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Stadtregionen: Keine gesetzliche Verankerung

Stadtregionen anerkennen

Obwohl Stadtregionen immer wichtiger werden, gibt es bislang keine gesetzliche Verankerung in Österreich. von Alexandra Schantl

Die Lebensrealitäten der Menschen haben sich verändert. Wohnen, arbeiten, einkaufen, sich erholen, Sport betreiben und vieles mehr ¿QGHWQLFKWPHKUDQHLQXQGGHPVHOEHQ2UW statt, sondern über Gemeindegrenzen, Landesgrenzen und manchmal sogar Staatsgrenzen hinweg. Die Anerkennung dieser Lebensrealitäten bedeutet auch, diese „funktionalen Räume“ politisch-administrativ zu verorten.

6WDGWUHJLRQHQVLQGHQJYHUÀRFKWHQH/HEHQVräume, die sich aus mehreren Städten und Gemeinden zusammensetzen. Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher leben in Stadtregionen. 34 österreichische StadtUHJLRQHQGH¿QLHUWGLH6WDWLVWLN$XVWULDXQGGLH Bandbreite reicht von Klein- und Mittelstadtregionen über polyzentrische Agglomerationen bis zur Metropolregion Wien. Als Leistungsträger im Siedlungssystem, Knotenpunkte für Verkehr, Handel und Informationen, Standorte hochrangiger Dienstleistungen, Standorte für Wissenschaft und Forschung und Entscheidungszentren haben die österreichischen Stadtregionen aber auch mit Stadt8PODQG.RQÀLNWHQLQWUDUHJLRQDOHU.RQNXUUHQ]2UJDQLVDWLRQVGH¿]LWHQXQGVR]LDOHQ Disparitäten zu kämpfen. Und hier stellt sich die Frage, wo anzusetzen ist, um diese Herausforderungen zu lösen.

„Bedenkt man die österreichischen Stadtregionen bei künftigen Föderalismusreformen nicht mit, bleibt deren Anerkennung bloß ein frommer Wunsch ans Christkind.“

Zum Status Quo in Österreich

Vieles ist passiert in den letzten Jahren. Mit dem ÖREK 2011, der Kooperationsplattform Stadtregionen, der ÖROK-Empfehlung „Für eine österreichische Stadtregionspolitik“ oder der Roadmap zur Umsetzung der „Agenda Stadtregionen in Österreich“ wurde das Thema „Stadtregionen“ in Österreich in den letzten Jahren wesentlich vorangetrieben und erfolgreich in der öffentlichen Diskussion etabliert. Auch der Österreichische Städtebund als zentraler Akteur versucht mit jährlichen Stadtregionstagen oder der Plattform www.stadtregionen.at stadtregionales Denken und Handeln zu forcieren. Aktive Stadtregionen in Österreich im Sinne gemeinsamen Planens und Umsetzens lassen sich allerdings an einer Hand abzählen. Zu sehr sind stadtregionale Initiativen immer noch abhängig von Pioniergeist und Engagement Einzelner, eine koordinierte Abstimmung und Steuerung mehr „Goodwill“ als stabile Governance.

Stadtregionale Initiativen in Österreich sind RIWPDOV(8¿QDQ]LHUWZLHHWZDGLHREHU|VWHUreichischen Stadtregionen oder StadtUmland-Partnerschaften in Tirol. Insgesamt 15 Stadtregionen konnten seit 2013 durch Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) im oberösterreichischen Landesraumordnungsprogramm etabliert werden. Im Raum Kufstein wiederum werden Mobilitätsmaßnahmen oder raumbezogene Infodienste (Stichwort: LeerstandsXQG)UHLÀlFKHQPRQLWRU XQWHUVWW]W$XFK Staatsgrenzen übergreifende Kooperationsräume benötigen EU-Mittel für die Weiterentwicklung. Die Zusammenarbeit des Zukunftsraumes Lienzer Talboden mit Brunneck in Südtirol oder das Bratislava-UmlandManagement zur Vernetzung und Koopera

tionsanbahnung der slowakischen Hauptstadt mit Gemeinden in Niederösterreich und Burgenland sind hier zu nennen. Allerdings könQHQ(80LWWHOQXU$QVWR‰¿QDQ]LHUXQJHQVHLQ und fehlende nationale Mittel zur Absicherung von Stadtregionen nicht ersetzen, zumal komplexe EU-Förderstrukturen den Nutzen dieser Mittel oftmals konterkarieren.

Eine zentrale Rolle für die Entwicklung von Stadtregionen oder funktionalen Räumen stellen übergeordnete Rahmenbedingungen dar. Bislang greifen nur einzelne Bundesländer die Entwicklung und Steuerung von diesen Räumen aktiv auf, wie etwa die Steiermark mit ihrem neuen Landes- und Regionalentwicklungsgesetz oder Vorarlberg mit seinen Förderungsrichtlinien über die Gemeinde- und Regionalentwicklung in Vorarlberg und dem „Raumbild Vorarlberg 2030“.

Der europäische Kontext

Der Blick über die Grenze nach Deutschland (Stichworte: Regionsverbände, nationale Stadtentwicklungspolitik) oder in die Schweiz (Stichwort: Agglomerationspolitik) zeigt, dass

1 “..a Europe closer to citizens by fostering the sustainable and integrated development of urban, rural and coastal areas and local initiatives” (=Political Objective 5 of the Cohesion Policy 2021-2027, Art. 4 of the Common Provisions), COM(2018)  ¿QDO6

Österreich auch im europäischen Vergleich immer noch hinterherhinkt. Und dass funktionale Räume, Agglomerationen und Stadtregionen auf europäischer Ebene immer mehr an Bedeutung gewinnen, unterstreichen die Vorschläge der Europäischen Kommission zur zukünftigen Kohäsionspolitik 2020+. Ein eigenes politisches Ziel 1 , die Förderfähigkeit funktionaler Räume ohne Größenbeschränkung und die Erhöhung des Mindestanteils für nachhaltige Stadtentwicklung auf 6 Prozent im EFRE belegen dies.

Stadtregionen gesetzlich verankern

Eine informelle stadtregionale Governance, wie sie aktuell in Österreich vorherrscht, wird auf Dauer gesehen nicht ausreichen, um die brennenden Fragen von stadtregionaler Mobilität, Siedlungs- und Standortentwicklung in den Griff zu bekommen und damit den territorialen und sozialen Zusammenhalt in diesen Räumen nachhaltig zu gewährleisten. Stadtregionen anzuerkennen heißt stadtregionale Politik zu betreiben (Stichwort: Österreichische Stadtregionspolitik) und Stadtregionen im förderalen System zu verorten. Zu klären gilt, welche Ebene prädestiniert für eine stadtregionale politische Legitimation wäre. <

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Österreichische Stadtregionen und regionale Zentren gemäß Statistik Austria 2016.

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