbeiterschulungen rund um das vegane und vegetarische Angebot beratend zur Seite zu stehen. Aktuell vergebe das VLabel allerdings keine Lizenzen in der Systemgastronomie. Contini ergänzt: „Wir haben uns in Deutschland mit der Lizenzierung von BurgerKingProdukten auf Neuland begeben.“
Das hat auch die Tierschutzorganisation People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) bemerkt und im Sommer dieses Jahres den Plantbased Long Chicken mit dem Vegan Food Award ausgezeichnet. „Der Burger war eine Innovation“, erklärt PETAKampagnenteamleiter Daniel Cox. „Burger King hat damit geworben, dass es sich um ein rein veganes Produkt handelt und in einer separaten Fritteuse zubereitet werde. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe für den Award.“ Dennoch hat die Tierschutzorganisation den Award noch nicht zurückgezogen, weil sie die Entwicklung von Burger King an sich gut fände. Cox fügt hinzu: „Im Gegensatz zu vielen anderen FastFoodKetten ist Burger King weit vorangegangen, sie zeigten mit ihren veganen Angeboten, dass sie pflanzliche Ernährung ernst nehmen.“ PETA stehe
Die Arbeitswelt von Björn Boldt
Björn Boldt ist Leiter des Bereichs Active Sourcing bei dem Online-Modehändler About You. Seinen Schreibtisch schmücken etwa dreißig Wackelfiguren, während sein Postfach aufgeräumt sein muss.
In 15 Minuten startklar
Am Morgen verbringe ich kaum Zeit zu Hause: Lieber schlafe ich zehn Minuten länger als zu frühstücken. Für mich geht es 15 Minuten nach dem Aufstehen aus dem Haus. Wenn sich auf der Arbeit ein erstes Hungergefühl einstellt, bekämpfe ich es
mit einer Trinkmahlzeit oder einem Eiweißshake, bevor es dann später Mittagessen gibt.
Auf den aktuellen Stand bringen In meiner Funktion als Teamlead Active Sourcing startet mein Arbeitstag natürlich häufig auf Linkedin oder
Xing. Dort schaue ich, ob es neue Nachrichten von potenziellen Kandidaten gibt, damit ich darauf schnell reagieren kann, um ein Bewerbungsgespräch zu vereinbaren. Ich nutze diese Plattformen aber auch, um einen Überblick über Themen und Trends der HRCommunity zu gewinnen.
Ein Tisch voller Erinnerungsstücke
Ich nehme meine Arbeit ernst, ohne mich dabei selbst zu ernst zu nehmen. Auf meinem Schreibtisch tummeln sich zahlreiche Figuren und Wackelköpfe, beispielsweise aus Filmen des MarvelUniversums oder von Harry Potter. Ich brauche einen Arbeitsplatz, an dem ich mich wie zu Hause fühle und mich selbst wiedererkenne, keinen Clean Desk. Von meinen Teammitgliedern gab es einmal ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk: Anhand verschiedener Fotos hatten sie mich als kleine Figur anfertigen lassen. Menschen, die zum ersten Mal mein MiniMe auf dem Schreibtisch sehen, erkläre ich dann aber immer,
dass es ein Geschenk war. Außenstehende sollen nicht denken, ich sei ein Narzisst.
Das Postfach als To-do-Liste Anders als auf meinem Schreibtisch schätze ich in meinem EMailPostfach Struktur und Ordnung. Es ist auch gleichzeitig meine Aufgabenübersicht. Hier nutze ich das Modell urgent & important. Alle Aufgaben
werden nach Dringlichkeit sortiert, dabei gibt es vier Stufen: wichtig und dringend, dringend, wichtig und weder noch. Ist eine Nachricht noch im Eingang sichtbar, heißt das, dass ich diese Aufgabe noch erledigen muss. Wenn es in das Wochenende geht, sollte alles abgearbeitet sein. An dieser Stelle kann ich dann regelrecht fanatisch werden. Als Browser nutze ich Google Chrome und unzählige Addons.
Zum Beispiel einen MultiHighlighter, der bestimmte Suchworte auf Internetseiten farbig markieren kann oder der Firmen anzeigt, mit denen wir Geschäftsbeziehungen unterhalten und daher dort keine Talente abwerben dürfen.
Fragen stellen
Menschen trauen sich oftmals nicht, Fragen zu stellen. Das gilt auch im Recruiting. Dabei ist es wichtig, nichts als gegeben hinzunehmen: Findet die Kandidatin das Jobangebot wirklich so unattraktiv, wie sie sagt? Wenn ja, warum? Was bräuchte die Person stattdessen? Zuerst können solche Fragen für einen selbst unangenehm scheinen. Sie zeugen jedoch von echtem Interesse und gehören zum Berufsalltag dazu.
Leidenschaften und Nervenkitzel Sport ist für mich das Rückgrat meiner Arbeit. Gemeinsam mit meiner Frau praktiziere ich Triathlon, dementsprechend gestalten wir unsere Abende oder Urlaube. Das bedeutet auch, 1.000 Kilometer Rad zu fahren oder am Hochzeitstag an einem Triathlon teilzunehmen. Aktuell laufen die Vorbereitungen für den Iron Man. Bei solchen Wettkämpfen, auf der Arbeit oder bei Verhandlungen bin ich nicht mehr aufgeregt. Nervenkitzel spüre ich jedoch immer noch bei jedem Vortrag, den ich halte. Ich freue mich, das noch an mir beobachten zu können.
Björn Boldt ist Teamlead Active Sourcing bei About You. Bei dem 2014 gegründeten E-Commerce-Modehändler arbeiten rund 1.650 Menschen.
Teure Stereotype
Ungesunde Geschlechterrollen belasten das Klima in Unternehmen, befördern Sexismus und andere Diskriminierungen und sie kosten die Gesellschaft auch jedes Jahr viele Milliarden Euro. Warum ist das so und was kann dagegen getan werden?
Ein Gastbeitrag von Boris von Heesen
Viele rollen zunächst mit den Augen, wenn sie hören, dass das Patriarchat unsere Gesellschaft immer noch im Würgegriff hält. Es sei doch schon so viel geschehen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und irgendwann müsse es doch auch einmal gut sein mit dem Draufhauen auf die Männer. Dem lassen sich einige Zahlen entgegensetzen: Rund 70 Prozent der Bundestagsabgeordneten sind männlich. Sie gestalten den gesetzlichen Rahmen dieses Landes. Die Personen, die diesen dann in deutschen Kommunen umsetzen, sind zu 90 Prozent Männer, also Bürgermeister. Und das im Jahr 2022. Männer leisten laut dem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2019 jeden Tag anderthalb Stunden – das sind umgerechnet 68 Arbeitstage à acht Stunden pro Jahr – weniger unbezahlte Sorgearbeit für Kinder, Haushalt und pflegebedürftige Angehörige als Frauen. Auch in den Vorstandsetagen der DAXUnternehmen sind immer noch deutlich weniger als 15 Prozent der Posten von Frauen besetzt. Keine Frage, wir haben uns in den letzten Jahren in die richtige Richtung bewegt. Aber wenn wir nur Fakten betrachten, dann wird deutlich, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben.
Wie sehr wir als Gesellschaft aber zum Handeln gezwungen sind, wird dann deutlich, wenn die Folgen des
Patriarchats rein volkswirtschaftlich betrachtet werden. Ungesundes, überwiegend männliches Verhalten verursacht jedes Jahr eine Schneise der Verwüstung in den öffentlichen Haushalten – und kaum jemand interessiert sich dafür. Insgesamt entstehen Jahr für Jahr Zusatzkosten in Höhe von mindestens 63 Milliarden Euro durch toxisches männliches Geschlechterverhalten, und zwar nur in solchen Lebensfeldern, die unsere Gesellschaft unnötig belasten. Männer dominieren mit Abstand die quantitativen Erhebungen zu Verkehrsunfällen, fast allen Süchten, häuslicher Gewalt, Wirtschaftsstraftaten oder auch das Feld der ungesunden Ernährung. Alle genannten Komplexe belasten unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und verursachen direkt oder indirekt unnötige volkswirtschaftliche Kosten. Wer jetzt gegenrechnen möchte, wie viel höher die Steuerzahlungen der Männer sind oder welche Kosten Frauen durch die Frauenheilkunde oder ein längeres Leben verursachen, wirkt allenfalls zynisch. Dass Männer den Löwenanteil der Steuerlast tragen, entspringt ja gerade einem patriarchalen System der Ungerechtigkeit, das Männern die Lohn und Frauen die Sorgearbeit zuweist. Und dann die Kosten für das Gesundheitswesen: Da sind unnötig verletzte Menschen im Straßenverkehr durch Raser, ganze Kohorten von Männern, die aufgrund ungesunder Lebensweise das Gesundheits
Keine Angst vorm Kreislaufkollaps
Vom ersten Kontakt bis über den Abschied hinaus: Das Employee-LifecycleModell umfasst jegliche Phasen rund um eine Anstellung. Doch Zyklen wie aus dem Lehrbuch sind rar: Menschen verlassen Arbeitgeber nach kurzer Zeit, schlagen Aufstiege aus, wünschen sich bei ihrer Karriere Maßschneiderei statt Angebote von der Stange. Eine Herausforderung für HR, die jedoch auch beflügeln kann
Ein Essay von Anne HünninghausSieben OnboardingTrends, die Sie kennen sollten
Richtige Einarbeitung und Orientierung sind wichtiger denn je. Sie scheitern jedoch oft. Unternehmen vergraulen dadurch wichtige Talente. Was ist zu tun? Ein Beitrag von Mirjam Stegherr
Wer ein guter Arbeitgeber sein will, sollte das schnell beweisen. Denn immer mehr Menschen kündigen ihren Job innerhalb der ersten Monate: 18 Prozent von über 2.000 Bewerbenden haben laut einer aktuellen Umfrage des Anbieters Softgarden eine Neuanstellung in Deutschland schon einmal in den ersten 100 Tagen beendet. Vor vier Jahren waren es knapp zwölf Prozent. Und 65 Prozent haben darüber nachgedacht. Für die USA hat die Society for Human Resources Management ermittelt, dass 15 Prozent am ersten Tag so schockiert waren über die Verhältnisse an ihrem Arbeitsplatz, dass sie kündigen wollten. Und Stepstone schreibt, dass nur die Hälfte der neu Startenden am ersten Arbeitstag auf ihre Vorgesetzten trafen. Eine gute Integration sieht anders aus.
Dabei belegen Statistiken, dass Unternehmen mit gutem Onboarding Ziele besser erreichen und Gewinne steigern können. Aber selbst Personalverantwortliche gestehen, dass die Qualität ihres Onboardings nicht dem Standard entspricht. 83 Prozent aller Arbeitgeber sagen in einer Umfrage des Personaldienstleister Hays, dass eine gute Einführung wichtig sei, aber die Hälfte gibt zu, dass ihre Organisation in dem Bereich Nachholbedarf hat. In einer Studie des Unternehmens Haufe für den deutschen Markt sind es sogar 68 Prozent. Nur zwölf Prozent der Angestellten sind mit dem Einarbeitungs und Orientierungsprozess im Unternehmen zufrieden, schreibt das Beratungsunternehmen Gallup. Es fehle an Feedback, Kommunikation und Kultur. Kurzum: Es gibt gute Gründe, sich intensiver mit Onboarding zu beschäftigen und Lücken zu schließen, um ein guter Arbeitgeber zu sein – von Anfang an.
1 Preboarding
Schon vor dem ersten Arbeitstag legt HR das Fundament, wie eine Arbeitskraft in den Job und damit in eine neue Gemeinschaft startet. Das Potenzial ist groß: Ein Viertel nutzt laut Umfrage von Haufe das Preboarding nicht. Keine Willkommenspakete, keine Informationen oder keine Möglichkeiten, an virtuellen Events teilzunehmen: Das erschwert es Neuen, sich zu orientieren. Dabei würden sie sich ein
Preboarding wünschen. Der Anbieter Tydy hat sich umgehört und schreibt, es seien vor allem Informationen über die Rolle gefragt, gefolgt von Informationen zum Team und internen Richtlinien. Seit der Coronapandemie kommen neue Punkte hinzu: Wo findet der erste Arbeitstag statt? Wie ist der Austausch mit anderen organisiert und welche Mittagstermine sind verplant, um sich gut einzuleben? Ganz banal, aber grundlegend ist auch die Information, ob es überhaupt ein Onboarding gibt und wie es aufgebaut sein wird. Immerhin 16 Prozent haben sich laut der Studie von Softgarden schon einmal gegen eine Stelle entschieden, weil sie nicht wussten, wie es um das Onboarding steht.
2 App-Boarding
Seit der Coronapandemie sind digitale Formate nicht mehr wegzudenken. Wenn Neue nicht im Büro starten, helfen OnboardingTools, sie einzuarbeiten und willkommen zu heißen. Die Möglichkeit gibt es schon: Digitale Lernpfade sollen Personalabteilungen und Führungskräfte seit Jahren entlasten. Sie vermitteln Informationen, die für alle gelten, und sichern die Einarbeitung auf gleichem Niveau. Das gilt zumindest zum Teil. Denn soziale Aspekte wurden lange vernachlässigt. Tydy hat neue Mitarbeitende vor und nach dem Ausbruch der Coronapandemie befragt, wie gut sie sich integriert haben. Wer nur den Bildschirm zur Verfügung hatte, identifizierte sich deutlich weniger mit Team und Werten. Digitale Werkzeuge müssen Kreativität an den Tag legen und Sozialem mehr Raum geben. 83 Prozent der Befragten bei Haufe sagen aber, dass sie während der Pandemie ihre digitalen Tools bisher nicht weiterentwickelt haben. Der Weg geht zur App: Lernpfade lassen sich dank künstlicher Intelligenz personalisieren. Und laut ARD/ZDFOnlinestudie ist das Smartphone der wichtigste Zugang zum Internet.
3 Gamification
Spiele können Lerninhalte vermitteln, die Motivation steigern und das Miteinander stärken. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Immer mehr Unternehmen nutzen inzwischen spielerische Elemente, um die Zusammenarbeit zu verbessern und die Weiterbildung zu fördern. In der OnboardingPhase lässt Deloitte neue Analystinnen und Analysten gleichzeitig Zombies jagen und Excel trainieren. Andere Firmen nutzen BingoSpiele und PacManAnalogien, um Abteilungen und Mitarbeitende vorzustellen. Gerade Werkzeuge, neue Gesichter und Richtlinien können über Spiele besser verinnerlicht werden. 82 Prozent aller Befragten sagen in einer Studie der
Transferleistung S
Wenn die Boomer-Generation nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheidet, geht nicht nur wertvolle Arbeitskraft verloren, sondern auch viel Wissen. HR ist umso stärker gefordert, Expertise und Kontakte im Unternehmen zu halten. Wie das gelingen kann
ie wissen, dass Ihre Lieblingskundin ihren Kaffee am liebsten mit zwei Stück Zucker und Hafermilch trinkt? Solch ein Wissen kann den entscheidenden Unterschied machen. Doch das ist vielen nicht bewusst. Wissen ist Macht – das gilt auch für Erfahrungswissen. Wissen ist auch Geld. Menschen, die aus einem großen Wissensreservoir schöpfen, sind auf dem Arbeitsmarkt viel wert. Sie beherrschen ihr Fachgebiet, kennen die jeweilige Branche und wissen, wen sie zu welchem Thema konsultieren können. Vor allem ältere Beschäftigte haben über Jahrzehnte Expertise aufgebaut und Erfahrungen gesammelt. Scheiden sie aus dem Erwerbsleben aus, nehmen sie all das mit – es sei denn, sie haben es vorher weitergegeben. Noch nie war ein funktionierender Wissenstransfer so essenziell wie derzeit. Die BabyBoomer, also die geburtenstarken Jahrgänge von 1950 bis 1969, gehen in Rente – und mit ihnen jahrelang erworbenes Wissen und gewonnene Kontakte. Fast 13 Millionen Deutsche scheiden laut Statistischem Bundesamt in den kommenden 15 Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Dass Unternehmen, und allen voran HR, hier gefordert sind, liegt auf der Hand. Doch beim systematischen Wissensmanagement gibt es Verbesserungsbedarf: Mit 46 Prozent empfindet nicht einmal die Hälfte der Büroangestellten in Deutschland und Österreich den Wissensaustausch in ihrem Unternehmen als strukturiert,
zeigt eine Studie des DokumentenmanagementSpezialisten Kyocera. Damit Wissenstransfer funktioniert, braucht es nämlich ein System – und das haben längst nicht alle.
Benjamin Nakhosteen, Wissensmanagementspezialist bei Thyssenkrupp, kennt das Problem: Als er Ende der 2000er Jahre zum Essener Stahlkonzern kam, wurde dort zwar Wissen punktuell weitergegeben, aber von flächendeckender Systematik keine Spur. Nakhosteen, der an der Technischen Universität Dortmund zum Wissensmanagement in der Produktion promoviert hatte, entwickelte ein Wissensmanagement für die komplette Stahlsparte mit Schwerpunkten auf Wissenstransfer und Wissensspeicher. Als Grundlage für den Wissenstransfer diente ihm unter anderem die sogenannte Wissensstafette, eine Methode, die beim Autobauer Volkswagen Ende der neunziger Jahre entwickelt wurde.
Die Methodik: Zu Beginn der Wissensstafette wird vereinbart, welches Wissen weitergegeben werden soll. Das ist vor allem prozesskritisches und strategisch relevantes Wissen, das nur bei einzelnen Personen vorliegt. Aber auch implizites Erfahrungswissen, das sich Menschen im Laufe von Jahrzehnten aneignen – wie die Kaffeepräferenz des Lieblingskunden –, zählt dazu. Wer ein halbes Jahr für den Wissenstransfer Zeit hat, kann mehr Themen abhandeln als jemand, der gekündigt hat und in vier Wochen weg ist. Und: Nicht alle Kenntnisse müssen zwangsläufig weiterleben: „In
Unternehmen, die sich beispielsweise einen Kulturwandel verordnet haben, ist es womöglich gut, wenn gewisse tradierte Verhaltensmuster mit den in Rente gehenden Personen ausscheiden“, sagt Nakhosteen. Stehen die Kernthemen für die Übergabe fest, führt eine unabhängige Person halbstrukturierte oder strukturierte Interviews mit den Wissensträgerinnen und Experten sowie jenen, die das Wissen empfangen sollen, um auszuloten, welche Kenntnisse auf beiden Seiten vorhanden sind. Das, was auf Seite der Empfangenden fehlt, wird dann in moderierten Gesprächen weitergegeben.
Die Vorbereitung der Gespräche kommt bei Thyssenkrupp aus der Personalabteilung. Hier kümmern sich aktuell vier Personen kontinuierlich um das Thema – mit wechselnden Anteilen ihrer Kapazität. In einer Wissenstransfermappe, die es digital und gedruckt gibt, sind unter anderem alle Elemente des Prozesses erklärt, die Rollen und Zuständigkeiten beschrieben. Auch eine schriftliche Vereinbarung liegt bei: Hier unterschreiben Ausscheidende und Wissensempfangende, dass sie den Wissenstransfer durchführen wollen, wie viel Zeit sie pro Woche dafür investieren, und sie halten zudem die zu übertragenden Aufgaben fest. Die jeweilige Führungskraft entscheidet, wer welches Wissen an wen weitergibt. Auch die Transferbegleitung, die Führungskraft und der Betriebsrat zeichnen gegen. „Das macht die gegenseitige Verpflichtung und die
Angelika Gaßmann
ist Personal- und Organisationsentwicklerin und gibt Fortbildungen zum Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand.
Ende ist nicht gleich Ende
Frau Gaßmann, wie steht es um das Offboarding in der hiesigen Geschäftswelt?
Im Alltagsgeschäft achten die meisten Unternehmen mehr auf das Tagesgeschehen als auf Personalentwicklung und Prozessoptimierung. Das Ende einer Karriere innerhalb des Unternehmens fällt häufig komplett hinten runter. Unternehmen investieren viel in das Onboarding und vergessen dabei das Offboarding, das letztendlich aber den bleibenden Eindruck einer Organisation bestimmt. Anders als am Ende eines Jobs geht es beim Offboarding am Ende des Erwerbslebens um nicht weniger als um die Anerkennung der Lebensarbeitsleistung der Mitarbeitenden. Wie lassen sich die Offboarding-Prozesse innerhalb eines Unternehmens verbessern?
Unternehmen sollten bestehende Prozesse und Standards hinterfragen sowie feste Rituale implementieren. Ziel soll sein, dass Mitarbeitende mit einem Gefühl der Wertschätzung gehen. Dafür müssen auch Führungskräfte sensibilisiert
und weitergebildet werden. Wesentlich ist dabei auch die Kommunikation, um Erwartungen und Wünsche jener zu erkennen, die das Unternehmen verlassen. Wie viel Zeit sollte ein gelungenes Offboarding in Anspruch nehmen?
Im Falle des Renteneintritts sollte im besten Fall drei Jahre im Voraus mit den Vorbereitungen begonnen werden. Im ersten Moment mag dies sehr lang scheinen, doch dabei sind die Ausschreibung der Stelle, das Auswahlverfahren der Nachfolge, Bewerbungsrunden und auch die Einarbeitung bedacht. Wenn möglich, ist das Tandem von alter und neuer Arbeitskraft förderlich für die Einarbeitung sowie für den Abschluss mit den Aufgaben der Person, die ausscheidet. Wie sollte der Ausstieg kommuniziert werden?
Das Herausgeberinnenwerk Offboarding. Fach- und Führungskräfte verlassen die Organisation behandelt aus verschiedenen Perspektiven den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand sowie das Beenden eines Arbeitsverhältnisses. Es erschien im Mai 2022.
In manchen Fällen ist nicht mehr zu sagen als in eine Rundmail passt. Doch darüber hinaus ist man immer auch des eigenen Abganges Schmied. Wenn ich jahrelang gute Arbeit in einem Unternehmen geleistet habe, sollte es in meinem Interesse sein, mein Wissen und meine Erfolge zu bewahren und alles geordnet zu übergeben. Das umfasst den Zugang zu Netzwerken und Informationen sowie das Hinterlassen einer geordneten Struktur. Nicht nur auf dem Schreibtisch, sondern ebenso in den Ideen, Prozes
Wie sieht ein gelungener Offboarding-Prozess aus und was ist dabei zu beachten? Personalentwicklerin Angelika Gaßmann über den Renteneintritt und andere Endpunkte in der ArbeitsweltEin Interview von Jasmin Nimmrich
Komm zurück!
Ehemalige Mitarbeitende erneut einzustellen ist eher selten, wird aber zunehmend zur neuen Recruiting-Strategie. Dabei kommt es vor allem auf den richtigen Zeitpunkt an.
Ein Beitrag von Petra Walther
Reisende soll man nicht aufhalten. Mit diesem Sprichwort tröstet sich so manch ein Unternehmen darüber hinweg, wenn gute Mitarbeitende kündigen. Nach Ansicht von Jörg Knoblauch, Geschäftsführer von Tempus ABC Personal, ist dies jedoch die falsche Einstellung. Zumindest was Leistungsträger betrifft – Knoblauch nennt sie AMitarbeitende –, ist der Unternehmer bestrebt, diese nach einer Kündigung zurückzugewinnen. Dies zelebriere man in seiner Firma ganz offen: „Werden AMitarbeitende verabschiedet, wird eine Party für sie gefeiert, bei der wir der betreffenden Person unter anderem einen fix und fertig ausgefüllten symbolischen Arbeitsvertrag für eine eventuelle Wiedereinstellung überreichen“, sagt Knoblauch. Dem Talent soll damit symbolisiert werden: Hier bei uns ist deine Heimat – in der Hoffnung, dass er oder sie irgendwann zurückfindet.
Rehiring bringt Vorteile beim Onboarding
Auch wenn die wenigsten Unternehmen so offensiv vorgehen dürften wie Tempus, gewinnt die Rückgewinnung von ehemaligen Angestellten – bezeichnet als Rehiring oder auch Boomerang Hiring – für viele Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Laut einer aktuellen Studie der Königsteiner Gruppe zu dem Thema ist ausreichend Potenzial vorhanden: Bei der Befragung der 1.016 Menschen aller Altersstufen, die sich in den letzten drei Jahren in mindestens einem Bewerbungsprozess befunden haben, gaben 43 Prozent an, dass sie sich eine Rückkehr zum alten Arbeitgeber vorstellen können. Bei mehr als der Hälfte der Befragten hatte der ehemalige Arbeitgeber während der Trennungsphase signalisiert, dass eine Rückkehr möglich sei. Aber: Trotz
der guten Ausgangsvoraussetzungen verpassen aktuell die meisten Unternehmen dennoch die Chance, Ehemalige zurückzugewinnen. Denn wie die Untersuchung weiter zeigt, sind nur fünf Prozent der Befragten tatsächlich zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückgekehrt.
Die Unternehmen nutzen somit das Potenzial des Rehirings bei Weitem nicht aus. Dies wiegt umso schwerer, da die erneute Einstellung von Ehemaligen nicht nur eine weitere RecruitingStrategie zur Begegnung des Fachkräftemangels ist, sondern auch wesentliche Vorteile mit sich bringt. Denn Rückkehrende kennen das Unternehmen bereits samt Kundschaft, Produkten oder Dienstleistungen und Abläufe, sodass sie vergleichsweise schnell wieder eingearbeitet sind. Damit ist es in der Regel auch kostengünstiger, frühere Angestellte einzustellen als eine Person, für die alles im Betrieb neu ist. Zudem können BoomerangMitarbeitende durch ihre Erfahrungen in einem anderen Unternehmen neue Ideen einbringen und nützliche Impulse geben. Hier besteht abermals der Vorteil, dass sie ihren bekannten Arbeitgeber bereits kennen und daher einschätzen können, was den Betrieb voranbringen könnte.
Kulturelle Passung weiterhin gegeben
„Die Vorteile beim Boomerang Hiring überwiegen – zumindest am Anfang“, bestätigt Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personalmanagement an der Technischen Universität Darmstadt. Das würden mehr als 20 Jahre Forschung zu dem Bereich zeigen. Unter anderem spiele eine wesentliche Rolle, dass bereits eine gewisse Vertrautheit existiere und die ehemaligen Beschäftigten die Unternehmenskultur kennen. „Das reduziert das Risiko
Der Krisenflüsterer
Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, kann dies mitunter das Ende des Employee Lifecycle vieler Beschäftigter bedeuten. Der Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter Michael Pluta setzt im Krisenfall auf eindeutige Kommunikation und Ehrlichkeit – und auf Gespräche mit dem Betriebsrat.
Ein Porträt von Sven Lechtleitner
Seit anderthalb Jahren nimmt Michael Pluta morgens die Treppe statt des Aufzugs, als Start in den Arbeitstag. Ganze acht Stockwerke legt der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz und Sanierungsrecht so zurück – zumindest, wenn er im Hauptquartier seiner Kanzlei in Ulm arbeitet. Er hat auch noch ein Büro im rund 80 Kilometer entfernten Stuttgart, wo er ebenso häufig ist. An 40 Standorten in Deutschland, Italien und Spanien ist sein Unternehmen mit rund 500 Mitarbeitenden vertreten. Als Insolvenzverwalter ist Pluta viel mit dem Auto unterwegs – sein Einsatzgebiet reicht von Stuttgart bis zum Bodensee.
Seine Ausbildung hat der heute 72Jährige jedoch im Norden absolviert: Er studierte Jura in Hamburg. Das Studienfach reizte ihn zunächst nicht. Der junge Mann interessierte sich eher für kaufmännische Themen sowie für Vertrieb und Marketing. Betriebswirtschaftslehre wäre zwar eine Möglichkeit gewesen, aber bei Jura sah er mehr Optionen für eine spätere Selbstständigkeit. Das Unternehmertum lernte der gebürtige Ulmer schon im Familienbetrieb. Ursprünglich sollte er den Werkzeugmaschinenhandel einmal übernehmen und arbeitete dort auch eine Weile. Doch das Geschäft weiterzuführen, kam für ihn nicht infrage. Ihn lockten die Einblicke in verschiedene Unternehmen. Nach erfolgreichem Jurastudium machte er sich im Jahr 1982 mit seiner ersten Kanzlei selbstständig und legte seinen Fokus auf die Insolvenzverwaltung. Später, im Jahr 2002, expandierte er und gründete die Pluta Rechtsanwalts GmbH. Damit konzentriert er sich neben Insolvenzverwaltung auch auf Rechtsberatung sowie Unternehmenssanierungen und
restrukturierungen. Warum der Fokus auf Insolvenzrecht? „Das ist die einzige Möglichkeit, dauernd Unternehmen zu wechseln, ohne dass es der Karriere schadet“, antwortet Michael Pluta. Er ist ein umtriebiger Mensch. Ständige Veränderungen begeistern ihn, er mag die Einblicke in unterschiedliche Organisationen. Außerdem zähle bei der Arbeit im Insolvenzrecht nicht nur das Juristische, sondern auch das Kaufmännische – und so komme er seinem ursprünglichen Interesse an Wirtschaft doch wieder nah.
Ursachen suchen
Während seiner beruflichen Laufbahn begleitete Pluta zahlreiche Insolvenzen, darunter aufmerksamkeitsreiche Unternehmenssanierungen wie die des Handyherstellers Benq, des Spielzeug und Modelleisenbahnproduzenten Märklin und des Modeunternehmens Strenesse. Die Ursachen, warum ein Unternehmen wirtschaftlich ins Straucheln gerät, sind vielfältig. Manchmal führen Missmanagement oder zu starke Rücksichtnahme auf Gesellschafterbelange über die Jahre hinweg zur Krise, sagt der Experte. Andere Unternehmen wiederum bauten ihr Onlinegeschäft zu spät aus oder Gründungspersonen, die zuvor die Marke getragen haben, verließen ihre Unternehmen. Um Firmen wieder auf die Spur zu bringen, reiche es oftmals schon aus, klassische kaufmännische Grundlagen einzuführen. Bei einer Insolvenz muss Pluta die maximale Gläubigerbefriedigung gewährleisten. Das bedeutet in der Regel: entweder das Unternehmen als Ganzes verkaufen, also einen Käufer oder eine Käuferin finden, oder es liquidieren und somit in Einzelteilen veräußern.
Das große Zittern
Die Verbraucherpreise steigen in vielen Bereichen. Energiesparen ist das Gebot der Stunde – auch am Arbeitsplatz. Wie können Unternehmen die Belegschaft für den bewussten Umgang mit Energie sensibilisieren?
Ein Beitrag von Sven Lechtleitner
Über ein zu kaltes oder zu warmes Büro kann schon mal Streit ausbrechen, wenn sich mehrere Personen hier aufhalten. Ein geöffnetes Fenster sorgt meist nach kurzer Zeit für gemischte Stimmung. Während manche die Heizung sofort wieder hochdrehen möchten, wollen andere am liebsten den ganzen Tag lüften. Frische Luft! Das Empfinden von Menschen fällt äußerst unterschiedlich aus, wenngleich die Wohlfühltemperatur hierzulande in Innenräumen im Allgemeinen bei 20 bis 22 Grad liegt. Diesen Herbst und Winter wird es jedoch vielerorts ein paar Grad kälter sein. Die Bundesregierung hat Energiesparmaßnahmen ab September beziehungsweise Oktober beschlossen. Unter anderem ist für öffentliche Gebäude eine maximale Raumtemperatur von 19 Grad vorgesehen. Dazu kommen Einsparungen bei ästhetischer Beleuchtung. Private Arbeitgeber dürfen vorgeschriebene Mindesttemperaturen übergangsweise um ein Grad absenken. Gasmangel und steigende Kosten zwingen Wirtschaft wie private Haushalte zu Sparmaßnahmen.
Als Mittel zum Zweck ist unter anderem das Homeoffice im Gespräch. Es war schon einmal die Antwort auf eine Krisensituation, als pandemiebedingt Kontakte im Beruf reduziert werden sollten. Jetzt soll das Homeoffice also beim Energiesparen am Arbeitsplatz helfen. So stellt es sich jedenfalls Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor. Medienberichten zufolge haben er und Kabinettskollegen sich im Sinne der Energiebilanz für mehr Arbeit von zu Hause ausgesprochen. Diese sei dann positiv, wenn Büros nicht geheizt und stattdessen daheim Räume genutzt würden, die sowieso beheizt würden. Aber spart Homeoffice wirklich Energie?
Für den promovierten Wissenschaftler Waldemar Marz kommt es auf eine differenzierte Betrachtung an. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen hat während der Coronapandemie erforscht, ob das Homeoffice Emissionen im Verkehr reduziert hat. Seine Simulation zeigt, dass sich kurzfristig durchaus Einsparungen ergeben, aber diese mittel bis langfristig
Reingeschaut
Diese Neuerscheinungen aus dem Bücherwinter könnten für HR interessant sein.
Der britische Journalist Johann Hari hat mit mehr als 250 Fachleuten gesprochen, um herauszufinden, weshalb wir zunehmend unsere Konzentration einbüßen. Eine aufrüttelnde Analyse.
Johann Hari, Abgelenkt. Wie uns die Konzentration abhanden kam und wie wir sie zurückgewinnen Riva Verlag, 20 Euro, 368 Seiten. Erschienen im Oktober 2022.
Tristan Horx, Sinnmaximierung. Wie wir in Zukunft arbeiten. Quadriga Verlag, 18 Euro, 240 Seiten. Erschienen im Oktober 2022.
Der Zukunftsforscher hält ein Plädoyer, warum wir das Industriezeitalter hinter uns lassen sollten. Die Digitalisierung ermögliche, mehr Zeit fürs Menschsein zu haben und glücklicher zu sein.
Rump, Sattelberger und Eilers (Foto) versammeln Denkanstöße, wie Arbeitnehmende befähigt werden können, sich auf die zukünftigen Veränderungen des Arbeitsmarktes einzustellen.
Jutta Rump, Thomas Sattelberger, Silke Eilers, Employability Management 5.0. Impulse für die Transformation von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Schäffer Poeschel Verlag, 39,95 Euro, 192 Seiten. Erschienen im Oktober 2022.
Fotos: Münchner Verlagsgruppe / Riva Verlag; Kathrin Baumbach; Quadriga Verlag; privat; Schaeffer Poeschel; privat Eine Auswahl von Jeanne WellnitzNilgün Aygen, Recruiting Revolution. Neue Talent-Management-Strategien zur Gewinnung der besten Talente auf dem umkämpften Arbeitsmarkt. Wiley Verlag, 29,99 Euro, 336 Seiten. Erschienen im Oktober 2022.
HRExpertin Aygen erläutert, wie Arbeitgeber Talentpools anlegen und effektiv nutzen sowie Mitarbeiterengament stärken können, um gewonnene Talente im Unternehmen zu halten.
Aufsichtsrätin Weiß skizziert die Gefahr, die von gleichzeitiger Arbeitslosigkeit sowie Fachkräftemangel ausgeht und teilt ihre Ideen für ein Ökosystem lebenslanger Bildung.
Yasmin Weiß, Weltbeste Bildung! Wie wir unsere digitale Zukunft sichern. Campus Verlag, 28 Euro, 246 Seiten. Erschienen im September 2022.
Dorothea Assig, Dorothee Echter, „Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“ Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und Sie dennoch weiterkommen Ariston Verlag, 20 Euro, 224 Seiten. Erschienen im Oktober 2022.
Das Autorinnenduo entlarvt den Mythos um harte Arbeit und zwangsläufigen beruflichen Erfolg. Sie zeigen, mit welchen Strategien Karriererhindernisse stattdessen überwunden werden.
In 111 Kurzkapiteln analysiert Soziologe Kühl die Strukturen und Arbeitsweisen von Organisationen. Durchgängig miteinander verknüpfte Schlagworte machen die Zusammenhänge sichtbar.
Stefan Kühl, Der ganz formale Wahnsinn. 111 Einsichten in die Welt der Organisationen. Vahlen Verlag, 24,90 Euro, 283 Seiten. Erschienen im November 2022.
Die Wissbegierige
Sabine Schritt ist seit November leitende Redakteurin beim Human Resources Manager. Nach mehr als 20 Jahren begab sich die freie Journalistin wieder auf eine Employee Journey. Meine Freiberuflichkeit habe ich aufgegeben, weil … ich nun lange genug als Einzelkämpferin unterwegs war.
Ein Mythos der Arbeitswelt ist, … dass nur Selbstständige selbstbestimmt arbeiten können. Gerade in der heutigen Zeit, in der neue Arbeitsmodelle möglich sind, begebe ich mich gern wieder auf eine Employee Journey. Beim HRM freue ich mich auf … eine spannende Aufgabe, in der ich meine Erfahrung, mein Wissen und meine Leidenschaft für meinen Beruf einbringen kann. Aber viel wichtiger: auf ein wunderbares Team, das für guten Journalismus genauso brennt wie ich.
Als leitende Redakteurin wünsche ich mir … dass wir es als Team gemeinsam schaffen, unsere Leserschaft immer wieder zu begeistern . Wir wollen Maßstäbe setzen. Dieser Artikel aus meiner langjährigen Arbeit macht mich stolz … Jede Zeile, die ich schreibe und für die
Menschen sich mir gegenüber geöffnet haben, ist es wert, stolz darauf zu sein. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir jedoch das Gespräch vor ein paar Jahren mit dem NewWorkBegründer Frithjof Bergmann.
Mein Mann sagt über mich … ich sei ein Lernjunkie, weil ich Wissen aufsauge: aus Büchern, von Kongressen oder Seminaren. Mich weiterzubilden ist schon fast ein Hobby. Meine letzte Weiterbildung war ... die Zertifizierung zum Business Coach. Die größte Herausforderung virtueller Führung besteht darin, … das menschliche und informelle Miteinander zu erleben. Deshalb werde ich oft in Berlin sein, mich aber dann auch wieder auf mein Homeoffice im Taunus bei Frankfurt freuen.
Die schönste Aussicht vom Schreibtisch ist … der Große Feldberg. Mit seinen 881 Metern ist er die höchste Erhebung im Taunus und liegt quasi vor unserer Haustür.
Meine Mittagspause verbringe ich … mit Berta, meiner Labradorhündin, im Wald. Diese gemeinsamen Momente in der Natur sind magisch und bringen mich oft auf sehr kreative Ideen. Dieser Rat hat mein berufliches Leben geprägt … „Urteile nie über einen Menschen, in dessen Schuhen du nicht 1.000 Schritte gelaufen bist.“ Das Sprichwort rufe ich mir ins Gedächtnis, bevor ich Menschen und ihr Tun vorschnell beurteile.
Die Fragen stellte die HRM-Redaktion
Sabine Schritt ist leitende Redakteurin des Magazins Human Resources Manager Die gebürtige Kölnerin war bis 2012 stellvertretende Chefredakteurin des Schweizer Fachmagazins HR Today. Seit 2013 war sie unter anderem als freie Redakteurin des Fachmagazins Personalführung tätig. Sie ist Mutter zweier erwachsener Söhne und lebt mit ihrem Mann und Labradorhündin Berta im Taunus bei Frankfurt am Main.