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Ein zentraler Schritt: Vermögenserfassung und -bewertung Die optimale Vorgangsweise bei der Erfassung und Bewertung des Vermögens

EIN ZENTRALER SCHRITT Vermögenserfassung und -bewertung

Robert Blöschl (KDZ), Clemens Hödl (KDZ)

Mit der VRV 2015 ist künftig eine vollständige Vermögensrechnung darzustellen, die auf der Aktivseite das Vermögen und auf der Passivseite die Verpflichtungen und das Nettovermögen transparent macht. Die Vermögens- und Kapitalpositionen sind in den kommenden Monaten von allen österreichischen Gemeinden zu erfassen und zu bewerten.

Was ist zu berücksichtigen?

Die Aktivseite der Vermögensrechnung umfasst das Sachanlagevermögen, dort werden die Städte und Gemeinden in den meisten Fällen die höchsten Vermögenswerte ausweisen, weiters Finanzinstrumente wie Wertpapiere und Aktien, aber auch Beteiligungen an Unternehmen sowie Forderungen, Vorräte und liquide Mittel. Demgegenüber steht die Passivseite der Vermögensrechnung. Diese beinhaltet vor allem Fremdmittel, wie zum Beispiel Schulden und Rückstellungen und das Nettovermögen der Gemeinde. Werden Vermögenswerte nach dem Jahr 2020 angeschafft, werden diese direkt mit dem Anschaffungswert in die Vermögensrechnung übernommen. Für die Bewertung des bereits heute in den Gemeinden vorhandenen Vermögens gestaltet sich die Angelegenheit aufwendiger. Um die

Abbildung 1: Vorgehensweise – Zeitplan

Vermögensrechnung erstmals erstellen zu können, ist in einem ersten Schritt das bereits vorhandene Vermögen zu erfassen und im Anschluss zu bewerten. Wichtig bei der Erstbewertung ist, dass keine Vermögensillusionen entstehen. Solche könnten beispielsweise bei der Bewertung von Vermögensgegenständen der Daseinsvorsorge auftreten. Diese Vermögensgegenstände haben oft einen erheblichen fortgeschriebenen Anschaffungsoder Herstellungswert, können aber von der Gemeinde nicht veräußert werden, da sie für gewöhnlich in der Gemeinde weiterhin benötigt werden.

Vermögen erfassen – Was ist zu tun?

In einem ersten Schritt ist das Vermögen zu erfassen, was der Durchführung einer Inventur entspricht. Die Gemeinden müssen bei der Erfassung vor allem jene technischen Merkmale erheben, die für die Bewertung von Vermögensgegenständen benötigt werden. Eine wichtige Frage bei der Erfassung des Sachanlagevermögens ist jene nach dem wirtschaftlichen Eigentum. Dieses liegt unabhängig von einer zivilrechtlichen Eigentümerschaft vor, wenn die Gemeinde wirtschaftlich wie ein Eigentümer über eine Sache herrscht, indem sie diese insbesondere besitzt, gebraucht, die Verfügungsmacht über sie innehat und

Vermögen erfassen 2017/2018 Vermögen bewerten 2018

in den Voranschlag aufnehmen 2019 Eröffnungsbilanz erstellen 2020

Quelle: KDZ, 2017. das Risiko ihres Verlustes oder ihrer Zerstörung trägt. Ein wesentlicher Arbeitsschritt wird in diesem Zusammenhang die Erhebung von Kaufverträgen, Verzeichnissen und anderen internen Dokumenten sein. Aufschluss über angeschaffte Vermögensgegenstände können die Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre geben. Liegen der Gemeinde bereits Anlagen- oder Inventarverzeichnisse vor, so können diese herangezogen und ergänzt werden. Im Bereich der Grundstücke ist ein Abgleich mit den Grundbuchdaten ratsam. Für die Erfassung der Gemeindestraßen können die GIP-Daten bzw. GIS-Daten herangezogen und ergänzt werden. In der Abbildung 2 werden die zu erfassenden Merkmale der Vermögensgegenstände aufgelistet.

Vermögen bewerten

Für die Bewertung des Gemeindevermögens gilt es ausreichend Zeit einzuplanen, da in vielen Gemeinden ein lückenhaftes Vermögensverzeichnis vorliegt. Im Folgenden soll auf die Bewertung der wesentlichen Positionen der Vermögensrechnung eingegangen werden. Für weiterführende Praxisbeispiele und Spezialfälle hat das KDZ außerdem einen Leitfaden zur Vermögensbewertung erstellt, welcher unter www.praxisplaner.at zur Verfügung steht. Dieser kann als Ergänzung zu den bestehenden Bewertungsleitfäden einiger Bundesländer gesehen werden.

Wie werden Sachanlagen bewertet?

Auf die lückenlose Erfassung und Inventarisierung der Sachanlagen folgt die Bewertung des erfassten Vermögens 1 . Die

1 Eine Ausnahme stellen Kulturgüter dar. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Bewertung von Kulturgütern unterlassen werden.

Gemeinde sollte bei diesem Umsetzungsschritt zuerst prüfen, inwieweit Daten aus bestehenden Vermögensverzeichnissen übernommen werden können. Diese können – wenn sie nach bestem Wissen ermittelt wurden – als Ausgangsbasis herangezogen werden. Für jene Vermögensgegenstände, welche nicht Teil eines Vermögensverzeichnisses waren, sind zuerst die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu erheben. Hier sollte im Sinne einer verwaltungsökonomischen Vorgehensweise gehandelt werden. Wenn historische Werte nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln sind, sollten nach Möglichkeit alternative Bewertungsverfahren herangezogen werden. Sachanlagen sind grundsätzlich zu fortgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten (= Buchwert) zu bewerten. Die fortgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten errechnen sich aus den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich der bisherigen Abschreibungen. Abweichend von diesen Bestimmungen unterliegen Grundstücke keiner regelmäßigen Abschreibung. Überhaupt gelten für Grundstücke, Gebäude und Grundstückseinrichtungen (insb. Straßenbauten) im Rahmen der Erstellung der Eröffnungsbilanz Ausnahmebestimmungen. Es kann auf alternative Bewertungsverfahren (Zeitwert, Durchschnittpreise, Schätzungen, Gutachten usw.) zurückgegriffen werden.

Besonderes Augenmerk sollte auf die Bewertung der Gemeindestraßen gelegt werden. Nachdem im Rahmen der Erfassung ein vollständiges Straßenverzeichnis erstellt wurde, müssen die unterschiedlichen, identifizierten Straßentypen bewertet werden. Dabei wird die Straßenfläche mit dem typisierten Preis pro Quadratmeter multipliziert. Anhand des Zustands des Straßenabschnitts ist gegebenenfalls ein Abschlag zu berücksichtigen und so der fortgeschriebene Anschaffungs- bzw. Herstellungswert zu ermitteln. Im Zuge der Umstellung ist zu überlegen, welche Nutzungsdauern den Vermögensgegenständen zugrunde gelegt werden. Mit der Anlage 7 der VRV 2015 werden für viele Vermögenswerte Nutzungsdauern vorgegeben. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch von den vorgegebenen Nutzungsdauern abgewichen werden.

Beteiligungen und Finanzinstrumente

Die Darstellung von Beteiligungen und Wertpapieren im Rechnungsabschluss ist für Gemeinden keine Neuerung. Auch bisher war es verpflichtend, Beteiligungen und Wertpapiere in einem eigenen Nachweis zu führen. Neu ist für Gemeinden die Bewertung dieser Vermögensgegenstände. Neben der Rechtsform der Tochtergesellschaft, der rechtlichen Stellung der Gemeinde (z. B. unbeschränkt haftende Gesellschafterin) und dem Anteil der Gemeinde an der Beteiligung muss auch das Eigenkapital der Beteiligung vorliegen. Im Bereich der Finanzinstrumente wird zwischen zwei Kategorien unterschieden: bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinstrumente und zur Veräußerung verfügbare Finanzinstrumente. Jedes im Besitz der Gemeinde befindliche Finanzinstrument muss einer der beiden Kategorien zugewiesen werden. Je nach Zuordnung erfolgt die Bewertung nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. »

Abbildung 2: Erfassung Vermögensgegenstände

Vermögensgegenstände Zu erfassende Merkmale Quelle

Grundstücke Grundstücke der Liegenschaft, Grundstücksfläche, Benützungsart, Eigentumsverhältnisse, Rechte und Lasten der Liegenschaft Grundstückskataster

Gebäude Nutzfläche, Errichtungsjahr, Sanierungsjahr RA 2001 – 2016/17 Gebäudeverzeichnis Straßen und Einrichtungen Straßenlänge, -breite, Errichtungsjahr, Straßenzustand

Wasserversorgungsanlagen Länge, Durchmesser der Leitungen, Pumpstationen, Volumen Hochbehälter … GIS-Daten

Bestehendes Anlagenverzeichnis

Abwasserentsorgungsanlagen Länge, Durchmesser der Kanäle, Pumpstationen … Bestehendes AV Kulturgüter Art und Anzahl der Güter Betriebs- und Geschäftsausstattung Mit der Erfassung aus den RA seit 2001 ist noch vorhandene B&G erfasst Rechnungsabschlüsse 2001 – 2016/17

Beteiligungen Anteil am Unternehmen, Eigenkapital Jahresabschlüsse der Beteiligungen Vorräte Werte der Vorräte zum 31.12. Vorratsinventur Aktive Rechnungsabgrenzungen Eigene Vorauszahlungen Buchhaltung Investitionszuschüsse Erhaltene Zuschüsse aus fremden Mitteln RA 2001 – 2016/17 Rückstellung – Abfertigungen Anzahl MA, Gehalt, Eintritt, voraussichtlicher Austritt, Fluktuationsrate, … Personalverwaltung

Rückstellung – offene Urlaube Anzahl offener Urlaubstage plus Aufwand pro Tag Urlaubsverwaltung Rückstellung – Jubiläumsgelder Anzahl MA, Gehalt, Eintritt, Jubiläumszeitpunkt … Personalverwaltung Passive Rechnungsabgrenzungen Fremde Vorauszahlungen Buchhaltung

Quelle: KDZ, 2017.

Forderungen

Forderungen sind in kurzfristige und langfristige Forderungen einzuteilen. Während kurzfristige Forderungen (z. B. Forderungen aus vorgeschriebenen Abgaben) und langfristige verzinste Forderungen (z. B. Darlehen an Beteiligungen) zum Nominalwert zu bewerten sind, sind langfristige unverzinste Forderungen, die den Wert von 10.000 Euro übersteigen, mit dem Barwert anzusetzen.

Zweifelhafte Forderungen sind mittels Einzelwertberichtigungen zu kürzen, uneinbringliche Forderungen (z. B. bei bereits festgelegter Quote im Rahmen eines Ausgleichs- oder Konkursverfahrens, Abschluss eines Vergleichs oder Tod eines/ einer Steuerpflichtigen) sind auszubuchen. Die Verordnung lässt auch die gruppenweise Einzelwertberichtigung (pauschale Einzelwertberichtigung) von Forderungen zu 2 , wenn sie sachgerecht ist. Dafür müssen die Forderungen in Risikogruppen eingeteilt

2 Wenn Ausfälle häufig, regelmäßig und über einen längeren Zeitraum vorkommen, ist die pauschale Wertberichtigung sogar verpflichtend. werden. Risikogruppen spiegeln besondere Gefährdungsfälle wider und weisen dadurch ein höheres Ausfallsrisiko auf.

Vorräte

Vorratspositionen 3 , welche den Wert von 5.000 Euro zum Stichtag übersteigen, sind in der Eröffnungsbilanz darzustellen. In der Praxis wird es sinnvoll sein, wertmäßig relevante Vorratspositionen zu identifizieren (und zu aktivieren) und entsprechend dem tatsächlichen Verbrauch zu reduzieren bzw. zu erhöhen. Am Ende des Finanzjahres hat ein Vergleich der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten mit den Wiederbeschaffungskosten zu erfolgen. Der niedrigere der beiden Werte ist in die Vermögensrechnung aufzunehmen. Gängige Bewertungsverfahren wie das Durchschnittspreisverfahren oder das FIFO-Verfahren (First In–First Out)

3 Die VRV 2015 bzw. die Erläuterungen zur VRV 2015 definieren den Begriff „Vorratsposition“ nicht. Aus Sicht des KDZ sollte eine Vorratsposition eine Grup pe gleichartiger Vorräte (in Art und Funktion) umfassen. Aus Gründen der Praxistauglichkeit kann aus Sicht des KDZ die Wertgrenze von 5.000 Euro auf Ebe ne des Ansatzes – und nicht auf Ebene des Gesamthaushalts – angesetzt werden. sind unter Berücksichtigung des strengen Niederstwertprinzips anwendbar.

Rechnungsabgrenzungen

Erträge und Aufwendungen sind in jenem Finanzjahr zu veranschlagen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Dies bedeutet, dass insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie z. B. Mietverträgen eine zeitliche Abgrenzung vorzunehmen ist. Die zeitliche Abgrenzung erfolgt über Rechnungsabgrenzungsposten, welche bei eigenen Vorauszahlungen aktivseitig und bei fremden Vorauszahlungen passivseitig Niederschlag finden. Seitens der Gemeinde ist daher zu prüfen, welche Dauerschuldverhältnisse (Miete, Pacht, Versicherungen, Telekommunikation usw.) eingegangen wurden und in welchen Bereichen Zahlungen vor Leistungserbringung getätigt bzw. vereinnahmt werden.

Die KDZ-Vermögensbewerter Sachanlagen, Finanzanlagen, Personalrückstellungen und Forderungen (auf Excel-Basis) stehen allen Städten und Gemeinden kostenlos zur Verfügung.

www.praxisplaner.at

Abbildung 3: Zusammenfassung Vermögensbewertung

Vermögensgegenstände Bewertung Quelle

Grundstücke Anschaffungskosten- und Herstellungskosten oder alternativ für die Eröffnungsbilanz: Gutachten, interne plausible Wertfeststellung oder Schätzwertverfahren Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre, KDZ-Vermögensbewerter „Sachanlagen“

Gebäude und Grundstückseinrichtungen Fortgeschriebene Anschaffungs- und Herstellungskosten oder alternativ für die Eröffnungsbilanz: Gutachten, interne plausible Wertfeststellung, sonstige Nachweise oder bei Gebäuden Durchschnittspreise vergleichbarer Gebäude Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre, KDZ-Vermögensbewerter „Sachanlagen“

Sonstige Sachanlagen Fortgeschriebene Anschaffungs- und Herstellungskosten Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre, KDZ-Vermögensbewerter „Sachanlagen“

Beteiligungen und Finanzinstrumente Anteiliges Eigenkapital der Beteiligung Jahresabschluss der Beteiligung, KDZ-Vermögensbewerter „Finanzanlagen“

Finanzinstrumente Zeitwert oder Anschaffungskosten inkl. anteiligem Agio oder Disagio Forderungen Nominalwert oder Barwert bei langfristigen unverzinsten Forderungen über 10.000 €

Vorräte Strenges Niederstwertprinzip, Bewertungsvereinfachungsverfahren sind zulässig Rechnungsabgrenzungen Aktivierung bzw. Passivierung der eigenen bzw. fremden Vorauszahlungen Bewertung des Kreditinstituts, KDZ-Vermögensbewerter „Finanzanlagen“ Rechnungsabschluss, bestehende Verträge, KDZ-Vermögensbewerter „Forderungen“ Lagerbuchführung, sonstige interne Aufzeichnungen Bestehende Dauerschuldverhältnisse, sonstige relevante Leistungsverträge

Quelle: KDZ, 2017.

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