KingKalli Oktober/November 2021

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Theater-Spezial

Eigenproduktionen

Theater Aachen

Olaf Heros, Stadtschreiber vom Kirschtal Illustrationen: Andreas Becker

Die Brüder Löwenherz – Neues aus dem Kirschtal Katla. So heißt der Drache, das große Ungeheuer, dem Jonathan und Krümel am Ende des Kampfes gegenüberstehen. Wenn „Die Brüder Löwenherz“ ein Computergame wäre, wäre Katla jetzt der Bossgegner. Nahezu unbezwingbar. Stopp mal, hieß so nicht auch der feuerspeiende Drache in „Der Hobbit“? Nein, der hieß Smaug. Ich meine Kankra, die Riesenspinne, die Frodo schnappte und ihn sich zum handlichen Snack für danach zurechtwickelte … egal! Als Astrid Lindgren 1937 mit Katla ihre Version eines grausamen Drachen veröffentlichte, war nicht etwa die Tatsache, dass eine giftspeiende Bestie reihenweise dem mitfiebernden Leser ans Herz gewachsene, Lieblingsfiguren dahinmeuchelte, der große Aufreger. Vielmehr schlugen die Wellen der Empörung darüber hoch, dass die Autorin zwei Kindern, den Brüdern Karl und Jonathan Löwe, einen literarischen Frühtod im tristen Stockholm zudachte. Dabei war dieser – Triumph der Fantasie! –

noch nicht mal von Dauer, denn die beiden Jungs siedeln nach ihrem Ableben lediglich ins wesentlich malerischere Kirschtal im Zungenbrecherland Nangijala über – wo Lindgren erst mal alle landen lässt, die in ihrer Erzählung dichterisch das Zeitliche segnen. Dass viele Erwachsene, die damals wie heute ob der möglichen Gefahren fürs kindliche Gemüt sorgenvoll ihr Haupt wiegen, keine Probleme damit zu haben scheinen, ihre Kleinen mit Geschichten über brennende Hexen und vergiftete Äpfel in den Schlaf zu schicken … nun ja. Lindgren wurde vorgeworfen, sie verharmlose den Tod. Das tut sie keineswegs, eigentlich feiert sie vor allem das Leben! Aber Jonathan und Krümel akzeptieren die Gefahren, in die sie sich begeben, da ihnen die Notwendigkeit, gegen grausame Despotie und für Freiheit und Mitmenschlichkeit zu kämpfen, dringender erscheint als die Alternative, sich früher oder später unterjochen zu lassen. Und es ist nicht so, dass sie sich völlig furchtlos in den Kampf stürzen, ganz im Gegenteil: Angst haben sie beide, oft, auch gestehen sie sich diese einander ein – was ihnen ermöglicht, sich am Ende gemeinsam dem Unausweichlichen zu stellen. Da gibt es unglücklichere Wege für den letzten Gang. Doch zuvorderst sind „Die Brüder Löwenherz“ bester Abenteuerstoff: Zwei sich unverbrüchlich liebende Brüder kommen im diesseitigen Stockholm viel zu früh ums Leben; der 13-jährige Jonathan und kurze Zeit später der neunjährige Karl, genannt Krümel. Doch sie sehen sich wieder, in der wunderschönen Welt Nangijala, im Kirschtal. Da, wo die Wiesen noch grün, die Bäche noch klar und deren Fische noch zahlreich sind. Und als Bonus wartet auf jeden der beiden Jungen ein eigenes Pferd; auch Freunde sind schnell gefunden. Und dennoch wird bald klar, dass auch Nangijala keine Wohlfühl-Oase ist: Der brutale Tyrann Tengil hat mit Hilfe des Drachen Katla (s. o.) das benachbarte Heckenrosental (im Übrigen auch sehr schön!) okkupiert und droht nun, seine Herrschaft über alles und jeden auszudehnen. Es bleibt nur die Wahl, klein beizugeben oder sich zu wehren. Und Krümel und Jonathan werden nicht umsonst die „Brüder Löwenherz“ genannt! Große Stoffe verlangen nach einer großen Bühne. Denn wie sonst soll Lindgrens überbordender Fantasie Rechnung getragen werden – immerhin müssen ein Krankenzimmer,

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zwei Ortschaften in zwei Tälern, Wirtshaus und Reiterhof, Stadttor und Marktplatz, Drachenhöhle und Wasserfall und noch viel mehr dort Platz haben. Und allein Katla ist ja schon so groß wie … na ja, ein Drache halt, der passt in keine Kammer! Außerdem hätten wohl die Tauben was dagegen, die sind eh schon nervös wegen der ganzen hungrigen Wölfe, die dort herumlungern und immer mal wieder gierige Seitenblicke auf die Pferde werfen. Dieses Stück ist ein einziger Zoo! Einmal musste ein Tierarzt vorbeikommen, weil Katla unter Schuppenflechte litt. Zum Dank hat sie ihn dann aufgefressen, was wir natürlich vertuschen mussten, weil es vor ein paar Jahren schon einmal Ärger wegen einer verschwundenen Veterinärin gab, als wir das „Dschungelbuch“ spielten und Kaa auf einmal nicht mehr in ihre Haut passte, und ich hatte damals schon den Verdacht, dass … aber ich schweife ab. Auf jeden Fall wird da noch einiges auf uns zukommen, wenn wir erst mal angefangen haben, ich halte Sie auf dem Laufenden. Oh, da höre ich das Trompeten des Katla-Horns, gleich ist die Fütterung, da muss ich hin. Ich hab gehört, heute kriegt sie einen Dramaturgen, an dem ist endlich auch mal was dran!


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