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Ziele und Funktionen von Rückstellungen Wozu braucht die VRV Rückstellungen, was ist das und wie ermittle ich diese?

Ziele und Funktionen von Rückstellungen

Michael Dessulemoustier-Bovekercke (MSCT)

Im Allgemeinen verfolgt die Bildung von Rückstellungen zwei wesentliche Ziele: • die periodengerechte Verteilung bzw.

Darstellung des Aufwandes und • die korrekte (insbesondere vollständige) Darstellung der Passiva Für die periodengerechte Darstellung des Aufwandes ist die Aufgabe von Rückstellungen so zu verstehen, dass zwar

ein in der Periode verursachter Aufwand eingetreten ist, aber gleichzeitig noch keine Verbindlichkeit entstanden ist. Diese Verbindlichkeit entsteht dann erst in der folgenden Rechnungsperiode, wobei sich aber die der Verbindlichkeit zugrundeliegenden Kosten auch auf die vergangene Periode beziehen. Die Bildung von Rückstellungen, deren zweckmäßige Verwendung und Auflösung sind unbare Vor-

gänge und haben somit niemals eine Auswirkung auf die Finanzierungsrechnung.

Die in Österreich angewendeten Rechnungslegungssysteme verlangen, dass ein Aufwand oder eine Verpflichtung in jener Periode dargestellt wird, in der diese jeweils wirtschaftlich begründet wurde. Rückstellungen sind nach § 28 Abs 1 VRV 2015 für Verpflichtungen einer Gebietskörperschaft anzusetzen, wenn

1. die Verpflichtung bereits vor dem Stichtag der Abschlussrechnung besteht und 2. das Verpflichtungsereignis bereits vor dem Stichtag der Abschlussrechnung eingetreten ist und 3. die Erfüllung der Verpflichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu

Mittelverwendungen der Gebietskörperschaft führen wird und 4. die Höhe der Verpflichtung verlässlich ermittelbar ist.

Diese allgemeine Umschreibung, welche die Bildung einer Rückstellung zum Inhalt hat, entspricht jenen der IFRS.

Vergleich IFRS – VRV

Gemäß IAS 37.14 ist eine Rückstellung dann anzusetzen, wenn

1. einem Unternehmen aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwärtige Verpflichtung entstanden ist; und 2. der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung wahrscheinlich ist; und 3. eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.

Allerdings schränkt die VRV 2015 – zumindest auf den ersten Blick – durch die Verde wendung des Begriffes „Verpflichtungsw ereignis“ den Begriff der Rückstellung er mehr ein, da die internationalen Rechm nungslegungsvorschriften ganz allgemein nu auf ein Ereignis in der Vergangenheit au abstellen und spezifizieren, dass die Verab pflichtung rechtlich oder sogar faktisch pfl entstanden sein kann. en

Ereignis in der VergangenheitEr

Ein Ereignis der Vergangenheit, das zu eiEi ner Verpflichtung führt, wird als verpflichne tendes Ereignis bezeichnet. Verpflichtend te ist ein Ereignis dann, wenn die Gemeinde ist keine realistische Alternative zur Erfüllung ke der entstandenen Verpflichtung hat. Die de Verpflichtung kann sowohl eine rechtlich Ve durchsetzbare als auch eine faktische Verdu pflichtungen sein und muss bereits zum pfl Stichtag bestanden haben. Werterhellende St Umstände nach dem Stichtag sind in der Um Berechnung der Rückstellung ebenso zu Be berücksichtigen wie bei der Entscheidung, be ob eine Rückstellungsverpflichtung überob haupt besteht. Wertbegründende Umstänha de, die erst nach dem Stichtag eingetreten de sind, sind jedoch weder bei der Beurteilung sin der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit von de Rückstellungen noch bei der Bewertung Rü bereits angesetzter Rückstellungen zu bebe rücksichtigen. rü

Abfluss von Ressourcen und A Eintrittswahrscheinlichkeit Ei

Die in der Rückstellung eingestellten Di Beträge müssen in der Zukunft zu einer Be Reduktion der Aktiva (daher im Wesentlichen zu einem Zahlungsfluss) führen. Dieser Mittelabfluss muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, somit zumindest 51prozentigen Wahrscheinlichkeit, angenommen werden. Die VRV 2015 verlangt diesbezüglich eine verlässliche Ermittlung, die auch durch Einschätzungen auf Basis von Erfahrungswerten oder durch externe Experten erfolgen kann.

Verpflichtung gegenüber Dritten

Eine der Voraussetzungen, die den Ansatz von Rückstellungen erforderlich machen, ist auch das Vorliegen einer Verpflichtung. Diese Verpflichtung muss gegenüber einem externen Dritten bestehen. Reine „Innenverpflichtungen“ können daher nicht zum Ansatz einer Rückstellung führen.

Ein Beispiel für eine derartige Innenverpflichtung sind die nach unternehmensrechtlichen Vorschriften ansetzbaren Aufwandsrückstellungen, wie etwa notwendig gewordene, aber unterlassene Instandhaltungen. Derartige Rückstellungen dürfen nach der VRV nicht bilanziert werden. Es mangelt an der Verpflichtung einem Dritten gegenüber.

Zu den langfristigen Rückstellungen zählen nach § 28 Abs 4 VRV 2015 jedenfalls die folgenden (verkürzt – siehe Abbildung 1).

Rückstellungen für Haftungen

Rückstellungen für Haftungen sind dann anzusetzen, wenn eine Inanspruchnahme zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. Im Falle von Haftungen ist aber nicht das Abgeben einer Haftungszusage mit dem Entstehen einer Verpflichtung gleich- »

Abbildung 1: langfristige Rückstellungen

• Rückstellungen für Abfertigungen • Rückstellungen für Jubiläumsgelder • Rückstellungen für Haftungen (§ 30 VRV 2015) • Rückstellungen für die Sanierung von Altlasten • Rückstellungen für Pensionen (Wahlrecht; § 31 VRV 2015)

zusetzen. Erst, wenn der Haftungsfall einzutreten droht, weil der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ist eine Einschätzung zu treffen, ob eine Verpflichtung aus der Haftung bereits entstanden ist oder zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehen wird. Es wird somit die Eintrittswahrscheinlichkeit des Haftungsfalles beschrieben.

Rückstellungen für Pensionen

Für den Ausweis von Pensionsleistungen in der Vermögensrechnung besteht ein Ausweiswahlrecht, wobei nicht geregelt wird, ob die Ausübung des Wahlrechtes einmalig bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz gezogen werden kann oder ob es in späteren Jahren anders ausgeübt werden kann. Grundsätzlich sollte jedoch so vorgegangen werden, dass eine einmal erfolgte Aufnahme in die Vermögensrechnung jedenfalls bedeutet, dass die Pensionsansprüche (aktuelle und zukünftige) stets in der Vermögensrechnung enthalten bleiben müssen.

Beamtenpensionen sind sofort bei Anspruchserwerb in voller Höhe in die Rückstellung aufzunehmen. Sie verändern sich um eine Zinskomponente und um Gehaltssteigerungen. Betriebspensionen hingegen wachsen durch die erbrachte Arbeitsleistung kontinuierlich an. Wirtschaftlich sind sie Teil des Arbeitsentgeltes, das jedoch erst in späteren Jahren ausbezahlt wird. Für die korrekte Ermittlung von Pensionsrückstellungen sind die Dienste eines Versicherungsmathematikers in Anspruch zu nehmen, da auf Basis biometrischer Grundlagen und unter Anwendung aktuarischer Rechenmodelle ein Rückstellungswert bzw. eine Dotierung aufgrund von Ansparungen (Verdienst) und aufgrund von Verzinsungen ermittelt wird.

In der Anlage 6t sind die voraussichtlichen Pensionsaufwendungen und die voraussichtliche Anzahl der Pensionsempfänger der nächsten 30 Jahre getrennt nach der Gebietskörperschaft zuzurechnendem Personal und nach Personal von Betrieben iSd § 1 Abs 2 VRV 2015 anzugeben.

Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen und Jubiläumsgeldzahlungen

Die Abfertigungsansprüche nach dem „alten System“ gelten grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.2003 eingetreten sind. Hat das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung. Das Ausmaß der Abfertigung ist nach der Dienstdauer gestaffelt und beträgt zwischen 2 und 12 Monatsentgelten. Gesetzliche Gehaltsschemata für Beschäftigte im öffentlichen Bereich sehen zumeist vor, dass Dienstnehmer Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes haben, wenn sie eine gewisse Zeit bei der Gebietskörperschaft beschäftigt waren. In der Regel muss der Dienstgeber ein Monatsgehalt oder ein Vielfaches eines Monatsgehaltes zahlen, wenn der Dienstnehmer 25 oder 40 Jahre in der Gemeinde beschäftigt ist. Diese beiden Rückstellungen sind unter Anwendung der in den internationalen Rechnungslegungsvorschriften vorgesehenen Berechnungsmethoden zu ermitteln. Es handelt sich dabei ausschließlich um versicherungsmathematische Berechnungsmethoden, welche die Inanspruchnahme der Dienste eines Versicherungsmathematikers erforderlich machen. Finanzmathematische Berechnungen sind in den IFRS nicht vorgesehen. Im österreichischen UGB sind seit der letzten Gesetzesnovelle ebenfalls versicherungsmathematische Berechnungen vorgesehen. Allerdings haben Vergleichsrechnungen gezeigt, dass sich bei Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen vernachlässigbare Unterschiede ergeben, weshalb das AFRAC in seiner Stellungnahme Nummer 27 die Ansicht vertritt, dass weiterhin eine finanzmathematische Berechnung der Rückstellungsbeträge für Jahresabschlüsse nach dem UGB erfolgen kann. Allerdings muss nun auch der Gehaltstrend bei der Ermittlung berücksichtigt werden. Sofern sich diese Ansicht auch im Zusammenhang mit der Bilanzierung gemäß VRV 2015 durchsetzt, spricht nichts gegen eine rein finanzmathematische Berechnung von Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen.

Kurzfristige Rückstellungen

Kurzfristige Rückstellungen sind in § 28 Abs 3 VRV 2015 demonstrativ aufgezählt. Es handelt sich um Vorsorgen für • Prozesskosten • ausstehende Rechnungen • nicht konsumierte Urlaube

Nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung der VRV ist mit einer Erweiterung der demonstrativen Aufzählung um die „sonstigen Rückstellungen“ zu rechnen. Neben den Prozesskosten sind auch die

Rückstellungen für ausstehende Eingangs

rechnungen, sofern deren Wert jeweils EUR 5.000,– übersteigt, darzustellen. Unter diesem Posten sind daher alle jene Kosten auszuweisen, die eindeutig dem jeweiligen Geschäftsjahr zuzuordnen sind, jedoch erst nach dem Abschlussstichtag vom Lieferanten verrechnet werden.

Die Rückstellung für nicht konsumierten Urlaub zeigt den Rückstand an zu gewährender, bezahlter Freizeit für MitarbeiterInnen der Gemeinden, die bis zum Stichtag des Rechnungsabschlusses nicht verbraucht werden konnten. Bei der Ermittlung der Rückstellung wird die Menge an offene Urlaubstagen mit den Kosten je Urlaubstag bewertet. Für die Kosten pro Urlaubstag ist die Höhe der Entgeltfortzahlung für einen Mitarbeiter pro Urlaubstag zu ermitteln. Die Rückstellung zeigt somit die Menge an verpflichtend zur Verfügung zu stellender Freizeit, bewertet mit den Arbeitskosten des Mitarbeiters.

Zusammenfassend muss daher festgestellt werden, dass für eine möglichst korrekte Darstellung des Gemeindehaushalts nach den Bestimmungen der VRV 2015 die Ermittlung und Bildung von Rückstellungen unumgänglich ist. Die Gemeinden werden daher entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die relevanten Grunddaten zu erheben und damit die Berechnung von Rückstellungen vornehmen zu können. Ergebnis dieser Arbeit ist jedenfalls eine betragliche Darstellung aller zukünftiger Zahlungserfordernisse bzw. eine vollständige und korrekte Darstellung des in einem Geschäftsjahr angefallenen Aufwands, unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung.

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