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Die Ziach oder Quetschn

Jeder weiß, was gemeint ist – die steirische Knopferlharmonika. Eine „Stimmungskanone“

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Die Ziach oder Quetschn

Sie passt in ein kleines Kofferl und ihr unverwechselbarer Klang bringt Millionen Menschen rund um den Globus zum Tanzen, Mitsingen, Lachen, aber auch zum Weinen, weil ihre Melodien herzberührend klingen. Sie allein genügt, um Tausende in Stimmung zu bringen.

„Es war irgendwo im Hafen von Sydney“, schildert Stefan Maier ein Erlebnis. „Ich bin gejoggt und ein Straßenmusiker spielt so recht und schlecht auf seiner Harmonika, deren Klang die Touristen, die von den Kreuzfahrtschiffen kommen, in Scharen zu ihm hinlockt. Sie lachen, kichern und klatschen begeistert

Foto: adlmann promotion / Christoph Hatheuer Foto: Quetschn Academy Jungstar Melissa Naschenweng

Heute kultig und cool

hob’ a Kernnatur“, grölt ausgelassen eine Gruppe von Gästen in einem Gasthaus irgendwo in Österreich und schunkelt dabei – aufgeheizt von einem unverwechselbaren „Einmann-Orchester“.

Eine riesige Bühne. Dort allein im Scheinwerferlicht stehend der Megastar der deutschsprachigen Schlagermusik – Andreas Gabalier. Er, kein Meister auf der Quetschn, die er umgehängt hat und wie einen Blasebalg vor sich auf- und zuzieht. Der „Steirerbua“ versetzt seine tausenden Fans in Euphorie, sie singen und klatschen mit. „Ich war von der ersten Stunde

Foto: Quetshn Academy Thomas Holzer (li.) und Stefan Kern von der „Quetschn Academy“: Lernen ohne Noten, auf Gehör. Knöpferlharmonika. „Und genauso gern heute wie als Kind.“ Nach der Musikschule ging’s ins Musik-Gymnasium und dann ins Landeskonservatorium. Und was macht die Faszination am Anfang aus? „Du brauchst nur drauf drücken auf die Knöpfe und schon klingt ein schöner Dreiklang, ein Akkord. Und es klingt gut. Ganz anders bei einem

Thomas Holzer mit Stefan Maier (re.) in dessen „Haus der Musik“ in Bärnbach

kleine Combo, wenn du nur von draußen zuhörst“, erklärt Stefan Maier vom Musikhaus in Bärnbach das Phänomen. Er verkauft mehrere hundert Harmonikas im Jahr. Im Schnitt jeden Tag eine.

Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Die erste große Herausforderung ist die Koordination zwischen der Melodie und der Bass-Begleitung beim Spielen. Die linke Hand spielt die Melodie und die rechte Hand die Bass-Begleitung. Also was ganz anderes. Diese Koordination zu erlernen ist nicht einfach, aber ein gutes Training auch fürs Gehirn. Kinder tun sich

Foto: Adlmann Promotions / Sepp Pail, Adlmann Promotions / Carsten Klick Foto: Thomas Springer / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2016_ Heimatsound_Festival_Herbert_Pixner_Projekt_(20).jpg

Andreas Gabalier bringt seine Fans in Euphorie Hubert von Goisern: Erfinder des Alpenrock

Foto: Martin Schumann / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hu bert_von_Goisern(1).jpg

Auch Herbert Pixner ist seinen eigenen Weg gegangen Musizieren schon seit über 15 Jahren: Mario (Mitte) von den Pagger Buam

und der Hut vor dem deutschprachigen Musik-Vagabunden füllt sich mit Banknoten und Münzen.“

Ortswechsel. „I bin a Steirerbua und begeistert, dass ich Harmonika lernen darf. Da war ich nicht einmal noch fünf“, erinnert sich der Mario von den Pagger Buam zurück. Seit 29 Jahren spielt er die steirische

Obwohl die Steirische als Instrument in Wien ihren Siegeszug antrat, erlebte sie in der Steiermark eine besondere Beliebtheit und verbreitete sich schnell auf andere Bundesländer. Die Steirische Harmonika ist das ursprünglichste Instrument aller Akkordeontypen. Die frühe Entstehung geht aus dem „accordion“ des Erfinders Cyrill Demian hervor, der in Wien als Orgel- und Klaviermacher arbeitete und am 23. Mai 1829 dafür das Patent bekam. Unter Einfluss und Wünschen von Volksmusikanten entwickelte sich die Harmonika stetig weiter, bis 1850 das Modell feststand. Um 1870 war die Entwicklung vom Tonumfang bzw. Tonanordnung soweit fortgeschritten, dass es nur mehr wenige Veränderungen gab.

Blas- oder Streichinstrument, wo es viel Übung braucht, damit überhaupt ein Ton heraus kommt oder dieser auch sauber klingt.“

Das Geheimnis der Steirischen: Schon nach einem oder zwei Monaten kann man einfache Stücke zum Besten geben und damit in der Familie bei den Eltern für Rührung sorgen. „Das erste Stück ist meist die Ennstaler Polka, die auch ganz nett klingt“, so der Mario von den Pagger Buam. „Mit der Bass-Begleitung – da glaubst du, es spielt eine da leichter als Erwachsene, weil sie immer wieder und immer wieder üben, bis sie das beherrschen. Da fehlt den Erwachsenen oft die Geduld. Hinzu kommt, dass man sein Instrument ziehen – daher auch der Name Ziach – und zusammendrücken muss („Quetschn“). Also alles passiert gleichzeitig. Im Prinzip ist das wie bei der Mundharmonika. Du saugst an oder blast rein. „Als ich gelernt habe und jung war, da war die Steirische noch kein attraktives Instrument, war eher uncool. Cooler war die Gitarre. Heute

Die Steirische Harmonika ist ein diatonisches, wechseltöniges Handzuginstrument mit Knopf-Tastatur. Sie wird in der Volksmusik in Bayern, Österreich, Südtirol, Tschechien, Slowenien, sowie in etlichen weiteren Ländern verwendet. Das Wort „steirisch“ hat nur wenig mit dem Land Steiermark zu tun. Diese Bauart des Akkordeons wurde in Wien erfunden. Der Unterschied zu anderen diatonischen Akkordeons besteht in der Verwendung der stark klingenden Helikonbässe und dem Gleichton. Durch den diatonischen Aufbau ist sie besonders geeignet, alpenländische Volksmusik zu spielen, diese Musik wurde in Wien „steirisch“ genannt als Synonym für ländliche Musik, und daher wurde das neue Instrument Steirische genannt. Gängige „VulgoNamen“: Steirische, Ziehharmonika, Knöpferlharmonika, Harmonika, Harmonie, Zugorgel, im Dialekt Ziach, Ziacha, Ziachharmonie, Ziachorgel, Zugin und Quetschn, scherzhaft auch Faltenradio, Wanznpress, Zerrwanst oder Heimatluftkompressor.

Quelle: Harmonikaverband

ist das ganz anders.“ Und daher ist auch die Qualität, mit der die Jungen auf der Quetschn spielen, gewaltig gestiegen. Aber ein Phänomen ist geblieben: Man muss nicht unbedingt Noten lesen können, um die Steirische zu beherrschen. „Ein großer Teil kennt keine

Noten, spielt daher auch nicht nach Noten“, bemerkt Stefan Maier. Gelernt wird nach der sogenannten Griff-Schrift. Sie ist eine Notationshilfe. Legt man eben die drei Finger auf der Tastatur nebeneinander, so hat man einen Dreiklang. Und mit einem Griff kann man dann unterschiedliche Akkorde spielen.

Dieser Vorteil hat aber auch seine Nachteile. Die steirische Harmonika ist nach der diatonischen Tonleiter gestimmt. Die einfachsten Tastaturen auf ihr haben gar keine Moll-Töne. Aber natürlich kann man – und das ist wiederum der Vorteil – sich zusätzliche Tasten einbauen lassen. Jeder nach seinem Wunsch. Sodass dann all das gespielt werden kann, was man will. Je nach Lehrer und Schule gibt’s also verschiedene Belegungen auf der Tastatur. Die gängigste Belegung ist in B-Dur. Warum das so ist: Die Lehrer haben schon immer Einfl uss auf die Schüler genommen und damit hat sich das so entwickelt. „Das ist zum einen gut, aber eigentlich auch eine kleine Katastrophe“, so Stefan Maier. „Ein Akkordeon oder ein Klavier – das kaufst du dir und dann spielst du darauf für Jahre. Bei der Quetschn ist es so, dass viele Künstler, viele Schüler zumindest zwei oder drei Instrumente dann im Laufe der Jahre zu Hause haben. Weil jede eben eine spezielle Tastatur hat bzw. die Tastatur mit speziellen Tönen belegt ist.“ Er nennt das Beispiel eines obersteirischen Fans, der sich im Vorjahr 12 Instrumente gekauft hat und jedes klingt anders. Er spielt sie aber auch sehr oft. Ab 4.000 Euro aufwärts geht’s los im Harmonika-Geschäft. Aber auch Geräte mit 15.000 Euro und mehr sind keine Seltenheit.

Längst hat die Steirische auch Einzug in den Jazz, Austropop gefunden, ist nicht mehr nur auf die traditionelle Volksmusik beschränkt. Ein Hubert von Goisern oder ein Herbert Pixner, die ihren eigenen Weg gegangen sind und einen neuen Stil kreiert haben, werden bei ihren Auftritten gefeiert. Andreas Gabalier wiederum hat für einen echten Hype gesorgt. „Ihm gebührt dafür das Verdienstkreuz“, obwohl er selbst gar nicht wirklich spielen kann.

Musizieren schon seit über 15 Jahren: Mario (Mitte) von den Pagger Buam

Foto: zVg

Heimatgefühl

Und da passt zum Abschluss auch eine Geschichte hinein, die es gegeben hat: Eine Frau kauft eine Quetschn und sagt, sie möchte was Besonderes. Als ihr der bekannte Trompeter Toni Maier in seinem Musikhaus in Bärnbach/Rosental dann seine beste und teuerste zeigt, die er im Geschäft hat, bittet er die Kundin, diese auszuprobieren. Sie sagt: „Nein, danke“, zieht ein wenig daran und entlockt der Quetschn einige Töne und freut sich darüber. „Die nehme ich. Wissen Sie, ich kann nicht spielen. Ich lebe in Australien. Und wenn ich die Töne dann dort höre, dann klingt das für mich sofort nach Heimat. Und das ist wunderschön.“

„Musik fürs Herz fasziniert Jung und Alt“

Simon Gspurning (li.) hat den „Steirischen Harmonikawettbewerb 2021“ gewonnen. Mitglied der Jury: Christian Hartl, Geschäftsführer des Steirischen Volksliedwerk und Musikschuldirektor in Eisenerz.

„Der Simon übt regelmäßig, aber net stundenlang, wie manche glauben. Er hat offensichtlich Talent“, sagt seine Mutter. Sie selbst spielt Querfl öte, die Tochter Klarinette und sie stehen auch als „Familienmusik Gspurning“ auf der Bühne. „Für den Simon war die Harmonika von Anfang an sein Instrument, weil er da gleich ,richtige Töne‘ spielen hat können.“ Das Musische hat im Hause Gspurning in Edelschrott viel Tradition. Simon wird dennoch keine Musiker-Laufbahn einschlagen, sondern die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Raumberg (Ennstal) besuchen, um später im elterlichen Viehzucht-Betrieb mitzuarbeiten. Aber natürlich wird er seiner Harmonika treu bleiben und weiterhin das Publikum mit seiner Art zu spielen begeistern. „Den nächsten Auftritt“, so die Mutter, „gibt’s beim PrimaLa-Musica-Wettbewerb am 31. März in Graz.“

Christian Hartl, Geschäftsführer vom Steirischen Volksliedwerk spielt selbst Harmonika und ist erfreut und beeindruckt, wie das Niveau der Teilnehmer beim „Steirischen Harmonikawettbewerb“ gestiegen ist. „Die Musik mit der Harmonika vermittelt das Gefühl von Heimat, ist bodenständig, erinnert an die Natur, wo man sich wohlfühlt“, beschreibt Hartl die Faszination. Er ist auch Musikschuldirektor in Eisenerz. „Bei uns daheim ist immer gesungen und gespielt worden.“ Was Kinder begeistert: „Beim Zitherlernen brauchst du zum Beispiel eineinhalb Jahre für einen g’scheiten Ton. Mit der Harmonika kann man, wenn man einigermaßen geschickt ist, schon nach zwei Monaten mehrstimmig eine Melodie mit Bassbegleitung spielen und es klingt wie ein ganzes Orchester. Und diese Begeisterung geht durch alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Die Steirische kann fl exibel eingesetzt werden in der Popular-, Popmusik, im Schlager, mit den verschiedensten Klangfarben. Jeder kann sich durch die Knopfbelegung, durch Bass-Systeme praktisch sein eigenes Instrument bauen lassen. Gestiegen in den letzten Jahren ist stark das Niveau, weil auch die Musiklehrer besser ausgebildet sind.“ Zur Lehr- und Lernmethode: „Bevor wir Schreiben und Rechnen lernen, lernen wir Sprechen. Daher funktioniert das mit der Harmonika auch so – vor- und nachspielen. Ich fi nde das gut, weil das fördert das freie Musizieren, wie es eben auf der Alm oder im Wirtshaus passiert.“

Quetschn Academy

Thomas Holzer (er hatte die Idee dazu) gründete im Jahre 2016 mit Stefan Kern die Quetschn Academy. Beide sind der Steirischen „verfallen“. Holzers Idee war, Lernvideos zur steirischen Harmonika zu machen, damit sich jeder den Traum vom Quetschnspielen erfüllen kann. Er ist der Organisator in der Quetschn Academy. Stefan Kern gewann 2011 den steirischen Harmonikawettbewerb. Seine Devise: „Alles ist möglich, jeder kann es schaffen.“ Er hat „drei Wochen“ Chemiestudium hinter sich. Das Duo hat bisher über 200 Lernvideos produziert und hat nach eigenen Angaben 24.000 registrierte Nutzer, die natürlich dafür in die Tasche greifen müssen. www.quetschn.academy

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