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Neue Kraft für schwache Herzen
Faustgroß und rund 300 Gramm schwer ist das gesunde Herz eines erwachsenen Menschen, 60 bis 100 Mal schlägt es in der Minute. Das Herz des 74-jährigen Patienten, den die Spezialisten der Herzchirurgie am Herz-Gefäß-Zentrum des Klinikums Nürnberg an diesem Tag operieren, sieht ganz anders aus: Es ist stark vergrößert, zwei der vier Klappen des Herzens sind undicht und schließen nicht mehr. Der 74-Jährige leidet unter Atemnot und Begleiterkrankungen. Ohne eine Rekonstruktion der beiden insuffizienten Klappen, weiß der Patient, wird er früher oder später einen Herzstillstand oder einen Schlaganfall erleiden. Also wagt er den Eingriff, den das Team von Prof. Dr. med. Theodor Fischlein, Chef der Herzchirurgie am Klinikum Nürnberg, in einer mehrstündigen Operation am offenen Herzen erfolgreich durchführt. (ik)
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5,47 Liter Blut lässt die Herz-Lunge-Maschine in der Minute zirkulieren, der Blick des Kardiotechnikers ruht über Stunden auf der Maschine, die es ermöglicht, das Herz des Patienten in den Ruhestand zu versetzen. Konzentriert blickt der leitende Kardio-Anästhesist Oberarzt Dr. med. Martin Hinzmann abwechselnd auf den Überwachungsmonitor mit den Vitalfunktionen hinter dem OP-Tisch und auf das Echogerät gegenüber, das über eine Sonde während der gesamten Operation ein 3D-Echo des Herzens anzeigt und so dem erfahrenen Chirurgenteam unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. med. Theodor Fischlein detailliert Informationen zur Funktion des Herzens während der OP liefert.
Weil die Herzerkrankung bei dem 74-jährigen Nürnberger schon sehr weit fortgeschritten ist und er davon bereits deutlich körperlich gezeichnet ist, hat sich das Team nach intensiver Beratung für einen Eingriff am offenen Herzen entschieden. „Wir wägen immer ab. In diesem Fall haben wir so mehr Sicherheit und sehen Problemstellen, die wir vielleicht am Bildschirm so nicht erkennen“, sagt Prof. Dr. med. Theodor Fischlein. Tausende Eingriffe hat der 62-jährige Herzexperte, der seit über 14 Jahren am Herz-Gefäß-Zentrum des Klinikum Nürnberg tätig ist, schon durchgeführt. Dieser ist einer der Komplizierteren und er ist nicht ohne Risiko: Gemeinsam mit dem Patienten hat Fischlein dieses gegen die Chancen eines Weiterlebens ohne Eingriff abgewogen. Die Entscheidung fiel eindeutig.
Als das Chirurgenteam den Brustkorb des Mannes öffnet, zeigt sich, dass sie nicht nur richtig war, sondern überfällig: Die über Jahre hinweg fortgeschrittene Herzschwäche hat an dem zentralen Lebensorgan des 74-Jährigen bereits deutliche Spuren hinterlassen: Die beiden Vorhöfe seines Herzens sind stark vergrößert und flimmern. Die Mitralklappe, das Einlassventil der linken Herzkammer, ist undicht, so dass sich das Blut in den linken Vorhof zurückstaut. Auch die Trikusspidalklappe, das Einlassventil der rechten Herzkammer, ist stark geweitet. „Dieses Herz arbeitet seit Jahren nicht mehr ökonomisch“, resümiert Prof. Dr. med. Theodor Fischlein. „Der Patient ist eigentlich viel zu spät hier“.
Bevor der erfahrene Herzchirurg mit je einem Ring die Mitralklappe, dann die Trikusspidalklappe verstärkt, so dass sie wieder schließen, und die Sehnenfäden der Segel wieder unter Spannung setzt, verschließt er noch das linke Vorhofohr. „Es birgt die große Gefahr, dass sich aufgrund des Flimmerns darin Thromben bilden, die zu einer Embolie führen und einen Schlaganfall auslösen können“, erklärt Fischlein.
Während der gesamten Operation wird das Blut des Patienten, das durch die Herz-Lungen-Maschine läuft, analysiert, um einen genauen Überblick über die Entwicklung des Sauerstoffgehaltes sowie der Elektrolyte und Lactate zu bekommen. „Sie müssen während des komplexen Eingriffs im Gleichgewicht bleiben, damit kein Organ geschädigt wird“, erklärt der leitende Kardio-Anästhesist Oberarzt Dr. med. Martin Hinzmann.
Es ist eine Arbeit gegen die Zeit, die das neunköpfige OP-Team an diesem Tag leistet, denn je länger ein Patient an die Herz-Lunge-Maschine angeschlossen sein muss, desto größer ist die Gefahr, dass sein ohnehin schon geschwächtes Herz geschädigt wird oder nicht mehr gut arbeitet.
Auch deshalb herrscht während der komplizierten Operation Hochkonzentration im Raum. Jeder Handgriff des Operations-Teams sitzt, während Herzchirurg Fischlein mit vielen dutzend Stichen und Fäden tief im Brustkorb des 74-Jährigen Millimeter für Millimeter die Sehnenfäden ersetzt und die Segel der Klappen rekonstruiert.
Werden die Herzklappen wieder dicht sein? Wird das Herz des Patienten wieder von allein zu schlagen beginnen? Bis zuletzt ist die Frage offen. Angespannte Blicke auf den Monitor des Echogerätes, als Prof. Dr. med. Fischlein die Aortenklemme öffnet, die Herz-Lungen-Maschine immer langsamer pumpt und das Herz des Patienten aus dem Ruhezustand geholt wird.
Dann auf einmal Bewegung: Langsam, dann immer schneller, fängt das Herz des 74-Jährigen wieder an zu schlagen. Es hat geklappt, die komplizierte Rekonstruktion der beiden Klappen war erfolgreich, das Organ ist stabil, auch wenn es noch einige elektrische Impulse braucht, um in den Takt zu kommen und der Brustkorb wieder verschlossen werden kann.
Nach der Operation wird der 74-Jährige auf der Intensivstation von Experten überwacht, dann die gute Nachricht: Er ist über den Berg und kann auf die Normalstation verlegt werden. Nach der Entlassung wird er eine mehrwöchige Reha antreten. Dank der hervorragenden Arbeit der Herzchirurgen am Klinikum Nürnberg hat er gute Chancen, noch einige Jahre mit neuer Herzkraft zu leben.
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