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4b. Geschenke der Konsuln
Ein am Ende des 15. Jhs. in Trier zum Schmuck eines Kodex verwendeter Kameo trägt wahrscheinlich ein repräsentatives Familienbild Konstantins (Abb.47). Er könnte die Mitte einer größeren Platte gebildet haben, die als kaiserliches Geschenk hergestellt wurde. Die Anordnung der Personen hinter einer Brüstung erweckt den Eindruck, als stünden sie in einem von zwei Adlern gezogenen Wagen. Die beiden größten, leicht zur Bildmitte gewendeten Gestalten müssen ein Kaiserpaar sein, da der Mann einen Lorbeerkranz trägt. Aufgrund ihrer Frisuren und der Anordnung der weiteren Gestalten lassen sie sich als Konstantin und Fausta bestimmen. Die zweite Frau, ganz links mit über den Kopf gezogenem Gewand dargestellt, kann nur Konstantins Mutter Helena sein. Von den beiden Söhnen Konstantins ist der kleinere in der Bildmitte Constantinus II., der erste Sohn Konstantins aus der Ehe mit Fausta. Der größere ist Crispus, der Sohn Konstantins aus seinem Konkubinat mit Minervina. Diese beiden Söhne des Kaisers waren im Jahre 317 zu Caesares erhoben worden. Da 324 auch Constantius II. diesen Rang erhielt, ist der Kameo früher zu datieren.
In den Bereich der Geschenke dürfte auch ein Kameo-Fragment gehören, das ca. 50km südöstlich von Belgrad gefunden wurde (Abb.48). Es ist in hohem Relief unter Ausnutzung der braunen, milchig-weißen und graublauen Schichten des Steins gearbeitet und zeigt einen durch das Diadem als Kaiser bestimmten Reiter. Mit geschwungener Lanze reitet er über besiegte Barbaren hinweg. Ein kleiner Soldat folgt ihm zu Fuß. Aus dem erhaltenen Rest eines Randes lässt sich erschließen, dass dieser Reiter nicht das Mittelmotiv einer Komposition gebildet haben kann. Ursprünglich werden mehrere solche Kampfdarstellungen eine triumphale Szene in der Mitte umgeben haben. Das Fragment dürfte eine der abgerundeten Ecken einer rechteckigen Prunkplatte gebildet haben. Aus stilistischen Gründen wird der Kameo in die Zeit Konstantins I. oder seiner Söhne datiert.
4b. Geschenke der Konsuln
In republikanischer Zeit hatten die beiden für ein Jahr von der römischen Volksversammlung gewählten Konsuln die Verantwortung für alle zivilen und militärischen Entscheidungen getragen. Das Konsulat bildete die höchste Stufe der Ämterlaufbahn (cursus honorum). In der Kaiserzeit wurden zwar weiterhin die Jahre nach den Konsuln benannt, doch wurden diese weitgehend vom Kaiser ernannt und verloren immer mehr von ihren Aufgaben und Rechten. Die Ämter des Quaestors, Praetors und Konsuls waren Ehrenämter geworden, die in erster Linie dazu dienten, die wohlhabenden Familien der Senatoren zur Übernahme der hohen Kosten für öffentliche Spiele und die Verteilung von Getreide- und Geldspenden heranzuziehen. Der Aufwand, der anlässlich der Konsulatsübernahme für Pferderennen (ludi circenses), Gladiatorenkämpfe (munera), Tierhatzen (venationes) und Theateraufführungen (ludi scaenici) in Kaiserzeit und Spätantike getrieben wurde, ist heute kaum vorstellbar, da der Besuch von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen nicht kostenlos ist. Wegen der Möglichkeit, durch aufwendige Spiele und Geldausschüttungen Popularität erwerben zu können, übernahmen die Kaiser der Spätantike sehr oft das Konsulat selbst, beispielsweise Diocletian zehnmal, Konstantin I. achtmal, Constantius II. zehnmal, Honorius zwölfmal und Theodosius II. achtzehnmal. Die hohe machtpolitische Bedeutung der öffentlichen Volksbelustigungen ist aus spätantiken Text- und Bildquellen gut abzulesen. Von Quintus Aurelius Symmachus (S.) sind zahlreiche einschlägige Briefe überliefert. Er schrieb an seine Brüder und an die Lieferanten von Rennpferden und wilden Tieren und bemühte sich um die Qualität der Veranstaltungen anlässlich des Amtsantritts von Quaestur und Praetur seines Sohnes Quintus Fabius Memmius in den Jahren 393 und 401. Für die Gladiatorenkämpfe wollte er ausgebildete Gladiatoren statt der ungeschulten Kriegsgefangenen; für die Wagenrennen suchte er die besten Rennpferde aus Spanien zu erhalten; für die Tierkämpfe bemühte er sich um die Lieferung von Bären. Für die Praetur seines Sohnes gab er 2000 Pfund Gold aus, etwa 20 Jahre später wendete Petronius Maximus sogar das Doppelte auf, als sein Sohn Praetor wurde. In Konstantinopel war der Aufwand im 6. Jh. nicht kleiner. Der Geschichtsschreiber Marcellinus Comes berichtete vom Konsulat, das Justinian im Jahre 521 bekleidete, also bevor er Kaiser wurde, dass der Konsul für die Geldgeschenke und Spiele 288.000 Solidi ausgab, also etwa 4000 Pfund Gold. Er ließ 20 Löwen und 30 Panther zusammen mit anderen wilden Tieren gleichzeitig im Amphitheater auftreten.
In den Briefen des Symmachus gibt es auch Äußerungen zur Verteilung von Silberschalen mit Geld-
geschenken und von diptychen (Schreibtäfelchen, S.) aus Elfenbein beim Antritt höherer Ämter. Bei den Feiern zur Quaestur seines Sohnes Memmius schrieb Symmachus seinem Bruder Flavianus, er erhalte Diptychen und Geschenke seines Sohnes; dem Kaiser habe er ein mit Gold gerahmtes Diptychon geschickt; die übrigen Freunde habe er mit Schreibtafeln aus Elfenbein und mit Silberschalen geehrt. Mehrfach erwähnte der Senator ein Geschenk von zwei Pfund Silber.
Während Silberschalen von Kaisern in größerer Zahl erhalten blieben, ist nur ein Exemplar bekannt, das die Umschrift eines Konsuls trägt (Abb.49). Diese beginnt oben mit einem Kreuz: + FL(avius) ARDABVR ASPAR VIR INLUSTRIS COM(es) ET MAG(ister) MILITVM ET CONSVL ORDINARIVS. Ardabur Aspar (S.) war Senator (vir inlustris) und hatte vor seiner Ernennung zum Jahreskonsul (consul ordinarius) höchste zivile (comes) und militärische Ämter (magister militum) eingenommen. In der Mitte des Tellers sind der Konsul und sein Sohn Ardabur als Praetor auf einem Podium dargestellt (ARDABVR IVNIOR PRETOR). Der Konsul sitzt in langärmeliger Tunica, ärmellosem Kolobium und üppiger Trabea auf der amtlichen sella curulis mit Fußschemel (dem Amtsstuhl der Magistraten) und trägt in der linken Hand ein Zepter mit den Büsten der regierenden Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. Seine rechte Hand ist mit der Mappa erhoben. Der etwa neun Jahre alte Sohn des Konsuls steht neben ihm und hält die Mappa lediglich wie einen Ranghinweis in der linken Hand. In den beiden Rundbildern am oberen Bildrand sind, inschriftlich bezeichnet, der Vater und der Schwiegervater des Konsuls dargestellt, Ardabur und Plinta. Besonders hochrangig ist die Rahmung Adarburs mit zwei Stadtpersonifikationen, die Stäbe mit den stilisierten Rutenbündeln (fasces) tragen. Sie vertreten Rom und Karthago, die Stadt Afrikas, in der Ardabur zum Konsul ernannt wurde und um die er sich im Kampf gegen die Vandalen besonders verdient gemcht hatte. Unter den Geschenkobjekten im unteren Teil der Platte sind auch militärische Rundschilde mit erhöhter Mitte (umbilicus) zu erkennen. Sie waren für Adressaten im militärischen Umfeld des Konsuls bestimmt und konnten gleichzeitig an seine militärischen Leistungen erinnern.
Während zu diesem Objekt bisher keine Parallele gefunden wurde, blieb von den Elfenbeindiptychen, die Konsuln zum Amtsantritt verschenkten, eine beträchtliche Anzahl des späten 4. bis 6. Jhs. erhalten. Antike Schreibtäfelchen bestanden aus mehreren Holz- oder Elfenbeintafeln und wurden zusammengeklappt, damit die Wachsschicht im vertieften Inneren, in die man mit einem Griffel Notizen oder Nachrichten einritzte, geschützt war. Oft schrieb man auf zwei Tafeln (griechisch diptychon, zweigefaltet), doch erwähnte Martial schon im 1. Jh.n.Chr. drei- und fünfteilige Schreibtafeln (Epigrammata XIV 4.6.). Die Vertiefung auf der Rückseite ist bei vielen spätantiken Diptychontafeln sehr flach, so dass nicht sicher ist, dass sie Wachs als Schreibmaterial enthielten. Eine andere Möglichkeit war, unmittelbar auf das Elfenbein zu schreiben (Epigrammata XIV 5). In der Tat bieten einige der erhaltenen Diptychen auf der Innenseite Spuren einer (gleichzeitigen oder späteren) Beschriftung. Schließlich kann sich im Inneren der Diptychen ein Pergamentblatt befunden haben, das beispielsweise Ort und Zeit der Wagenrennen im Circus, der Tierhatzen im Amphitheater und von Aufführungen im Theater nannte. Denn auch nach der genauen Festlegung von Art und Datum der verschiedenen Veranstaltungen anlässlich des Amtsantritts der Jahreskonsuln durch Justinian (Novelle 105,1 von 536) mussten die Orts- und Zeitangaben noch fixiert werden.
Das früheste erhaltene Diptychon eines westlichen Konsuls ist das des Probus (406; Abb.50), die spätesten gaben Boethius (487) und Sividius (488) in Auftrag. Außer westlichen Konsulardiptychen des 5. Jhs. besitzen wir eine ganze Reihe im Westen hergestellte nichtkonsulare Elfenbeindiptychen des ausgehenden 4. und des 5. Jhs. Der Bestand an östlichen Konsulardiptychen beginnt erst mit mehreren Exemplaren für Areobindus (506), was nur auf Zufall beruhen kann, denn Theodosius I. erließ am 25.7.384 ein an den Senat von Konstantinopel gerichtetes Gesetz (Codex Theodosianus XV 9,1), nach dem es nur noch den Konsuln erlaubt sein sollte, Elfenbein für Diptychen zu verwenden.
Westliche und östliche Diptychen unterscheiden sich in der Anordnung der Inschriften und der Bilddetails. In Rom legte man Wert darauf, die geöffneten Tafeln zur Schau stellen zu können. Man ließ die Namens- und Ämterinschrift auf der linken Tafel beginnen und richtete Bilddetails auf die Mitte des von beiden Tafeln gebildeten Gesamtbildes aus (Abb.). In Konstantinopel behandelte man Diptychen wie ein Buch. Inschriften ließ man auf der rechten Tafel anfangen, die bei geschlossenem Diptychon oben liegt. Alle Darstellungen wurden frontal ausgerichtet, da es kein Gesamtbild und daher auch keine Bildmitte zwischen den Tafeln gab.
Beim Diptychon des Probus steht die Namensinschrift des Konsuls am unteren Rand: PROBVS FAMVLVS V(ir) C(larissimvs) CONS(vl) ORD(inarivs) – »Pro-
Abb.50. Aosta, Domschatz. Konsulardiptychon des Probus, Rom 406, Elfenbein, Höhe 29,9 cm, Breite 13,1 cm.