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BEITRÄGE

Multi-Level-Governance

Kann der Multi-Level-Governance-Ansatz auch ein Erfolgsrezept für Österreich sein? Über Lösungswege in der bundesstaatlichen Steuerung berichtet Karoline Mitterer.

Die Zusammenarbeit über mehrere Gebietskörperschaften hinweg ist komplex und von unterschiedlichen Interessen geprägt. Für eine gute Mehr-Ebenen-Steuerung braucht es einen effektiven Zielabstimmungsprozess und neue innovative Wege der Kooperation und Koordination.

„Durch's Reden kommen die Leut' zam“, würde es im privaten Umfeld heißen. In der Lenkung des Bundesstaates sind die Entscheidungen jedoch vielschichtiger und mehrteiliger. Die Multi-Level-Governance (MehrEbenen-Steuerung) kann für die Zusammenarbeit über mehrere Gebietskörperschaften Lösungen anbieten, wie dies in einem gemeinsamen Symposium von KDZ, WIFO und Kommunalkredit am 13. November 2018 diskutiert wurde.

Claire Charbit (OECD) gab beim KDZ-WIFOSymposium mit dem Titel „Steuerung im österreichischen Föderalismus“ einen Einblick in die Arbeiten der OECD zum MultiLevel-Governance-Ansatz. Im Folgenden werden zentrale Aspekte ihres Referates vorgestellt. Dies wird ergänzt um weitere Ergebnisse des Symposiums.

Komplexe Herausforderungen verlangen neue Lösungen

Das Handeln der Gebietskörperschaftsebenen – und auch der EU – wird durch

„Effektive Steuerung braucht Strategien, Zielabstimmungsprozesse und neue Wege der Kooperation und Koordination.“

JUR‰H8PEUFKHEHHLQÀXVVW=XQHQQHQVLQG HWZDGHUGHPRJUD¿VFKH:DQGHOGLH'LJLWDOLsierung, Migrationsbewegungen oder der Klimawandel. Es liegt auf der Hand, dass hier einfache Antworten nicht reichen, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Der Multi-Level-Governance-Ansatz hat zum Ziel, die Koordination und Kooperation zu optimieren, um gemeinsam „Gesamtpakete“ schnüren zu können und um insgesamt eine bessere Performance zu erreichen. Die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner soll damit Vergangenheit werden. Im Fokus soll stattdessen das Bewältigen YRQ,QWHUGHSHQGHQ]HQXQG9HUÀHFKWXQJHQ stehen. Dies umfasst etwa die Einbindung der relevanten Akteure wie auch NGOs und die Zivilgesellschaft. Ebenso notwendig ist das Schaffen von Instrumenten zur Koordination und Kooperation, das Bewahren der regionalen Identität, das Sichern des sozialen Friedens als Voraus setzung für wirtschaftliche Entwicklungen und das Schaffen von Innovationsräumen.

Subnationale Ebenen als zentrale Akteure

Föderale Staaten mit starken subnationalen Gebietskörperschaftsebenen sind international betrachtet die Ausnahme. Es zeigt sich jedoch ein Trend zu einer Stärkung der subnationalen Ebenen. Betrachtet man die OECD-Länder (Abb. 1) zeigt sich eine starke Bedeutung der sub - na tionalen Ebenen. Im Durchschnitt werden 57 Prozent der öffent lichen Investitionen durch subnationale Gebietskörperschaften erbracht. Bei den Personalausgaben im öffentlichen Bereich liegt der Anteil bei

Abb. 1: Anteil der subnationalen Gebietskörperschaften an den Ausgaben des Staates nach Ausgabenkategorien, 2016.

Quelle: Charbit, Claire: Governing together across levels of government: challenges and responses, KDZ-WIFO-Workshop 2018, S. 6.

63 Prozent, bei den Steuer einnahmen bei 32 Prozent und bei den öffentlichen Schulden bei 21 Prozent. ,QVJHVDPW]HLJHQVLFKVWDUNH¿QDQ]LHOOH9HUÀHFKWXQJHQ]ZLVFKHQGHQ(EHQHQ'LH:HUWH der österreichischen Länder und Gemeinden liegen dabei nahe am Durchschnittswert der OECD-Länder, als stark föderal organisiertes Land hätte Österreich mehr Potential.

Den Multi-Level-GovernanceAnsatz anwenden

$XIJUXQGGHUYLHOIlOWLJHQ9HUÀHFKWXQJHQ bedarf es einer guten Abstimmung im Rahmen einer Mehr-Ebenen-Steuerung. An gesichts der hohen Zahl an mögli chen 6WHXHUXQJVGH¿]LWHQVROOGHU0XOWL/HYHO Governance-Ansatz einen Ausweg bieten und Instrumente zur Verbesserung des Steuerungssystems bereitstellen. In Tabelle 1 wird eine Lückenanalyse vorgestellt. Hierzu JLOWHVGLH'H¿]LWHLQGHU=XVDPPHQDUEHLW ]XLGHQWL¿]LHUHQXQGJHPHLQVDPHQWVSUHchende Lösungs ansätze zu entwickeln. Wichtige Ergebnisse sind etwa ausrei chen - de Res sourcen, klare Zuständigkeiten, vertikale und horizontale Koordinierungsinstrumente, evidenzbasierte politische >

'H¿]LWHGHU administrativen Grenzen

,QIRUPDWLRQVGH¿]LWH

Kompetenzzersplitterung

.DSD]LWlWVGH¿]LWH

„Nicht-Übereinstimmung“ der Verwaltungsgrenzen mit Funktionsbereichen ¯ Finden einer „effektiven Größe“ (Subsidiarität)

,QIRUPDWLRQV$V\PPHWULHQ 4XDQWLWlW4XDOLWlW$UW9HUSÀLFKWXQJVJUDG zwischen den Gebietskörperschaften ¯ Instrumente zur Bereitstellung und Teilung von Informationen

Fragmentierte Aufgabenzuständigkeiten von Verwaltungseinheiten (z.B. Zuständigkeiten mehrerer Ministerien oder GK-Ebenen) ¯ Schaffen von multidimensionalen / systemischen Führungs- und Steuerungsansätzen Unzureichende inhaltliche, technische und/oder infrastrukturelle Kapazität der lokalen Akteure ¯ Instrumente zum Kapazitätsaufbau

Finanzierungslücken

Unzureichende oder unsichere Einnahmen für subnationale Ebenen ¯ Notwendigkeit gemeinsamer Finanzierungsmechanismen

'H¿]LWHLP=LHOHQW wicklungsprozess

'H¿]LWHGHU$FFRXQWDELOLW\

Unzureichend aufeinander abgestimmte Ziele, mangelnder Interessenausgleich im Zielentwicklungsprozess ¯ Instrumente zur Abstimmung von Zielen Mängel bei der Transparenz und Integrität – insbesondere gebenüber den Bürgerinnen und Bürgern ¯ Schaffen von Transparenz und Qualitätsinstrumenten

Tab. 1: Lückenanalyse im Multi-Level-Governance-Ansatz

Quelle: Charbit, Claire: Governing together across levels of government: challenges and responses, KDZ-WIFO-Workshop 2018, S. 16.; übersetzt aus dem Englischen von Karoline Mitterer.

Die analoge Einschätzung der TeilnehmerInnen deckte sich mit der digitalen (# MultiLevelGov).

(QWVFKHLGXQJV¿QGXQJXQGJHPHLQVDPH Strategien und Programme.

Umsetzbarkeit für Österreich

Im Rahmen des Symposiums wurden die TeilnehmerInnen um ihre Einschätzung gefragt, ob der Multi-Level-Governance-Ansatz für eine Föderalismusreform geeignet sei. Dabei überwog, dass dieser Ansatz grundsätzlich für eine Föderalismusreform geeignet ist. Gleichzeitig zeigte sich jedoch, dass die meisten TeilnehmerInnen nicht an eine posi tive Reform des Föderalismus in den näch sten zehn Jahren glauben.

Als besonders wichtigen Reformschritt schätzten sie eine nachhaltige, gemeinsame Zielentwicklung ein, weiters klar abgegrenzte Verantwortungsbereiche, die Verknüpfung von Aufgaben und Finanzen (z. B. aufgabenorientierter Finanzausgleich) und einen moderierten Interessenausgleich.

Anwendungsfälle in Österreich Was sind nun die nächsten Schritte? Im Rahmen des Symposiums wurden zwei Anwendungsfälle intensiver diskutiert.

„Multi-Level-Ansatz für Föderalismusreform scheint geeignet, jedoch bestehen Zweifel an der Realisierung.“

Einerseits bietet sich das Feld der Regionalentwicklung an, wo bereits erste Multi-LevelGovernance-Aspekte in den Steuerungsprozess Eingang gefunden haben. Insbesondere das Steuern über Zielvereinbarungen bzw. Programme auf der einen Seite (wie etwa EU-Förderprogramme) und das Schaffen von Partnerschaften auf der anderen Seite (wie etwa die ÖROK, Partnerschaften zu Stadtregionen) bieten hier vielversprechende Ansatzpunkte.

Komplett auf neue Beine sollte die Finanzausgleichsreform gestellt werden. Eine Erneuerung des föderalen Systems ist zu entwickeln, die Bund, Länder und Gemeinden stärker aneinander bindet und auf mehr Effektivität und Verantwortlichkeit in sinnvoll abgegrenzten Leistungsbereichen setzt. Die Finanzausgleichsreform bedarf eines moderierten Prozesses.

Zum Abschluss

In Summe hat sich die Notwendigkeit einer Föderalismusreform gezeigt. Der Multi-LevelGovernance-Ansatz kann hierbei wertvolle Impulse leisten, um einen gemeinsamen Weg und vor allem gemeinsame Ziele zu ermöglichen. Komplexe Probleme benötigen Lösungsprozesse, die bereits in der Strategieentwicklung und beim konkreten Erarbeiten dieser Lösungen die relevanten Stakeholder einbeziehen. Fehlt dieser breite Ansatz, steigt die Gefahr von schlecht durchdachten Lösungen. <

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MEHR ZU MULTI-LEVEL-GOVERNANCE

Eine Übersicht zu den Ergebnissen des Symposiums sowie die Präsentationsunterlagen stehen unter kdz.eu/content/symposium18-foederalismus zum Download bereit.

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