Verzicht auf natürliche Formen ≠ Verzicht auf Natur Schindlers Häuser

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Technische Hochschule Nürnberg Fakultät Architektur MA-TKW Entwurfsmethodik Dozent: Prof. M.Sc. Florian Fischer WS 2013/14

Verzicht auf natürliche Formen ≠ Verzicht auf Natur Schindlers Häuser

Bearb. Sabrina Speck 1.MA Architektur Ma.-Nr. 2479682 E-Mail: specksa58332@th-nuernberg.de


100 Minuten laufen die Standbilder im Sekundentakt über den Bildschirm. Ein Haus nach dem anderen ist zu sehen. Fast könnte man während des Films in eine Art Trance fallen, denn es gib nur den Betrachter und 1

das Bild. „Die Umgebung stellt das Ego des Architekten in den Schatten“ , sagt die Stimme aus dem Off. Kein Kommentar, keine Musik stört meine Eindrücke. Lediglich das Rauschen des Bambus und das Zwitschern der Vögel begleiten die Bilder nach einem kurzen Prolog. Der Produzent des Filmes „Schindlers Häuser“ zeigt anhand von vierzig Bauwerken die Architektur des Rudolf Schindlers. 1887 in Wien geboren, studierte er beim Architekten und Begründer der Moderne, Adolf Loos, bevor er 1914 nach Chicago auswanderte, um dort eine Stelle als Assistent von Frank Lloyd Wright anzunehmen. Nur kurze Zeit später schickte Wright ihn nach Los Angeles, wo Schindler sich im Jahre 1922 selbstständig machte. Er plante 400 Objekte, von denen 150 realisiert wurden. Der Grundgedanke seiner Werke ist das Zusammenspiel von Innen und Außen, welches an jedem seiner Häuser erkennbar wird. Im Gegensatz zu einer stilistischen Veränderung, die sich im Laufe des Filmes weniger erkennen lässt, findet man immer wiederkehrende Elemente, die typisch für seine Ausführungen sind und für mich die Frage aufwerfen, inwiefern diese gestalterischen Entscheidungen zur Symbiose des Innen und Außen beitragen und welchen Einfluss die Lehre bei Adolf Loos und Frank Lloyd Wright auf seine Arbeit hatte.

Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass Schindler von der europäischen Moderne geprägt ist. Zwar wurden seine Werke zur damaligen Zeit nicht als internationaler Stil in Europa anerkannt, aber man bemerkt trotz alledem einen starken Einfluss von Zeitgenossen, wie Corbusier oder De Stijl. Die stark horizontal betonten Häuser aus Beton, meist mit Flachdach versehen, wirken schlicht und drängen sich dem Betrachter nicht auf. Auch im Inneren herrscht eine klare Formsprache. Mit viel Liebe zum Detail wird der Raum durch Einbauten aus Holz und klare Stufen gegliedert. Ab und zu kragen konstruktive Elemente in den Raum hinein. Emigholz dokumentiert mit seinen Bildern auf eine gelungene Weise, dass es sich bei Schindlers Häusern jedoch nicht um Architektur handelt, die sich von ihrem Außenraum abgrenzen möchte. Denkt man zunächst an Leitsätze der Moderne, zum Beispiel aus dem Manifest der niederländischen Gruppe De Stijl: „The founders oft he new plastic art therefore call upon all, who believe in the reformation of art and culture, to annihilate these abstacles of development, as the have annihilated in the new plastik (by abolishing natural 2

form) that, which prevents the clear expression of art, the utmost consequence of all art notion“ , so zeigt Emigholz, dass für Schindler moderne Architektur vielleicht den Verzicht auf natürliche Formen bedeutet, aber nicht das Vernachlässigen der Natur. Mal kragt eine Palme in das Bild, mal verbiegt sich der Bambus vor der Betonwand. Sogar die Standbilder richten sich nach der natürlichen Umgebung, sodass es für den Betrachter zunächst verwunderlich ist, in welch merkwürdig verdrehter Pose das Haus im Hintergrund zu sehen ist und zugleich deutlich wird, welche unterordnende Rolle der Regisseur wählte, um das Zusammenspiel zu verdeutlichen. 1

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Schindlers Häuser, Österreich 2007 Manifest I Of “The Styl”, 1918


Es ist demnach nicht zu verkennen, dass dieser Grundgedanke wahrscheinlich aus der Zusammenarbeit mit Frank Lloyd Wright entstammt, aber Schindler sich mit seiner Begeisterung für die aufkommende neuartige Formsprache der Architektur, nicht als ein Nachfolger Wrights einreihen wollte. Was Schindler schuf, waren Häuser, die modern waren aber sich nicht isolierten. Die vierzig im Film gezeigten Häuser offenbaren, wie sehr Schindler an dieser Entscheidung festhielt und während der Zeit seinen Stil kaum veränderte. Zwar sind ab und zu einige Wechsel der Materialien erkennbar, aber im Wesentlichen blieb er seiner Linie treu. Ein oft wiederkehrendes Element seiner Architektur ist das Motiv des Fensterbandes, wie man es auch von Corbusier kennt. Zum einen im oberen Wandbereich eingesetzt, kann das natürliche Licht in den Raum fallen, „sodass die Kamera auch in den Innenräumen keiner Unterstützung durch künstliche Beleuchtung 3

bedarf“ . Fenster in Augenhöhe erlauben wiederum einen fokussierten Blick nach draußen. Zum anderen verwendet Schindler das Band in den oberen Etagen als panoramaartigen Ausblick, zu sehen am Covell Beach House in New Port Beach. An diesem Beispiel ist ebenfalls zu erkennen, dass auch bei großen Fensterflächen eine kleinteilige, aber stark horizontale, Gliederung gewählt wird. Ein weiteres sehr auffallendes Merkmal, das als Bindeglied zwischen Natur und Architektur dient, ist nicht nur das meist stark auskragende Dach, sondern das, wie ich finde, sehr spannende Element der Pergola. Mal in asketischer Ausführung in Form schmaler Betonstreifen, dann als großzügiges, begrüntes Dach, verwendet Schindler an fast allen Häusern dieses geschichtsträchtige Element. Nach dem pompejanischen Vorbild wurde die Pergola vor allem im Klassizismus durch Bauten des Architekten Schinkel wiederbelebt und fand somit sicherlich auch ihren Einfluss auf Schindler. Sie gilt als wichtiges Bindeglied der Architektur und der Gartenkunst. Als eine Art Rahmen lenkt sie den Blick ins Grüne aber auch auf die Architektur und bedingt somit eine Wechselwirkung beider Bestandteile.

Der heutige Zustand der Häuser zeigt, wie sehr Schindler mit seinen Bauten Anklang bei den Nutzern fand. Liebevoll gepflegt erscheinen die Häuser zum Teil fast zeitlos und wirken noch heute als harmonisches Gesamtkonzept auf den Betrachter. Man verliert sich in durchdachten Details, doch nichts drängt sich dem Benutzer auf; denn Schindler lässt in seinen großzügigen, hellen Räumen genug Platz für sinnige Einbauten und die Individualität der Benutzer, der sich am Zusammenspiel von Moderne und Umwelt erfreuen kann. Insofern find ich Schindlers Statement, dass sich das Ego des Architekten nicht immer in den Vordergrund drängt, absolut nachvollziehbar, denn nur so kann der Architekt das Rauschen des Bambus als wertvolles Gut seines Schaffensprozesses anerkennen.

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TAZ, 6. Juni 2007 - Ein Leben in hellen und offenen Räumen


Quellen:

A.Greifenhagen: Die Pergola – ein bedeutendes Bauglied in der Potsdamer Baugeschichte des 19. Jahrhunderts http://bau.fh-potsdam.de/fb3_mabe_08greifenh.html (Stand: 10.11.13)

DAS ERSTE HAUS - Das Kings-Road-House von Rudolph Schindler http://www.entwurfsforschung.de/alt/traversin/beitraege/2004_Koenig_Schindler.pdf (Stand: 10.11.13)

MAK Center: Rudolph M. Schindler http://www.makcenter.org/MAK_Schindler_House.php# (Stand: 10.11.13)

 Manifest I Of “The Styl”, 1918 http://sdrc.lib.uiowa.edu/dada/De_Stijl/2/1/pages/04.htm (Stand: 10.11.13)

 Noth Carolina Modern House: RUDOLF MICHAEL SCHINDLER (1887-1953) http://www.trianglemodernisthouses.com/schindler.htm (Stand: 10.11.13) 

Prof.Heinz Emigholz (Regisseur)(2007). Schindlers Häuser. [Film]. Österreich. Wien: AMOUR FOU; Berlin: Heinz Emigholz Filmproduktion

TAZ, 6. Juni 2007 - Ein Leben in hellen und offenen Räumen FAZ, 16. Februar 2007 – Gedankenraum TAZ, Berlin, 13. Februar 2007 - Die Kraft der Ecke http://www.rudolph-schindler-film.com/pressespiegel.html#1 (Stand: 10.11.13)


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