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9b. Metallarbeiten der Kirchenausstattung
➤➤ Abb.184. Rossano in Calabria, Museo dell'Arcivescovado. Codex Rossanensis, Evangelienhandschrift aus mit Purpur gefärbtem Pergament, Höhe ca. 31 cm, Breite 26 cm, fol. 2v.: Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen.
➤ Abb.185. fol. 8r: Christus vor Pilatus, Reue und Tod des Judas. Bei der Darstellung des Gerichtes des römischen Statthalters Pontius Pilatus entspricht die Beischrift dem Evangelientext (Matthäus XXVII 2): »Sie fesselten ihn, führten ihn ab und übergaben ihn dem Statthalter Pilatus.« Zahlreiche Bilddetails weisen auf den amtlichen Charakter des römischen Gerichts hin: Pilatus und die rechts stehenden Beamten tragen über der Tunika eine Chlamys mit Einsatz (tablion), die durch eine Fibel gehalten wird. Die Thronwächter hinter Pilatus haben den typischen Halsring (Torques) der Germanen um den Hals und halten Standarten mit zwei Kaiserbüsten. Auf der Vorderseite der Tischdecke werden die Kaiserbilder wiederholt, das Tintenfass und die Schreibfedern auf dem Tisch betonen die Schriftlichkeit des Urteils. Christus wirkt gegenüber den anklagenden jüdischen Hohepriestern vor ihm schon durch seine Freistellung im Raum sehr majestätisch. Diese Szene ist ebenso wie die zweite Pilatusszene des Kodex, in der es um die Entscheidung zwischen Christus und Barrabas geht, mit einer dünnen Halbkreislinie gerahmt. Im unteren Teil dieser Seite ist dargestellt, wie Judas den Hohepriestern den Lohn für seinen Verrat vor die Füße wirft und sich dann an einem Baum aufhängt. Die Beischrift am unteren Rand entspricht dem zugehörigen Text (Matthäus XXVII 3–5).
Eine syrische Handschrift der vier Evangelien in Florenz mit 293 Blättern wurde nach einer Notiz auf fol. 291a von einem Mönch Rabula im Johanneskloster von Zagba in Mesopotamien im Jahre 586 geschrieben (Abb.186). Illustrationen befinden sich nicht auf den Textseiten, sondern nur auf sieben ganzseitigen Bildseiten und auf den Rändern der ein- bis vierspaltigen Kanontafeln (S.). Bei der Himmelfahrts-Illustration (Lukas XXIV 50 f.; Apostelgeschichte I 9–11) ist deutlich zu erkennen, dass das Bild neben der erzählenden Darstellung des einmaligen biblisch-»historischen« Ereignisses auch die überzeitliche Herrlichkeit des erhöhten Christus wiedergeben soll. Die beiden im Text erwähnten Männer in weißen Gewändern, die den Aposteln erklären, Jesus sei in den Himmel aufgenommen und werde von dort ebenso wiederkommen, sind als weißgekleidete Engel dargestellt. Die Zwölfzahl der stark erregten Apostel ist (nach Ausscheiden des Judas) durch Zufügung des Paulus erreicht, der ebenso neben einem der Engel steht, wie auf der anderen Seite Petrus. Die in der Mitte stehende Maria ist im Text nicht erwähnt. In der oberen Bildzone steht Christus in einer Mandorla (eine Art Aura), die von zwei Engeln »getragen« wird. Zwei weitere Engel huldigen dem Herrn wie einem Herrscher, indem sie mit verhüllten Händen diademartige Kränze darreichen. Noch stärker wird die Überzeitlichkeit des Bildes durch die zusätzlichen Motive unter der Mandorla zum Ausdruck gebracht; hier sind Details aus der Gottesvision Ezechiels (I 4–28) und der Offenbarung des Johannes (IV) miteinander verbunden. Die Miniatur gilt bisher als das früheste Beispiel für eine Himmelfahrtsdarstellung, die in zwei Zonen geteilt ist. Einen Hinweis auf viel frühere Darstellungen geben jetzt einige nordafrikanische Lampen (Abb.227).
9b. Metallarbeiten der Kirchenausstattung
Abb.186. Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Cod. Plut. 1,56. Rabula-Evangeliar, Pergamentkodex, fol. 13b: Himmelfahrt Christi. Die wichtigsten Metallarbeiten, die zur Verwendung im kultischen Bereich hergestellt wurden, waren Prozessions- oder Altarkreuze, Reliquiare, die unter dem Altar beigesetzt wurden, Kelche und Patenen. Das abgebildete Kreuz in München wurde aus einer Messingplatte mit ca. 81 % Kupfer und 19 % Zink geschmiedet (Abb.187–188). Es fehlt das ursprünglich aufgelötete Mittelmedaillon der Vorderseite, außerdem an den spitzen Enden der ausschwingenden Kreuzarme einige der aufgesteckten Kugeln und der untere Dorn zum Aufstecken auf einen Stab oder Ständer. Die beiden Löcher an der Unterkante der Querarme waren zum Anhängen der apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega bestimmt. Durch partiellen Auftrag eines Schwärzungsmittels wurde erreicht, dass auf der Vorderseite helle figürliche Darstellungen auf dunklem Grund stehen, auf der Rückseite dunkle Figuren auf hellem Grund erscheinen. Diese Herstellung von Zweifarbigkeit kann erst nach dem Ersatz des abgebrochenen Aufsteckdorns erfolgt sein.
Das verlorene Medaillon der Vorderseite dürfte ein repräsentatives Symbol Christi enthalten haben, da es von vier Engeln »getragen« wird und da es ein figürliches Christusbild bereits am oberen Kreuzarm gibt. Der untere Engel steht auf einer Basislinie, die drei anderen sind fliegend dargestellt; alle sind mit einem Mantel bekleidet, der mit Streifen und Medaillons verziert ist. Die beiden seitlichen Kreuzarme enden mit Kreuzen in Medaillons, der untere mit einem Bild Daniels zwischen zwei Löwen. Die Rückseite ist ausschließlich mit Medaillons geschmückt. In der Mitte ist die Büste eines bärtigen Christus so
Abb.187. München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 155. Altar- oder Prozessionskreuz, Messing, verzinnt, teilweise geschwärzt, Dekor ziseliert und gepunzt, Höhe noch 52,4 cm, Breite 40,9 cm.
Abb.188. Rückseite.
Abb.189. Mailand, Diozesanmuseum, Inv. MD 2004.115.001. Reliquiar, Silber, getrieben, ziseliert, teilweise vergoldet, Höhe 19,9 cm, Breite 20,1 cm, Tiefe 19,6 cm, Gesamtansicht.
dargestellt, dass der Bildrahmen wie ein Monogrammnimbus wirkt, der die griechischen Anfangsbuchstaben I und X von Jesus Christus enthält. Auf die Kreuzarme sind die Büsten der Apostel verteilt. Die Medaillons an den Enden der Kreuzarme sind etwas größer; das obere enthält ein Kreuz, die seitlichen Rosetten, das untere den zwölften Apostel. Dieses Kreuz dürfte im Osten des Reiches entstanden sein, doch kaum in einer der hauptstädtischen Werkstätten.
Nach einer zeitgenössischen Notiz wurde ein in Mailand aufbewahrtes Reliquiar im Jahre 386 von Bischof Ambrosius unter dem Hauptaltar der Apostelkirche beigesetzt (Basilica Apostolorum, später S. Nazaro. Abb.189). Es diente zur Aufnahme von Apostelreliquien, die ihm Papst Damasus für die neu errichtete Kirche geschenkt hatte. Eine Christusanrufung auf dem Boden mit Bitte um Barmherzigkeit könnte von Ambrosius selbst stammen. Die figürlichen Darstellungen weichen vielfach vom üblichen Bildschema der Szenen ab. Auf den vier Seiten des Reliquiars werden sie von einem kordelartigen Dekor gerahmt, auf dem Deckel von einem glatten Rand. Hier sind unter einem repräsentativen Bild des thronenden Christus mit den zwölf Aposteln fünf Körbe mit Brot und sechs Amphoren dargestellt, die vermutlich an die biblische Brotvermehrung und das Weinwunder zu Kana erinnern sollen (Abb.190). An der Unterseite des Deckels ist ein aus Goldblech gearbeitetes Kreuz angebracht. Auch das Bild der thronenden Maria mit dem Kind auf der Vorderseite des Reliquiars ist zentralsymmetrisch gestaltet. Falls die Darstellung die Huldigung der Magier mit ihren Gaben darstellen soll (Matthäus II 1–12), obwohl die Huldigenden viele Begleiter haben und nicht wie gewohnt als Orientalen mit phrygischer Mütze erscheinen, so könnte ihre ganz ungewöhnliche Zweizahl vielleicht auf das Streben nach Symmetrie zurückgehen. Das Thronbild auf der Rückseite könnte Benjamin und Juda mit auf dem Rücken gefesselten Armen vor Joseph in Ägypten darstellen (Genesis XLIV f.). Bei Darstellungen des Urteils Daniels über die beiden Ältesten in der Susannaerzählung (Daniel XIII) ist ein solcher Altersunterschied der Angeklagten nicht zu finden. Die Szene auf der rechten Nebenseite ist eindeutig als das Urteil Salomos zu erkennen (1 Könige III 16–28). Die Darstellung der drei Jünglinge im Feuerofen auf der linken Nebenseite (Daniel III) ist das einzige nicht als zentralsymmetriche Thronszene gestaltete Bild am Reliquiar. Von den als Orientalen mit phrygischer Mütze wiedergegebenen Jünglingen unterscheidet sich der rettende Engel durch seine Bekleidung mit Tunika und Chlamys. Ob sich hinter den recht ungewöhnlich gestalteten fünf Bildern ein übergreifendes Programm verbirgt, bleibt offen.
Aus der beträchtlichen Zahl liturgischer Kelche des 6. bis 7. Jhs., die erhalten blieben, ist ein Exemplar ausgewählt, das mit einer Stifterinschrift versehen ist (Abb.191). Die Form, bei der das eigentliche Gefäß von einem ausladenden Fuß getragen wird, der durch einen Knoten mit Blätterschmuck akzentuiert wird, bietet keine Besonderheit. Doch die Wandung ist mit vier Medaillons geschmückt, die in breitem Rahmen mit Nimbus ausgezeichnete Büsten enthalten. Sie wurden über Modeln geprägt und auf der Oberfläche nachgearbeitet. Christus ist jugendlich, bartlos und
Abb.190. Detail: Bild auf dem Deckel, Christus mit den Aposteln. mit langen Haaren dargestellt, besitzt einen Kreuznimbus und trägt einen Kodex. Ihm gegenüber folgt Maria, und die beiden anderen Medaillons enthalten die Bilder der Apostel Petrus und Paulus. Über diesen Medaillons läuft eine Inschrift um, die durch Kreislinien gerahmt ist und über Christus beginnt: +
ΠΡ(εστεÄς) ΚΥΡΙΑΚOC ΥΙOC ΔOΜΝOΥ Τω ΑΓΙω CΕΡΓΙω ΕΠΙ ZΗΝωΝOC ΠΡΕΒΥΤΕΡOΥ – »Der Priester Kyriakos, Sohn des Domnos, (stiftet diesen Kelch) dem heiligen Sergios unter dem Priester Zenon.« Das Objekt wurde zusammen mit einer Patene und zwei weiteren Kelchen gefunden, die zwar keine Inschrift tragen, aber mit den elben vier Medaillonbildern geschmückt sind. Die Patene trägt als Dekor in der Mitte ein Kreuz, das von einer Umschrift umgeben ist, die uns verrät, für welche Kirche in der Nähe von Antiochia die Kultgefäße gestiftet wurden: »Aufgrund eines Gelübdes hat Domnos, Sohn des Zacheos, (diese Patene) dem heiligen Sergios in der Ortschaft Beth Misuna gestiftet.«