6 minute read

Europas Sicherheitskräfte rüsten auf

Vor dem Hintergrund steigender Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit, Schutz und Rettung investieren Polizei und Rettungsdienste in ganz Europa in bessere oder zusätzliche Ausrüstung. Das beweisen exemplarisch drei aktuelle Beschaffungsprogramme aus Frankreich und den Niederlanden.

Die Sicherheitslage in Europa ist angespannt. Die Staaten, ihre Bürger und die Betreiber kritischer Infrastrukturen in Europa sehen sich mit einer Vielzahl von zum Teil neuartigen Sicherheitsbedrohungen konfrontiert. Organisierte Kriminalität, Terrorismus sowie natürliche oder von Menschen verursachte Katastrophen (beispielsweise Industrieunfälle, Cyberattacken, Anschläge) machen Investitionen in ein Mehr an Sicherheit unausweichlich. Neben Prognoseinstrumenten und Erkenntnisgrundlagen, die helfen, Sicherheitsrisiken und Gefährdungsszenarien frühzeitig zu erkennen, zu vermeiden oder deren Schadwirkungen zu begrenzen, braucht es Konzepte zur besseren Organisation der Überwachung sensibler Strukturen sowie eine Verbesserung der rechtlichen Bedingungen. Ebenso wichtig ist aber auch die Verfügbarkeit wirksamer Einsatzmittel, wenn der Ernstfall eintritt. Diesbezüglich zeigen drei Beschaffungsprogramme aus Frankreich und den Niederlanden auf, wohin die Reise gehen kann – und dass Technologien aus der Schweiz auch im Ausland auf Interesse stossen.

Neue Elektro-Diesel-Hybrid-Löschfahrzeuge für Pariser Flughafen

Die APD-Gruppe, die aktuell 26 Flughäfen weltweit managt, beschafft für die Flughafen-Feuerwehr des Flughafens Paris-Le Bourget vier Oshkosh Striker ® Volterra™ 6x6 «Aircraft Rescue and Fire Fighting»-Fahrzeuge (kurz: ARFF) mit 6-Rad-Elektro-Diesel-Hybridantrieb. Diese sollen die gesamte bisherige Flotte des nur acht Kilometer nordöstlich von Paris gelegenen Flughafens ersetzen.

Die künftigen Einsatzfahrzeuge bieten ein modulares Kabinendesign mit 254-Grad-Sichtbereich, 360-GradKamera und rund 9,1 Quadratmeter Verglasung, eine unabhängige Allradfederung sowie einen besonders leistungsstarken Elektro-Diesel-Hybridantrieb. Dank diesem beschleunigen die Kolosse in nur 25 Sekunden auf 80 km/h und erreichen mehr als 110 km/h Topspeed (70 Meilen pro Stunde). Rein elektrisch angetrieben sind sie bis zu 80 km/h (50 Meilen pro Stunde) schnell unterwegs.

Jedes der Fahrzeuge verfügt über einen Löschwassertank mit 10’500 Liter Volumen, einen Schaumtank mit 800 Liter Volumen und eine Wasserpumpe mit Bronzegehäuse mit einer Förderleistung von rund 7’500 Litern pro Minute. Zusätzlich ist ein 250-kg-Trockenpulver-System an Bord. Die Löschkanone hat eine Reichweite von bis zu 20 Metern – und kann Frachtcontainer aus jedem Winkel erreichen.

Am Flughafen Paris-Le-Bourget stehen demnächst vier ARFF vom Typ Oshkosh Striker ®Volterra™ 6x6 im Dienst.
©Hersteller

Vernetzte taktische IoT-Weste aus der Schweiz für französische Gendarmerie

Die französische Generaldirektion der Gendarmerie Nationale (DGGN) und Wearin’, das Start-up der Schweizer Technologiegruppe Conextivity (siehe auch BLAULICHT 02_2024), testen in einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt die Integration eines intelligenten IoT-Geräts in taktische Schutzwesten. Das System namens «Wearin’ X DGGN Smart Tactical Vest» soll Notsituationen von Gendarmerie-Einsatzkräften mithilfe von Sensoren und einer KI-Lösung automatisch erkennen und entsprechende Warnungen an die Kommandozentrale absetzen – und zwar unabhängig von aktuellen Funksystemen.

Dazu werden das «Wearin’ Brain», ein Gerät von der Grösse eines Funkgeräts, sowie dessen Akku an der Schutzweste angebracht – wahlweise über genormte MOLLE-Befestigungen und/oder hochbelastbare Multifunktionstaschen. Das Konnektivitäts-Kit verfügt über ein intelligentes Energiemanagement und einen zentralen Hochleistungsakku mit einer Laufzeit von acht Stunden. Mithilfe eines Kabels kann das Gerät einfach und schnell im Einsatzfahrzeug wieder aufgeladen werden.

Kommt es im Einsatz zu einer abnormalen, potenziell bedrohlichen Situation – beispielsweise zu einem Sturz oder zu einer Durchdringung der Schutzhülle der Weste (Messerstich, Projektileinschlag) –, wird automatisch oder via SOS-Taste am Gerät eine Notmeldung abgesetzt. Dabei werden neben der Alarmmeldung auch die exakten Standortdaten der betroffenen Person an die Kommandozentrale übermittelt.

Laut Jonathan Brossard, Direktor von Wearin’ und CEO der Conextivity Group, werden die Features der intelligenten Weste im Lauf des Jahres 2024 von verschiedenen Einheiten der französischen Gendarmerie getestet und optimiert. Dabei, so Brossard, lege man grossen Wert auf eine offene, modulare Architektur, die auf die Interoperabilität aktueller und zukünftiger Systeme ausgerichtet ist.

Im Rahmen der Innovationspartnerschaft mit der französischen Gendarmerie, die von der Agentur für Verteidigungsinnovation des französischen Verteidigungsministeriums und der Abteilung für Transformation der nationalen Gendarmerie finanziell unterstützt wird, soll die intelligente taktische Weste weiterentwickelt und dabei optimal an die unterschiedlichen operativen Bedürfnisse verschiedener Strafverfolgungsbehörden wie Gendarmerie, National- oder Kommunalpolizei sowie Zoll respektive Grenzschutz angepasst werden.

Wearin’, ein Start-up der Schweizer Technologiegruppe Conextivity, entwickelt für und mit der französischen Gendarmerie eine intelligente taktische Schutzweste.
©Hersteller

Flammhemmende Uniformen für niederländische Riot-Control-Polizeieinheiten

UF PRO, ein führendes Unternehmen im Bereich taktische Einsatzbekleidung, hat in Kooperation mit seinem niederländischen Vertriebspartner Gear Point und der niederländischen Polizei neue flammhemmende Uniformen für die niederländische Riot-Control-Polizeieinheit entwickelt. 3’500 Einheiten der aus Hose, Shirt, Jacke und Regenjacke bestehenden Uniformen sollen im Lauf des Jahres 2024 produziert und ausgeliefert werden.

Ein eminenter Vorteil der neuen Einsatzbekleidung ist die Ermöglichung eines nahtlosen Übergangs zwischen der alltäglichen Polizeiarbeit und der Kontrolle von Menschenmengen und Ausschreitungen, ohne dass die Kleidung gewechselt werden muss. Möglich wird dies dadurch, dass die verwendeten Materialien robusten Schutz gegen Flammen und starke Hitze bieten, ohne dass der Tragekomfort, die Funktionalität oder die Bewegungsfreiheit geschmälert werden.

Dazu wurden die Delta-Eagle-Jacke und die MonsoonRegenjacke mit der innovativen flammenhemmenden PYRAD® -Technologie von Gore ausgerüstet. Diese reduziert sehr effektiv den Wärmefluss durch den Stoff sowie eine Ausbreitung möglicher Flammen. Zusätzlich bietet die Regenjacke dank GORE-TEX-3-Lagen-Laminat hundertprozentige Wasserdichtigkeit bei hoher Atmungsaktivität.

Die taktischen Hosen und die Kampfhemden der neuen Uniformen sind indes mit der Pyroshell™-Technologie von Schoeller Textil ausgestattet. Dabei kombiniert Schoeller herkömmliches Nylon sowie Material mit hohen Dehnungseigenschaften und fügt Graphit in die mittlere Klebeschicht ein. Das Graphit, ein hervorragender Wärme- und Stromleiter, quillt bei Hitzeeinwirkung auf und dringt durch das Gewebe hindurch nach aussen. Dort bildet es eine nicht brennbare Schicht und isoliert so die Fasern gegen die direkte Einwirkung von Flammen und Hitze.

Alle FR-Bekleidungssysteme (FR = Flame Retarding) von UF PRO werden strengen Tests unterzogen – einschliesslich des «Thermo-Man-Tests» mit der Prüfpuppe «Henry» der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA). Bei diesem Prüfverfahren für Schutzbekleidung gegen Hitze und Flammen wird «Henry», eine sensorbestückte Prüfpuppe von der Grösse eines Erwachsenen, mit dem Prüfmuster bekleidet und einem simulierten LaborFlash-over mit kontrolliertem Hitzefluss, Dauer und Flammenverteilung ausgesetzt. Der Hitzetransfer durch die Testbekleidung wird gemessen und eine von der Empa entwickelte Software berechnet den Grad der Verbrennungen für jede Körperregion, die totale verbrannte Fläche und die übertragene Energie. Zudem werden Veränderungen der geprüften Bekleidung (Beschädigung, Lochbildung, Schrumpfung) erfasst und dokumentiert.

Die Riot-Control-Polizeieinheiten der Niederlande erhalten 2024 feuerhemmende Einsatzbekleidung. Diese wurde von der EMPA eingehend getestet.
©Hersteller
This article is from: