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Erfahrungswerte und Herausforderungen Erste Fragen im Rahmen der Vermögensbewertung finden Sie hier beantwortet

Erfahrungswerte und Herausforderungen

Michael Dessulemoustier-Bovekercke (MSCT), Alexander Maimer (KDZ)

Viele Gemeinden haben sich bereits in den letzten Monaten mit den Anforderungen der VRV beschäftigt. Dem Besuch erster Informationsveranstaltungen, Schulungen in den Grundprinzipien der VRV und weiterführenden Workshops zu einzelnen Bewertungsthemen folgten meistens Vorbereitungsarbeiten zur Erhebung des Vermögens. Die VRV 2015 verpflichtet Gemeinden, für ihren 1. Voranschlag auf Basis der VRV 2015 bzw. im Rahmen ihrer Eröffnungsbilanz zum 01.01.2020 (spätestens) eine vollständige Erfassung ihres Vermögens vorzunehmen. Bei unserer Tätigkeit und unseren Vorträgen haben wir mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzabteilungen von Gemeinden Herausforderungen diskutiert und mit ihnen Lösungsansätze gesucht.

Projektmanagement

Die Umstellung auf die VRV 2015 fällt zusätzlich zum laufenden Geschäft einer Gemeinde an. Dafür braucht es einen Projektplan und entsprechende Sachressourcen. In vielen Teilen der Organisation besteht derzeit noch nicht ausreichend Verständnis für die Notwendigkeit der Umstellung, zumal diese ja erst mit 2020 erfolgen wird. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass schon jetzt mit den Umstellungsarbeiten begonnen werden sollte und hier eine entsprechende Planung zugrunde gelegt werden muss.

Erfassung des Vermögens

Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen, dass jene Gemeinden, die bereits in den vergangenen Jahren auf eine möglichst vollständige Inventarisierung ihrer Investitionen gesetzt haben, einen entscheidenden Vorteil haben. Aufbauend auf den bisherigen erfassten und dokumentierten Gegenständen, dem Inventar, ist lediglich eine Prüfung der Vollständigkeit

und Richtigkeit vorzunehmen. Fehlt eine derartige Dokumentation oder ist diese nicht ausreichend verlässlich, bleibt der Gemeinde leider nichts Anderes übrig, als das bestehende Inventar im Einzelnen zu erfassen. Diese Maßnahme mag zwar sehr zeitintensiv sein, wird aber zumeist nicht von besonderen Schwierigkeiten begleitet.

Ebenso stellt die Erfassung von Gebäuden und Grundstücken eine durchwegs lösbare Aufgabe dar. Gerade der Bereich des Grundvermögens ist durch die Erfassung im Grundbuch sehr gut und vor allem lückenlos dokumentiert und kann damit aus verlässlichen Quellen abgeleitet oder mit diesen geprüft werden.

Ebenso können die einer Gemeinde zuordenbaren Straßen aus den zugrundeliegenden Systemen und Datenbeständen der Graphenintegrations-Plattform GIP bzw. des Grundbuchs (Grundstücke unterhalb des Straßenaufbaus) abgeleitet und exportiert werden. Probleme beim Start ergeben sich daraus, dass teilweise noch nicht alle GIP-Daten verfügbar sind.

Bewertung des Vermögens

Erst nach der Erfassung des Vermögens stellt sich die Frage der Bewertung und in diesem Zusammenhang haben sich bereits derzeit offenen Themen ergeben, die es wert sind, an dieser Stelle kurz dargestellt zu werden. Eine nicht zu unterschätzende Tatsache ist für jede Gemeinde dahingehend gegeben, dass ein zumeist recht hoher Anteil der Grundstücke und auch der Gebäude der Gemeinde nicht zur freien Verfügung oder Nutzung stehen. Einerseits handelt es sich um Gebäude, die von der Gemeinde selbst genutzt werden und daher keiner weiteren Verwertung zur Verfügung stehen. Andererseits stellt das Grundvermögen unter öffentlichen Verkehrsflächen ebenso ein nicht verwertbares Wirtschaftsgut dar. Letztlich kann der Grund unter dem Hauptplatz, sei er noch so schön gestaltet, keinem anderen Zweck zugeführt werden, als dem den er bereits hat. Es handelt sich zwar um möglicherweise recht wertvolles – da unter Umständen Baufläche – aber nicht weiter nutzbares Vermögen.

Nun ist wohl die Funktion des langfristigen Vermögens üblicherweise auch jene, eine Gegenposition zu langfristigen Schulden in der Vermögensrechnung darzustellen – es darf hier die „goldene Bilanzregel“ in Erinnerung gerufen werden, wonach langfristig nutzbares Vermögen tunlichst auch langfristig zu finanzieren ist. Wenn aber ein sehr hoher Anteil des Grund- und Gebäudevermögenswertes einer Gemeinde nicht verwertbar ist und diese Information im Rechnungsabschluss nicht ersichtlich ist, stellt sich berechtigterweise die Frage, ob hier richtige und vollständige Information für einen Leser der Vermögensrechnung vorliegt. Ein gesonderter Unterausweis „davon nicht verwertbar“ in der Vermögensrechnung schafft hier sicher Klarheit.

Ebenso stellt die Bewertung des Straßenaufbaus die Gemeinden vor tatsächlich hohe Herausforderungen. Die grundlegende Idee, Straßen nach ihrem Zustand auf Basis dokumentierter Anschaffungskosten oder plausibler Schätzmethoden mit ihrem „Restnutzungswert“ bzw. Wiederbeschaffungszeitwert in die Eröffnungsbilanz aufzunehmen, ist für sich genommen selbstverständlich zulässig und auch notwendig, um die Vollständigkeit des Vermögens zu erreichen. Fraglich bleibt jedoch, in welcher Detailliertheit die Ermittlung von historischen Anschaffungskosten erforderlich ist. Nicht nur die flächenmäßige Trennung des Gegenstandes „Straßenzug“ in die einzelnen Bestandteile Straße, Randstein, Gehweg, Fahrweg, Beleuchtung etc. ist mit erheblichem Aufwand verbunden, sondern auch die Erhebung unterschiedlicher Abnützungszustände und die Prüfung der zugrundeliegenden GIP-Daten auf Richtigkeit ist mit den bestehenden Ressourcen der Gemeinden nur sehr eingeschränkt möglich. In diesem Bereich sind zusätzlich auch die Brücken getrennt zu erfassen und bewerten. Auch die Ermittlung historischer Werte von in der Vergangenheit erteilten Bedarfszuweisungen und Investitionszuschüssen wird nicht ohne weitergehende Recherchen und Analysen möglich sein, da möglicherweise die Kosten des einzelnen Bauprojektes nicht in jener Qualität dokumentiert oder verbucht wurden, die nun für eine Erstbewertung der Straße erforderlich wäre. Gleichzeitig gibt es österreichweit sehr unterschiedliche Annahmen bezüglich der Frage, was ein Quadratmeter Straße kostet. Die Annahmen weichen bis zu 200 Prozent voneinander ab. Dadurch ist die Vergleichbarkeit der Daten nur sehr beschränkt möglich.

Es bleibt jedenfalls abzuwarten, ob es hier von Seiten des Bundes entsprechende klarstellende Ergänzungen oder Vorgaben geben wird oder ob die Länder einheitliche Vorgangsweisen und auch Erleichterungen in eigenen Verordnungen ermöglichen. Jedenfalls sollte die österreichweite Vergleichbarkeit des Ausweises und der Bewertung von Straßen und dem dazugehörigen Grundstück, der dazu erforderliche Ressourceneinsatz und die Notwendigkeit einer möglichst exakten Bewertung des einzelnen Straßenzuges gegeneinander abgewogen werden und eine möglichst effiziente Vorgangsweise gewählt werden.

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